Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Großen Anfragen befassen sich, wie aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer bereits hervorging, mit drei Personengruppen aus dem Kreise der jugendlichen Flüchtlinge: einmal mit den Studenten aus der SBZ, die bereits ihr Studium in der Bundesrepublik aufgenommen haben, dann mit Studenten und Abiturienten, die zunächst ihre Nachtragsreifeprüfung ablegen müssen, und schließlich mit Schülern, die ihre Schulausbildung in der Bundesrepublik fortsetzen wollen. Ich bitte mir zu gestatten, daß ich diese drei Gruppen von jugendlichen Flüchtlingen getrennt behandle, was freilich eine gewisse Abweichung von der Reihenfolge der Fragen, in der diese in den Drucksachen 1967 und 1968 gestellt sind, mit sich bringen wird.
Ganz allgemein darf ich vorausschicken, daß sich die Bundesregierung aller dieser jugendlichen Sowjetzonenflüchtlinge in zweifacher Hinsicht annimmt. Einmal soll durch Ausbildungsbeihilfen die Fortsetzung der durch die Flucht unterbrochenen Schul- oder Berufsausbildung ermöglicht werden, und zum zweiten sollen neben diesen Hilfen, die dem einzelnen Jugendlichen zugedacht sind, weitere Zuschüsse, insbesondere aus dem Bundesjugendplan, treten, die an diejenigen Einrichtungen der Jugendhilfe gehen, die zur gesellschaftlichen Eingliederung der jugendlichen Flüchtlinge bestimmt sind.
Ich darf mich zunächst mit den geflüchteten Studenten befassen. Zu den Fragen in Ziffer 1 und 6 der Drucksache 1967 ist folgendes zu bemerken: In den ersten neun Monaten des Rechnungsjahrs 1955 haben 1669 Studenten ihr Studium an westdeutschen Universitäten aufgenommen und die von Herrn Abgeordneten Dr. Mommer erwähnte Förderung aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern — Tit. 625 — erhalten. Die Flüchtlingsstudenten erhalten für eine begrenzte Zeit eine Beihilfe, die ihnen die Eingliederung in die Bundesrepublik und die Aufnahme ihres Studiums erleichtern soll. Die Hilfe wurde bisher auf die ersten beiden Semester nach der Aufnahme des Studiums in der Bundesrepublik beschränkt, in der Erwägung, daß das „soziale Defizit", das in der speziellen Flüchtlingssituation liegt, nach zwei Semestern so weit ausgeglichen sein werde, daß der geflüchtete Student seinen westdeutschen Kommilitionen gleichgestellt werden könne. Die inzwischen gesammelten Erfahrungen haben aber erkennen lassen, daß den aus der Flüchtlingssituation sich ergebenden besonderen Notständen — insbesondere ist zu bedenken, daß der geflüchtete Student meist völlig allein dasteht — durch eine Förderung während zwei Semestern nicht ausreichend begegnet werden kann. Die Bundesregierung ist deshalb bereit, die Förderung für Flüchtlingsstudenten auf drei Semester auszudehnen,
wie das auch in dem interfraktionellen Antrag Drucksache 2034, der in einer der letzten Plenarsitzungen angenommen worden ist, gefordert wurde.
— Ich komme noch darauf zurück.
Der Ansatz bei Tit. 625 ist in der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses bereits entsprechend bemessen worden.
Die Flüchtlingsstudenten haben bisher nach Beendigung der eben erwähnten Förderungsmaßnahmen ihr Studium in folgender Weise weiterführen können: 43 % haben eine Ausbildungsbeihilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz erhalten. 17 % haben eine entsprechende Beihilfe nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten; davon waren 7 % Kriegsbeschädigte und 10 % Kriegswaisen. Das sind also die 60 %, von denen Herr Abgeordneter Dr. Mommer bereits gesprochen hat, die ohne Schwierigkeiten ihr Studium fortsetzen können. Die restlichen 40 % nehmen größtenteils an der Begabtenförderung oder der allgemeinen Förderung über das Studentenwerk teil. Es darf erhofft werden, daß die Länder in der allgemeinen Studentenförderung, die zu ihrer Zuständigkeit gehört, ihr besonderes Augenmerk den Flüchtlingsstudenten zuwenden oder soweit notwendig in Zukunft noch stärker zuwenden werden.
