Rede:
ID0211801600

insert_comment

Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2118

  • date_rangeDatum: 9. Dezember 1955

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:14 Uhr

  • fingerprintRedner ID: Nicht erkannt

  • perm_identityRednertyp: Präsident

  • short_textOriginal String: Vizepräsident Dr. Schneider: info_outline

  • record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 0

  • subjectLänge: 7 Wörter
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Kather.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 118. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1955 6277 118. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1955. Geschäftliche Mitteilungen 6277 C g Glückwünsche zum Geburtstag des Abg: Bauereisen 6277 B Mitteilungen über Beantwortung der Kleinen Anfrage 207 (Drucksachen 1865, 1925) 6277 C Mitteilung über Vorlage der Denkschrift fiber eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1924) 6277 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 (Haushaltsgesetz 1956) (Drucksache 1900) 6277 C Dr. Vogel (CDU/CSU) 6277 C, 6291 D, 6292 A Schoettle (SPD) . . 6286 A, 6291 D, 6292 A Dr. Blank (Oberhausen) (FDP) . . 6297 A Niederalt (CDU/CSU) 6301 D Dr. Kather (GB/BHE) . . . 6305 C, 6310 A Dr. Schild (Düsseldorf) (DP) . . . . 6312 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 6317 C Nächste Sitzung 6317 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6317 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Kopf 31. März 1956 Mensing 1. März 1956 Dr. Starke 28. Februar 1956 Jahn (Frankfurt) 9. Januar 1956 Moll 1. Januar 1956 Peters 1. Januar 1956 Klingelhöfer 31. Dezember 1955 Neumann 21. Dezember 1955 Feldmann 17. Dezember 1955 Heiland 17. Dezember 1955 Hörauf 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 17. Dezember 1955 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 17. Dezember 1955 Welke 17. Dezember 1955 Dr. Luchtenberg 16. Dezember 1955 Dr. Reichstein 16. Dezember 1955 Dr. Graf (München) 15. Dezember 1955 Frau Rudoll 15. Dezember 1955 Schröter (Wilmersdorf) 15. Dezember 1955 Josten 12. Dezember 1955 Dr. Graf Henckel 11. Dezember 1955 Frau Albertz 10. Dezember 1955 Dr. Baade 10. Dezember 1955 Gedat 10. Dezember 1955 Eberhard 10. Dezember 1955 Kiesinger 10. Dezember 1955 Kriedemann 10. Dezember 1955 Kutschera 10. Dezember 1955 Onnen 10. Dezember 1955 Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Op den Orth 10. Dezember 1955 Frau Renger 10. Dezember 1955 Dr. Atzenroth 9. Dezember 1955 Brandt (Berlin) 9. Dezember 1955 Brese 9. Dezember 1955 Frau Dietz 9. Dezember 1955 Dopatka 9. Dezember 1955 Euler 9. Dezember 1955 Dr. Gleissner (München) 9. Dezember 1955 Gockeln 9. Dezember 1955 Glüsing 9. Dezember 1955 Haasler 9. Dezember 1955 Dr. Horlacher 9. Dezember 1955 Huth 9. Dezember 1955 Jacobi 9. Dezember 1955 Keuning 9. Dezember 1955 Kurlbaum 9. Dezember 1955 Kühlthau 9. Dezember 1955 Leibfried 9. Dezember 1955 Lermer 9. Dezember 1955 Dr. Leverkuehn 9. Dezember 1955 Lücker (München) 9. Dezember 1955 Frau Dr. Maxsein 9. Dezember 1955 Dr. Menzel 9. Dezember 1955 Morgenthaler 9. Dezember 1955 Dr. Reif 9. Dezember 1955 Scharnberg 9. Dezember 1955 Dr.-Ing. E. h. Schuberth 9. Dezember 1955 Schulze-Pellengahr 9. Dezember 1955 Frau Dr. Schwarzhaupt 9. Dezember 1955 Stahl 9. Dezember 1955 Unertl 9. Dezember 1955 Frau Vietje 9. Dezember 1955 Wagner (Ludwigshafen) 9. Dezember 1955 Wehking 9. Dezember 1955
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Alois Niederalt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Jahres 1956 zeigt ein Merkmal, das äußerlich zunächst wohl am meisten auffällt. Es ist die Tatsache, daß auch in diesem Jahr das Haushaltsvolumen wieder nicht unerheblich angewachsen ist. Ich nenne nur drei Zahlen: 1954 hatten wir einen Etat von 27,1 Milliarden DM, 1955 einen solchen von 30,5 Milliarden DM, und der Haushalt 1956 liegt uns mit 32,5 Milliarden DM vor. Es ist richtig, das Wachstum des Haushalts gegenüber 1955 beträgt nur 6,5 % und steht damit vielleicht noch in einem tragbaren Verhältnis zum Anwachsen des Sozialprodukts, das bekanntlich in diesem Jahr über 10 % ausmacht. Trotzdem scheint mir aber in diesem unentwegten Wachsen des Haushaltsvolumens eine gefährliche Tendenz zu liegen. Ich möchte mich gegen diese


    (Niederalt)

    Tendenz wenden, und zwar vor allem deshalb, damit wir uns nicht einfach an diesen Umstand gewöhnen. Wenn das so weitergeht, müßten wir uns fragen: Bei welchem Haushaltsvolumen stehen wir im Jahre 1960?
    Ich glaube, es darf uns nicht wundernehmen, wenn dieses Wachstum des Haushaltsvolumens auch in der Öffentlichkeit ziemlich Kritik hervorgerufen hat. Ich meine, wir dürften an dieser Kritik nicht vorbeigehen. Ich sage „wir"; denn diese Kritik richtet sich nicht etwa in erster Linie gegen den Bundesfinanzminister, der etwa diese 2 Milliarden Mehrbetrag, wie ich jüngst in einer Zeitung gelesen habe, so ganz nebenbei verfrühstückt. Die Kritik richtet sich wirklich gegen uns, die wir eben die entsprechenden Entscheidungen im Bundestag fällen.
    Ich glaube, wir müssen uns im Laufe des Haushaltsjahrs öfter, als es bisher geschehen ist, daran erinnern, daß unsere Beschlüsse sehr reale Folgen haben. Manche unter uns, die ob des ständigen Anwachsens des Haushaltsvolumens heute vielleicht beunruhigt sind, denken im Laufe des Jahres, vor allem dann, wenn gerade i h r Antrag, wenn gerade i h r Arbeitsgebiet zur Debatte steht, nicht oder zuwenig daran, daß dieser ihr politischer Wille ein Teil der großen Summe ist, die dann den Haushalt ergibt. Der Haushalt ist nun einmal das Ergebnis der politischen Entscheidungen im Bundestag. Dieser Satz ist so selbstverständlich, daß man ihn kaum auszusprechen wagt. Und doch wird die Wahrheit des Satzes im Laufe des Jahres immer wieder übersehen.
    Ich bejahe diese Kritik am Anwachsen des Haushaltsvolumens. Sie soll uns Mahnung sein für unsere parlamentarische Alltagsarbeit, nicht bloß heute, sondern das ganze Jahr über. Diese Kritik sollten aber auch jene beherzigen, die draußen in irgendwelchen Interessentengruppen, in Verbänden immer wieder Forderungen erheben. Es wäre eine reizvolle Aufgabe, den Chor derjenigen, die heute in der Öffentlichkeit, in der Presse und im Rundfunk so Kritik an dem Ausmaß unseres Haushalts üben, näher zu besehen. Wir würden vermutlich sehr häufig feststellen, daß es die gleichen Leute sind, die das Jahr über durch ihre Stimme selbst Anlaß zur Kritik geben.
    So sehr ich diese Kritik bejahe, so wenig habe ich aber — das muß ich auch einmal in aller Deutlichkeit aussprechen — Verständnis für jene Art von Kritik, die nur in allgemeinen Redewendungen von „unerhörter Aufblähung des Bundeshaushalts" spricht oder in unsubstantiierte Klagen über eine leichtfertige Großzügigkeit oder gar Verschwendungssucht des Bundes ausbricht. Diese billige Art von Kritik findet man besonders häufig bei gewissen Politikern auf Landesebene, die von Verantwortungsbewußtsein, von Verantwortungsgefühl und Sachkenntnis gleichermaßen unbeschwert, als einzige politische Konzeption nur das Ressentiment gegen den Bund,

