Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, heute sozusagen außerplanmäßig über ein zentrales Anliegen sprechen zu können, das keinesfalls allein aus der Perspektive der unmittelbar Betroffenen betrachtet werden darf. Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes um ein gesamtdeutsches Problem. Unsere gesamte zukünftige politische Entwicklung, alle Teile der Bevölkerung, jeder Zweig unserer Volkswirtschaft werden von der Art, wie wir Lösungsmöglichkeiten finden, intensiv beeinflußt werden. Ich danke den Interpellanten und Antragstellern — gleich welcher Partei — für den Willen zu konstruktiver Hilfe, der aus allen Anträgen spricht. Das Ministerium, dem die Betreuung der Vertriebenen, Flüchtlinge, Kriegssachgeschädigten und aller ehemaligen Gefangenen des zweiten Weltkrieges als Aufgabe gesetzt ist, hat eine politische Verantwortung auferlegt erhalten, die im umgekehrten Verhältnis zu seiner Ausstattung mit materiellen Zuständigkeiten steht. Unter diesem Mißverhältnis zwischen der Schwere der gestellten Aufgabe und den effektiven Möglichkeiten sie zu lösen, leiden auch alle Ministerien der Länder, die mit der gleichen Aufgabe betraut sind, gleichgültig wie die parteipolitische Zusammensetzung der Länderregierungen aussehen mag. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die faktischen Möglichkeiten realer Hilfeleistungen bei den Ländern größer sind als beim Bund.
Die Schwierigkeit meines Ministeriums liegt vor allem darin, daß es nicht nur auf die Koordinierung aller betroffenen Bundesressorts angewiesen ist, sondern auch auf die aktive Mitarbeit des Bundesausgleichsamtes und der Länderregierungen. Es ist keine Anklage, sondern lediglich eine Feststellung, die für den Wissenden eine Selbstverständlichkeit enthält, daß infolge der Mängel und Vielfältigkeit der Koordinationsaufgaben ein Teil der vom Ministerium entwickelten Energie verlorengehen muß, von den unausbleiblichen Reibungen ganz zu schweigen. Ich möchte jedoch betonen, daß
ich mich den Bundesressorts, dem Bundesausgleichsamt, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden, den Verbänden der Landwirtschaft, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie den karitativen Organisationen für ihre Bereitschaft, mitzuarbeiten, verpflichtet fühle.
Zwei Dinge sind es, welche die Arbeit komplizieren und erschweren. Einmal die Tatsache, daß in allen Schichten des deutschen Volkes, auch in Verwaltung und Parlament, die Meinung anzutreffen ist, mit der Arbeitsbeschaffung sei mehr oder weniger auch die Eingliederung vollendet. Diese Auffassung ist irrig, denn sie läßt die Sozialstruktur der Vertreibungsgebiete unberücksichtigt. Sie ignoriert, daß die Vertriebenen in ihrer Heimat ebenso breit sozial gegliedert waren, wie die Bevölkerung Westdeutschlands. Damit sanktioniert diese These förmlich den Zustand der Vermassung wie er durch Austreibung und Flucht geschaffen wurde.
Unsere Aufgabe muß es jedoch gerade sein, die Vermassung aufzulösen und die europäisch gegliederte Sozialordnung wieder herzustellen. Von der Vollendung dieser Aufgabe sind wir noch weit entfernt. Wir werden zwar die Heimat nie zu ersetzen vermögen. Aber diese harte Erkenntnis darf kein Anlaß sein, fatalistisch oder gar in Zufriedenheit die Hände in den Schoß zu legen. Wir dürfen die Vermassung nicht hinnehmen, sondern müssen sie durch organische Gliederung ersetzen.
Zum zweiten darf ich wie eingangs noch einmal mit aller Dringlichkeit darauf hinweisen, daß wir es nicht mit einem einschichtigen, in sich abgeschlossenen, sondern mit einem komplexen Problem zu tun haben. Nach wie vor sind uns drei große Eingliederungsaufgaben gestellt:
1. Die Eingliederung der Vertriebenen. Noch während des Jahres 1955 sind unmittelbar aus dem Ausland 15 788 Vertriebene neu in das Bundesgebiet hereingekommen. Seit der Volkszählung im September 1950 hat die Zahl der Vertriebenen durch Zuwanderung, besonders aus der sowjetischen Besatzungszone, und durch Geburtenüberschuß erneut um 889 374, insgesamt auf 8 867 000 Personen zugenommen.
2. Die Eingliederung der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone. Die Diktaturflucht bedeutet eine tägliche Volksabstimmung über die sogenannten politischen und sozialen Errungenschaften des Systems, das in der sowjetischen Zone herrscht. Immer erneut bin ich überrascht, wie oft durch eine verständnislose und falsche Betrachtungsweise eine Entwertung dieser Volksabstimmung vorgenommen wird. Natürlich gibt es einen wirtschaftlichen Sog der Bundesrepublik. Die Masse der Flüchtlinge, vor allem die Jugendlichen, haben aber eindeutig echte politische, religiöse oder ethische Fluchtgründe. Den stärksten Sog allerdings übt die Freiheit aus. Wir sollten nie vergessen, daß niemand die Heimat leichten Herzens verläßt. Wenn aber Willkür und Gewalt so groß werden, daß der Freiheitsdrang die Heimatliebe überwindet, dann sollten gerade wir nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern in unserem Herzen eine Zuflucht geben.
Die Geflohenen legen uns eine schwere, aber auch
dankbare Aufgabe auf. Wer in ihnen lediglich ein
Potential für den Kräftebedarf unserer Wirtschaft sieht, vergeht sich nicht nur an dem einzelnen Menschen, sondern auch an unserem ersten politischen, dem gesamtdeutschen Anliegen. Während des Jahres 1955 hat die Zahl der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone, die durch das Notaufnahmeverfahren gegangen sind, um 252 870 zugenommen. Unter ihnen befanden sich 68 000 Vertriebene. Seit der Volkszählung vom 13. September 1950 hat die Bundesrepublik 1 161 000 Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone aufgenommen. Es muß aber damit gerechnet werden, daß die Zahl derer, die aus der sowjetischen Besatzungszone herübergekommen sind, um rund 30 % höher liegt, da wahrscheinlich 300 000 bis 400 000 am Notaufnahmeverfahren vorbeigegangen sind. Zwischen 1941 und 1955 hat sich die Einwohnerzahl des jetzigen Gebietes der Bundesrepublik um mehr als 2,6 Millionen Zugewanderte aus dem jetzigen Gebiet der sowjetischen Besatzungszone vermehrt.
3. Die Wiedereingliederung der Evakuierten. Zehn Jahre nach der Beendigung des Krieges warten noch immer 388 000 Menschen auf die Rückführung in ihre Heimatorte, auf die sie nach den Bestimmungen des Bundesevakuiertengesetzes einen Rechtsanspruch haben. Diese Rückführung ist mehr als eine Ehrenpflicht für Gemeinden, Länder und Bund. Sie ist von grundsätzlicher Bedeutung, da sie im Zusammenhang mit dem Recht auf Heimat gesehen werden muß. Gerade die Vertriebenen und Flüchtlinge haben für die Aufgabe der Rückführung ein besonderes Verständnis, weil das Recht auf die Heimat unteilbar ist und daher auch den Evakuierten zusteht.
Diesen drei sich überschneidenden und überlagernden Eingliederungs- und Betreuungsaufgaben steht der an sich begreifliche Wunsch der eingessenen Bevölkerung gegenüber, das Leben zu normalisieren. Daß es bisher gelungen ist, diese Aufgaben und Tendenzen im wesentlichen ruhig nebeneinander zur Entwicklung zu bringen, ist ein Ereignis, das wir nicht als selbstverständlich hinnehmen sollten. Wir müssen vielmehr allen Bevölkerungsteilen für ihre Einsicht, Gesinnung und Haltung unsere Anerkennung zum Ausdruck bringen.
Zu Frage 1: Vorfinanzierung des Lastenausgleichs. Die Bundesregierung war in den vergangenen Jahren laufend bemüht, eine Vorfinanzierung über eine Auslandsanleihe herbeizuführen. Sie konnte sich dabei auf die Empfehlungen des amerikanischen Bankfachmanns, Herrn Sonne, stützen, die dieser im Jahre 1951 in seinem bekannten Gutachten abgegeben hat. Im vorigen Jahr habe ich mich mit besonderer Unterstützung des Herrn Bundeskanzlers persönlich in den Vereinigten Staaten bemüht. Es ist jedoch zu meinem großen Bedauern bis zur Stunde nicht gelungen, eine Auslandsanleihe zu tragbaren Bedingungen zustande zu bringen.
Wir werden uns in allernächster Zeit mit dem Lastenausgleichsschlußgesetz zu beschäftigen haben. Dabei wird dem Lastenausgleich die endgültige Form gegeben werden. Es gehört zu den Grundzielen des Lastenausgleichs, die durch die Austreibung und Ausbombung vernichteten Existenzen wiederherzustellen und begabten jüngeren Kräften den beruflichen Aufstieg zu sichern. Dabei wird im Sinne der allgemeinen Mittelstandspolitik besonderer Wert darauf gelegt werden müssen, gerade die Verluste kleinerer und
mittlerer Vermögen mit einer möglichst hohen Quote zu bedenken. Wenn heute Millionen einheimischer Mittelständler ihre Abgabepflicht in anerkennenswerter Weise erfüllen, so tun sie das nicht, um Kollektivwerte zu schaffen, sondern um zerstörtes Privateigentum so weit wie irgend möglich wiederherzustellen.
Es wird zu wenig beachtet, daß die Machthaber Mitteldeutschlands den Lastenausgleich ablehnen. Das liegt logisch in ihrem System. Sie wollen die Vermassung und Nivellierung vorantreiben und dabei die eingessene Bevölkerung auf das Niveau der Deklassierten hinabziehen. Es liegt uns fern, Staatspensionäre zu schaffen und den eigenen Unternehmungsgeist mit der dazu gehörigen Verantwortungsfreude zu untergraben. Im Gegensatz zum kommunistischen Regime kommt es darauf an, die Vertriebenen, Flüchtlinge und Ausgebombten auf das Niveau der nichtgeschädigten Bevölkerung zu heben.
Die Bundesregierung erklärt: Von den bis jetzt gewährten Ausgleichsleistungen sind über 2,5 Milliarden durch Vorfinanzierung zustande gekommen. Die Grenzen, die den Bemühungen um eine möglichst weitgehende Beschleunigung der Durchführung des Lastenausgleichs im Wege der Vorfinanzierung gezogen sind, beruhen auf Voraussetzungen allgemeinwirtschaftlicher Art. Dies wird beispielsweise auch darin deutlich, daß der Ausgleichsfonds zur Zeit ihm von der Bundesregierung zugesagte und der Verplanung von Ausgleichsleistungen bereits zugrunde gelegte Einnahmen in Höhe von 650 Millionen DM wegen der bekannten Entwicklung auf dem Geld- und Kapitalmarkt noch nicht hat in Anspruch nehmen können. Der Bund hat zur Überbrückung eine Liquiditätshilfe in Höhe von derzeit 300 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
Infolgedessen wird die Verplanung dadurch, daß die Unterbringung der 650 Millionen auf dem Kapitalmarkt noch nicht möglich war, keine Änderung erfahren.
