Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesgrenzschutz ist nach dem Gesetz von 1951 mit qualifizierter Mehrheit hier beschlossen worden, auch mit den Stimmen der sozialdemokratischen Opposition. Er ist dann auf 20 000 Mann verstärkt worden, auch wieder — wie
im Gesetz vorgesehen — durch Beschluß einer qualifizierten Mehrheit, aber gegen den Willen der Opposition. Es ist das gute Recht der Opposition, aus dieser Entwicklung Bedenken gegen das Gesetz zu haben und sie hier darzulegen, und man sollte nicht durch Zwischenrufe eine Stimmung provozieren, die am Ende der sachlichen Diskussion nicht dient.
Was ist denn der politische Hintergrund dieses Gesetzes und dieser Maßnahme, die ursprünglich vor Jahren, als wir den Bundesgrenzschutz ins Leben riefen, nicht beabsichtigt war? Ich erkläre hier: wir alle haben damals mit dem Bundesgrenzschutz keine Remilitarisierung durch die Hintertür beabsichtigt. Der politische Hintergrund ist der, daß leider Maßnahmen zur Erhöhung des Selbstschutzes der Bundesrepublik dringend erforderlich geworden sind, nachdem auf der einen Seite in der sowjetzonalen Volkspolizei bereits sieben Divisionen unter Führung der ehemaligen Wehrmachtgenerale Vincenz Müller, von Lenski, Lattmann, Dr. Korfes und anderer aufgestellt worden sind, eine Volksmarine und eine Volksluftwaffe bestehen, während bei uns die Aufstellung der Wehrmacht wesentlich größere Schwierigkeiten macht, als ursprünglich von den Theoretikern angenommen wurde. Selbst das Ausland ist überrascht, daß bei dem sonstigen Organisationstalent der Deutschen nach theoretischer Vorarbeit von fünf Jahren nicht jene praktischen Fortschritte in der Aufstellung der Wehrmachtverbände erzielt werden konnten, die notwendig sind, um Mißdeutungen politischer Art, insbesondere im Ausland, zu vermeiden. Hier liegt der politische Grund für die Übernahme der Bundesgrenzschutzformationen in die Wehrmacht. Ich glaube, ohne auf Einzelheiten eingehen zu müssen, daß das eine gute Lösung ist, zumal da der Bundesgrenzschutz ohnehin zu einem großen Teil aus Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht zusammengesetzt ist und, wie soeben schon gesagt wurde, sich mehr als 80 % dieser ehemaligen Soldaten für die Übernahme in die Wehrmacht bereits jetzt entschieden haben.