Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Darf ich unterstellen, daß das Haus dem Antrag entsprechen will und die ganze Materie zurückverweist? — Das ist der Fall.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen
. (Erste Beratung: 114. und 122. Sitzung.)
Ich erteile das Wort der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Lockmann.
Frau Lockmann , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Plenum des Deutschen Bundestages überwies dem Finanzausschuß am 20. Oktober 1955 die Drucksache 1677, am 1. Dezember 1955 die Drucksache 1860 und am 12. Januar 1956 die Drucksache 1955 zur Beratung. Der Finanzausschuß folgte dem Vorschlag des an der Beratung mitbeteiligten Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Gesetzentwürfe der Drucksachen 1860 und 1955, die die
Be- und Verarbeitung von Milch von der Umsatzsteuer befreien und die Umsatzsteuer für Frischmilch im Einzelhandel von 3 auf 1,5 % senken wollen, zusammen zu beraten und dem Hohen Hause zusammen zur Verabschiedung vorzulegen. Aus gesetzestechnischen Gründen faßte der Finanzausschuß die beiden Gesetzentwürfe in einem zusammen.
Der Finanzausschuß folgte jedoch nicht einem Vorschlag der SPD, den von ihr eingebrachten Antrag Drucksache 1677 ebenfalls in diesem Zusammenhang zu verabschieden. Er war mit Mehrheit der Auffassung, der Antrag Drucksache 1677 werfe grundsätzliche Fragen der landwirtschaftlichen Besteuerung — nämlich durch die Freistellung des Erzeugers von der Umsatzsteuerpflicht — auf, die erst nach Vorlage des sogenannten „Grünen Berichts" durch die Bundesregierung, also nach dem 15. Februar 1956, entschieden werden könnten, während die Anträge Drucksachen 1860 und 1955 eine Spezialfrage lösten, die die Grundsatzfrage nicht berühre.
Ziel des Antrages Drucksache 1860 ist es, dem Landwirt neben der geplanten Preiserhöhung für Trinkmilch eine Erhöhung des Werkmilchpreises zu verschaffen. Dies soll in der Weise geschehen, daß die Milch in der Be- und Verarbeitungsstufe, also bei den Molkereien, von der Umsatzsteuer befreit wird und daß die Molkereien durch eine Rechtsverordnung auf Grund des Milch- und Fettgesetzes veranlaßt werden, ihre Steuerersparnis an den Erzeuger zurückzuwälzen. Der Landwirtschaft wird so eine Mehreinnahme in Höhe von rund 96 Millionen DM, pro Liter Milch zirka 1,1 Pfennig, zufließen.
Ziel des Antrages Drucksache 1955 ist es, die Erhöhung der Umsatzsteuer beim Milcheinzelhandel aufzufangen, die zwangsläufig eine Folge der zu erwartenden Trinkmilchpreiserhöhung wäre. In Anbetracht der relativ geringen Handelsspanne wird jedoch die Umsatzsteuer von 3 auf 1,5 % gesenkt, was praktisch nicht nur einen Ausgleich der künftig höheren Steuerbelastung, sondern auch eine Verbesserung der Handelsspanne bedeutet.
Der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfahl dem Finanzausschuß die Annahme der Gesetzentwürfe. Der Finanzausschuß beriet in drei Sitzungen eingehend über die Vorlagen, wobei zum Ausdruck kam, daß die systemwidrige Befreiung eines typischen Be-und Verarbeitungsvorganges aus übergeordneten politischen Erwägungen in Kauf genommen werden solle. Abgeordneter Dr. Dresbach wies in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hin, daß die Senkung bzw. Aufhebung einer Verbrauchsteuer mit dem Ziele, die Ertragslage des Erzeugers zu verbessern, steuersystematisch nicht zu rechtfertigen sei.
Die Mehrheit des Finanzausschusses billigte grundsätzlich die Anträge Drucksachen 1860 und 1955, nachdem die Regierungsvertreter dartun konnten, daß die Verwirklichung der Zielsetzung der Anträge auf dem vorgeschlagenen Wege sichergestellt werden könne.
Eine längere Debatte entwickelte sich zur Frage des Zeitpunkts des Inkrafttretens. Der mitberatende Ernährungsausschuß hatte vorgeschlagen, beide Umsatzsteuervergünstigungen rückwirkend ab 1. Februar 1956 in Kraft treten zu lassen. Im Verlauf der Beratungen des Finanzausschusses machten
Vertreter des Bundesfinanzministeriums darauf aufmerksam, daß das Bundesfinanzministerium die bis zum 1. April 1956 vorgesehene Milchsubvention um diejenigen Beträge werde kürzen müssen, die der Landwirtschaft durch Wegfall der Umsatzsteuer in der Be- und Verarbeitungsstufe zugute kämen. Das Bundesfinanzministerium halte es daher für zweckmäßig, die Umsatzsteuervergünstigungen erst nach Auslauf der Subvention, d. h. zum 1. April 1956, wirksam werden zu lassen.
Der Ernährungsausschuß, befragt, ob er auch in Anbetracht einer zu erwartenden Subventionskürzung an dem Termin des 1. Februar festhalte, bejahte durch seinen Vertreter diese Frage. Der Finanzausschuß sah daraufhin keine Veranlassung, dem Vorschlag des Ernährungsausschusses nicht zu folgen; er empfiehlt Ihnen daher, die Umsatzsteuerbefreiung in der Be- und Verarbeitungsstufe rückwirkend ab 1. Februar 1956 in Kraft treten zu lassen.
Denselben Vorschlag macht er Ihnen hinsichtlich der Umsatzsteuersenkung beim Einzelhandel. Hier hatten die Ausschußberatungen zwar einen Zusammenhang von Trinkmilchpreiserhöhung und Umsatzsteuersenkung beim Einzelhandel erkennen lassen. Da jedoch der Zeitpunkt, zu dem die Trinkmilchpreiserhöhung zu erwarten ist, noch nicht feststeht, hielt es der Ausschuß für vertretbar, auch hier die Vergünstigung ab 1. Februar 1956 zu gewähren, auch wenn dem Einzelhandel bei einer späteren Trinkmilchpreiserhöhung für eine kurze Zwischenzeit eine größere Handelsspanne verbleibt.
Im Namen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen darf ich Sie bitten, den Anträgen auf den Drucksachen 1860 und 1955 in der Ihnen auf Drucksache 2018 vorgelegten Neufassung Ihre Zustimmung zu geben.