    (Beifall)

    wenn nicht noch mehr haben.

    (Hört! Hört!)

    Es lohnt an sich nicht, sich mit solchen Leuten auseinanderzusetzen, und zwar deshalb nicht, weil ja diese Art Leute gar keine Kritik üben wollen, sondern Polemik.

    (Abg. Dr. Gülich: Welch ein Wort aus diesem Munde!)

    Weil wir uns selbst immer wieder Rechenschaft ablegen sollen, möchte ich aber doch einmal von einer Aufstellung Kenntnis geben, die ich mir einmal in diesem Zusammenhang machen ließ. Diese Aufstellung enthält die Mehrbeträge, das Anwachsen des Haushalts seit dem Jahr 1954, seit der Zeit also, seit der dieser Bundestag die Verantwortung trägt. Der Etat 1956 ist gegenüber 1954 um 5,4 Milliarden angewachsen. Von diesen 5,4 Milliarden gehen automatisch 2,4 Milliarden — die bekannte Besatzungskostenrücklage — ab, so daß wir ein echtes Anwachsen von 3 Milliarden gegenüber dem Jahr 1954 haben. Diese 3 Milliarden sind — um Ihnen nur die allerwichtigsten Positionen aufzuzeigen — zurückzuführen auf Mehrausgaben bei den sozialen Kriegsfolgeleistungen und sonstigen Sozialleistungen in Höhe von 770 Millionen, auf eine Mehrausgabe bei den Ersatzleistungen, Entschädigungen — bei den sogenannten politischen Schulden — in Höhe von 453 Millionen, auf eine Mehrausgabe für unsere Bundesfernstraßen in Höhe von 333 Millionen, auf eine Mehrausgabe bei Tilgung, Inanspruchnahme aus Sicherheitsleistungen usw. in Höhe von 237 Millionen, auf eine Mehrausgabe für Wohnungsbau und Siedlung in Höhe von 120 Millionen, auf eine Mehrausgabe in der Bundessteuerverwaltung in Höhe von 109 Millionen, auf eine Mehrausgabe bei Subventionen und Vorratshaltung in Höhe von 73 Millionen, bei der Finanzhilfe Berlin in Höhe von 50 Millionen, bei der Hilfe für die Deutsche Bundesbahn in Höhe von 58 Millionen usw.
    Ich habe die hier erwähnten Beträge zusammengezählt; sie allein ergeben schon 2,2 Milliarden. Die vielen kleineren Positionen kann ich Ihnen im einzelnen hier nicht vortragen.
    Aus dieser Aufstellung, meine ich, ergibt sich klar — und jedermann hat ja die Möglichkeit, diese Übersicht nachzuprüfen —, daß das Anwachsen des Haushalts seit dem Jahr 1954 eben doch auf die Ordnung unseres sozialen, unseres wirtschaftlichen Lebens in unserem Nachkriegsdeutschland zurückzuführen ist. Ich wollte, die deutsche Öffentlichkeit könnte manchmal Zeuge unserer Beratungen im Haushaltsausschuß sein. Dann wäre die deutsche Öffentlichkeit überzeugt, daß man wirklich nicht — wenn man nicht Demagogie treiben will — von einer Ausgabefreudigkeit oder gar Verschwendungssucht sprechen kann.
    Was allerdings die Beurteilung der Frage anlangt, ob die eine oder andere Ausgabeposition vordringlich ist, — ja nun, meine Damen und Herren, da gehen natürlich die Ansichten auseinander je nach dem Standpunkt, den man eben einnimmt. Aber Tatsache bleibt doch, daß eine Mehrheit des Parlaments jeweils die betreffende Ausgabenposition für dringlich hält.
    Damit ist auch weitgehend schon die ernstzunehmende Kritik widerlegt, die das Institut „Finanzen und Steuern" am Anwachsen des Haushaltsvolumens geübt hat. Das Institut ist der Meinung, daß im wesentlichen die Einnahmenabundanz — so drückt es sich aus — schuld an der Ausgabenopulenz sei. An dieser Ansicht ist sicher richtig, daß Ausgaben im allgemeinen leichter beschlossen werden dürften, wenn dabei auf schon vorhandene Mittel zurückgegriffen werden kann, als dann, wenn zur Deckung dieser Ausgaben neue Steuern eingeführt oder Steuererhöhungen durchgeführt werden müssen. Aber auch das Institut kann uns nicht angeben, welche konkreten Ausgabepositionen ausgespart werden könnten. Es


    (Niederalt)

    kommt mit Ausnahme des doch sehr theoretischen Ausgabestopps, den es vorschlägt, zu nichts anderem als zu dem Allheilmittel der Einschränkung des Verwaltungsapparats.
    Ich habe mir nun auch die Ziffern der Personalausgaben geben lassen und stelle fest, daß sie vom Jahre 1954 bis zum vorliegenden Haushalt um 200 Millionen DM gewachsen sind. Zu diesem außergewöhnlich hohen Betrag muß natürlich sofort hinzugefügt werden, daß darin 150 Millionen DM für das Besoldungsänderungsgesetz und weiter etwa 20 Millionen DM enthalten sind, die im Zuge der Aufstockung des Bundesgrenzschutzes von 10- auf 20 000 Mann notwendig wurden. Damit ergibt sich in den Jahren 1954 bis 1956 ein echtes Anwachsen der Personalkosten in Höhe von 30 Millionen DM. Ich möchte diese Mehrausgabe, die durch die Personalvermehrung — 1954/55 waren es 1170 Kräfte, 1955/56 sind 1285 gewünscht — entstanden ist, weiß Gott nicht verniedlichen. Aber im ganzen gesehen muß doch festgestellt werden, daß diese 30 Millionen DM nicht die entscheidende Bedeutung haben, die ihnen manche um der Popularität willen so gern zugestehen.
    Wenn es wirklich so ist, daß das ständige Anwachsen des Haushalts uns hier im Parlament und den Kritikern draußen in der Öffentlichkeit eine ernste Sorge bedeutet, so kann es nur eine einzige Konsequenz geben: daß wir in Zukunft bei unseren Entscheidungen das ganze Jahr über an das Haushaltsvolumen denken und daß man auch draußen in der Öffentlichkeit bei den Wünschen und Forderungen die Zurückhaltung übt, die notwendig ist.
    Ich sagte schon, daß auch der Haushalt 1956 leider wieder erhebliche Personalwünsche enthält. Ich habe im vergangenen Jahr von dieser Stelle aus dazu sehr eingehend Stellung genommen. Herr Kollege Schoettle und Herr Kollege Blank haben zu diesem Thema heute schon einiges ausgeführt. Ich möchte mich deshalb sehr kurz fassen, vor allem auch deshalb, weil vor einigen Wochen hier in diesem Hohen Hause eine Debatte über Verwaltungsvereinfachung stattgefunden hat, bei der Herr Kollege Dr. Menzel ausgezeichnete und sehr zutreffende Ausführungen gemacht hat. Aber nach meiner Meinung wird man bei dem föderativen Charakter des Grundgesetzes auf der Bundesebene mit der zum Schlagwort gewordenen Verwaltungsvereinfachung nicht sehr weit kommen. Die Verwaltungsvereinfachung ist als echte Aufgabe in erster Linie den Ländern und den Kommunen gestellt.