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin um die Bereitstellung der bereits zugesagten Mittel aus dem Kapitalmarkt für den Ausgleichsfonds bemühen.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die zum Vollzug des Wirtschaftsplans 1956/57 notwendige Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellt wird. Ich füge hinzu: Das Bundesausgleichsamt ist also jetzt nach dieser Zusage der Bundesregierung in der Lage, die im vorläufigen Wirtschaftsplan 1956/57 geringer als im Vorjahr eingesetzten Positionen fakultativer Leistungen zu erhöhen.
Zu Frage 2: Haushaltsmittel für den Härtefonds zugunsten der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone. Es dürfte sich empfehlen, daß die Bundesregierung einmal die mittelbaren und unmittelbaren Lasten, die ihr der Kalte Krieg laufend außerhalb der Verteidigungskosten auferlegt, zusammenstellt. Wir tragen hier eine in ihrer Höhe uns und unseren Freunden unzureichend bekannte und selten beachtete Sonderbelastung.
Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr den entscheidenden Schritt getan, die Ausstattung des Härtefonds von dem Aufkommen des Lastenausgleichs zu trennen. Die berechtigten Erwartungen, welche von der zunehmenden Zahl der politischen Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone an den Härtefonds gestellt werden, sollen nicht zu Lasten der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten gehen. Aus diesem Gedanken heraus hat die Bundesregierung im vorigen Haushaltsjahr den Härtefonds erstmalig mit 50 Millionen DM Bundeshaushaltsmitteln dotiert. Sie geht nun über diese Hilfe weit hinaus. Die Bundesregierung erklärt: Da sich seit der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs 1956 die Zahl der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone erheblich vermehrt hat und der Kreis der Personen, die Ansprüche an den Härtefonds stellen können, durch die 4. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz erweitert wurde, wird die Bundesregierung beim Haushaltsausschuß des Hohen Hauses anregen, den Haushaltsansatz für den Härtefonds bis zum Doppelten des Haushaltansatzes 1955 zu erhöhen.
Die erforderliche Deckung wird allerdings nur durch Einsparungen an anderer Stelle beschafft werden können.
— Meine Damen und Herren! Mit den Worten „an anderer Stelle" ist — worauf ich der Klarheit halber hinweisen muß — nicht auf einen Haushaltsansatz der Anliegen meines Betreuungsbereiches Bezug genommen.
Mit der Verdoppelung des alten Ansatzes werden insgesamt 140 Millionen DM in den neuen Wirtschaftsplan des Fonds eingesetzt werden können. Mit dem Verplanungsrest von 35 Millionen DM stehen also 175 Millionen DM für den Härtefonds zur Verfügung. Mit dem Härtefonds in Zusammenhang steht die Frage der Novellierung der §§ 3 und 4 des Bundesvertriebenengesetzes. In Kenntnis der Tatsachen und der Erfahrungen aus der Praxis der letzten Jahre werden wir die Härten, zu denen auch das Vertretenmüssen gehört, abbauen müssen. Ich denke hier u. a. an eine Ersetzung der kollektiven Vermutung durch eine individuelle Wertung und an eine Würdigung des Gewissenszwanges. Darüber wird mit den Sachverständigen des Gesamtdeutschen und des Vertriebenenausschusses des Hohen Hauses eingehend zu beraten sein.
Zu Frage 2 b: Maßnahmen zur Betreuung und Ausbildung der jugendlichen Sowjetzonenflüchtlinge. Im Bundesjugendplan 1956 sind 7,5 Millionen DM vorgesehen. Das bedeutet gegenüber dem Jahre 1955 eine Erhöhung des Ansatzes um 5 Millionen DM. Über die zur Betreuung und Ausbildung der jugendlichen Sowjetzonenflüchtlinge getroffenen Maßnahmen und etwa darüber hinaus noch zu treffende Maßnahmen wird die Bundesregierung bei der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion vom 14. Dezember 1955, Drucksachen 1967 und 1968, und der Erörterung des interfraktionellen Antrags, Drucksache 2024, berichten. Es erscheint nicht zweckmäßig, diese Frage herausgelöst aus dem gesamten Zusammenhang der in den genannten Großen Anfragen behandelten Förderung der jugendlichen Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone allein zu behandeln. Es wird deshalb auf die bevorstehende Beantwortung dieser beiden Großen Anfragen verwiesen.
Die oben genannten 7,5 Millionen DM werden angesichts des großen Zustroms von jugendlichen Zuwanderern aus der sowjetischen Besatzungszone und wegen der übermäßig starken Belegung der Flüchtlingslager vor allem für folgende Aufgaben verwendet werden.
1. Für die Betreuung der jugendlichen Flüchtlinge in den Lagern durch die Lagerdienste der verschiedenen caritativen und freien Wohlfahrtsorganisationen sowie der Jugendorganisationen. Es werden hier Freizeiten, Lehrgänge und Kurse durchgeführt. Für eine individuelle Betreuung der Insassen ist gesorgt.
2. Ebenso wichtig ist die Betreuung und Eingliederung der jugendlichen Flüchtlinge außerhalb der Lager in Jugendgemeinschaftswerken und am Ort der endgültigen Eingliederung. Hier sind zu nennen: Leistung sozialpädagogischer und jugendfürsorgerischer Hilfe, Hinführung zu Berufs- und Erwerbsarbeit, Hilfeleistung beim Unterbringen in Familien und Jugendwohnheimen, Herstellung gesellschaftlicher Kontakte und Pflege einer jugendgemäßen Gemeinschaftsbildung. Je nach Lage des Einzelfalles stehen für die Förderung der beruflichen und schulischen Ausbildung der Flüchtlingsjugend nach verschiedenen Gesetzen Beihilfen zur Verfügung. So z. B. aus dem Härtefonds des Lastenausgleichsgesetzes, nach dem Bundesversorgungsgesetz und dem Häftlingshilfegesetz, ferner aus Mitteln des Bundesministeriums des Innern für Flüchtlingsstudenten, der Bundesanstalt für Arbeitslosenversicherung und -vermittlung Nürnberg und der Kriegsfolgenhilfe.
Die Betreuung und Ausbildung der jugendlichen Flüchtlinge auf Grund dieser Bestimmungen wird allerdings durch die zum Teil langwierigen Verwaltungswege bis zur Gewährung der Beihilfen stark behindert.
Die Bundesregierung berät daher zur Zeit die Schaffung von Zuschuß- und Vorschußfonds, aus denen unbeschadet der Frage, wer die Kosten endgültig zu tragen hat, schnelle Hilfe gewährt werden kann.
Im übrigen sind die gleichen Maßnahmen für die jugendlichen Spätaussiedler aus den Vertreibungsgebieten notwendig. Diese konnten u. a. vielfach die deutsche Schriftsprache nicht erlernen. Die Herren Kultusminister der Länder werden dieser Frage ihre besondere Aufmerksamekit widmen müssen.
Ich glaube, mich hier auf diese kurzen Mitteilungen über dieses ernste Problem beschränken zu können. Bei der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD — Drucksachen 1967 und 1968 — wird sich binnen kurzem Gelegenheit geben, die Fragen eingehend zu diskutieren und zu klären.
Zur Frage 3 a: Maßnahmen zugunsten der heimatvertriebenen Wirtschaft. Schon 1945 hatten die Länder begonnen, den Vertriebenen Möglichkeiten einzuräumen, ihr Können und ihre Ausdauer zum eigenen wie zum gemeinsamen Nutzen einzusetzen. Die Bundesregierung ging diesen Weg weiter, gab und verbürgte Kredite und gewährte begrenzte Steuererleichterungen. Sie folgte dabei in vielen Fällen dem Beispiel, das vor etwa 250 Jahren deutsche Fürsten bei der Aufnahme und der so erfolgreichen wirtschaftlichen Eingliederung der
Hugenotten gegeben hatten. So wurden aus einer anfänglichen Last Antrieb und Gewinn für das gesamte Wirtschaftsleben.
Man muß den 128 000 vertriebenen oder geflüchteten Unternehmern der Industrie und des gewerblichen Mittelstandes, die allen Schwierigkeiten zum Trotz die Risiken der Geschäftsgründung auf sich genommen haben, alle Achtung entgegenbringen. Sie haben sich zum großen Teil tapfer emporgehungert. Sie begannen unter ungleichen Startbedingungen, weil ihnen das Eigenkapital fehlte oder nur unzureichend vorhanden war.
Die Startbedingungen anzugleichen, ist das Ziel der wirtschaftsfördernden Maßnahmen der Bundesregierung, die keine Sonderrechte, sondern nur gleiche Voraussetzungen schaffen will. Die Ergebnisse der in der Zeit von 1950 bis 1953 durchgeführten Untersuchungen des Bundeswirtschaftsministeriums sind vorhin in der Begründung gebracht worden. Das alarmierende Ergebnis dieser Untersuchungen hat mich nicht überrascht. Sie werden aber denen, die bisher glaubten, daß alles in Ordnung sei, zu denken geben müssen. Sie sind ein Ruf an Regierung und die gesamte Volkswirtschaft. Sie werden durch folgende Feststellungen nicht entkräftet.
Das Anwachsen der Bilanzsummen läßt eine gewisse Teilnahme der Vertriebenenbetriebe an der allgemeinen Wirtschaftsbelebung erkennen. Die bis 1953 nachgewiesenen erheblichen Anlageinvestitionen dürften während der letzten beiden Jahre eine weitere Verbesserung der wirtschaftlichen Situation herbeigeführt haben. Diese an sich günstige Entwicklung wurde aber durch eine verstärkte Fremdfinanzierung erkauft. Die erreichte wirtschaftliche Verbesserung der Unternehmen schloß noch keine Besserung des Verhältnisses von Eigenkapital und Fremdkapital ein. Die Bundesregierung ist von der Notwendigkeit überzeugt, daß auch weiterhin fördernde Maßnahmen zugunsten dieser Betriebe ergriffen werden müssen.
Aus den getroffenen Feststellungen ergeben sich in der Hauptsache folgende Maßnahmen:
Zur notwendigen Eigenkapitalbildung: Das Eigenkapital bei Vertriebenenbetrieben läßt sich im wesentlichen nur aus dem Gewinn anreichern. Also werden gewisse Erleichterungen bei der Gewinnbesteuerung eine der Möglichkeiten für die Eigenkapitalbildung sein. Aus dieser Erkenntnis heraus erscheint es angezeigt, Wege zu finden, um bei der Vertriebenenwirtschaft die Dauerschulden und Dauerschuldzinsen bei der Ermittlung der Gewerbesteuerschuld von den nach §§ 8 und 12 des Gewerbesteuergesetzes vorzunehmenden Hinzurechnungen auszunehmen. Hierdurch würde eine relativ sehr starke gewerbesteuerliche Belastung abgeschwächt. Ob darüber hinaus noch andere steuerliche Vergünstigungen wie z. B. die §§ 7 a und 7 e und 10 a in Betracht kommen können, wird die Bundesregierung prüfen.