Ziffer 5 in Drucksache 1967: Die Bedingungen für die nunmehr dreisemestrige Beihilfe des Bundesministeriums des Innern sind folgende:
1. Notaufnahme,
2. Aufnahme des Studiums an einer westdeutschen oder Berliner Hochschule.
. 3. Diejenigen Studenten, die eine Ausbildungsbeihilfe von anderen Stellen zu erwarten haben, treten diese an den Verband deutscher Studentenwerke ab und erhalten dafür die Beihilfe des Bundesministeriums des Innern.
4. Ein Förderungsausschuß an jeder Hochschule stellt fest, ob die Voraussetzungen für die Beihilfe im einzelnen vorliegen.
In der Ziffer 8 der Drucksache 1967 wird über die Situation der Flüchtlingsstudenten hinaus nach den allgemein in der Bundesrepublik üblichen Förderungsmaßnahmen für die Studentenschaft gefragt. Ich darf dabei vorausschicken, daß es sich hierbei im wesentlichen um Aufgaben der Länder handelt. Es ist bereits erwähnt worden, daß in der Bundesrepublik etwa 27 % der Studenten Stipendien oder Beihilfen aus öffentlichen Mitteln erhalten. Es entfallen dabei auf die allgemeine Begabtenförderung durch Studienstiftung, Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, Begabtenförderung des Bayerischen Kultusministeriums, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Stiftung „Mitbestimmung" und andere 1,59% der deutschen Studentenschaft. Es entfallen auf die zweckgebundene Begabtenförderung, also die Förderung des Nachwuchses in bestimmten Wissenschaftszweigen, 0,7%. 14,5 % der Gesamtzahl der Studenten erhalten Erziehungsbeihilfen nach den verschiedenen Gesetzen über Kriegsfolgeschäden: Lastenausgleichsgesetz, Heimkehrergesetz, Bundesversorgungsgesetz. Die allgemeine Studentenförderung — Gebührenerlaß, Beihilfen über die Studentenwerke und andere Maßnahmen — kommt 10 % der Studentenschaft zugute. Diese 10 % erhalten eine teilweise Förderung im Durchschnittsbetrage von 553 DM jährlich, während die übrigen Förderungsmaßnahmen, die ich eingangs schilderte, zwischen 1420 und 1880 DM .jährlich liegen, also etwa dreimal so hoch sind.
Es ist hier und heute nicht meine Aufgabe, kritisch zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das heutige, zum Teil recht langwierige und unübersichtliche Förderungsverfahren nicht wesentlich verbessert werden sollte und ob nicht in stärkerem Maße mit jeder Förderung auch die Auslese der Begabungen verbunden werden müßte. Ich darf hierzu auf die bemerkenswerten Empfehlungen verweisen, die im Oktober 1955 auf der Hochschulreformkonferenz in Bad Honnef beschlossen worden sind. Diese Empfehlungen schlagen mit beachtlichen Gründen das Modell einer hochschulgerechten Förderung vor, über dessen Übernahme die Länder zu entscheiden haben werden.
Ich fasse nochmals dahin zusammen, daß in der Bundesrepublik 17 % der Studentenschaft ganz und 10 % der Studentenschaft teilweise aus öffentlichen Mitteln durch Stipendien oder Beihilfen gefördert werden. Es trifft zu, daß in Frankreich 54 % und in England 71 % der Studenten Stipendien erhalten. Zum Verständnis dieser ausländischen Zahlen muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß in England und Frankreich ein strenges Ausleseverfahren für alle gilt, die zur Universität kommen. Die ausländischen Prozentzahlen beziehen sich also auf eine bereits ausgelesene und daher von vornherein begrenzte Studentenschaft.
— Jedenfalls ist der Unterschied doch der, daß in Deutschland das Prinzip des freien Zugangs zur Universität für jeden Abiturienten gilt. Danach ist festzustellen, daß die englischen und französischen Prozentzahlen sich wegen der unterschiedlichen Prinzipien des Zugangs zur Universität nicht ohne weiteres mit den deutschen Zahlen vergleichen lassen.
