Meine Herren und Damen! Es tut mir außerordentlich leid, daß Sie den Änderungsantrag erst im Augenblick bekommen haben. Das ist nicht unsere Schuld, sondern es lag irgendwie an der Vervielfältigung und Verteilung.
Wir sind leider in der Situation, einen Änderungsantrag stellen zu müssen, der im Grunde genommen inhaltlich gleich ist mit unserem Antrag, den wir bereits im September vorigen Jahres zu dieser Sache eingebracht hatten, und mit den danach eingegangenen Anträgen der CDU/CSU, die heute verabschiedet werden sollen. Ich bin gezwungen, eingangs darauf aufmerksam zu machen, daß es zumindest eine recht eigenartige Behand-
*) Siehe Anlage 3.
lung von Anträgen ist, wenn man Anträge der SPD, die weitergehen als die später eingebrachten Anträge der CDU/CSU, im Finanz- und Steuerausschuß zurückstellt, während man die Anträge der CDU/CSU heute zur Abstimmung stellt. Man wird dabei das Gefühl nicht los, daß man um billiger parteipolitischer Propaganda willen, ähnlich wie das bei der Zuckersteuer geschehen ist, die Anträge zurückstellt, bis die CDU-Anträge vorliegen.
Dann werden die CDU-Anträge behandelt, und man hofft, später in der glücklichen Lage zu sein, die SPD-Anträge nicht ablehnen zu müssen, sondern als erledigt erklären zu können.
Auf diese Situation ist es zurückzuführen, daß wirheute den von uns gestellten Änderungsantrag behandeln müssen, weil wir selbstverständlich der Auffassung sind, daß man, wenn man die Umsatzsteuer für Milch berät, alle unserer Meinung nach notwendigen Maßnahmen gleichzeitig verabschieden muß.
Ich möchte weiter darauf aufmerksam machen, daß wir die Ausschußvorlage, zumindest in bezug auf die Möglichkeiten, die für die Erzeuger eine Verbesserung des Milchpreises bedeuten, deswegen als unzureichend ansehen müssen, weil sie für die Werkmilch eine Weitergabe der Umsatzsteuerersparnis an den Erzeuger bringt, die in keinem Verhältnis zu der für die Trinkmilch vorgesehenen Preiserhöhung um 3 Pf steht. Die Milchpreiserhöhung wird sich nur für 27 % der Milch, also bei dem Bauern nur für 27 % seiner Ablieferungsmenge in der Höhe von 3 Pf auswirken.
Unsere Anträge 1587 und 1589, die neben dem von mir vorhin zitierten Antrag Drucksache 1677 schon im Juli vorigen Jahres zur Milchwirtschaft und zur Molkereistruktur eingebracht worden waren, hatten das Ziel, eine Erhöhung des Erzeugerpreises für die gesamte abgelieferte Milch in einer für den Erzeuger fühlbaren Form zu erreichen. Leider sind auch diese Anträge im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bis heute nicht verabschiedet. Sie sind in einer ersten Lesung behandelt und bedürfen zu ihrer weiteren Beratung der Anwesenheit des Herrn Bundesernährungsministers, der in den letzten Wochen für diese Verhandlung leider nicht zu haben war. Ich habe heute erfahren, daß er in der nächsten Woche zu diesem Zweck in den Ausschuß kommen will. Das alles beweist immerhin, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion eine Reihe von Vorschlägen gemacht hat, die heute noch geeignet sind, den Erzeugerpreis der Milch wesentlich und fühlbar für alle von dem Erzeuger abgelieferte Milch zu erhöhen. Leider haben wir Sie bisher für diese Anträge nicht gewonnen, und damit war keine Möglichkeit gegeben, die Anträge hier zur Abstimmung zu stellen.
Nun zu unserem Änderungsantrag. Für die meisten von Ihnen geht aus dem Wortlaut nicht hervor, was er im Grunde genommen bedeutet. Er bedeutet im ersten Teil, daß die Umsatzsteuer beim Milcheinzelhandel nicht, wie in der Ausschußvorlage vorgeschlagen, halbiert, sondern völlig gestrichen wird. Die Umsatzsteuer beim Einzelhandel beträgt zur Zeit 3 %. Nach der Ausschußvorlage würde sie auf eineinhalb Prozent reduziert, nach unserem Vorschlag völlig gestrichen werden. Wir sind der Meinung, daß das unbedingt notwendig ist, und zwar aus verschiedenen Gründen. Einmal ist der Milchpreis sozial kalkuliert. Es gibt keine hohe Handelsspanne wie bei vielen anderen Dingen. Die Handelsspanne beträgt 5 bis 6 Pf. Jeder von Ihnen, der sich einmal mit dieser Materie befaßt hat, weiß, daß der Milchhandel vom Milchverkauf nicht leben kann, schon deswegen nicht, weil ihm die hygienischen Auflagen soviel Unkosten verursachen, daß da von der Spanne nicht mehr allzu viel übrigbleibt. Nun kommt die Trinkmilchpreiserhöhung hinzu. Sie verschlechtert ohne Zweifel die Situation für den Milchhandel, nicht nur von seiner Spannenseite her, sondern auch von den Verkaufsmöglichkeiten. Es erscheint uns dringend geboten, daß man durch eine Verbesserung der Handelsspanne bzw. durch eine Senkung der Kosten dem Milchhandel einen größeren Anreiz gibt, Milch zu verkaufen und damit den durch die Milchpreiserhöhung bedrohten Milchabsatz mindestens auf der bisherigen Höhe zu halten.
Wir bitten Sie dringend, diesen sachlichen Gesichtspunkt noch einmal zu prüfen. Wenn man nun schon die Umsatzsteuer bei der Milch kürzen will, dann wäre es unserer Auffassung nach ohne weiteres möglich und richtiger, sie völlig zu streichen. -- Ich sehe hier eben meinen Kollegen Horlacher aufstehen. Im Ernährungsausschuß wurde uns gesagt: Ja, dann wollen Sie dem Milchhandel eine größere Erhöhung geben als den Bauern?! — Das stimmt gar nicht; denn nach unseren Anträgen, die zum Teil noch unerledigt sind, würde der Bauer eine wesentlich größere Erhöhung seines Erzeugerpreises erhalten, als das durch die Streichung der Umsatzsteuer in der Verarbeitungsstufe möglich ist.
Außerdem darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß in unserem Antrag unter Punkt 2 die Streichung der Umsatzsteuer für Milch beim Erzeuger beantragt wird. Wir sind der Auffassung, daß man bei dieser Gelegenheit ein so wichtiges Nahrungsmittel wie die Milch, die noch dazu in ihrem Preis sehr umstritten ist, von allen Steuern befreien sollte zu einer Zeit, in der die Kassenlage des Finanzministers dies absolut erlaubt. Es gibt überhaupt keinen Grund, unsere Anträge abzulehnen.
Ich bitte Sie deshalb noch einmal dringend, sich heute noch mit der Materie kurz zu befassen, Nägel mit Köpfen zu machen und unsere Anträge anzunehmen.