Für die Anreicherung der Gewinne der einzelnen Betriebe sind die Zinsbedingungen der gewährten Kredite von entscheidender Bedeutung. Der Förderung der Eigenkapitalbildung dienen auch die aus dem Lastenausgleichsfonds bereitgestellten Aufbaudarlehen, sofern der Darlehensbe-
trag auf den Anspruch auf Hauptentschädigung angerechnet werden kann. In dem Wirtschaftsplan des Bundesausgleichsamtes für das Jahr 1956 werden Mittel wie seither für die Vergabe von Aufbaudarlehen bereitgestellt.
Zur Betriebsmittelversorgung: Die Bundesregierung hat bereits in der Vergangenheit für die Gewährung von Betriebsmittelkrediten gesorgt, indem die Lastenausgleichsbank Bürgschaften für sonst schwer zu erlangende Bankkredite übernehmen kann. Der zur Zeit bestehende Bürgschaftsrahmen ist noch nicht voll ausgeschöpft. Sollte eine Aufstockung notwendig werden, wird sie im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten erfolgen.
Zu den Tilgungsverpflichtungen: Der Bericht des Herrn Bundesministers für Wirtschaft hebt mit Recht die Gefahr hervor, die aus der Tatsache erwächst, daß in den fünf Jahren von 1954 bis 1958 mehr als die Hälfte des langfristigen Fremdkapitals zurückgezahlt werden muß. Die Bundesregierung beabsichtigt, Verpflichtungen aus kurzfristigen und hochverzinslichen Schulden durch eine Umschuldungsaktion zu konsolidieren. Auf Grund einer vom Bund verbürgten Anleihe der Lastenausgleichsbank in Höhe von 100 Millionen werden diese Verpflichtungen in Darlehen mit einer Laufzeit von in der Regel 15 Jahren umgewandelt. Zur Minderung der Zinsbelastungen werden Bund und Länder Zinszuschüsse für die umgewandelten Verpflichtungen auf die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung stellen. Nachdem die zeitraubenden Verhandlungen mit den Ländern abgeschlossen sind, ist jetzt mit einem baldigen Anlaufen dieser Umschuldungsaktion zu rechnen.
Zur hohen Zinsbelastung: Die in Verbindung mit der Umschuldungsaktion gewährten Zinszuschüsse werden der Vertriebenenwirtschaft generell eine Entlastung ihrer Zinsverpflichtungen bringen. Durch die bessere Ausstattung mit Betriebsmitteln infolge der von der Lastenausgleichsbank verbürgten Kredite können die Betriebe den Skontoabzug ausnutzen. Darüber hinaus wird die Kapitalausstattung laufend durch Bereitstellung weiterer ERP-Mittel für Investitionen und Rationalisierung zu besonders günstigen Zins- und Rückzahlungsbedingungen gefördert. Es ist beabsichtigt, für diese Zwecke auch weiterhin namhafte Mittel zur Verfügung zu stellen.
Zur Betreuung finanz- und ertragsschwacher Betriebe: Aus den Einzeluntersuchungen des Herrn Bundesministers für Wirtschaft geht auch hervor, daß in manchen Fällen innerbetriebliche Maßnahmen zum Zwecke der Rationalisierung und Steigerung der Produktivität von den Unternehmern selbst getroffen werden müssen. Die Beratung durch Sachverständige kann die Voraussetzung entsprechender Verbesserungen sein. Es wird für tunlich gehalten, die Inanspruchnahme von Sachverständigen seitens finanz- und ertragsschwacher Betriebe durch finanzielle Unterstützung aus Bundesmitteln in Zusammenarbeit mit dem Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft zu fördern und auf breite Basis zu stellen.
Zusammenfassend erklärt die Bundesregierung, daß sie alles tun wird, die Vertriebenen- und Flüchtlingswirtschaft, die ein unlösbarer Bestandteil der Gesamtwirtschaft geworden ist, zu fördern. Sie tut dies aus ihrer moralischen Verpflichtung gegenüber den Geschädigten, aus dem gesamtdeutschen Interesse, aber auch — das darf ich hier einmal sagen — aus der Erkenntnis, daß Schwächen und Rückschläge in diesem Teil der Wirtschaft Rückwirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben werden.
Zur Frage 3 b: Lage der kriegssachgeschädigten Wirtschaft. Die kriegssachgeschädigte Wirtschaft ist in mancher Hinsicht in ähnlicher Lage wie die heimatvertriebene Wirtschaft. Sie hat aber im allgemeinen ihre Bank- und Geschäftsbeziehungen und damit eine Voraussetzung für den Personalkredit erhalten können. Es ist jedoch eine Notwendigkeit, denjenigen zu helfen, deren Lage jener der Vertriebenen gleicht. Die Parität, der ich mich verpflichtet fühle, bedingt gleiche Hilfen in gleicher Lage.
Ein präzises Urteil über die Kapitalausstattung der kriegssachgeschädigten Wirtschaft abzugeben, ist die Bundesregierung nicht in der Lage, da hinreichende Unterlagen noch nicht beschafft werden konnten. Bei Maßnahmen zugunsten der kriegssachgeschädigten Wirtschaft sind in einigen Fällen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Personenkreises entstanden. Die sich daraus ergebenden Fragen sind Gegenstand von Erörterungen gewesen, in die auch die Verbände eingeschaltet waren. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß auch einem Teil der kriegssachgeschädigten Wirtschaft Hilfen gewährt werden müssen. Ihr sind bereits u. a. aus ERP-Mitteln, aus STEG-Mitteln und aus dem Lastenausgleichsfonds Investitionskredite und Bürgschaften für Betriebsmittelkredite zur Verfügung gestellt worden. Die Hilfen werden weitergeführt. Weitere Kreditmaßnahmen werden nach den in Gang befindlichen Erhebungen und Prüfungen durchgeführt werden.
Zur Frage 4: Eingliederung des Landvolkes. Die Ansiedlung der vertriebenen und geflüchteten Bauern ist für die Wiederherstellung der alten sozialen Gliederung der wichtigste, aber auch der schwierigste Teil der Eingliederungsaufgabe. Die allgemeinen Schwierigkeiten sind bekannt. Die Bodenreform ist von den Besatzungsmächten unter teilweise diffamierenden Gesichtspunkten eingeleitet worden und blieb daher stecken. Wir haben eine große Zahl nachgeborener Bauernsöhne sowie Landarbeiter und Heuerlinge mit einem berechtigten Landbedarf, den auch die Heimatvertriebenen ausdrücklich anerkennen. Die durch die ausländische Konkurrenz erzwungene Notwendigkeit der Mechanisierung und Rationalisierung zwingen unsere Landwirtschaft zur Strukturverbesserung.
Diese ist besonders in den Gebieten fortgesetzter Realteilung notwendig. Bei der Ansiedlung sind Kollege Lübke und ich nicht nur bestrebt, möglichst viele vertriebene und geflüchtete Bauern anzusetzen. Wir haben auch die Gesamtlage der Landwirtschaft zu berücksichtigen und darauf bedacht zu sein, lebensfähige Siedlungen zu schaffen. Diese sind zugleich ein Beitrag zur Strukturverbesserung und damit zur Sicherung der Lebensfähigkeit der gesamten deutschen Landwirtschaft. Jeder Kenner unserer Verhältnisse weiß, daß eine Erfüllung aller Siedlungswünsche bei 150 000 vertriebenen und mehr als 18 000 aus der Sowjetzone geflüchteten Bauern schon nach der Größe dieser Ziffern, erst recht aber bezüglich der Größe der erstrebten Betriebe unmöglich ist. Ich bin überzeugt, daß die vorhandenen Möglichkeiten zur Ansiedlung noch
lange nicht erschöpft sind und daß sich das Tempo steigern läßt. Dabei sollten wir die notwendigen Maßnahmen fördern, die die für unsere gesamte Bevölkerung lebenswichtige Substanz erhalten und noch Siedlungswillige an die Scholle binden.
Frage 4 a: Altersversorgung landabgebender Bauern. Trotz zunehmender Mobilität des Bodens ist der Umfang der Landbeschaffung für den Siedlungserfolg entscheidend. Die Bundesregierung ist deshalb bemüht, der Siedlung alle erfaßbaren Landreserven zuzuführen, wozu vornehmlich auch jene landwirtschaftlichen Betriebe gehören, deren Besitzer erbenlos sind oder keine übernahmebereiten Nachkommen haben. Eine Sicherung der Altersversorgung wird die Bereitschaft gerade dieses Personenkreises zur Landabgabe wesentlich fördern. Statt den Kaufpreis in bar entgegenzunehmen, hat der Verkäufer künftig die Möglichkeit, Wohnrecht sowie eine Geld- und Naturalrente —in Form etwa des üblichen Altenteils — auf Lebenszeit mit dem Übernehmer zu vereinbaren. Unter Zugrundelegung der Lebenserwartung des Landabgebers müssen die kapitalisierten Leistungen dem festgestellten Wert des Betriebs entsprechen. Die auf dem Kreditwege aufzubringende kapitalisierte Barrente bringt der Siedler in die Deutsche Siedlungsbank ein, welche die monatliche Auszahlung der Rente übernimmt. Dieses Verfahren wurde in einem Bundesland bereits mit Erfolg erprobt. Hierbei ergab sich in relativ kurzer Zeit ein Landanfall, der die Errichtung von 23 Vollerwerbs- und 135 Nebenerwerbsstellen ermöglichte. Da etwa 90 % der auslaufenden Betriebe in der Größenklasse unter 5 ha liegen, müssen die Siedlungsgesellschaften in vielen Fällen vor Ansetzung des Siedlers eine Zusammenlegung der Parzellen zu einer vollen Betriebseinheit vornehmen. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat den Ländern Empfehlungen zugehen lassen, damit die aus den bereits durchgeführten Fällen erworbenen Erfahrungen allgemein angewendet werden. Die Empfehlung ist ein geeignetes Mittel, die traditionelle Fehlentwicklung in der Agrarstruktur mancher deutscher Landschaften zu verbessern und vielen Fachkräften eine organische berufliche Verankerung zu geben. Die Voraussetzung bilden etwa 129 000 Höfe ohne Erben, davon 85 000 in einer Betriebsgröße von weniger als 2 ha. Der Erfolg wird davon abhängen, ob die Länder und Gemeinden zusammen mit den berufsständischen Organisationen wirklich alle in Frage kommenden Betriebsinhaber über die gebotenen Möglichkeiten aufklären. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dieses Verfahren eine notwendige Ergänzung der bisherigen Siedlungsmethoden darstellt. Sie hat es daher in die Förderungsmaßnahmen im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes einbezogen.