Ich möchte nunmehr auf die in der Drucksache 1968 gestellten Fragen nach den geflüchteten Abiturienten eingehen, wobei unter Abiturienten auch diejenigen Studenten zu verstehen sind, die bereits in der sowjetischen Besatzungszone studiert haben, aber die Nachtragsreifeprüfung noch ablegen müssen. Eine solche Nachtragsreifeprüfung ist auf Grund von Beschlüssen der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder für die Anerkennung der SBZ-Hochschulzugangszeugnisse bei denjenigen Studenten und Abiturienten notwendig, die ein derartiges Zeugnis nach dem 31. Dezember 1950 erworben und nicht mindestens ein Studienjahr in der SBZ studiert haben. Die Kultusministerkonferenz sieht die Möglichkeit des Besuchs von Sonderkursen vor, die den notwendigen Reife-und Kenntnisstand vermitteln sollen. Bis zum Beginn des Wintersemesters 1955/56 haben sich insgesamt 6533 Abiturienten, 4000 in Berlin und 2533 in der Bundesrepublik, einer Sonderprüfung unterzogen. Von diesen gingen in Berlin 2770 und in der Bundesrepublik 448 durch die von den Ländern eingerichteten Sonderkurse. 884 Abiturienten bereiten sich gegenwärtig auf die Nachtragsreifeprüfung vor. 297 sind zur Zeit ohne pädagogische Betreuung, — ein Beweis für die Notwendigkeit einer Vermehrung von Förderungsmöglichkeiten. Es ergeben sich zur Zeit sehr unliebsame Wartezeiten von sechs Monaten und darüber. Weiter gibt es eine Zahl von Abiturienten, die sich durch privaten Unterricht auf die Nachtragsreifeprüfung
vorbereiten. Das Bundesministerium des Innern hat im Rechnungsjahr 1955 aus den Mitteln des Bundesjugendplans für diese etwa 300 Abiturienten 100 000 DM zur Verfügung gestellt.
Ziffer 3 der Drucksache 1968: Bei der Förderung von Vorbereitungskursen ist zu unterscheiden zwischen den Mitteln für die Einrichtung und den Ausbau von Vorbereitungsplätzen und den Mitteln für den Lebensunterhalt der Kursteilnehmer. Für die Einrichtung von Plätzen ist im Bundesjugendplan 1956 unter den SBZ-Mitteln ein Betrag von insgesamt 850 000 Mark vorgesehen. Hieraus sollen Zuschüsse für die Einrichtung von neuen Plätzen gegeben werden. Der Lebensunterhalt während des Besuchs der Vorbereitungskurse kann durch Ausbildungsbeihilfen nach den bereits erwähnten gesetzlichen Vorschriften oder durch Leistungen der öffentlichen Fürsorge gesichert werden.
Trotz dieser Beihilfemöglichkeiten entstehen häufig nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die besondere Lage der Abiturienten macht eine Zusammenfassung in Schwerpunkten notwendig, um die erforderlichen erzieherischen Maßnahmen zu ermöglichen. Als alleinstehende Jugendliche können sie in der Regel, insbesondere wenn sie in einem Heim untergebracht sind, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Fürsorgerechts begründen. Damit ist das Angebot des Bundes, 80 % der Kasten im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe als verrechnungsfähig anzuerkennen, von der Mitwirkung des örtlichen Fürsorgeverbandes abhängig, die leider nicht immer zu erreichen ist.
Die Hilfe, die von der öffentlichen Hand gewährt werden kann, ist in jedem Einzelfall von einer verwaltungsmäßigen Prüfung abhängig, deren Dauer unterschiedlich ist. Es ist nicht selten, daß z. B. ein Rentenverfahren nach dem Bundesversorgungsgesetz eine ganze Reihe von Monaten, vielleicht sogar noch längere Zeit in Anspruch nimmt. Der Träger der Förderungsmaßnahmen für den Jugendlichen kann aber nicht immer die Kosten für den Lebensunterhalt so lange übernehmen, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Zu einer derartigen Zwischenfinanzierung ist er meist nicht in der Lage. Auch sind die Träger der Förderungsmaßnahmen häufig zu wenig mit der leider festzustellenden Vielfalt der einzelnen Vorschriften vertraut, um den Betreuten hierbei eine ausreichende Beratung und Unterstützung zuteil werden zu lassen.
In Erkenntnis all dieser Schwierigkeiten wurde in dem interfraktionellen Antrag ein Garantiefonds gefordert. Ein solcher Fonds würde zwei Aufgaben haben. Einmal würden solche Jugendliche, für die keine Beihilfemöglichkeiten auf Grund der geltenden Gesetze bestehen, entsprechende Beihilfen aus dem Fonds erhalten. Insoweit würde der Fonds ein Zuschußfonds sein. Zugleich aber müßten aus dem Fonds zum Ausgleich der geschilderten Verzögerung Vorschüsse gezahlt werden können, die dann von den endgültigen Kostenträgern zu erstatten wären. Insoweit würde es sich um einen Vorschußfonds handeln. Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat bereits bei der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/CSU, Drucksache 1961, in der Plenarsitzung vom 9. Februar mitgeteilt, daß die Bundesregierung zur Zeit die Schaffung eines Zuschuß- und Vorschußfonds berate. Ich darf annehmen, daß die dafür bestehenden Möglichkeiten
bei der Beratung des Haushalts des Bundesministeriums des Innern für 1956 im Haushaltsausschuß in den nächsten Tagen noch im einzelnen zu erörtern sein werden. Ich darf bereits jetzt erklären, daß für den Zuschußteil eines solchen Fonds die Bundesregierung die erforderlichen Beträge auf alle Fälle zur Verfügung stellen wird. Wegen der Einrichtung eines Vorschußfonds wird es zunächst noch einer gewissen Abklärung mit den endgültigen Kostenträgern — Lastenausgleich usw. — bedürfen.
