Rede:
ID0212800700

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 128. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1956 6661 128. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1956. Mitteilung über Vorlage von Berichten über die Preise bei militärischen Aufträgen (Drucksache 2073) und über die Frage der finanziellen Maßnahmen zur Erneuerung und zum Ausbau der Schiffahrt- und Fischerei-Tonnage (Drucksache 2076) . . 6661 C Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Eingliederung von Flüchtlingen, Vertriebenen, Evakuierten und Heimkehrern (Drucksache 1961) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Politik der Bundesregierung in den Angelegenheiten der Vertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Evakuierten (Drucksache 1896), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (Drucksache 1965) und mit der Ersten Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ausgleichsleistungen an Sowjetzonenflüchtlinge (Drucksache 1966) 6661 C Kuntscher (CDU/CSU), Anfragender 6661 D Dr. Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte . . . . 6667 C, 6685 A Jaksch (SPD), Antragsteller 6680 A, 6682 A, 6691 C Niederalt (CDU/CSU) 6682 A Dr. Klötzer (GB/BHE), Antragsteller 6685 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . 6687 D, 6691 C Rehs (SPD) 6692 B Dr. Czermak (FDP) 6696 A Weiterberatung vertagt 6698 C Nächste Sitzung 6698 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6698 C Die Sitzung wird um 14 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Lulay 7. 4. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 1. 4. Dr. Kopf 31. 3. Böhm (Düsseldorf) 3. 3. Graaff (Elze) 3. 3. Dr. Hammer 3. 3. Mensing 1. 3. Meitmann 29. 2. Peters 29. 2. Dr. Starke 28. 2. Dr. Eckhardt 25. 2. Glüsing 25. 2. Mellies 25. 2. Dr. Pohle (Düsseldorf) 25. 2. Schmidt (Hamburg) 25. 2. Srock 25. 2. Gleisner (Unna) 18. 2. Hörauf 13. 2. Dr. Arndt 11. 2. Bauer (Wasserburg) 11. 2. Eberhard 11. 2. Kriedemann 11. 2. Dr. Lenz (Godesberg) 11. 2. Maier (Stuttgart) 11. 2. Morgenthaler 11. 2. Pelster 11. 2. Siebel 11. 2. Bauknecht 10. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 10. 2. Dr. Blank (Oberhausen) 10. 2. Even 10. 2. Gockeln 10. 2. Hilbert 10. 2. Kemper (Trier) 10. 2. Lemmer 10. 2. Dr. Miessner 10. 2. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 10. 2. Müller-Hermann 10. 2. Naegel 10. 2. Raestrup 10. 2. Scheel 10. 2. Frau Dr. Steinbiß 10. 2. Dr. Will 10. 2. Dr. Berg 9. 2. Fuchs 9. 2. Geritzmann 9. 2. Hansen (Köln) 9. 2. Heiland 9. 2. Kinat 9. 2. Kühlthau 9. 2. Dr. Mocker 9. 2. Dr. Schellenberg 9. 2. Schmitt (Vockenhausen) 9. 2. Dr. Schranz 9. 2. Spörl 9. 2. Graf von Spreti 9. 2. Sträter 9. 2. Varelmann 9. 2. Dr. Welskop 9. 2. Wolf (Stuttgart) 9. 2. b) Urlaubsanträge Ladebeck 10. 3. Dr. Orth 10. 3. Dr. von Merkatz 10. 3. Krammig 25. 2. Odenthal 18. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wenzel Jaksch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte, gern.


Rede von Alois Niederalt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege, darf ich dazu eine Frage stellen. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es im Interesse der Heimatvertriebenen viel, viel besser ist, wenn wir uns bemühen — wie wir dies nicht nur seit Monaten, sondern schon seit Jahren machen —, gerade in diese Notstandsgebiete Arbeit durch Industrie hineinzubringen? Ich weiß, daß diese Bemühungen nicht sofort von Erfolg gekrönt sein können. Sind Sie nicht mit uns der Auffassung, daß das ein viel besserer Weg ist, als wenn wir jetzt die Heimatvertriebenen, die sich mühsam seit sechs, acht oder zehn Jahren festgesetzt haben und sich schon wieder eine gewisse zweite Heimat erworben haben, wieder verpflanzen?