Zu Frage 4 b: Rechtzeitige Bereitstellung der Siedlungsmittel. Die Bundesregierung wird die Haushaltsmittel 1956, sofern sie für die Realisierung der sich bietenden Siedlungsmöglichkeiten benötigt werden, rechtzeitig zur Verfügung stellen. Soweit diese Mittel hierfür nicht ausreichen, wird die Bundesregierung für eine kontinuierliche Fortsetzung der Siedlungsmaßnahmen durch Bindungsermächtigung, notfalls durch Zustimmung zu einem Vorgriff, so rechtzeitig Sorge tragen, daß eine Unterbrechung der Siedlung nicht eintreten kann.
Zu Frage 4 c: Zusätzliche Anstrengungen zur Durchführung des Siedlungsprogramms. Auf Grund
eingehender Prüfungen der Eingliederungsmöglichkeiten für die vertriebene Landbevölkerung hatten Bundestag und Bundeskabinett die Erwartung ausgesprochen, daß im Zeitraum von 1953 bis 1957 etwa 100 000 Bauernfamilien angesiedelt werden. Im Sinne der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 hat die Bundesregierung die gesetzlichen, finanziellen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen zur Erreichung dieses Zieles geschaffen.
Für die Durchführung der Siedlung unter Ausnützung dieser gebotenen Möglichkeiten sind jedoch die Länder verantwortlich. Auf diesen Tatbestand hat die Bundesregierung wiederholt hingewiesen. In laufenden Verhandlungen ist sie bemüht, eine Intensivierung der schwierigen Arbeit in den Ländern und damit das gesteckte Ziel zu erreichen.
Darüber hinaus muß aber auch die Fortsetzung der Siedlungsmaßnahmen für die Zeit ab 1957 sichergestellt werden. Grundlegend hierfür ist die gesetzliche Verpflichtung des Bundes, die für die Eingliederung des vertriebenen Landvolkes erforderlichen Mittel bereitzustellen, was bis zur Stunde stets geschah.
In § 46 des Bundesvertriebenengesetzes ist die Verpflichtung des Ausgleichsfonds festgelegt, den Ländern bis einschließlich 1957 jährlich 100 Millionen DM darlehensweise zur Verfügung zu stellen. Außerdem stellt der Ausgleichsfonds bis 31. März 1957 gemäß § 253 des Lastenausgleichsgesetzes Aufbaudarlehen für Landwirtschaft bereit. Der Lastenausgleich wird im Jahre 1957 aus der „Eingliederungsphase" in die „Entschädigungsphase" übergeleitet. Daraus werden sich Rückwirkungen auf die Gestaltung der künftigen Wirtschafts- und Finanzierungspläne des Bundesausgleichsamtes ergeben.
Unabhängig hiervon ist sich jedoch die Bundesregierung bewußt, daß auch von 1957 an die Eingliederung des Landvolkes durch Bereitstellung ausreichender Mittel gesichert werden muß.
Die Bundesregierung wird prüfen, inwieweit die Gültigkeit der Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes über die Vergünstigungen auf dem Gebiet des Steuer- und Abgabenrechts gemäß §§ 47 bis 56 des Bundesvertriebenengesetzes nach 1957 verlängert werden muß. Grundsätzliche Bedenken gegen eine zeitliche Verlängerung dieser Bestimmungen bestehen nicht. Darüber hinaus hält die Bundesregierung eine Anpassung der in § 36 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes festgelegten Wertgrenzen an die Bedürfnisse der Praxis für erforderlich. Sie strebt eine Gesetzesänderung an, nach der die Vergünstigungen auf dem Gebiet des Steuer-und Abgabenrechts ohne Rücksicht auf die bisherige Wertgrenze künftig in jedem Falle der Veräußerung oder Verpachtung bis zu einem Wertanteil von 80 000 DM gegeben werden können. Außerdem hat sich die Bundesregierung mit Erfolg für die Vereinheitlichung der Siedlungsfinanzierung durch Angleichung der Konditionen und Zusammenfassung aller Geldquellen einschließlich der Mittel aus dem Ausgleichsfonds eingesetzt. Um die Ansätze in den Haushalten des Bundes und der Länder den Erfordernissen besser anpassen zu können, wird das Siedlungsprogramm dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung künftig vor Beginn des jeweiligen Haushaltsjahres zugeleitet werden.
Das Siedlungsprogramm 1956/57 mit 14 597 von den Ländern eingesetzten Stellen für Vertriebene und Flüchtlinge liegt dem Kabinett vor. Die Finanzierung dieses Programms sowie der sich darüber hinaus bietenden Siedlungsmöglichkeiten ist nach der eben verlesenen Erklärung der Bundesregierung gesichert. Die Bundesregierung wird auch weiterhin ihre Aufmerksamkeit der Eingliederung der vertriebenen Landarbeiter und der nicht mehr siedlungsfähigen Bauern sowie der Ausbildung und dem berufsgerechten Einsatz der vertriebenen Landjugend widmen. Sie gibt schließlich ihrer besonderen Hoffnung Ausdruck, daß die für die Durchführung der Siedlungsmaßnahmen verantwortlichen Länder in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung künftig noch bessere und schnellere Erfolge erzielen werden.
Zu Frage 5: Wohnraummäßige Unterbringung der Geschädigten. Einen wesentlichen Einfluß auf die Versorgung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Evakuierten mit Wohnraum hat die Vergabepraxis der lokalen Wohnraumbewirtschaftungsbehörden. Die Lockerung der Wohnraumbewirtschaftung ist eine Folge der in der gesamten Bevölkerung wirkenden Normalisierungstendenz. Diese hat sich auf Gesetzgebung und Verwaltung ausgewirkt. Ich bin der Auffassung, daß die Normalisierung bei der Wohnraumbewirtschaftung den Tatsachen und Bedürfnissen vorausgeeilt ist. Ich weiß mich in dieser Feststellung einig mit allen, welche den Wohnraumbedarf der Geschädigten kennen und in der Praxis der Wohnraumvergabe tätig sind bzw. Erfahrung haben. Die Verwaltung kann nicht mehr leisten, als ihr aus der Gesetzgebung heraus möglich ist. Ich muß an dieser Stelle auch einmal die natürliche Kraft der Tatsachen erwähnen, die auf der Seite jener steht, die den selbstverständlichen Vorteil einer örtlichen Verwurzelung auf ihrer Seite haben. Ich will hiermit nicht jedes Verhalten der Verwaltungsbehörden decken. In vielen Fällen, auch wenn sie formell korrekt erledigt sein mögen, wäre eine bessere Lösung möglich, wenn Verständnis, Wille und Mut zum Helfen mitgewirkt hätten. Im großen und ganzen aber ist die Abwärtsentwicklung des Anteils der Geschädigten an der Vergabe neuen und alten Wohnraums auf die Lockerung der Wohnraumbewirtschaftung zurückzuführen. Ein Beschluß, den das Bundeskabinett gestern auf Antrag des Herrn Bundesministers für Wohnnungsbau gefaßt hat, ist geeignet. dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Aus Bundeshaushaltsmitteln werden im kommenden Haushaltsjahr nicht 500 Millionen DM wie bisher, sondern 700 Millionen DM für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Diese zusätzlichen 200 Millionen DM dienen u. a. der Qualitätsverbesserung des sozialen Wohnungsbaues, der Förderung des Eigenheimbaues und kommen darüber hinaus anteilmäßig unmittelbar und mittelbar allen Geschädigten zugute.
In Ziffer 5 wird zunächst gefragt, wie weit die wohnraummäßige Unterbringung der Vertriebenen, Flüchtlinge und der Evakuierten fortgeschritten ist. Die wohnliche Unterbringung der Vertriebenen konnte nur im Jahre 1950 anläßlich der Volkszählung auf Grund amtlicher Zahlen festgestellt werden. Für die Ermittlung des heutigen Standes sind nur Schätzungen möglich. Eine wissenschaftliche Arbeit hat versucht, anhand der Gesamtentwicklung des Wohnungsbaus seit 1950 und der Statistik der Wohnraumvergaben seit 1952 hierzu hinreichende Schätzungsunterlagen zu liefern. Es kann
hiernach folgendes gesagt werden: Den Vertriebenen standen 1950 etwa 580 000 selbständige Wohnungen zur Verfügung. Bis zum 1. Januar 1955 sind es rund 1,4 Millionen Wohnungen geworden. Das bedeutet, daß im Jahre 1950 nur 28 % aller vertriebenen Wohnungsinhaber eine Normalwohnung hatten, während es Anfang 1955 schon 62 % geworden waren. Umgekehrt ist der Anteil der als Untermieter oder in Notwohnungen und Lagern untergebrachten Vertriebenen von 72 % im Jahre 1950 auf 38 % Anfang 1955 zurückgegangen. Dehnt man diese Untersuchungen sinngemäß auf den Verlauf des Jahres 1955 aus, so kann bei einer etwa gleichen Beteiligung der Vertriebenen an dem Wohnungsbau dieses Jahres damit gerechnet werden, daß gegenwärtig etwa zwei Drittel der vertriebenen Bevölkerung selbständig in Normalwohnungen untergebracht sind. Bei der übrigen Bevölkerung beträgt dieser Anteil jedoch etwa neun Zehntel. Daraus ergibt sich, daß zwar Erhebliches geleistet worden ist, aber noch recht viel getan werden muß. Genauere Zahlen kann nur die für 1956 vorgesehene Wohnungszählung erbringen.
Wieweit die wohnraummäßige Unterbringung der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone gediehen ist, kann ich Ihnen leider nicht angeben. Denn weder aus der Volkszählung 1950 noch aus neuerer Zeit sind konkrete Grundlagen vorhanden. Lediglich seit 1953 gibt es zuverlässige Zahlen. Hierauf komme ich noch bei Beantwortung der Frage 6.
Bei den Evakuierten sind nicht einmal Schätzungen möglich. Es sei nur darauf hingewiesen, daß bei Kriegsende große Teile der westdeutschen Bevölkerung abwesend waren. Diese sind zurückgekommen und haben z. B. als Kriegssachgeschädigte eine Neubauwohnung erhalten, ohne daß hierbei festgestellt wurde, ob es sich um Evakuierte handelte. Die für 1956 vorgesehene Wohnungszählung wird über die wohnliche Unterbringung aller Wohnungsgeschädigten Zahlen erbringen.
In Ziffer 5 a wird gefragt, wieviel Vertriebene, Flüchtlinge und Evakuierte sich noch in Lagern, Baracken und sonstigen Notunterkünften befinden. Man muß bei einer Frage nach Lagern und Lagerinsassen zunächst zwei Kategorien begrifflich unterscheiden: erstens die alten, meist seit Kriegsende bestehenden Wohnlager, die in familienmäßig abgetrennte Räume unterteilt sind — diese sind zur längeren Unterbringung bestimmt und hauptsächlich mit Vertriebenen belegt —, und zweitens die Durchgangslager sowie die Notunterkünfte Ost, die seit etwa drei Jahren für den Flüchtlingsstrom aus der sowjetischen Besatzungszone eingerichtet sind. Es gibt ferner noch die Notaufnahmelager Berlin, Uelzen, Gießen und die Grenzdurchgangslager Friedland, Piding, Schalding usw., die aber in diesem Zusammenhang nicht interessieren, da ihre Insassen meist nur kurze Zeit verbleiben.