Frage 5 in der Drucksache 1968: Die Länderregierungen sind bereits durch eine Denkschrift
des Bundesministeriums für Vertriebene vom
10. November 1955 auf die besondere Situation
der geflüchteten Abiturienten aufmerksam gemacht worden. Unter nochmaligem Hinweis auf
die große politische Bedeutung des Problems der
geflüchteten Abiturienten erscheint es der Bundesregierung notwendig, daß durch die hierfür zuständigen Länder Plätze in Vorbereitungskursen
in größerer Anzahl zur Verfügung gestellt werden und daß in allen Verwaltungsbereichen bei
der Auszahlung von Beihilfen ein schnelles und
unbürokratisches Verfahren angewendet wird. Oft
ist die Art und Weise, in der der jugendliche
Flüchtling bei seiner ersten Begegnung mit west-
deutschen Behörden behandelt wird, entscheidend
für seine gesamte Einstellung zu unserem Staat.
Wir sollten keine Gelegenheit auslassen, um dem jugendlichen Flüchtling zu zeigen, daß wir ihn nicht enttäuschen, sondern daß wir ihn ernst nehmen.
Ich darf zu der Frage der Oberschüler kommen, die nicht Abiturienten sind, und zur Frage der 1 Fachschüler, Ziffer 2 in der Drucksache 1967: In den Monaten vom 1. April bis zum 31. Dezember 1955 wurden insgesamt 47 132 alleinstehende jugendliche Flüchtlinge gezählt. Die Zahl der Jugendlichen im Familienverband konnte nicht ermittelt werden. Auch konnte die Zahl der Oberschüler, da sie nicht besonders erfaßt werden, nicht festgestellt werden.
Ziffer 3 der Drucksache 1967: Eine Hilfe, die den geflüchteten Oberschülern die Fortsetzung der unterbrochenen Schulausbildung ermöglichen soll, muß sowohl in der Bereitstellung von Nachschulungsmöglichkeiten in Förderklassen als auch in Beihilfen zum Lebensunterhalt bestehen. Die Einrichtung von Nachschulungsplätzen fällt in die Zuständigkeit der Länder. Im Rechnungsjahr 1955 gab aber das Bundesministerium des Innern Zuschüsse dazu aus den SBZ-Mitteln des Bundesjugendplans. Für das Rechnungsjahr 1956 ist vorgesehen, ebenfalls Zuschüsse zur Finanzierung von Nachschulungsplätzen aus den erwähnten Mitteln zu geben, und zwar bei Plätzen mit Internat bis zu 500 DM und bei Plätzen ohne Internat bis zu 140 DM je Platz. Wegen der Beihilfen zum Lebensunterhalt darf ich auf die Ausführungen verweisen, die ich bezüglich der Abiturienten gemacht habe.
Ziffer 4 der Anfrage Drucksache 1967: Von der gegenwärtigen Förderung sind folgende Gruppen von Fachschülern und Oberschülern nicht erfaßt:
1. Vertriebene, die nach dem 11. Juli 1945 ihren Wohnsitz in der SBZ oder in Berlin genommen haben;
2. Zuwanderer ohne anerkannten politischen Fluchtgrund;
3. jugendliche Aussiedler im Sinne des § 1 Abs. 2 Ziffer 3 des Bundesvertriebenengesetzes;
4. Schüler der 5. bis 7. Klasse und 5. Fachschüler, die weniger als die Hälfte ihrer Ausbildung voll(ndet oder in der SBZ ihr 18. Lebensjahr erreicht haben und damit nach dem dortigen Recht volljährig wurden, und schließlich Fachschüler mit abgeschlossener Ausbildung. Ich darf bemerken, daß in all diesen eben von mir erwähnten Fällen die notwendigen Voraussetzungen für eine künftige Förderung durch Verordnung oder durch Erlaß geschaffen werden sollen.
