Rede von
Dr.
Joachim
Schöne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst kurz auf den Inhalt unseres Antrages Drucksache 1927 eingehen. In der Vorlage wird der Tatbestand angesprochen, daß die Bundesregierung jährlich einen Bericht an die Organisation für die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit zu geben hat. Das Ziel unseres Antrages ist, daß die Bundesregierung diesen Bericht vor seiner Absendung in dem Fachausschuß des Hohen Hauses, im Wirtschaftspolitischen Ausschuß, zur Diskussion bringt, um eine Stellungnahme zu diesem Bericht herbeizuführen. Der Anlaß für den Antrag ist unser Anliegen, der Fachausschuß des Hohen Hauses solle Kenntnis davon haben, wie die Regierung ihre Vorausschätzungen für die künftige Entwicklung im Sinne einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vornimmt.
Diese Vorausschätzungen haben eine entscheidende Bedeutung, nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch haushaltspolitisch. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist die Grundlage für die Beurteilung der Wirtschaftsentwicklung und aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Diese Vorausschätzungen liefern ebenfalls in ihren Ergebnissen wesentliches Material für die Aufstellung des Bundeshaushalts. Ferner bilden diese Berichte die Basis für die Festsetzung der NATO-Beiträge. Diese Berichte bedürfen daher unseres Erachtens einer eingehenden Diskussion im eigenen Kreise.
Wir sind der Meinung, daß sie außerdem nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für das Ausland von Interesse sind, denn die von der Bundesregierung eingesandten Berichte werden in Paris einem Examen unterworfen, das Examen wird von Experten anderer Länder durchgeführt, und die Ergebnisse der Examen dieser Berichte sind nicht immer sehr erfreulich. Im Oktober 1955 wurde der Bericht der Bundesregierung einem solchen Examen unterworfen. Das Ergebnis dieses Examens wurde in der Öffentlichkeit diskutiert, und das Ergebnis war nicht gerade sehr erfreulich; es war sogar peinlich. Der Bericht mußte mehrfach ergänzt werden, und die Zahlen mußten wieder neu zusammengestellt werden. Deshalb meinen wir, daß eine offene Diskussion eines so grundlegenden Berichts der Bundesregierung im Fachausschuß des Hohen Hauses sicher sehr zweckmäßig wäre, nicht weil wir meinen, die fachliche Weisheit des Ausschusses gibt die Gewähr dafür, daß die Prozentzahl bezüglich der Industrieentwicklung und des Sozialprodukts treffsicher ist, sondern weil wir der Auffassung sind, daß eine solche Diskussion immerhin in der Sache eine größere Sicherheit geben kann. Eine derartige Diskussion im eigenen Hause führt zu einer Vervollständigung und Überprüfung und erspart der Bundesregierung manche Peinlichkeit, erspart darüber hinaus dem Parlament bzw. seinem Fachausschuß auch eine Unterrichtung über diese Dinge a posteriori durch die Presse, denn anders erfolgt die Orientierung ja kaum.
Alles das sind Argumente, meine Damen und Herren, die sicher Ihnen allen einleuchten. Wir sind deshalb auch der Meinung, daß es eigentlich eines solchen Antrages gar nicht bedurft hätte, sondern daß die Bundesregierung selbst das Bedürfnis haben müßte, solche Berichte, bevor sie in den internationalen Raum gehen, im eigenen Parlament besprechen zu lassen. Wir können nur annehmen, daß die Verwaltung der Bundesregierung so überlastet ist, daß sie auf diese Idee gar nicht gekommen ist.
Wir beantragen, daß diese Berichte vorher im Wirtschaftspolitischen Ausschuß besprochen werden und daß eine Stellungnahme des Ausschusses eingeholt wird. Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieser Antrag so klar ist, daß er allgemeine Zustimmung findet, und darf deshalb darum bitten, von einer Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß abzusehen und gleich hier über ihn abzustimmen.