(Abg. Petersen: Wieviel Jahre brauchen Sie denn noch?)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wenzel Jaksch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, diese Frage habe ich zum Teil schon beantwortet, aber weil Sie mich darauf ansprechen, noch eine Bemerkung dazu. Ich habe noch keinen Heimatvertriebenen kennengelernt, der aus einem Notstandsgebiet weggegangen ist, wenn er dort Arbeit in Aussicht hatte. Aber aus dem Problem, das Sie aufwerfen, ergibt sich die Gegenfrage, wie lange diese Menschen noch warten können.

    (Abg. Rehs: Richtig!)

    Das ist doch die Frage! Wenn man sich die Verhältnisse in den Zonengrenzgebieten ansieht, auch ein wenig in dem östlichen Grenzgebiet Bayerns, so kann man doch die Augen nicht davor verschließen, daß die Lage schon länger etablierter Industrien auch problematisch geworden ist und daß es auch dort Schwierigkeiten gibt.
    Dann noch etwas — das möchte ich abschließend auf diese Frage sagen —: Bei der Beschaffung von Arbeitsplätzen kommt es auf den guten Willen der Unternehmer an, in ein Notstandsgebiet zu gehen. Wenn dieser Interessent nicht in das Notstandsgebiet gehen will, weil es ihm dort nicht gefällt, dann können Sie ihn einfach nicht hinbringen. Die Menschen, die in solchen Gegenden immerhin schon jahrelang auf Arbeit warten, dürfen nicht einem Zustand ausgesetzt bleiben, der sie so zermürbt, daß auch die Arbeitsbeschaffung zu spät kommt.
    Noch zum Thema der Bundesumsiedlung, das in den Ausführungen des Herrn Bundesministers für Vertriebene recht kurz angesprochen worden ist und das immerhin für 400 000 Menschen im Lande eine Schicksalsfrage ist — denn zum bloßen Vergnügen wandern die Menschen, die die Austreibung hinter sich haben, nicht weiter; sie müssen doch, wenn sie sich zur Umsiedlung melden, das Gefühl haben, daß sie am falschen Platze eingewiesen sind und daß dort für sie keine Zukunft wartet. Wir wollen also im Hinblick auf diesen ganz bedenklichen Standpunkt des Herrn Bundesfinanzministers klarstellen, daß die arbeitslosen Heimatvertriebenen nicht zum Objekt der Wirtschaftspolitik gemacht werden dürfen. Es wäre ein schweres Unrecht, wenn man die bisherige, erprobte Umsiedlungspolitik auf das Gebiet der Familienzusammenführung beschränken würde. Das Leben ist doch viel reichhaltiger als eine solche bestechend einfache Formel.
    Nehmen Sie z. B. den Fall der Stadt Frankfurt. Ich habe hier den Bericht des Oberbürgermeisters von Frankfurt vorliegen. Aus ihm geht hervor, daß schon im Vorjahre in Frankfurt 450 Familien auf die Einreihung in die Bundesumsiedlung gewartet haben. Darunter waren 45 Familien, die in Notunterkünften lebten, die dort wieder in Baracken eingezogen sind.

    (Abg. Dr. Czaja: Aber das ist Familienzusammenführung!)

    — Herr Kollege, das ist ein Irrtum. In den Fällen, von denen ich jetzt spreche, hat die Familie das Schicksal der Zerreißung nicht in Kauf nehmen wollen. Die Frau und die Kinder sind lieber in die Baracke mitgegangen, um nicht allein sitzenzubleiben, weil sie dann bei einer doppelten Haushaltsführung nicht hätten auskommen können. So werden hier neue Wohnungsnotstände geschaffen.

    (Abg. Dr. Czaja: Aber die fallen unter das Programm der Familienzusammenführung!)

    — Herr Kollege Czaja, wer schon mit seiner Familie am Ort lebt, wo er Arbeit gefunden hat,

    (Abg. Dr. Czaja: Aber nicht untergekommen ist!)

    der fällt nicht mehr unter die Familienzusammenführung, sondern muß sich beim Wohnungsamt an letzter Stelle anstellen.