Lediglich für die Kriegsfolgenhilfe-Lager und die Notunterkünfte Ost bestanden bisher periodische Statistiken. Schon mein Vorgänger im Amt hatte sich dafür eingesetzt, daß eine einmalige Statistik aller Lager und Lagerinsassen durchgeführt wird. Der entsprechenden Verordnung wurde endlich im Mai 1955 vom Bundesrat zugestimmt. Daraufhin sind mit dem Stichtag vom 30. Juni 1955 sämtliche im Bundesgebiet vorhandenen Lager mit ihren Insassen erfaßt worden.
Die ersten, vorläufigen Ergebnisse sagen zunächst einmal, daß ein Drittel aller Lagerinsassen
in Lagern leben, die bisher statistisch kaum erfaßt worden sind. Am 30. Juni vorigen Jahres bestanden im Bundesgebiet 1919 Wohnlager mit rund 232 000 Insassen. Die Lager verteilen sich fast ausschließlich auf vier Länder: Niedersachsen mit 88 000, Schleswig-Holstein mit 68 000, Bayern mit 35 000 und Hamburg mit 23 000 Personen.
Unter den insgesamt 232 000 Insassen befinden sich 151 000 Vertriebene = 65 %, 10 000 Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone = 4,3%, 9600 Evakuierte = 4 % und 21 000 Ausländer und Staatenlose = 9 %. In diesen Lagern leben ferner 7600 sonstige Kriegsfolgenhilfeempfänger, z. B. Kriegsbeschädigte und Heimkehrer mit Angehörigen, und schließlich 33 000 andere Personen. Bei letzteren handelt es sich meist um Exmittierte und Asoziale, die von den Gemeinden in die im Laufe der Zeit freigewordenen Lagerplätze eingewiesen wurden.
Zu den Zahlen des Bundesgebietes sind noch 39 Wohnlager in Berlin mit 17 000 Zuwanderern aus der sowjetischen Besatzungszone hinzuzuzählen.
Ein Vergleich dieser Zahlen vom 30. Juni 1955 mit der zurückliegenden Zeit kann nur auf Schätzungen beruhen, da nur die Kriegsfolgenhilfe-Lager periodisch gezählt wurden. Es ergibt sich hiernach immerhin, daß die Zahl der Lagerinsassen der Dauerwohnlager seit 1953 um etwa 40% abgenommen hat.
Während sich aber die Zahl der Dauerwohnlager und ihrer Insassen im Laufe der letzten Jahre allmählich durch Wohnungsbau, Umsiedlung und Lagerauflösung verringert hat, ist seit etwa 3 Jahren zusätzlich eine neue Lagerart entstanden. Es handelt sich um die Notunterkünfte Ost und Durchgangslager, die zur vorübergehenden Unterbringung der notaufgenommenen Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone eingerichtet wurden.
Die Zahl dieser Insassen wird periodisch registriert. Am 1. Januar 1955 waren es 135 000 Personen. Die Zahl sank bis zum 1. Mai auf 128 000. Seitdem steigt sie aber ständig an. Der zunehmende Flüchtlingsstrom, mit dem der Wohnungsbau nicht Schritt halten konnte, bewirkte, daß am 1. Januar 1956 164 000 Insassen in den Notunterkünften Ost gezählt wurden. Von diesen sind etwa ein Viertel Vertriebene, die nunmehr zum zweiten Mal von vorne beginnen müssen. Bei den 165 000 Menschen handelt es sich fast durchweg um Notaufgenommene, die den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zugewiesen worden sind. Hierunter sind 54 000 in sogenannten Festlagern, die diese Länder in anderen Ländern unterhalten. Wenn man also das soziale Elend aller Lagergruppen zusammenfaßt, so ergibt sich, daß Anfang dieses Jahres wieder etwa 410 000 Menschen in rund 3000 Lagern untergebracht sind. Dies ist eine wahrhaft erschreckende Zahl. Sie wird noch verstärkt durch die nicht bekannte Anzahl der Bewohner von Bunkern und anderen Notquartieren in den Gemeinden.
Zu Frage 5 b Satz 1, Anteil der Geschädigten bei Wohnraumvergabe. Der alljährliche Anteil der Geschädigten bei der Vergabe von bewirtschaftetem Wohnraum ergibt sich aus der WohnraumvergabeStatistik, die seit 1952 geführt wird. Es waren beteiligt an der Erstvergabe von Neubauwohnungen im Jahre 1954: die Vertriebenen mit 39,2 %, die Flüchtlinge mit 4,1 %, die Evakuierten mit 2,3 %. Gegenüber den Zahlen des Jahres 1952 hat sich der Anteil der Vertriebenen um ein Fünftel vermindert, der Anteil der Flüchtlinge hat sich verdreifacht und auch der Anteil der Evakuierten ist etwas gestiegen. Für das Jahr 1955 liegen noch keine Gesamtziffern vor.
Allgemein etwas niedriger liegen die Anteile dieser Personenkreise bei der Wiedervergabe von Altwohnraum. Hier sind im Jahre 1954 beteiligt gewesen: die Vertriebenen mit 27,6 %, die Flüchtlinge mit 2,7% und die Evakuierten mit 0,6% Gegenüber dem Jahre 1952 ist etwa die gleiche Veränderung wie bei den Neubauwohnungen eingetreten.
Die Entscheidung über die Zuteilung bewirtschafteten Wohnraumes ist nach dem Wohnraumbewirtschaftungsgesetz nur in wenigen Fällen in die Hand der Wohnungsbehörden gelegt. Die Zuteilung erfolgt in der Regel entsprechend dem Antrag des Verfügungsberechtigten. Außerdem besitzt nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz derjenige Wohnungsuchende einen Anspruch auf Zuteilung einer Wohnung, der dazu einen angemessenen Finanzierungsbeitrag leistet. Die Wohnraumvergabe bei öffentlich geförderten Wohnungen wird daher fast ausschließlich schon im Stadium der Finanzierung entschieden.
In Würdigung dieser Sachlage hat sich die Bundesregierung bemüht, durch Einflußnahme auf entsprechende Mittelbereitstellungen, insbesondere der Aufbaudarlehen, dafür zu sorgen, daß diese Personenkreise einen angemessenen Anteil am Wohnungsbau erhalten. Nur dadurch konnten überhaupt in den Jahren 1952 bis 1954 die vorerwähnten Anteile an der Erstvergabe erzielt werden. Wohl ist der Anteil der Vertriebenen an Neubauwohnungen zurückgegangen. Die absolute Zahl der an Vertriebene vergebenen öffentlich geförderten Wohnungen hat sich aber gegenüber 1952 erhöht. Ferner hat auch die Beteiligung der Vertriebenen an den steuerbegünstigten und frei finanzierten Wohnungen zugenommen. Ein ständig steigender Anteil der Aufbaudarlehen ist diesem Wohnungsbau zugeflossen; von dem im Individualverfahren bewilligten Betrag ist etwa ein Viertel auf nicht öffentlich geförderte Vorhaben zugunsten Vertriebener und Kriegssachgeschädigter entfallen. Es steht aber andererseits fest, daß in den letzten drei Jahren die Bereitstellung von Lastenausgleichsmitteln für den Wohnungsbau ständig gestiegen ist. Demnach hat sich der Anteil der Geschädigten und hierunter besonders der Vertriebenen an den Ergebnissen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus nicht im gleichen Verhältnis erhöht.
In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß noch im Jahre 1952 viele Wohnungen lediglich auf Grund der nachstelligen öffentlichen Förderung und der Bindung an Vertriebene vergeben wurden, während die Restfinanzierung aus privaten Quellen, sei es vom Bauträger, vom Arbeitgeber, durch Verwandtenhilfe oder auf andere Art aufgebracht wurde. Heute dagegen muß die Restfinanzierung fast ganz durch Aufbaudarlehen gedeckt werden. Eine Ursache hierfür ist allerdings auch die Baukostensteigerung und die zunehmende Verbesserung der Wohnungen nach Größe und Qualität.
Die Zahl der Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone wächst ständig.
Ihr Anspruch an der Wohnungsvergabe wird also zwangsläufig zunehmen. Also müssen Finanzierungsmittel im entsprechenden Umfange bereitgestellt werden.
Bei den Evakuierten kommt dem Ansteigen ihres Anteils an den Erstvergaben erhöhte Bedeu-
tung zu, zumal sie wegen ihrer Entfernung von dem Ausgangsort bei Wiedervergaben wenig Aussicht auf Berücksichtigung haben.
Frage 5 b 2: Ist die Zweckbindung ausdehnbar? Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Vergabe von Wohnungen an diese Personenkreise nicht immer durch bloßen Verwaltungsakt gesichert werden kann, sondern viel besser durch Bereitstellung entsprechender Mittel, insbesondere im Bereich der Restfinanzierung. Die für den allgemeinen Wohnungsbau bereitstehenden 500 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel sind bisher wiederholt mit unterschiedlichen Anteilen vor allem zur Durchführung der übergebietlichen Umsiedlung zweckgebunden worden. Daran soll auch in Zukunft in vertretbarem Maße festgehalten werden. Eine Ausdehnung der Zweckbindung über den bisherigen Umfang hinaus dürfte aber im Interesse der übrigen wohnungsuchenden Bevölkerungskreise gegenwärtig leider nicht möglich sein.
Eine Erhöhung der Lastenausgleichsmittel scheidet im Hinblick auf die sonstigen Verpflichtungen des Lastenausgleichs aus; der Fonds trägt bereits mit fast einem Drittel seines Gesamtaufkommens zum Wohnungsbau bei.
Für die Evakuierten gilt ähnliches wie für die Vertriebenen. Doch kommt hier hinzu, daß nur etwa 50 % der Evakuierten lastenausgleichsberechtigt sind. Infolgedessen kann nur etwa die Hälfte Wohnungsbaumittel aus dem Lastenausgleich erhalten.
Auf die noch schwierigere Situation bei dem Wohnungsbau für Flüchtlinge werde ich bei Beantwortung der Frage 6 eingehen.
Zu Frage 5 c: Das Wohnungselend der ersten Jahre nach 1945 erzwang jede Lösung auf jedem gangbaren Weg. Die Voraussetzungen für größere Beweglichkeit mußten erst geschaffen werden. Man verhalf zum Wohnraum, noch nicht zur Wohnung und noch weniger zum Wohneigentum. Inzwischen ist die Bewegungsfreiheit erweitert und Eigentumsbildung ohne Beeinträchtigung des Bauergebnisses möglich geworden. Das schlimmste Elend ist weitgehend beseitigt. Noch aber besteht vornehmlich in den Wirtschaftszentren ausgesprochene Wohnungsnot.