    (Lebhafte Zustimmung bei der CSU und der FDP.)

    Was wir hier tun können, um das ständige Anwachsen des Personals zurückzudrängen, ist nach meiner Auffassung dies: Wir müssen uns wappnen, müssen unser Herz mit einem harten Panzer umgeben

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Hört! Hört!)

    — ja, das ist notwendig, wenn man die Haushaltsberatungen kennt —,

    (Abg. Dr. Blank [Oberhausen] : Sehr richtig!)

    um die Kraft zu besitzen, einfach rigoros nein zu sagen. Ich sage wiederum: wir , meine Damen und Herren, weil es nicht genügt, wenn das nur die Mitglieder des Haushaltsausschusses tun.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Sehr richtig!)

    Ich sage „wir" und meine damit vor allem auch die Mitglieder der Fachausschüsse. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, daß gerade die Fachausschüsse mit ihren korrespondierenden Ressorts in sehr enger Verbindung standen und sich bei den Haushaltsberatungen als die beredten Anwälte der Personalwünsche der Ressorts gebrauchen ließen.

    (Zustimmung in der Mitte und rechts. —Zurufe.)

    Vom Verteidigungsministerium und von den besonderen Dauerausgaben wie für Luftschutz oder für die Zugehörigkeit zur NATO oder anderen wirklichen Daueraufgaben abgesehen, müssen wir den Standpunkt einnehmen: Der personelle Aufbau unserer Verwaltung gilt als abgeschlossen. Wir haben deshalb — und ich freue mich sehr darüber — im Haushaltsausschuß Sonderwünsche zur Erfüllung vorübergehender Aufgaben unbedingt und ohne Ausnahme abgelehnt.
    Die Bundesregierung muß im Rahmen ihrer Organisationsgewalt dafür sorgen, daß echte Personalschwierigkeiten, die sicher immer und immer wieder auftreten können, durch einen Rückgriff auf das gesamte Personal der Bundesverwaltung überwunden werden. Ich vermute, daß die Bundesregierung das erst dann tun wird, wenn sie am entschlossenen Willen des Parlaments merkt, daß der wesentlich bequemere Weg, nämlich der Weg über die Neuanforderung von Personal, eben nicht mehr gangbar ist.
    In diesem Zusammenhang muß ich auch erwähnen, daß im neuen Haushaltsgesetz jene Bestimmung nicht mehr enthalten ist, die wir im vergangenen Jahr bei der dritten Lesung eingeführt haben und die besagt, daß jede vierte freiwerdende Planstelle und Angestelltenstelle nicht mehr besetzt werden soll. Ich bin damals, wie Sie sich erinnern können, für diese Bestimmung eingetreten, obwohl ich vom Gesetzestechnischen her gegen diese rohe und ungezimmerte Bestimmung allerhand Bedenken hatte. Ich bin damals dafür eingetreten — und ich habe das auch erklärt —, weil ich den Sinn dieser Bestimmung dahin verstehe: man soll in den Bundesressorts einmal klar und deutlich zur Kenntnis nehmen, daß wir weitere Personalwünsche nicht mehr entgegennehmen. Offensichtlich ist diese Bestimmung von einzelnen Bundesministerien nicht so verstanden worden; sonst wären die Personalwünsche im Haushalt 1956 nicht zu erklären.

    (Abg. Dr. Gülich: Herr Niederalt, verstanden schon, bloß ignoriert!)

    — Ich muß mich ja immer etwas vornehm ausdrükken, Herr Kollege Gülich, das wissen Sie doch.

    (Abg. Dr. Gülich: Das tue ich auch!)

    Als Sprecher einer Regierungspartei hat man es nicht so leicht, seine Meinung so deutlich zu sagen wie Sie.
    Wir werden die Frage im Haushaltsausschuß genau prüfen, werden uns einen Erfahrungsbericht vorlegen lassen, und wenn nicht wirklich überzeugende Argumente vorgebracht werden können, müssen wir auf der Einfügung dieser oder einer ähnlichen Bestimmung auch im Haushalt 1956 bestehen. Wir befinden uns dabei übrigens in recht guter Gesellschaft. Der Bundesrat, der doch weiß Gott etwas von Verwaltung versteht, hat den gleichen Vorschlag gemacht.


    (Niederalt)

    Noch ein ernstes Wort. Häufig wird denjenigen, die sich als Sprecher gegen die unentwegte Personalvermehrung hervortun, eine beamtenfeindliche Tendenz unterschoben. Ich selbst brauche wohl nicht besonders zu betonen, daß mir eine solche Einstellung wirklich nicht liegt. Ich darf auch für die anderen Rufer im Streite versichern, daß ihnen eine derartige Tendenz sicher nicht unterschoben werden kann. Wir wissen sehr genau, daß es sehr viele Bundesbedienstete gibt, die vor allem in leitender Stellung in aufopferungsvoller Hingabe buchstäblich jeden Tag — ich könnte Ihnen Namen nennen — manchmal bis weit in die Nacht hinein als Beamte oder Angestellte der Allgemeinheit dienen. Der Herr Kollege Dr. Vogel hat schon den Dank dafür ausgesprochen. Ich möchte mich aus ehrlichem Bedürfnis heraus diesem Dank anschließen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das hindert aber nicht, daß wir der Auffassung sind, da und dort könnte durch eine bessere Organisation sowohl innerhalb der Ministerien wie auch vor allem im Verhältnis der Ministerien zueinander manche Doppelarbeit, mancher Leerlauf vermieden werden.

    (Sehr wahr! beim GB/BHE.)

