Rede von
Dr.
Linus
Kather
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident, ich bin bei der Behandlung der kommunistischen Infiltration gegenüber den Vertriebenenverbänden. Ich glaube, meine nächsten Ausführungen werden Ihnen sofort beweisen, daß das sehr wohl zur allgemeinen Aussprache gehört.
In der letzten- Zeit geht man von kommunistischer Seite einen anderen Weg, den der Anbiederung und Unterwanderung. Man verteilt ständig Presse- und andere Druckerzeugnisse, die bestimmt und geeignet sind, den Eindruck hervorzurufen, als ob man sich zu uns bekenne und zu uns gehöre. Der Bundesregierung wird dauernd Material über die verstärkten Versuche kommunistischer Infiltration vorgelegt. Herr Bundesminister Jakob Kaiser hat errechnet, daß sich der Kommunismus diese Tätigkeit im Jahr 135 Millionen DM kosten läßt. Niemand kann sich doch darüber im unklaren sein, daß nach der Herstellung diplomatischer Beziehungen mit Moskau diese Gefahren der verstärkten kommunistischen Infiltration noch sehr viel größer sind. Wie weit diese Untergrundarbeit an anderer Stelle schon gewirkt hat, das zeigen die Vorgänge bei der Westfalenhütte anläßlich der letzten Betriebsratswahl. Deshalb kann ich mich wohl im Rahmen der allgemeinen Aussprache mit diesem Problem beschäftigen und darlegen, daß die Kürzung der Etatmittel beweist, daß sich die Bundesregierung der Gefahren offenbar nicht in genügendem Maße bewußt ist.
Es kann doch kein Zweifel sein, wie groß das Interesse der Allgemeinheit an diesen Fragen sein muß. Wenn die Bundesrepublik sich bisher gegen die kommunistische Infiltration so immun gezeigt hat wie keine andere westliche Demokratie, dann haben die Vertriebenen und ihre Verbände einen sehr wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung.
Sie haben einen Anspruch darauf, daß die Bundesregierung und auch dieses Hohe Haus sich dieses Sachverhaltes bewußt sind, und wir können erwarten, daß wir nicht einen Zweifrontenkampf zu führen haben, sondern daß wir die volle Unterstützung der Bundesregierung in diesem Kampf haben.
Ich möchte noch ein Wort zu den kulturellen Anliegen der Vertriebenen sagen. Ich habe schon gesagt, daß auch da die Mittel nicht ausreichen, die zur Verfügung gestellt sind. Im Etat des Bundesvertriebenenministeriums sind ganze 800 000 DM bereitgestellt. Dieser Betrag ist gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes zur Pflege des Kulturguts der Vertriebenen und Flüchtlinge und der wissenschaftlichen Forschung bestimmt. Es bedarf eigentlich gar keines Hinweises, daß ein solcher Betrag nicht ausreicht. Mit diesem Geld sollen ein halbes Dutzend kulturelle Bundeseinrichtungen der Vertriebenen und Flüchtlinge aufrechterhalten, ostdeutsche Archive und Bibliotheken gesichert, ergänzt und ausgewertet, ostdeutsche und osteuropäische Forschung gefördert, die heimatvertriebenen Kulturschaffenden unterstützt und den Millionen Vertriebenen und noch mehr den Einheimischen durch kulturelle Breitenarbeit das Kulturgut des deutschen Ostens lebendig gemacht oder erhalten werden. Es liegt auf der Hand, daß dazu die Mittel nicht ausreichen. Man kann mit Recht darauf hinweisen, daß bisher von einer wirklichen Kulturpflege mit staatlicher Unterstützung eigentlich nicht gesprochen werden kann, sondern daß auch die Volksgruppen sich doch mehr oder weniger a) mit eigenen Opfern, b) mit Bitten und Betteln behelfen mußten.
Es muß doch einmal auf diesem Gebiet anders werden. Auch die Verteilung ist unzulänglich; aber insoweit will ich der Anregung des Herrn Präsidenten folgen und die weitere Diskussion auf die späteren Beratungen vertagen.
Für diese Fehlentwicklungen in mancher Hinsicht, die ich aufzeigen konnte, trägt die letzte Verantwortung der Herr Bundeskanzler. Wir stehen augenblicklich vor der Tatsache, daß der Herr Bundesvertriebenenminister vor fünf Monaten — übermorgen sind es genau fünf Monate — ebenso wie der Herr Bundesminister für besondere Aufgaben, Herr Kraft, sein Entlassungsgesuch eingereicht hat und daß diese beiden Entlassungsgesuche bis auf den heutigen Tag unbeantwortet geblieben sind.
Ich glaube nicht, daß ein derartiger Vorgang in einer anderen Demokratie der westlichen Welt möglich wäre.
Das gilt sowohl von der Tatsache, daß die beiden Herren sich das bieten lassen
als auch von dem Umstand, daß der Herr Bundeskanzler diese Art der Sachbehandlung für vertretbar gehalten hat und offenbar noch hält. Auch das ist ein Gegenstand, der durchaus in eine Haushaltsberatung hineingehört; denn es erhebt sich doch in diesem Zusammenhang die Frage, ob die beiden Herren Minister unter den Umständen, unter denen sie amtieren, überhaupt noch wirkliche Leistungen erbringen können.
Das war hinsichtlich der Person des Herrn Bundesministers für besondere Aufgaben seit jeher zweifelhaft. Herr Bundesminister Kraft hatte die Aufgabe — das steht in der Regierungserklärung —, für eine besonders gute und enge Fühlung zwischen dem Kabinett und seiner Fraktion Sorge zu tragen.
Herr Bundesminister Kraft hat diese Aufgabe unseres Erachtens niemals erfüllt,
und seit dem 11. Juli dieses Jahres steht fest, daß er sie nicht erfüllen kann.
Ich darf in diesem Zusammenhang doch wohl einmal hervorheben, daß mein Fraktion — jedenfalls die Mehrheit der anwesenden Mitglieder —
sich bei der letzten Haushaltsberatung über den Etat des Herrn Bundesministers Kraft der Stimme enthalten hat. Das ist immerhin eine bemerkenswerte Offenheit gegenüber einem Minister der eigenen Partei.
Ein Bundesminister, der seine Demission eingereicht hat, ist in einer ähnlichen, wenn nicht noch schlimmeren Situation als die Mitglieder eines zurückgetretenen Kabinetts. Jede Post kann ihm die Annahme seines Entlassungsgesuchs bringen, wenigstens wenn es ernstlich gemeint war
und keine entgegenstehenden Abreden vorliegen;
aber das wollen wir doch nicht annehmen. Er kann also nur von heute auf morgen wirken und planen, er kann keine Politik auf lange Zeit treiben. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß ein derartiger Zustand bei keinem Ministerium auch nur auf kürzeste Zeit vertretbar ist, aber schon ganz und gar
— Herr Ehren, mischen Sie sich lieber nicht ein, sonst muß ich Ihnen einiges erzählen, was Ihnen auch nicht gefällt.