    (Abg. Dr. Czaja: Gerade die wollen wir berücksichtigen!)

    — Nein, Herr Kollege, —

    (Abg. Schütz: Das können wir hier nicht ausdiskutieren; aber das ist ein echtes Problem!)

    — Herr Kollege, ich sage Ihnen: es ist schwer, wenn man aus dem Personenkreis der Umzusiedelnden einmal herausgefallen ist, wieder hineinzukommen. Die bisherigen Erfahrungen sagen darüber genug. Aber der Heimatvertriebene, der in den Abgabeländern wohnt, ist nicht bloß vom Standpunkt des Arbeitskraftbedarfs zu beurteilen. Wir haben doch z. B. Fälle, daß die Eltern pflegebedürftig geworden sind und ihren Kindern nachziehen wollen, die in einem Aufnahmeland untergekommen sind. Was sagen wir denn diesen Menschen, wenn sie zu uns kommen und uns anflehen, wir sollten es möglich machen, daß sie als kranke, pflegebedürftige Leute in die Nähe ihrer Kinder kommen? Wer mit Umsiedlung zu tun hat, der hat es hier auch mit der Vielfalt der Nöte der Menschen zu tun, auch mit dem Problem der Halbfamilien und mit dem Problem der alleinstehenden Personen. Deshalb wollte ich heute für die uneingeschränkte Fortführung der Bundesumsiedlung eine Lanze brechen,

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE)



    (Jaksch)

    weil sie das Herzstück der bisherigen Eingliederungspolitik ist und weil es ein Rückschritt wäre, wenn wir davon abgingen.
    Freilich, meine Damen und Herren — ich will es noch kurz sagen —, was wir heute vom Herrn Bundesminister über die Finanzierungsseite der weiteren Umsiedlung gehört haben, war ziemlich unbefriedigend.

    (Abg. Schütz: Warum?)

    — Warum, Kollege Schütz? Das werde ich Ihnen gleich sagen. Über den Ausweg der Vorfinanzierung, über die 150 Millionen DM, wie wir gehört haben, vollzieht sich das Herausgehen des Bundes mit seiner finanziellen Verpflichtung.

    (Abg. Kuntscher: Na, na!)

    — Bitte, ich lasse mich überzeugen; der Herr Bundesminister hat die Möglichkeit, mich zu korrigieren. Nach dem, was wir hier gehört haben, werden Haushaltsmittel des Bundes für die Fortsetzung der Bundesumsiedlung nicht mehr eingesetzt werden.

    (Richtig! bei der SPD.)

    Im Wege der Vorfinanzierung wird dem Lastenausgleichsfonds ein Darlehen gegeben, das aber selbstverständlich an die Bundeskasse zurückzuzahlen ist;

    (Abg. Kuntscher: Ja, aber langfristig!)