    Da und dort müssen wir feststellen, daß wertvolle Arbeitskraft auf Sachgebieten verwendet wird, deren Bearbeitung uns zumindest nicht vordringlich erscheint. Ich erinnere nur daran, in welche Lebensbereiche die ungezählten Verordnungen, die uns täglich begegnen, heute schon vorgedrungen sind.
    In dieser Beziehung fällt aber auch — auch das hat der Kollege Dr. Blank schon angedeutet — auf das Parlament ein großer Teil der Schuld. Nur ein
    Beispiel für viele: Vor einigen Wochen haben wir, uns, zunächst noch ganz nebenbei, mit der Drucksache 1813 befaßt, dem Entwurf eines Bundesbaugesetzes. Dieses kleine Ungeheuer eines Gesetzentwurfs umfaßt mit der Begründung 81 Druckseiten, und der Inhalt ist voller verfassungsrechtlicher und wirtschaftspolitischer Problematik. Wieviel wertvollste Arbeitskraft von qualifizierten Ministerialbeamten hat dieser Entwurf wohl bisher schon in Anspruch genommen, wieviel Arbeitskraft wird er noch bei der Vorbereitung zu den Sitzungen der Ausschüsse und bei den Sitzungen selbst in Anspruch nehmen! War der Entwurf wirklich unerläßlich notwendig angesichts der Tatsache, daß unsere Gesetzesmaschine sowieso auf Hochtouren läuft?

    (Abg. Dr. Schild [Düsseldorf] : Jawohl!) Konnte man nicht noch zwei oder drei Jahre warten? Herr Kollege Dr. Schild, ich weiß, daß das Ihnen ein besonderes Anliegen ist. Wir müssen uns aber doch ganz allgemein, meine ich, dazu durchringen, eine Dringlichkeitsskala aufzustellen. Es gibt in unserem Nachkriegsdeutschland nun einmal Dinge, die meiner Auffassung nach wesentlich vordringlicher sind. Ich bin fest überzeugt, daß wir unsere Forderung bezüglich des Personalstopps nur dann praktisch verwirklichen können, wenn wir uns selbst bei unserer parlamentarischen Arbeit zu einer Reihenfolge nach der Dringlichkeit zwingen und uns dabei manchmal auch etwas bescheiden, uns für die nächste Zeit manchmal noch etwas behelfen.

    Nur dann wird es übrigens auch möglich sein, die ewige Unrast, die in diesem Hause ist, die kein überlegtes und kein überlegenes Arbeiten mehr gestattet, das ständige Hetzen von Sitzung zu Sitzung, von Besprechung zu Besprechung etwas zu bannen. Unter diesem ständigen Hetzen leiden wir alle oder doch wenigstens die meisten von uns so sehr, daß es leider Gottes manchen von unseren Kollegen schon den Tod gebracht hat.
    Meine Damen und Herren, ich möchte mich noch einem speziellen Punkt zuwenden. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft auch die regionalen Förderungsmaßnahmen für das Grenzland und das Zonenrandgebiet erwähnt. Er sagte in diesem Zusammenhang, daß diese Hilfsmaßnahmen trotz der derzeitigen guten Konjunktur auch im Haushaltsjahr 1956 fortgesetzt werden. Wir begrüßen diesen Beschluß der Bundesregierung sehr dankbar. Auch ich möchte die Notwendigkeit der Fortführung dieser Maßnahmen unterstreichen. Dort in den Grenz- und Zonenrandgebieten ist von der vielbesprochenen und vielbeschriebenen Überhitzung der Konjunktur noch nichts zu spüren.

    (Zuruf von der Mitte: Ganz richtig!)

    Dort weht noch ein kalter Wind, der Wind vom Osten her, der eine Überhitzung nicht aufkommen läßt. Gern anerkennen wir, daß die allgemein gute Konjunktur allmählich auch auf diese Gebiete etwas ausstrahlt. Gern stellen wir fest, daß die Mittel des Bundes im Wirtschaftsleben spürbar werden. Wir werden noch die eine oder andere Korrektur an den Programmen vornehmen müssen, insbesondere werden wir die Frachthilfe auf den Lkw-Verkehr ausdehnen müssen, und zwar ohne Beeinträchtigung der bisherigen Frachthilfe.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist das Entscheidende!)

    Wir werden weiter dafür sorgen müssen, daß diese Gebiete mehr als bisher mit den zu erwartenden öffentlichen Aufträgen bedacht werden; eine Maßnahme, die nicht bloß im Interesse der Zonenrandgebiete oder Grenzgebiete, sondern ebenso sehr im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegt, da dadurch die Spannungserscheinungen, die sich in den Ballungsräumen unserer Wirtschaft da und dort schon zeigen, vermindert werden können.

    (Abg. Stücklen: Sehr gut!)

    Diese eben erwähnten Maßnahmen dienen aber vornehmlich dazu, die in den Grenz- und Zonenrandgebieten schon vorhandenen Betriebe wirtschaftlich zu stärken. ,Daneben, meine ich, müssen wir uns ernsthaft bemühen, in jene Grenz- und Zonenrandgebiete, die noch aufnahmefähig sind, noch weitere Betriebe zu bringen, damit diese Gebiete ebenfalls wirtschaftlich allmählich durchblutet werden. Ich weiß, daß das nicht leicht ist und daß der Bundeswirtschaftsminister keine Möglichkeiten hat, hier Anweisungen zu erteilen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat mir im vergangenen Jahr, als ich bei ihm persönlich Bedenken gegen seine Verhandlungen um ausländische Arbeitskräfte erhob, versichert, daß er bei sich bietender Gelegenheit die Unternehmer auf die im Grenzgebiet vorhandenen Arbeitsreserven aufmerksam mache. Er hat dies auch getan, und ich bitte ihn und alle maßgebenden Herren seines Hauses, dies immer und immer wieder zu tun, und zwar nicht bloß in öffentlichen Reden, sondern auch in Einzelbesprechungen, denn da scheint mir der Erfolg oft noch besser zu sein. Ich bitte weiter, bei Verhandlungen über die Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte von Fall zu Fall auch zu prüfen, ob dem


    (Niederalt)

    Mangel an Arbeitskräften nicht durch die Errichtung von Zweig- und Filialbetrieben in den Grenz-
    und Zonenrandgebieten begegnet werden kann, und ich bitte ganz besonders für den Fall, daß zu irgendeinem Zeitpunkt etwa wieder Investitionsgespräche zum Zwecke der Rationalisierung geführt werden, dabei dann unbedingt auch die Frage einer Teilverlagerung der Betriebe in die Zonenrand- und Grenzgebiete mit in Erwägung zu ziehen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Dieser Bitte an den Bundeswirtschaftsminister möchte ich von dieser Stelle aus auch die Bitte an die Industrie selbst anschließen, die Bitte, die Frage der Errichtung von Filialbetrieben im Grenzgebiet doch ernsthaft zu überlegen. Ich appelliere dabei — ich bin nüchtern genug — weiß Gott nicht an das Wohltätigkeitsgefühl der Unternehmer, ich appelliere aber an die wirtschaftliche und politische Vernunft. Die Tatsache, daß in den genannten Gebieten noch eine relativ große Arbeitsreserve steckt, die Tatsache, daß durch die Frachthilfe die Revierferne doch weitgehend ausgeschaltet ist, die Tatsache, daß dort vielfach weit günstigere Tarife gelten, die Tatsache, daß dort die Möglichkeit gewisser steuerlicher Erleichterungen und Sonderabschreibungen besteht, alle diese Tatsachen sollten doch vom rein Kaufmännischen her nicht unterschätzt werden.
    In diesem Zusammenhang ein Wort an die Länder. Die beteiligten Länder müssen wir, und zwar gerade vom Standpunkt des Bundeshaushalts her, dringend ersuchen, bei der Durchführung der verschiedenen Projekte, ob es sich um einen Straßenbau oder um den Bau einer gewerblichen Schule handelt, nicht die Landesmittel zu kürzen im Hinblick darauf, daß für dieses einzelne Projekt im Grenzgebiet Bundesmittel zu erwarten seien. Wenn unsere Beobachtungen, die wir in dieser Richtung leider machen mußten, sich verstärken würden, müßten wir von der bisherigen Verteilungsart der Globalzuwendungen abkommen und uns andere Wege überlegen. Die Bundesmittel sind, soweit sie nicht unmittelbar Wirtschaftsbetrieben zugute kommen, für die Gemeinden und Landkreise gedacht, damit sie in die Lage versetzt werden, die notwendigen strukturverbessernden Aufgaben durchzuführen, ohne dabei in eine unerträgliche Schuldenlast zu kommen;