Weiter können nicht gefördert werden Schüler, die das Bundesnotaufnahmeverfahren nicht beantragen. Diese Schüler müssen das Verfahren notfalls schriftlich nachholen. Schüler, die im Familienverband kamen und zusammen mit der Familie im Bundesnotaufnahmeverfahren abgelehnt wurden, sollen das Verfahren für sich allein nachholen. Beide Gruppen sollen im Fall der Aufnahme eine Hilfe erhalten. Weiter wurden bisher die Oberschüler und Abiturienten nicht gefördert, die keine Ausbildungsbeihilfen nach den erwähnten gesetzlichen Bestimmungen oder nach Fürsorgerecht erhalten, und schließlich — Herr Abgeordneter Dr. Mommer hat es bereits erwähnt — die Absolventen von „Arbeiter- und Bauernfakultäten", d. h. von Vorstudienanstalten, die in drei Jahren politisch zuverlässige oder doch wenigstens als politisch zuverlässig erscheinende Jugendliche auf das Universitätsstudium vorbereiten. Diese konnten bisher nicht gefördert werden, da ihre Zeugnisse in der Bundesrepublik nicht als Reifezeugnisse anerkannt werden, und zwar auch dann nicht, wenn sie in der SBZ mehr als ein Jahr auf einer Universität studiert hatten. Das gleiche gilt von den Studenten, die entweder ohne Reifezeugnis über ein Technikum zur Universität gekommen sind oder an Sonderhochschulen wie etwa der „Hochschule für Planökonomie" oder der „Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften Walter Ulbricht" studiert haben. Hier dürfte die Ständige Konferenz der Kultusminister berufen sein, ein Verfahren zu überlegen, um die wirklich Begabten durch eine geeignete Auswahl festzustellen, sie gesellschaftlich einzugliedern und ihnen dann die Möglichkeit zu weiterer schulischer Ausbildung zu geben.
Nach Schaffung des erwähnten Vorschuß- und Zuschußfonds wird es möglich sein, auch diesen bisher nicht geförderten Gruppen Ausbildungsbeihilfen zu gewähren.
Die Frage der Härtefälle bei den Studenten wird, wenn man erst einen gewissen Begriff davon hat, unter welchen Voraussetzungen Härtefälle anzuerkennen sind, bei den Richtlinien zu Tit. 625 erledigt werden.
In Ziffer 7 der Großen Anfrage Drucksache 1967 ist nach den politischen Häftlingen unter den geflüchteten Studenten und Schülern gefragt. Bisher sind 248 politische Häftlinge unter den Studenten gezählt worden. Die Zahl unter den Schülern konnte nicht ermittelt werden.
Die politischen Häftlinge unter den Studenten haben aus Tit. 625 Sonder Beihilfen erhalten. Freizeiten wurden für sie mit Mitteln des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen abgehalten. Die politischen Häftlinge unter den Schülern werden in einem in Göttingen eingerichteten
und vom niedersächsischen Kultusministerium finanzierten Sonderkursus auf das Abitur vorbereitet.
Ich darf zum Schluß auf die in Ziffer 9 der Drucksache 1967 gestellte Frage eingehen. Hier wird gefragt, ob sich die Bundesregierung der Bedeutung des Problems der jugendlichen Flüchtlinge in der Bundesrepublik bei der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus bewußt sei. Ich glaube, daß aus meinen Ausführungen hervorgeht, daß die Bundesregierung diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantwortet. Selbstverständlich genügen materielle Sicherungen allein nicht, um junge Menschen gegen kommunistische Einflüsse zu sichern. Aber zunächst geht es doch einmal darum, den Studenten und Schülern mit den materiellen Sicherungen zugleich auch die Voraussetzung für ihre Ausbildung zu geben und ihnen damit zu einem eigenen festen Standort im Leben zu verhelfen. Erreichen die jugendlichen Flüchtlinge ihr Ausbildungsziel und damit eine gesicherte Position, so werden sie nicht nur krisenfest sein, sondern es wird damit dem deutschen Volk auch eine ganz besondere geistige Substanz erhalten, die wir gerade unter diesen jungen Menschen zu unserer Freude immer wieder feststellen können. Das Erlebnis einer jahrelangen Unfreiheit und Unterdrückung hat in ihnen in ganz besonderer Weise jene nüchterne Wachheit der Beobachtung und abseits von jedem müden Skeptizismus jene Gabe zu einer objektivierenden Kritik entwickelt, die mir eine der ersten Voraussetzungen und eines der wesentlichsten Elemente der Bekämpfung des Kommunismus und für die Entwicklung einer echten demokratischen Lebensform zu sein scheint.