    daher geht die Fortführung der Bundesumsiedlung, zu der der Bund bisher aus Haushaltsmitteln beigesteuert hat, künftig zu Lasten des Ausgleichsfonds.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Ich glaube also, meine Damen und Herren, die Frage läßt sich nicht so vereinfachen, wie es durch den Herrn Bundesfinanzminister in Berlin geschehen ist. Ich wollte das hier vorbringen, um das Bundesvertriebenenministerium in seinem pflichtgemäßen Bestreben zu unterstützen, die 400 000 Menschen, die sich zur Umsiedlung gemeldet haben, nicht im Stich zu lassen. Es sind Gründe für unsere Besorgnis vorhanden. Wir schreiben jetzt bald Mitte Februar; die Umsiedlungsverordnung ist noch im Kabinett — aus unbekannten Gründen. Die Länder haben ihre Bauprogramme für das laufende Baujahr bereits fertig, und wir stehen vor der Gefahr, daß zwar eine nachträgliche Entscheidung kommt, daß aber das Jahr 1956 für die Durchführung der Bundesumsiedlung verlorengeht.
    Es gibt auch noch andere Gründe, die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses vor Selbstzufriedenheit zu warnen und auch davor, die Schwierigkeiten zu übersehen, die bei den weiteren Eingliederungsmaßnahmen noch zu überwinden sind.
    Ehe ich zum Abschluß komme, wollte ich ein Wort über das vielumstrittene Problem der Zweckbindung des Flüchtlingswohnungsbaues sagen. Ich hörte mit Überraschung aus den Ausführungen des Herrn Bundesministers, daß eine Ausdehnung der Zweckbindung angestrebt wird. So steht die Sache leider nicht. Es geht praktisch um die Beibehaltung der bisherigen Zweckbindungen; da stelle ich mich an die Seite derer, die für die Beibehaltung der Zweckbindungen eintreten. Das muß einmal in diesem Hause geklärt werden. Denn hinter dem Streit um die sogenannte Kästchenwirtschaft stehen ganz ernste Dinge. Wenn es keine feste Zweckbindung im Wohnungsbau für Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge und Evakuierte gibt, dann bekommt die Wohnung meistens der, der die letzten 500 oder 1000 DM Restfinanzierung liefert, aber die kinderreiche Familie bleibt im Lager stecken.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE. — Abg. Kuntscher: Das ist ein Grund unserer ernsten Kritik!)

    Deswegen muß, wer den Ärmsten helfen will, wer den kinderreichen Familien helfen will, für eiserne Zweckbindung eintreten

    (Abg. Kuntscher: Sehr recht!)

    und auch für Vollfinanzierung dieses Wohnungsbaues.
    Damit komme ich zu einer weiteren Sorge, die uns bewegt, und zwar zur Frage des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge. Es tut mir sehr leid, in diesem Punkt nicht mit dem übereinstimmen zu können, was Kollege K u n t s c her zum gleichen Thema ausgeführt hat. Es ist wahr: wir sind beim Wohnungsbau für die Sowjetzonenflüchtlinge im Verzug. Die Bauprogramme des Vorjahrs sind zum Teil steckengeblieben. Alles, was hier gesagt worden ist, unterschreibe ich. Aber, lieber Kollege Kuntscher, es ist genau so wahr, daß da drüben in einem Ausschuß des Bundesrates bis heute um die Mark und um den Pfennig für diesen Wohnungsbau gefeilscht wird und daß sich Bund und Länder über die Finanzierung des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge nicht einigen können. Jedermann weiß, daß man mit dem bisher zur Verfügung stehenden Betrag von 1500 DM pro Kopf keine menschenwürdige Wohnung mehr erstellen kann.
    Das Hindernis liegt — ich muß es hier sagen — in erster Linie bei dem Bundesfinanzminister, und deshalb möchte ich mir eine Bemerkung zur allgemeinen staatspolitischen Seite dieser Planung gestatten. Ich sagte schon, daß in Bonn um die Mark und um den Pfennig für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge gefeilscht wird. Zur selben Zeit greifen die Hände der NATO-Verbündeten der Bundesregierung nach den gehorteten Steuergeldern des Herrn Bundesfinanzministers. Es wäre wohl an der Zeit, daß die Bundesregierung die Staatsmänner ihrer westlichen Verbündeten einmal dazu einlädt, sich die Aufnahmelager in Berlin und die überfüllten Durchgangslager in den Ländern anzusehen, damit der freien Welt bewußt wird, daß die Bundesrepublik einen sozialen Verteidigungsbeitrag von ungeahntem Ausmaß leistet.

    (Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der CDU/CSU.)

    Man sollte aber nicht nur ausländische Staatsmänner in diese Lager einladen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn auch die inländischen Staatsmänner einmal in die Lager gingen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und beim GB/BHE. — Zuruf von der Mitte.)