    (Abg. Friese: Das ist sehr wichtig!)

    sie sind also als Zusatzmittel zu den Eigenleistungen gedacht. Ich halte den Grundsatz der Globalzuwendungen nach wie vor für richtig, aber nur im Grundsatz. Dieser Grundsatz setzt eine unbedingte Loyalität seitens der beteiligten Länder voraus.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie mit diesem Einzelproblem vielleicht etwas länger aufgehalten habe. Die wirtschaftliche Förderung der Gebiete am Eisernen Vorhang ist wirklich ein eminent wichtiger Punkt, der uns alle miteinander angeht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es handelt sich dabei — ich betone das immer wieder — nicht um eine regionale Aufgabe, es handelt sich um eine Gesamtaufgabe. Es kann uns allen nicht gleichgültig sein, weder wirtschaftspolitisch noch sozialpolitisch noch allgemein politisch, daß sich in Westdeutschland in den Ballungsräumen unsere Wirtschaft so konzentriert, daß heute schon gewisse Spannungserscheinungen festzustellen sind, während ausgerechnet am Eisernen Vorhang eine wirtschaftliche Leere mit ihren zwangsläufigen Folgen auf sozialpolitischem und auch auf allgemein politischem Gebiet vorhanden ist.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat, wie ich in der Presse feststellen konnte, vor kurzem in Italien erklärt, daß ein zu starkes soziales Gefälle in Europa für uns alle in Europa eine Gefahr darstelle. Ich meine, er hat damit recht. Aber wenn dies richtig ist, dann muß es um so mehr eine Gefahr sein, wenn ein solches soziales Gefälle etwa in einzelnen Teilen unserer westdeutschen Bundesrepublik und noch dazu am Eisernen Vorhang festzustellen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Linus Kather


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die allgemeine Aussprache über den Haushalt bietet für den Gesamtdeutschen Block die willkommene Gelegenheit, ja die Verpflichtung, einmal die Frage zu prüfen: wie steht es mit dem Schicksal all der Gruppen, deren Betreuung dem Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte anvertraut ist? Und vor allem die Frage: Wie weit sind wir mit der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge gekommen, und was sagt der vorliegende Haushaltsplan dazu?
    Seit der Bundestagswahl vom 6. September 1953 ist von Regierungsseite das Bestreben erkennbar geworden, zu sagen, das Problem sei im wesentlichen gelöst. Der Herr Bundeskanzler hat schon vier Tage nach der Wahl die Frage aufgeworfen, ob wir überhaupt noch ein Vertriebenenministerium brauchen, und der Fraktionsvorsitzende der größten Regierungspartei, Herr von Brentano, erklärte bei der Debatte zur Regierungserklärung im Oktober 1953 wörtlich:
    Ich hoffe, daß nach vier Jahren das Problem der Heimatvertriebenen in der politischen Diskussion keine Rolle mehr spielen wird mit Ausnahme der einen, daß diese Menschen auch nach vier Jahren in der gleichen Weise an ihre Heimat denken werden wie heute.
    Nun, meine Damen und Herren, wer sich ernsthaft und verantwortungsbewußt mit diesem Komplex beschäftigt, weiß, wie unbegründet dieser Optimismus ist und wie gefährlich er ist. Dabei verkennen wir durchaus nicht das, was getan worden ist, und versagen dieser Leistung auch nicht unsere Anerkennung. Aber es muß mir gestattet sein, einmal mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die Erfolge, die wir Vertriebenen besonders im 1. Bundestag unter harten Kämpfen errungen haben, heute vielfach gerade von denen in Anspruch genommen werden, die uns damals den größten Widerstand entgegengesetzt haben.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Das gilt ganz besonders von dem Herrn Bundesfinanzminister. Er hat auf die stolze Bilanz des Lastenausgleichs hingewiesen und gestern insbesondere hervorgehoben — schade, daß er nicht da ist —, daß aus diesem Fonds 280 Millionen DM für die landwirtschaftliche Siedlung und über 300 Millionen DM für die gewerbliche Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich bereitgestellt werden können.


    (Dr. Kather)

    Ich darf demgegenüber bemerken, daß gerade Herr Schäffer es war, gegen dessen härtesten Widerstand wir die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Entwicklung geschaffen haben. Herr Bundesfinanzminister Schäffer schmückt sich hier also mit Federn, die wir ihm vor Jahren in hartem Kampf ausgerissen haben.

    (Heiterkeit beim GB/BHE — Zuruf des Abg. Lücke.)

    — Ich habe den Herrn Bundesfinanzminister Schäffer auch angegriffen, als ich noch CDU-Mann war, Herr Lücke; das möchte ich auf ihren Zwischenruf bemerken.
    Trotz aller Anerkennung des Geleisteten ist es eine nicht zu bestreitende Tatsache, daß für Millionen und aber Millionen das Problem noch völlig ungelöst ist, jedenfalls nicht gelöst im Sinne einer echten und zumutbaren Eingliederung.
    Mit- der stolzen Bilanz des Herrn Bundesfinanzministers von gestern hat es auch seine besondere Bewandtnis. Er hat gestern auf die starken Steigerungen hingewiesen, die die Leistungen aus dem Lastenausgleich seit 1952 erfahren haben, und die Zahlen genannt: für 1952 1,5 Milliarden DM, für 1953 3,5 Milliarden DM, für 1954 4,2 Milliarden DM und für dieses Jahr voraussichtlich 4,4 Milliarden DM. Wohlgemerkt, der Herr Bundesfinanzminister spricht nicht von dem Aufkommen, sondern von der Verteilung. Wenn er die Zahlen des Aufkommens genannt hätte, dann hätte er eine solche Steigerung auch nicht im entferntesten aufzeigen können.