In Ziffer 5 c wird zunächst gefragt, wieviel für Geschädigte gebundene und wieviel bezogene Wohnungen als Ergebnis . der Wohnraumhilfe festgestellt worden sind. Die Wohnraumhilfemittel des Lastenausgleichs müssen zur nachstelligen Finanzierung des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt werden. Entsprechend dem Wunsch der gesetzgebenden Körperschaften werden sie zusammen mit den übrigen Mitteln von den zuständigen Förderungsstellen der Länder bewilligt. Über die mit diesen öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen und über die nach den Bewilligungsbescheiden für Geschädigte vorbehaltenen Wohnungen haben die Länder dem Bundeswohnungsbauministerium und dem Bundesausgleichsamt alljährlich einen Verwendungsnachweis zu liefern.
Aus den bisher für die Rechnungsjahre 1952 bis 1954 vorliegenden Nachweisen ergibt sich nur ein noch unvollständiges Bild mit vorläufigen Zahlen. Ich beschränke mich darauf, hier das Ergebnis von 1954 — allerdings ohne Baden-Württemberg — bekanntzugeben. Hiernach sind rund 50 % aller mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen durch Bewilligungsbescheide für Geschädigte gebunden;
aber insgesamt rund 70 % wurden an Geschädigte zugeteilt. Da der Anteil der Wohnraumhilfemittel an den gesamten öffentlichen Förderungsmitteln etwa ein Drittel betragen hat, bedeutet dies, daß die Länder der ihnen nach den Einsatzrichtlinien obliegenden Verpflichtung nachgekommen sind. Sie haben nämlich mindestens denjenigen Anteil geförderter Wohnungen durch Bewilligungsbescheid den Geschädigten vorbehalten, der dem Verhältnis der Lastenausgleichsmittel zu den insgesamt zur Verfügung gestellten öffentlichen Mitteln entspricht. Sie haben weiterhin auch einen angemessenen Teil der sonstigen mit öffentlichen Mitteln geförderten neuen Wohnungen an Geschädigte zugeteilt. Das ist vornehmlich eine Folge der durch den Einsatz von Aufbaudarlehen im Restfinanzierungsraum automatisch eintretenden Bindung der Wohnungen zugunsten von Geschädigten.
Die weitere Frage lautet, wie viele mit Lastenausgleichsmitteln geförderte Wohnungen den Geschädigten zu Eigentum zugefallen sind. Der gefragte Anteil kann vom Bundesausgleichsamt lediglich für den Bereich der Aufbaudarlehen angegeben werden. Diese Zahlen aber erlauben weitgehend einen Rückschluß auf die Verwendung der nachstelligen Wohnungsbaumittel, auch der Wohnraumhilfemittel. Denn der weitaus überwiegende Teil der mit Wohnraumhilfemitteln geförderten Wohnungen ist gleichzeitig mit Aufbaudarlehen finanziert worden.
Von den bisher insgesamt bis zum 30. September 1955 mit Aufbaudarlehen geförderten 422 000 Wohnungen kann über die Rechtsform und damit über die Frage des Eigentums bei zunächst 324 000 Wohnungen Aufschluß gegeben werden. Der Rest entfällt auf Wohnungen, für die — im Globalverfahren gefördert — eine Abrechnung noch nicht erfolgt ist. Von diesen 324 000 Wohnungen sind 106 000 Wohnungen in der Rechtsform des Eigenheims oder des Wohnungseigentums oder des Dauerwohnrechts erstellt. Hierbei ist bei Eigenheimen mit Einliegerwohnung nur die eine Wohnung gezählt worden, für welche der Darlehensnehmer, der Wohnungsbenutzer und der Eigentümer ein und dieselbe Person ist. Es sind ferner für 20 000 Antragsteller Mehrfamilienhäuser hauptsächlich im Wiederaufbau und als Ersatzbau Geschädigter mit zusammen 80 000 Wohnungen gefördert worden. Es entfallen also lediglich 20 000 Wohnungen aus diesen Förderungsmaßnahmen auf Eigentümer. Insgesamt ergibt sich demnach, daß von den 324 000 Wohnungen etwa 126 000 — das sind 40% — in das Eigentum von Geschädigten gelangt sind. Fast 200 000 Wohnungen — das sind 60 % — sind Mietwohnungen.
Es wird gefragt, ob die ordnungsgemäße Ablösung der im Globalverfahren gewährten Aufbaudarlehen durch Individualanträge gewährleistet ist. Die Ausführungsbestimmungen zu § 20 der entsprechenden Weisung des Bundesausgleichsamtes haben die Ablösung der Globaldarlehen in lückenlosen Vorschriften geregelt. Die Durchführung des Verfahrens ist nicht ganz einfach. Es setzt die einwandfreie Zusammenarbeit von zahlreichen behördlichen Stellen und Bauträgern voraus. Daraus ergeben sich in der Praxis manche Schwierigkeiten. Das Bundesausgleichsamt ist aber im Einvernehmen mit den zuständigen Bundesressorts mit einigem Erfolg bemüht, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Schwierigkeiten liegen besonders darin, daß Wohnungen an Geschädigte zugeteilt worden sind, die nicht bereit sind, nachträglich Ablösungsanträge zu stellen. Der Druck, den das Bun-
desausgleichsamt in letzter Zeit auf die beschleunigte Ablösung der Globaldarlehen ausübte, hat zu einer ständig steigenden Ablösungsquote geführt.
Die in der nächsten Frage angeschnittene unbefriedigende Berücksichtigung der Individualanträge auf Aufbaudarlehen ist hauptsächlich auf ein relativ starkes Anschwellen der Anträge auf Aufbaudarlehen zurückzuführen. Um dieser Entwicklung zu begegnen, beabsichtigt die Bundesregierung, zwei Wege zu beschreiten: erstens ausreichende Bereitstellung von Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau zugunsten von Geschädigten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten. In diesem Sinne hat sich die Bundesregierung bereits im Dezember 1955 bereit erklärt, der Vorfinanzierung von 150 Millionen DM zuzustimmen, die zur Aufstockung der vom Präsidenten des Bundesausgleichsamtes für 1956 zu bewilligenden Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau verwendet werden sollen. Damit soll gleichzeitig dem Kontrollausschuß die Zustimmung zu gewissen Zweckbindungen anteiliger Lastenausgleichsmittel für die Umsiedlung und Evakuiertenrückführung erleichtert werden.
Die Bundesregierung beabsichtigt zweitens die Einschränkung des Globalverfahrens. Das Globalverfahren hat sich in der Vergangenheit im Interesse der wohnungsmäßigen Unterbringung der Geschädigten, die nicht selbst zu bauen vermochten, als notwendig erwiesen. Es hat darüber hinaus dazu beigetragen, den im Anfang stockenden Abfluß der Mittel aufzulockern. Nunmehr kann dazu übergegangen werden, das Globalverfahren im Interesse der Individualanträge und einer verstärkten Eigentumsbildung einzuschränken.
Notwendig bleibt das Globalverfahren dabei für die äußere Umsiedlung und im wesentlichen auch für die innere Umsiedlung und den Wiederaufbau. Dagegen wird der Bundesminister für Wohnungsbau den Präsidenten des Bundesausgleichsamtes bitten, das Verfahren für diejenigen der sonstigen Fälle nicht mehr zuzulassen, die nicht zur Eigentumsbildung für Geschädigte führen.
Abgesehen davon wird die Möglichkeit geprüft, das Individualverfahren auch im übrigen stärker zur Geltung zu bringen. Gleichzeitig gilt es jedoch sicherzustellen, daß nicht neue Stockungen im Abfluß der Mittel auftreten können.
Zum Schluß der Ziffer 5 c wird noch gefragt, ob Aufbaudarlehen entgegen ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung zur Einsparung nachstelliger Baudarlehen verwendet werden. Das Bundesausgleichsamt hat aus Unterlagen für das Baujahr 1954 festgestellt, daß die Landesbaudarlehen im Durchschnitt um mehr als 300 DM geringer sind, wenn die Wohnungen gleichzeitig mit Aufbaudarlehen gefördert wurden. Der Präsident des Bundesausgleichsamtes wird, sofern darin eine offensichtlich mißbräuchliche Handhabung und damit ein Verstoß gegen die Weisung festzustellen ist, für die Zukunft geeignete Maßnahmen zur Unterbindung dieser Verstöße treffen.
Zur Frage 5 d: Wohnungsbaumittel zur Beendigung der übergebietlichen Familienzusammenführung. übergebietliche Familienzusammenführung ist als eine durch den Bund geförderte Sondermaßnahme bisher nur im Rahmen der Umsiedlung aus den mit den Vertriebenen und Flüchtlingen überbelegten Ländern in die übrigen Bundesländer betrieben worden. Sie wird deshalb auch in dem durch das laufende Umsiedlungsprogramm erlaubten Umfange fortgesetzt. Dieses Programm, das die Umsiedlung von 915 000 Personen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorsieht, wird bis Ende 1956 durchgeführt sein. Die darüber hinaus notwendige übergebietliche Familienzusammenführung und Evakuiertenrückführung wird durch ein weiteres und voraussichtlich letztes Umsiedlungsprogramm ermöglicht werden. Die dieses Programm regelnde Verordnung ist dem Kabinett zugestellt worden. Unabhängig von dieser Verordnung hat das Kabinett die Rückführung von 35 000 Evakuierten und die der Familienzusammenführung dienende Umsiedlung von 94 500 Vertriebenen und Flüchtlingen sowie 5500 nichtdeutschen Flüchtlingen gebilligt. Bei der Feststellung der zuletzt genannten Zahl noch umzusiedelnder Vertriebener und Flüchtlinge wurde von dem durch die vorliegenden Umsiedlungsanträge ausgewiesenen Bedürfnis nach Familienzusammenführung ausgegangen.
Für die Durchführung des neuen Umsiedlungsprogramms und damit für die Fortführung der übergebietlichen Familienzusammenführung werden voraussichtlich rund 285 Millionen DM nachstelliger Wohnungsbauförderungsmittel des Bundes benötigt. Über die Bereitstellung dieser Summe durch entsprechende Zweckbindung von für den Wohnungsbau bestimmten Bundeshaushalts- bzw. Lastenausgleichsmitteln bleibt im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Umsiedlungsverordnung zu entscheiden. Sie wird im wesentlichen von der Haltung der Länder zu der Frage der Bindung der Mittel für die Zwecke der Umsiedlung abhängen. Die Zustimmung zur Zweckbindung wird dem zunächst ablehnenden Kontrollausschuß bzw. dem Bundesrat durch Bereitstellung einer weiteren Vorfinanzierung aus Bundesmitteln für den Ausgleichsfonds — in Höhe von 150 Millionen DM für Aufbaudarlehen Wohnungsbau — erleichtert. Die Bereitstellung von öffentlichen Wohnungsbaumitteln zur Beendigung der übergebietlichen Familienzusammenführung wird also erst mit der Verabschiedung der vorbereiteten Umsiedlungsverordnung endgültig sichergestellt sein.