    — Auch wir alle. In dem Punkt habe ich ein sehr gutes Gewissen, Herr Kollege; in der Verwaltung von Flüchtlingslagern bin ich geradezu Fachmann, obwohl ich mich dessen nicht rühme. Wir können vom Ausland nur so viel Verständnis für diesen sozialen Verteidigungsbeitrag fordern, wie wir selber im eigenen Lande aufzubringen vermögen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es geht aber auch um die Wertung des Menschen. Tag für Tag vollzieht sich ja mit einer unheim-


    (Jaksch)

    lichen inneren Logik eine gewaltige Schwerpunktverlagerung der deutschen Volksexistenz vom Osten nach dem Westen. In Friedland wird doch bloß an sogenannten Großkampftagen aufgeblendet. Dann interessiert sich die Presse dafür, und dann kommt Friedland in die Wochenschau. Aber wenn wieder einige Hundert Nachzügler der großen Austreibungswelle aus Pommern, aus Schlesien oder Deutsche aus Polen kommen, sind ein paar kümmerliche Zeilen in der Presse alles, was darüber berichtet wird. Vielleicht ist man des Problems schon müde geworden. Ich bin der Überzeugung, die Tatsache, daß fast tausend hilfesuchende Menschen pro Tag aus Mitteldeutschland nach dem Westen kommen, würde ein anderes Land in Atem halten,

    (Sehr gut! beim GB/BHE — Abg. Schütz: Sehr richtig!)

    und jede andere Regierung würde es verstehen, dieses ungeheure Thema in_ die weltpolitische Diskussion zu bringen.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Man verlasse sich nicht darauf, daß die Konjunktur mit diesen Dingen allein fertig werden wird, wenn wir nicht zu einer neuen Wertung des Menschen kommen. Soweit es sich um jüngere Menschen oder um vielbegehrte Fachleute handelt, die da herüberkommen, greift die Wirtschaft mit beiden Händen nach ihnen. Wehe aber dem 50jährigen, wenn er Privatangestellter oder kleiner öffentlicher Bediensteter oder selbständiger Kaufmann oder geistig Schaffender und gleichzeitig Flüchtling ist! Die sogenannten Durchgangslager füllen sich wieder mit „schwierigen Fällen". Man nennt sie so, weil man sich mit ihnen keinen Rat weiß. Wir sollten bei der Behandlung dieser Fragen stets bedenken, daß uns die ständig zuströmende Volkskraft Mitteldeutschlands nicht nur zum ökonomischen Nutzgenuß überlassen ist, sondern zur treuhänderischen Bewahrung.

    (Sehr gut! beim GB/BHE.)

    Auch wenn man sagt, es seien nur etwa 10 % C-Fälle unter den Sowjetzonenflüchtlingen, sollten wir doch die Qualitätswerte nicht übersehen, die in einer solchen Minderheit stecken. Es kann sein, daß Menschen, die aus sittlicher Auflehnung heraus die Zone verlassen haben, für die Zukunft Deutschlands wichtig sind, auch wenn ihr Gebrauchswert auf dem Arbeitsmarkt heute gering ist. Die Vorstellung von der Schicksalsverbundenheit des deutschen Volkes darf nicht im Getriebe des wirtschaftlichen und staatspolitischen Alltags verlorengehen. Wir sollten uns daher die Erhaltung der menschlichen Substanz dieser Zuwanderer sehr angelegen sein lassen.
    Damit komme ich zu einigen abschließenden Feststellungen. Ich, will diese Aussprache nicht gerade ins Prinzipielle verlegen, aber ich kann Ihnen die Überzeugung nicht verhehlen, daß aus der Begriffswelt der sozialen Marktwirtschaft heraus die heutige Koalitionsmehrheit und auch die Bundesregierung keine zufriedenstellende Antwort auf diesen ganzen Fragenkomplex, auf die Einmaligkeit der sozialen Problematik eines gespaltenen und verstümmelten Landes finden können. Ein Volk, das sich zu einem Viertel auf der Wanderschaft befindet und zu einem weiteren Viertel unter Fremdherrschaft lebt, ist sehr ungeeignet, das Prinzip der Kostenmiete zu verwirklichen.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Uns scheint die Erhaltung der menschlichen Substanz wichtiger zu sein als die Kostenmiete hier in Westdeutschland; denn wenn wir die Schlacht um die Freiheit nicht gewinnen, werden auch die erhöhten Mieten denen keinen Segen bringen, die so sehr darauf pochen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Es wäre die eigentliche Funktion des Bundesvertriebenenministeriums, als ein echtes Sozialministerium über die Belange der 11 Millionen Menschen zu wachen, deren Betreuung ihm anvertraut ist. Die Angriffe auf den sozialen Wohnungsbau, wie wir sie in letzter Zeit erlebt haben, hätten in der Bonner Husarenstraße Anlaß für die höchste Alarmstufe sein müssen,