    (Hört! Hört! beim GB/BHE.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat es auch nicht für nötig gehalten, darauf hinzuweisen, daß diese Steigerung der Ausgaben in der Hauptsache dadurch zustande gekommen ist, daß das Bundesfinanzministerium und das ihm angegliederte Bundesausgleichsamt es nicht fertigbekommen haben, in den ersten Jahren das vorhandene Geld an den Mann zu bringen. Wir erinnern uns noch an den großen Geldüberhang, der damals vorhanden war und zeitweilig die Summe von einer Milliarde DM überstieg. An diesem Tatbestand ist seinerzeit auch von dieser Stelle aus eine scharfe Kritik geübt worden. Immerhin bewundere ich die Eleganz — ich bewundere sie aufrichtig —, mit der der Herr Bundesfinanzminister es verstanden hat, aus einem Versagen einen Erfolg und aus einer Not eine Tugend zu machen.

    (Sehr gut! beim GB/BHE.)

    Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Vogel hat heute von den schweren Opfern gesprochen, die die Abgabepflichtigen beim Lastenausgleich zu bringen haben. Nun, ich verkenne die Leistung nicht, wie ich schon sagte. Aber ist es wirklich möglich, wenn man die Opfer auf der einen Seite mit denen auf der anderen Seite vergleicht, hier zu sagen: Es sind schwere Opfer gebracht worden!? Ich stehe ja heute noch unter dem Vorwurf, daß ich seinerzeit zum Lastenausgleich ja gesagt habe. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß diese Abgaben nach dem Einheitswert berechnet werden, daß wir eine Freigrenze von 5000 DM haben, und wenn Sie wissen, wie gering die Einheitswerte vielfach sind, dann werden Sie mir über alle Parteischranken hinweg recht darin geben, daß wenigstens bei dem kleineren und mittleren Besitz von schweren Opfern wirklich nicht gesprochen werden kann.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich bin sehr gern bereit — wir können uns ja nicht ins einzelne verlieren —, Ihnen das mit zahlenmäßig belegten Beispielen nachzuweisen.
    Vor wenigen Monaten teilte das Bundesausgleichsamt mit, daß Hunderttausende von Unterhaltshilfeempfängern bereits gestorben sind. Sie sind gestorben, ohne in den Besitz der Entschädigungsrente gekommen zu sein, weil das Feststellungsverfahren nicht vorangekommen ist. Ich zitiere, was damals eine einheimische Zeitung, die „Westfälische Zeitung", schrieb:
    Dieses Hinwegsterben Hunderttausender alter Leute in der Mittellosigkeit ist ein bedrückendes Zeichen dafür, wie sehr die Schwächsten immer noch die Last tragen.

    (Sehr gut! beim GB/BHE.)

    Das ist die Kehrseite der stolzen Bilanz des Herrn Bundesfinanzministers. Wir haben das auch von dieser Stelle aus schon sehr eingehend erörtert. Und wie steht es heute mit dem Feststellungsverfahren? Am 30. September dieses Jahres waren genau 5,1 % der gestellten Anträge bearbeitet und entschieden.

    (Hört! Hört! beim GB/BHE.)

    Und das auf den Tag. genau dreieinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes! Der Herr Bundesfinanzminister ist Ressortminister. Die Kosten trägt der Bund. Ich habe schon wiederholt von dieser Stelle aus vorgetragen, daß diese Zuständigkeit geändert werden muß. Bei der Regierungsbildung sind unserer Partei entsprechende Zusagen gemacht worden. Sie sind nicht gehalten worden. Es hat sich nichts geändert, und Herr Professor Oberländer hat daraus, man muß wohl sagen: Konsequenzen gezogen, die nicht nur uns überrascht haben.

    (Lachen beim GB/BHE.)

    So gestaltet sich das Schicksal der eigentlichen Verlierer des Krieges, unserer Alten und nicht mehr Erwerbsfähigen bei Vertriebenen und Geschädigten.
    Kaum besser geht es einer zweiten großen Gruppe, dem heimatvertriebenen Landvolk, bei dem es sich einschließlich der Familienmitglieder um weit über eine. Million Menschen handelt. Zehn Jahre sind seit der Vertreibung vergangen, und in diesem Zeitraum sind erst annähernd 5 % auf Vollbauernstellen bescheidenen Umfanges wiederangesetzt worden. Das Bundesvertriebenengesetz schreibt in § 46 vor, daß, vorbehaltlich der Dekkungsklausel, in jedem Jahr 100 Millionen DM für die landwirtschaftliche Neusiedlung im Haushalt bereitzustellen sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat diese Anordnung bereits im ersten Jahre unbeachtet gelassen, und die Herren, die im ersten Bundestag waren, werden sich erinnern, daß es uns in einer der letzten Sitzungen mit Hilfe der Opposition gelang, die 75 Millionen DM, die im außerordentlichen Etat standen, in den ordentlichen Etat zu überführen. Im vergangenen Jahre ist es nicht einmal dazu gekommen, daß ein solcher Antrag gestellt worden ist. Und wie sieht es jetzt aus? Bereits im Juli 1955 waren die laufenden Haushaltsmittel für Siedlungszwecke verbraucht, und der Herr Bundesfinanzminister mußte sein Versprechen, Vorgriffe auf den neuen Haushalt zu gestatten, in einer Höhe von 60 Millionen DM einlösen. Das hat natürlich erhebliche Zeit in Anspruch genommen und auf das Tempo der Sied-


    (Dr. Kather)