Zur Frage 5 e, Rückführung der Evakuierten. Sowohl die dem Bund als auch den Ländern zur Verfügung stehenden Statistiken liefern keine ausreichenden Unterlagen zur vollständigen Beantwortung des ersten Teils dieser Frage. Es kann daher nur gesagt werden, daß seit dem Inkrafttreten des Bundesevakuiertengesetzes vom 18. Juli 1953 bis zum 30. September 1955 sich 465 025 Personen als rückkehrwillig gemeldet haben. Registriert wurden rund 450 000. Von diesen sind bereits bis zum 30. September 1955 62 819 rückgeführt und wohnungsmäßig untergebracht worden. Es muß damit gerechnet werden, daß ein Teil derer, die sich gemeldet haben, von der Rückkehrabsicht zurücktritt.
Die Maßnahmen der Länder seit dem Inkrafttreten des Bundesevakuiertengesetzes sind hauptsächlich auf die wohnraummäßige Versorgung der innerhalb ihrer Länder rückzuführenden Evakuierten abgestellt. Die Wohnraumversorgung dieses Personenkreises erfolgt über die Bereitstellung von zweckbestimmten Mitteln bzw. durch Zuweisung eines Anteils der im Rahmen der allgemeinen Wohnungsprogramme erstellten Wohnungen. Über
Maßnahmen der Länder können vollständige Angaben nicht gemacht werden. Bekannt ist, daß in Baden-Württemberg Sondermittel für 800 Wohneinheiten, in Bayern solche für 1150 Wohneinheiten, in Hessen für rund 320 Wohneinheiten und in Nordrhein-Westfalen für vorläufig 2000 Wohneinheiten für das Baujahr 1956 sichergestellt sind.
Die Bundesregierung ihrerseits erkennt hiermit abermals ihre Verantwortung für die Rückführung der Evakuierten von Land zu Land an. Die Bundesregierung hat Maßnahmen durchgeführt bzw. führt sie durch im Rahmen der Umsiedlung Vertriebener aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Im letzten, gegenwärtigen Umsiedlungsabschnitt — 165 000 Personen — sind die Evakuierten mit mindestens 22 500 vorgesehen. Diese Rückführung wird bis Ende des Jahres 1956 abgeschlossen sein. Für die Rückführung von Evakuierten außerhalb der Umsiedlung aus anderen als den Flüchtlingsabgabeländern sind in den Jahren 1954 und 1955 zweckgebundene Wohnraumhilfemittel von zusammen 40 Millionen DM und 10 Millionen DM Aufbaudarlehen bereitgestellt worden. Mit diesen Mitteln werden rund 6700 Wohnungen erstellt und insgesamt rund 22 000 Evakuierte zurückgeführt.
Als geplante Maßnahmen der Bundesregierung für die Rückführung der Evakuierten von Land zu Land werden genannt: Die Fortsetzung der Umsiedlung wird in der dem Kabinett vorliegenden neuen Umsiedlungsverordnung die Einbeziehung von weiteren 35 000 Evakuierten und deren Rückführung in die Ausgangsländer vorsehen. Als Finanzierungsbeitrag für die nachstelligen Wohnungsbaumittel sollen 15 Millionen DM aus den für Evakuierte vorgesehenen öffentlichen Wohnungsbaumitteln zur Verfügung gestellt werden. Für die Rückführung der Evakuierten außerhalb der Umsiedlung sind 10 Millionen DM Wohnraumhilfemittel und 10 Millionen DM Aufbaudarlehen sowie 25 Millionen DM Bundeshaushaltsmittel vorgesehen.
Ich fasse die Programme zusammen: 1. Vom Bund bereits 1954/55 zurückgeführt 22 000, dazu eine nicht bekannte Zahl der Evakuierten aus früheren Umsiedlungsabschnitten; 2. im Jahre 1956 im Rahmen der Umsiedlung 22 500; 3. in der neuen Umsiedlungsverordnung 35 000; 4. aus der Rückführung außerhalb der Umsiedlung 15 000; 5. aus den von vier Ländern bekanntgegebenen Programmen für 1956 15 000, zusammen also 109 500 Personen. Die Zahl wird sich durch weitere Ländermeldungen erhöhen.
Im übrigen erkennt die Bundesregierung auch ihrerseits die Dringlichkeit der Rückführung der Evakuierten an. Sie wird daher alle Möglichkeiten nützen und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, die für eine weiter beschleunigte Rückführung der Evakuierten notwendig sind.
Zur Frage 6: Wieviel Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone sind durch Bundeswohnungsbaumittel mit Wohnraum versorgt worden? Vom Bund werden in den letzten Jahren an Stelle von Mitteln zur Errichtung von Lagern Sondermittel für den Wohnungsbau zugunsten der seit dem 1. Februar 1953 einströmenden Notaufgenommenen bereitgestellt. Die Länder sind verpflichtet, im Verhältnis der ihnen zugeteilten Mittel die Zuwanderer zumutbar wohnungsmäßig unterzubringen. Bisher wurden rund 545 Millionen DM gegeben. Dadurch ist die Voraussetzung für die wohnungsmäßige Unterbringung der den Ländern einschließlich Berlin in der Zeit vom 1. Februar 1953 bis 31. März 1955 zugewiesenen rund 370 000 Zuwanderer geschaffen. Einschließlich der dankenswerterweise von der Regierung der Vereinigten Staaten für diesen Zweck gespendeten 63 Millionen DM FOA-Mittel wurden bisher im Bundesgebiet und in Berlin zugunsten von Flüchtlingen Wohnungsbauprogramme von insgesamt rund 77 000 Wohnungen in Angriff genommen. Davon waren zum 1. November 1955 bezugsfertig 52 000, im Bau 21 000, bewilligt, aber noch nicht im Bau 4000. Weitere Bauprogramme sind auf Grund des Bundeshaushaltsansatzes vom 56 Millionen DM in Vorbereitung.
Nach den Berichten der Länder wurden bis etwa Mitte 1955 224 000 Personen zumutbar untergebracht, davon 112 000 in Neubauwohnungen, die übrigen in vorhandenen Wohnungen. Die anderweitig untergebrachten Alleinstehenden, insbesondere Jugendliche, sind hierin nicht eingerechnet. Die wohnungsmäßig noch nicht untergebrachten Notaufgenommenen befinden sich zum großen Teil noch in Durchgangslagern und Notunterkünften Ost. Ich habe bei meinen Angaben zu Ziffer 5 a über die Belegung der Lager die Zahlen genannt.
Die Frage, ob für Flüchtlinge in größerem Ausmaße Schlichtwohnungen gebaut werden, wird von den Ländern ausnahmslos verneint. Lediglich Bayern weist darauf hin, daß angesichts der Finanzierung nur eine einfache Ausstattung in Betracht kommt, die aber noch im Rahmen der für den sozialen Wohnungsbau geltenden Bestimmungen liegt.
Wie kann die untragbare Ausdehnung des Lageraufenthaltes verhindert werden? Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vom Juli 1955 schuf die Grundlage dafür, in den Haushaltsplan 1956 nicht nur die Summe einzusetzen, die zum Wohnungsbau für die ab 1. April 1955 aufgenommenen Zuwanderer erforderlich ist, sondern gleichzeitig schon eine Bindungsermächtigung für diejenigen Mittel zu erteilen, welche zum Wohnungsbau für die voraussichtlich im Rechnungsjahr 1956 zu erwartenden Zuwanderer gebraucht werden. Es handelt sich allerdings bei beiden Beträgen von je 157,5 Millionen DM, die sich lediglich auf SBZ-Flüchtlinge beziehen, nur um Schätzungen, da bei Aufstellung des Haushaltsplanes das Anschwellen des Flüchtlingstroms in seinem ganzen Ausmaß noch nicht zu übersehen war. Schon jetzt ist festzustellen, daß die für das Rechnungsjahr 1955 zugrunde gelegte Zahl von Zuwanderern mit etwa 30 000 Personen überschritten werden wird.
Bisher mußte den Flüchtlingen im Durchschnitt zwei Jahre Lageraufenthalt zugemutet werden, weil ein Jahr bis zur Bereitstellung der Mittel und ein weiteres bis zur Fertigstellung der Wohnungen verging. Durch die in Form der Bindungsermächtigung getroffenen Überbrückungsmaßnahmen kann dieser Aufenthalt voraussichtlich auf ein Jahr abgekürzt werden. Ein völliger Wegfall des Lageraufenthaltes würde sich nur erreichen lassen, wenn die zum Wohnungsbau erforderlichen Mittel bereits ein Jahr vor der Ankunft der entsprechenden Flüchtlinge bereitgestellt und verplant werden könnten. Das ist aber infolge vieler Unsicherheitsfaktoren nicht möglich.
Die Abkürzung des Lageraufenthaltes auf ein Jahr hängt außerdem von zwei weiteren Voraussetzungen ab. Zunächst muß den Ländern eine
Vorfinanzierung der unter die Bindungsermächtigung fallenden Beträge im Jahre 1956 gelingen. Soweit sich der Auszahlung in diesem Rechnungsjahr unüberbrückbare Schwierigkeiten entgegenstellen sollten, zieht die Bundesregierung eine Kassenhilfe in Betracht. Zum zweiten müssen die aus der Bindungsermächtigung stammenden Mittel noch im Bauprogramm des Jahres 1956 planungsmäßig untergebracht werden, was wiederum nicht nur von der Baukapazität, sondern von der Gesamtfinanzierung abhängig ist. Dabei kommt es darauf an, daß einerseits die Lücke in der nachstelligen Förderung geschlossen und andererseits das Problem der Restfinanzierung befriedigend gelöst werden.
Zwar sind Länder bemüht, die Bestrebungen des Bundes zur Verkürzung des Lageraufenthaltes zu unterstützen, aber sie haben bisher nur zum Teil Wege zur Überwindung der genannten Engpässe gefunden. So führt z. B. Nordrhein-Westfalen jetzt Verhandlungen über die Beschaffung zusätzlicher Mittel und plant u. a., für diesen Zweck 18 Millionen DM aus den pauschalierten Kriegsfolgenhilfemitteln zu verwenden. Hessen beabsichtigt, die offene Finanzierungslücke durch Aufnahme von 1-b-Hypotheken unter gleichzeitiger Gewährung von Zinsverbilligungen zu schließen. Fast übereinstimmend wird allerdings von den Ländern darauf hingewiesen, daß sie solche außergewöhnliche Anstrengungen auf die Dauer kaum durchhalten können.
Die Mittel allein tun es aber nicht. Auch die innere Bereitschaft der Bauherren, den auf sie entfallenden Teil unserer gesamtdeutschen Verpflichtung auf sich zu nehmen, ist notwendig.