    (Zustimmung bei der SPD und beim GB/BHE.)

    da es doch die Heimatvertriebenen, die Sowjetzonenflüchtlinge und die rückkehrwilligen Evakuierten sind, die das Problem ihrer Behausung von Grund auf neu lösen müssen und die daher in erster Linie betroffen werden. So manche schmucke Flüchtlingssiedlung im Lande ist ein Denkmal der Entsagung derer, die darin hausen. Auch in den neuen Betriebsgebäuden der Heimatvertriebenen wohnt die Sorge. Dort erfährt man, daß Darlehen nicht immer ein Segen sind, weil sie von jedem Heimatvertriebenen, von jedem Geschädigten auf Heller und Pfennig zurückgezahlt werden müssen.
    In dieser Phase der Entwicklung, da eine trügerische Optik gegen die Hoffnungen und Wünsche derer spricht, die auf der Schattenseite des deutschen Wirtschaftswunders leben, ist das Bundesvertriebenenministerium auf die eigentliche Probe seiner Bewährung und seiner Existenzberechtigung gestellt. Über die Schwierigkeiten, mit denen dieses Haus zu ringen hat, empfinden wir Heimatvertriebenen auch auf den Bänken der Opposition keine Schadenfreude. Ich fürchte aber, daß sich das Bundesvertriebenenministerium von dem Geltungsschwund, den es seit dem Juli vorigen Jahres erlitten hat, nicht mehr erholen wird.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Ich stelle die Frage — es ist die entscheidende, auf die es ankommt —, warum von den sachkundigen Kollegen in der größten Fraktion dieses Hauses keiner mehr Lust hat, seine politische Zukunft mit dem Schicksal des Bundesministeriums für Vertriebene, Sachgeschädigte und Evakuierte zu verbinden.

    (Hört! Hört! und Sehr gut! beim GB/BHE.)

    Die Wahrheit ist, daß der heutige Herr Vertriebenenminister mit dem Ausscheiden seiner Partei aus der Regierungskoalition die politische Basis verloren hat, die er unter seinen Füßen hatte. Wenn er mit seiner neuen Fraktion nicht zufrieden sein sollte, womit will er noch drohen? Er wird sich ja kaum den Luxus leisten können, neuerdings sechs Monate in dem Zustand der Demission zu amtieren.

    (Abg. Kunze [Bethel] : Er müßte Ministerialdirektor in Hessen werden!)

    — Warum, Herr Kollege, ist das so verlockend?

    (Abg. Kunze [Bethel] : Weil er dann eine Pension kriegte!)



    (Jaksch)

    Warum ist das so verlockend, Ministerialdirektor in Hessen zu sein? Ich glaube, es ist genau so ehrenvoll, Ministerialdirektor in Hessen gewesen zu sein wie in einem CDU-Land.
    Zusammenfassend darf ich sagen: Die Gefahr besteht darin, daß dieses für große Teile der Bevölkerung so wichtige Ressort in das Spiel der Machtspekulation hineingerissen wird. Was not tut, ist ein neuer Start der Geschädigtenpolitik und ein neuer Großangriff gegen die sozialen Notstände dieser Nachkriegszeit. Wir rufen nach einem umfassenden Programm der sozialen Aufrüstung der Bundesrepublik, denn ohne soziale Aufrüstung gibt es keine erfolgreiche Selbstbehauptung des deutschen Volkes. Darum bitten wir das Hohe Haus um seine Zustimmung zu unserem Antrag, damit die Bundesregierung eine klare Weisung bekommt, das Bundesvertriebenenministerium seiner eigentlichen Zweckbestimmung zurückzugeben.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)