    lung eine ungünstige Rückwirkung gehabt. Da die Vorgriffe nicht in den Nachtragshaushalt und auch nicht in den außerordentlichen Haushalt übernommen worden sind, müssen sie nach § 30 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung aus dem neuen Haushalt abgedeckt werden. Dadurch schrumpft der im neuen Haushalt um 60 Millionen DM erhöhte Ansatz der Siedlungsmittel auf den gleichen Betrag wie im Vorjahre zusammen. Man kann also nicht, wie es der Herr Bundesfinanzminister getan hat, von einer Erhöhung des Ansatzes um 60 Millionen DM sprechen. Falls keine andere Regelung getroffen wird, besteht für das nächste Haushaltsjahr also die gleiche Situation wie 1955. Für die Verplanungen und Auszahlung stehen 94,7 Millionen DM zur Verfügung. Das sind praktisch nicht viel mehr als 50 % dessen, was das Bundesvertriebenengesetz und das Siedlungsförderungsgesetz jährlich vorschreiben. Notwendig sind aber nach dem Siedlungsprogramm 1955, das leider erst am 14. Oktober dieses Jahres vom Kabinett beschlossen wurde, 150 bis 170 Millionen DM.
    Es ist unbedingt wünschenswert, daß das gesetzlich vorgeschriebene Siedlungsprogramm gleichzeitig mit dem Haushalt vorgelegt wird. Ein Siedlungsprogramm post festum zu beschließen, ist nicht zweckmäßig.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    150 000 siedlungswillige und -fähige Familien von Vertriebenen und Flüchtlingen warten seit so vielen Jahren darauf, angesetzt zu werden. Auf der anderen Seite haben wir in der Bundesrepublik 128 000 Bauernhöfe, deren Eigentümer in hohem Alter und ohne Erben sind. Sollte es wirklich unmöglich sein, diese beiden Faktoren zusammenzubringen? Voraussetzung ist natürlich eine ausreichende Altersversorgung für die abgebenden Eigentümer. Es sollte doch wohl bei energischem Zusammenwirken von Finanz-, Landwirtschafts-
    und Vertriebenenminister nicht unmöglich sein, diesem Problem beizukommen. Es geht um ein großes Ziel: die Erhaltung der wertvollen, ja unersetzlichen bäuerlichen Substanz aus dem deutschen Osten und Südosten, und da ist keine Zeit mehr zu verlieren.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat selbst auf die Notlage der gewerblichen Wirtschaft der Vertriebenen und Flüchtlinge hingewiesen. Er hat diese Betriebe als ein besonderes Sorgenkind bezeichnet und auf die geplante Umschuldungsaktion aufmerksam gemacht. Ich möchte hier die verdienstvolle Arbeit des dafür gebildeten Unterausschusses des Vertriebenenausschusses nicht unerwähnt lassen. Aber dieser Aktion steht noch ein weiteres Hindernis entgegen. Die Erfahrung der letzten Monate hat gezeigt, daß es kaum zu verantworten ist, eine solche Anleihe aufzulegen, wenn nicht vorher die Mittel sichergestellt sind, die für die notwendige Kurspflege der Anleihe gebraucht werden. Es ist deshalb das Anliegen des Finanzausschusses der Lastenausgleichsbank und auch unser Anliegen, daß der Herr Bundesfinanzminister diese Mittel bereitstellt. Andernfalls kann die Aktion kaum mit der gebotenen Beschleunigung gestartet werden. Der Herr Bundesfinanzminister hat sie aber selbst als dringend notwendig bezeichnet.
    In diesem Zusammenhang muß ich den Herrn Bundesfinanzminister noch auf § 72 des Bundesvertriebenengesetzes hinweisen. In Abs. 1 dieser Bestimmung heißt es
    Die Begründung und Festigung selbständiger Erwerbstätigkeit der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchlinge in der Landwirtschaft, im Gewerbe und in freien Berufen ist durch Gewährung von Krediten aus öffentlichen Mitteln zu günstigen Zins-, Tilgungs- und Sicherungsbedingungen, durch Zinsverbilligungen und Bürgerschaftsübernahmen zu fördern.
    Diese gesetzliche Anordnung hat noch weniger Gnade vor den Augen des Herrn Bundesfinanzministers gefunden als die des § 46 des gleichen Gesetzes. Auf Grund des § 72 sind bisher Mittel noch nicht zur Verfügung gestellt worden. Der Hinweis auf die ERP-Mittel geht fehl; denn einmal besagt der klare Wortlaut etwas anderes, und zweitens wäre für die ERP-Mittel eine solche gesetzliche Anordnung gänzlich überflüssig gewesen. Es ist erforderlich, daß nunmehr auch ein angemessener Betrag für die Zwecke der gewerblichen Eingliederung im Haushalt bereitgestellt wird. Ich glaube nicht, daß das Hohe Haus sich damit abfinden würde, daß diese gesetzliche Anordnung unbeachtet bleibt, zumal da der Herr Bundesfinanzminister selber auf die besondere Notlage der Betroffenen hingewiesen hat.
    Zum Wohnungsbau hat der Herr Bundesfinanzminister gestern ausgeführt:
    Obwohl in der Bauwirtschaft bedenkliche Erscheinungen zutage getreten sind, die eine Übersteigerung der Baukosten befürchten lassen, sind die Mittel für den Wohnungsbau nicht gekürzt worden, sondern bestehengeblieben.
    Der Herr Bundesminister geht also davon aus, daß bei einer Steigerung der Baukosten unbedingt die Kürzung der Mittel am Platze ist.

    (Zuruf von der Mitte: Wieso denn? Das ist doch abwegig!)

    Ich glaube aber nicht, daß er mit dieser Logik allgemeinen Anklang finden wird. Wir halten die im Haushaltplan 1956 vorgesehenen Mittel auf Grund der veränderten Lage des Wohnungsbaues für unzureichend. Die Darlehen in Höhe von 500 Millionen DM, die im außerordentlichen Haushalt für den sozialen Wohnungsbau ausgewiesen werden, können bei der Entwicklung des Bau- und Grundstücksmarktes nicht mehr das angestrebte Ziel erreichen. Zum Ausgleich für die entstandenen und zu erwartenden Mehrkosten müßte diese Summe um 100 Millionen DM erhöht werden. Falls die Bundesregierung weiter auf dem nicht vertretbaren Standpunkt beharrt, daß die Prämien, die nach dem Wohnungsbauprämiengesetz gezahlt werden müssen und den Betrag von 60 Millionen DM übersteigen, von den Ländern aus den Darlehensmitteln für den sozialen Wohnungsbau aufgebracht werden müssen, müßte der vorgesehene Darlehensbetrag für den sozialen Wohnungsbau um weitere 100 Millionen DM auf insgesamt 700 Millionen DM erhöht werden. Unter Berücksichtigung der Sparzuwachsrate muß für 1956 mit einem Prämienbedarf bis zu 160 Millionen DM gerechnet werden, so daß dann ca. 100 Millionen DM aus reinen Wohnungsbaumitteln entnommen werden müßten. Die Gewährung von Prämien für Leistungen, die zugunsten des Wohnungsbaues gemacht werden, ist unseres Erachtens aber eine Steuervergünstigungsmaßnahme. Es erhebt sich daher der Zweifel, ob sie überhaupt in den Haushalt des Bundesministers für Wohnungsbau hineingehören.


    (Dr. Kather)

    Bei diesem Mehrbedarf von 200 Millionen DM ist nicht berücksichtigt, daß das Zweite Wohnungsbaugesetz, das Wohnungsbau- und Familienheimgesetz, weitere Mehrleistungen zugunsten der wohnungsuchenden Bauherren vorsieht. Insbesondere wird die Versorgung der Wohnungsuchenden mit besonders geringem Einkommen zwangsläufig einen erhöhten Bedarf an öffentlichen Mitteln ausweisen. Auf keinen Fall wird sich meine Fraktion damit einverstanden erklären können, daß der soziale Wohnungsbau eine rückläufige Entwicklung erfährt. Das Steueraufkommen des Bundes läßt eine Deckung des Mehrbedarfs durchaus zu. Darüber hinaus vertreten wir die Meinung, daß der soziale Wohnungsbau weiterhin vorrangig vor anderen Aufgaben betrachtet werden muß. Dies gilt besonders für solche, die vor der Behebung der dringendsten Notstände auf diesem Gebiet erst nachträglich an den Bund herangetreten sind.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede die Relation zwischen Haushaltsmitteln und Mitteln aus dem Lastenausgleich beim Wohnungsbau mit 1,3 zu 1,1 Milliarden DM angegeben. Dabei ist aber noch nicht sichtbar geworden, daß in der ersten Zahl erhebliche Beträge stecken, die nicht dem sozialen Wohnungsbau dienen. Es muß gefordert werden, daß diese Relation sich in Zukunft zuungunsten des Haushalts verschiebt. Ich kann darauf hinweisen, daß auch der Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt vor kurzem sich zu dieser Auffassung bekannt hat. Das muß um so mehr Geltung haben, als sich in der Vergangenheit gezeigt hat, daß die echte Eigentumsbildung aus Lastenausgleichsmitteln nicht in befriedigendem Umfange zum Zuge gekommen ist. Ich schließe mich insoweit den Ausführungen, die der Abgeordnete Vogel zu diesem Punkt heute gemacht hat, in vollem Umfang an.
    Bei dieser Gelegenheit ein Wort zu den Bauten in der provisorischen Bundeshauptstadt. Der Herr Bundeskanzler hat im Jahre 1949 den Kostenaufwand auf wenige Millionen DM beziffert. Jetzt sind es schon 200 Millionen DM, wenn man nur die eigentlichen Bundesausgaben in Betracht zieht. Es muß endlich erwartet werden, daß mit diesem Aufwand an Bauten ein Ende gemacht wird.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Ministerien von tausend Zimmern sind mit dem Begriff des Provisoriums unvereinbar.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Diese ganze Bautätigkeit hat in erster Linie dazu beigetragen, wenn es wiederholt dahin gekommen ist, daß an dem wirklichen Willen der Bundesregierung zur Wiedervereinigung Zweifel laut wurden.