Zur Frage 7: Lagerräumung. Unter 5 a habe ich die erschreckenden Zahlen genannt. Das Lager ist ein Attribut totalitärer Staatsformen. Ohne Zweifel ist uns das Lager durch den hohen Zerstörungsgrad unseres Wohnraumes und den plötzlichen Bevölkerungszuwachs von nahezu 25 % von außen aufgedrängt worden. Aber wir müssen uns aus der gefährlichen Gewohnheit reißen, die Lager als etwas Unabänderliches hinzunehmen. Die Achtung vor der Würde und Individualität des Menschen, unsere Sorge um die Familie und unser Bekenntnis zum europäischen Charakter unseres Staates und unserer Gesellschaft, aber auch Gründe der Staatssicherheit verpflichten uns, die Lager trotz aller großen Schwierigkeiten, die nicht nur in dem unverminderten Zustrom von Flüchtlingen aus der sowjetischen Besatzungszone liegen, so schnell wie nur irgend möglich zu beseitigen.
Im letzten Haushaltsjahr vor der Pauschalierung der Kriegsfolgenhilfe hat die Bundesregierung mit Hilfe der für die Lagerunterhaltung eingesetzten Mittel ein Lagerräumungsprogramm aufgestellt, finanziert und durchgeführt. Dadurch, daß 30 Millionen DM nicht zur Ausbesserung alter Lager verwandt, sondern der Finanzierung von Wohnungen zugeführt wurden, konnten 277 Lager geräumt und 30 000 Lagerinsassen wohnungsmäßig untergebracht werden.
Die Pauschalierung der Kriegsfolgenhilfe hat der Bundesregierung die Disposition über die Verwendung dieser Mittel entzogen. Die Länder verfügen nun selbst über ihre Pauschbeträge, mit denen das Programm in eigener Zuständigkeit fortgesetzt werden kann.
Die Möglichkeit, über die pauschalierten Beträge hinaus zusätzliche Bundeshaushaltsmittel zur Beschleunigung der Lagerauflösung bereitzustellen, mußte nach gewissenhafter Prüfung verneint werden.
Die Bundesregierung ist jedoch bereit, unter der Voraussetzung, daß durch die in Vorbereitung befindliche Durchführungsverordnung zum Vierten Überleitungsgesetz die Pauschbeträge für die einzelnen Länder bis dahin endgültig festgesetzt worden sind, den Ländern zur Durchführung von Lagerräumungsprogrammen sofort nach dem 1. April 1956 die vollen Pauschbeträge für Lageraufwendungen des Rechnungsjahres 1956 bereitzustellen.
Außerdem ist die Bundesregierung bereit, den Ländern auf Wunsch eine einjährige Kassenhilfe zu geben, die aus den Pauschbeträgen des folgenden Rechnungsjahres zu tilgen ist,
und dies erforderlichenfalls in den darauf folgenden Jahren zu wiederholen.
Die Länder, mit denen auf Grund dieser Zusage sofort Verhandlungen aufgenommen werden, haben somit die Möglichkeit, Programme vorzufinanzieren, welche eine beschleunigte Lagerräumung bewirken können. Da gleichzeitig der Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt einer Ergänzung dieser und anderer nachstelliger Länderaufwendungen für 1956 durch bis zu 30 Millionen DM Aufbaudarlehen zur Restfinanzierung bereits zugestimmt hat, kann die Finanzierung der in die Zuständigkeit der Länder gestellten Lagerauflösung zunächst für 1956 als gesichert angesehen werden.
Frage 8 a und b. Ziffer 8 a fragt, wie weit die 1955 bereitgestellten Mittel für Darlehen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz von den Ländern abgerufen worden sind. Für das Haushaltsjahr 1955 waren 45 Millionen DM in den Haushalt eingesetzt. Diese wurden den Ländern in Raten bereitgestellt, und zwar im Juli 10 Millionen DM, im August 12,5 Millionen DM und im November 22,5 Millionen DM. Bis jetzt haben die mehrfach um Beschleunigung des Verfahrens und rechtzeitige Verwertung der Mittel gebetenen Länder nur rund 2 Millionen DM der bereitgestellten Mittel abgerufen.
Über 13 Millionen DM der Mittel ist durch verbindliche Bewilligungen verfügt. Eine gewisse Anlauffrist muß vorausgesetzt werden. Es ist auch erklärlich, daß zumal bei Wohnungsbaumitteln zwischen Bewilligung und Auszahlung eine größere Zeitspanne liegt.
Ziffer 8 b fragt nach den entsprechenden Mitteln des Haushaltsjahres 1956. Da ein gewisser Teil der im Jahre 1955 bereitgestellten Mittel übertragen wird, dürfte eine Bereitstellung weiterer 40 Millionen DM im Haushaltsjahr 1956 dem Bearbeitungstempo der durchführenden Landesbehörden entsprechen. Einer schnelleren Bearbeitung und Auszahlung dieser Mittel durch den Bund oder der Heimkehr einer größeren Anzahl von Verschleppten wird jederzeit nach Art. 112 des Grundgesetzes durch nachträgliche Bewilligung Rechnung getragen werden.
Das bisherige Betreuungs- und Eingliederungsergebnis ist neben dem Selbstbehauptungswillen der Opfer von Vertreibung, Flucht und Bombenkrieg auch der günstigen Wirtschafts- und Finanzentwicklung der freien Welt zu verdanken. Diese Feststellung verkleinert nicht den Erfolg der Maßnahmen der Bundesregierung, der auch vor jeder sachlichen Kritik bestehen kann. Die Bundesrepublik darf aber als überzeugtes Mitglied der freien Völker darauf hinweisen, daß es gerade die Vertriebenen, die Flüchtlinge und unsere Heimkehrer waren, die in entscheidenden Jahren mit heißem Herzen und klarem Willen einen festen Damm gegen das weitere Vordringen des Bolschewismus errichtet haben. Damit gaben sie der Bundesrepublik die Fähigkeit, einen in seinem Wert unschätzbaren Beitrag zur Konsolidierung und Behauptung der Freiheit zu leisten. Diese so enge Verflechtung zwischen dem Schicksal der freien Welt und der staatspolitischen sowie religiösen Haltung der Vertriebenen und Flüchtlinge dauert an. Bis zur Verwirklichung des Rechtes auf Heimat, ja über die natürliche, gerechte und friedliche Lösung der Vertriebenenfrage hinaus wird diese innige Verflechtung politisch wirksam bleiben. Sie ist ein bleibender Bestandteil deutschen Schicksals überhaupt.
Daraus ergeben sich Folgerungen. Erstens: Wir müssen unsere Pflicht zur Eingliederung jener erfüllen, die ohne eigene Schuld noch in der Vorhalle oder gar vor der Tür der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung stehenbleiben mußten.
Die Meinung ist irrig, daß sich das Vertriebenen-und Flüchtlingsproblem nunmehr von selbst löse. Nichts löst sich von selbst. Zu groß ist die politische Versuchung, die in dem demütigenden Gefühl liegt, nicht mehr dranzukommen, nicht mehr teilnehmen zu dürfen, vergessen und ausgeschlossen zu sein.
Die uns verbliebene Aufgabe ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Die Eingliederung des Restes erfordert eine Fülle individueller Maßnahmen; sie setzen individuelles Einfühlungsvermögen voraus. Daher ist die Erkenntnis notwendig, daß Eingliedern nicht nur das Ausüben einer volkswirtschaftlichen Tätigkeit — also primär kein materieller Vorgang — ist, sondern Arbeit am lebendigen Menschen sein muß. Wer das nicht zu sehen vermag, ist ungewollt denen ähnlich, die wir bekämpfen.
Die Eingliederung muß so beschleunigt werden, daß die Hilfen des Staates schneller zur Durchführung kommen, als der Selbsthilfewille der Geschädigten erlahmt. Dieser Wettlauf mit der Zeit wird nicht leichter durch die Konkurrenz der Dringlichkeit zwischen den Einzugliedernden. Die gerechte Reihenfolge ist ein schweres Problem, wiederum ein Problem der Menschlichkeit.
Zweitens. Die Eingliederung ist aber auch Vorbereitung und eine unüberspringbare Vorstufe zur Wiedervereinigung. Wenn wir die reiche soziale Gliederung, die die Bevölkerung der ost- und mitteldeutschen Gebiete auszeichnetete, unter den Vertriebenen und Flüchtlingen nicht wieder herstellen, schwächen wir die geistigen, seelischen und materiellen Voraussetzungen für die Wiedervereinigung und für die geistige Überlegenheit gegenüber dem Bolschewismus, dessen Entwicklungsgrundlagen die ungegliederten Massen der sozial Gedrückten sind.
Ohne erfolgreiche Eingliederung kein erfolgreicher Aufbau einer Bundeswehr. In unserer Zeit
hängt der moralische Wert einer Truppe vom Gefühl sozialer Geborgenheit eines jeden Soldaten ab.
Drittens. Die Vertriebenen, Flüchtlinge und Heimkehrer tragen positive Elemente für eine Sozialreform in sich, die dem Mandat unserer Zeit entspricht. Wir werden bei den grundsätzlichen Erwägungen über die Sozialreform nicht nur von den klassischen Begriffen und Tatbeständen ausgehen dürfen. Labilität — auch seelische — läßt sich durch Sicherheit bannen. Der beste Weg zu diesem Ziel ist die Einbettung in eine Sozialordnung, welche durch Förderung der Eigentumsbildung für jedermann Selbstverantwortungsgefühl und Sicherheit schafft.
Das Problem der Vertriebenen und Flüchtlinge ist noch voller Gefahren, birgt aber auch noch alle Möglichkeiten, im Guten wie im Bösen. Über den Berg sind wir noch nicht. Die Versuche der kommunistischen Infiltration, gerade jetzt in die Reihen derer einzudringen, die glauben, übergangen, vergessen zu sein, sind offenkundig, aber werden trotzdem vielfach zu wenig beachtet oder zu leicht bewertet. Der durch die Konjunktur in aller Schärfe profilierte Kontrast zwischen der allgemeinen Lebenshaltung und immer noch vorhandenen persönlichen Notständen wird dabei geschickt ausgenutzt.
Diese Versuche, die durch Tarnung und Anonymität ihre Herkunft zu verbergen trachten, müssen uns neben unserem sozialen Gewissen zur Wachsamkeit aufrufen. Sie müssen besonders jenen zu denken geben, die gerade in letzter Zeit nichts mehr vom Vertriebenenproblem hören wollten, weil sie dazu neigten, die Eingliederung als vollzogen anzusehen.
Es ist ermutigend, immer erneut bestätigt zu finden, daß die Geschädigten ihre eigenen Probleme nicht karitativ gesehen wissen wollen. Sie wollen aus ihrem Ausnahmestatus heraus, in den sie ohne subjektive Schuld gestoßen wurden. Sie wollen nicht die Verkrampfung in Schadensgruppen, sondern die Eingliederung in die natürlichen Stände unseres Volkes. Sie wollen den Staat, der ihnen den Weg frei gibt, der sie zu jener sozialen Position führt, die sie mit Herz und Hand auszufüllen vermögen. Wer ihnen dabei hilft, nützt nicht nur den Geschädigten, sondern dem ganzen deutschen Volk und der Gesamtheit der freien Welt.