    (Widerspruch in der Mitte. — Abg. Lücke: Das war schlecht!)

    — Verzeihung, meine Herren, Sie haben wohl nicht verstanden oder gehört, was ich gesagt habe: wenn es dazu gekommen ist. Ich berichte eine Tatsache. Ich erhebe keinen Zweifel. Darüber hat sich der Herr Bundeskanzler selber von dieser Stelle aus oft genug beklagt, Herr Lücke, das wissen wir doch alle. — Auch in Berlin und in der Sowjetzone muß diese Bautätigkeit in Bonn zum mindesten mit gemischten Gefühlen betrachtet werden; das kann doch niemand in Abrede stellen. Gerade in dem gegenwärtigen Zeitpunkt, nachdem die Aussichten auf eine schnelle Entwicklung in der
    Frage der Wiedervereinigung so gering geworden sind, sollte alles vermieden werden, was irgendwelche Zweifel wachrufen oder wachhalten könnte. Man sollte sehr viel mehr Wert darauf legen, unsere Position in Berlin zu halten, auszubauen und zu stärken und damit zu dokumentieren, daß Berlin die Hauptstadt Deutschlands für uns ist und bleibt.

    (Lebhafter Beifall beim GB/BHE und bei Abgeordneten der SPD.)

    Ich glaube, daß ich die Ausführungen, die ich für das Notopfer Berlin und für Berlin überhaupt vorgesehen hatte, nach dem, was der Herr Kollege Schoettle dazu gesagt hat, stark abkürzen kann. Wir sind ebenso wie die Sozialdemokratische Partei, die das ja durch einen Antrag belegt hat, der Auffassung, daß der volle Betrag aus dem Notopfer diesem Zweck zugeführt werden muß. Wir sind mit dem, was der Sprecher der Sozialdemokratie vorgetragen hat — und ich glaube, er hat damit eigentlich die Meinung des ganzen Hauses ausgesprochen —, der Auffassung, daß die Frage Berlin nicht nach fiskalischen, sondern nach politischen Gesichtspunkten behandelt und entschieden werden muß.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Ich kann mich daher darauf beschränken, nur noch zu sagen, daß die Absicht des Herrn Bundesfinanzministers, den Einzelplan 45 künftig wegfallen zu lassen und die Ausgaben für Berlin je nach ihrer Art in den verschiedenen Einzelplänen unterzubringen, von uns als völlig abwegig angesehen wird.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Es muß klar ersichtlich bleiben, was Berlin benötigt und was für Berlin getan werden muß. Deshalb muß der Einzelplan 45 bestehenbleiben.
    Mit Besorgnis verfolgen wir auch die Entwicklung auf dem Gebiet der Lager- und Barackenräumung. Zur Zeit leben immer noch annähernd 290 000 Vertriebene, Flüchtlinge und Evakuierte in Baracken, Notunterkünften, Auffanglagern und dergleichen. Die abträglichen Folgen eines derartigen Daseins sind bekannt. Im laufenden Haushaltsjahr waren für die Zwecke der Lagerräumung 30 Millionen DM vorgesehen. Der Herr Bundesvertriebenenminister hat sich in der Fraktion immer wieder darüber beklagt, daß dieser Betrag völlig unzureichend sei und daß es 13 Jahre dauern würde, bis der letzte Mann aus dem Lager herauskäme. Bei dieser Berechnung ist in Betracht zu ziehen, daß ein Zugang nicht berücksichtigt worden ist. Wir sehen jetzt zu unserem Erstaunen, daß in dem vorliegenden Voranschlag überhaupt keine Mittel für diesen Zweck bereitgestellt sind. Wie es heißt, sollen die Länder künftig die Kosten tragen und, soweit es nötig ist, der Bund die Vorfinanzierung übernehmen. Wie das ohne einen Ansatz im Etat vor sich gehen soll, ist mir nicht ganz verständlich. Wenn das bisherige Tempo der Lagerräumung beibehalten wird, dann wird die Bundesregierung mit diesem Problem nicht fertig werden.
    Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zur Kriegsopferversorgung sind ebenso kurz wie unbefriedigend. Richtig ist allein, daß die Zahl der Versorgungsberechtigten zurückgegangen ist. Aber seine Meinung, daß die dadurch entstandenen Einsparungen im Haushalt im wesentlichen dazu bestimmt seien, die durch die notwendigen Verbesserungen der Kriegsopferversorgung zu erwartenden Ausgaben abzufangen, kann nicht geteilt werden.


    (Dr. Kather)

    Sie kann so lange nicht geteilt werden, als die Lage der Kriegsbeschädigten, der Kriegerwitwen und -waisen nach wie vor völlig unbefriedigend ist. Es war das gemeinsame Anliegen dieses Hohen Hauses, für die Kriegsopfer endlich eine sozial gerechte Lebensgrundlage zu schaffen. Sie ist bisher nicht erreicht und wird auch dann nicht erreicht werden, wenn für die Verbesserung der Kriegsopferversorgung nur die 140 Millionen DM bereitgestellt werden, in deren Rahmen sich die zur Beratung stehende Gesetzesvorlage der Regierungsparteien bewegt. Hier müssen andere Leistungen vollbracht und andere Mittel bereitgestellt werden, wenn die sozial gerechte Lösung dieses dringenden Problems mit Nachdruck angestrebt wird.
    Die Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers in Berlin, daß man insbesondere den Rentenempfängern und den Kriegsopfern aus der allgemeinen staatspolitischen Verantwortung helfen müsse, weil diese Gruppen sich nicht durch Lohnkämpfe selbst helfen könnten, sind durchaus zu begrüßen. Aber mit Worten allein kann das Problem nicht gelöst werden. Die im Etat vorgesehenen Maßnahmen können nur als Anfang gewertet werden.
    Der Herr Bundeskanzler hat in der Regierungserklärung im Jahre 1953 eine umfassende Sozialreform als vordringlich bezeichnet.

    (Abg. Wehner: Nr. 1!)

    — Jawohl! — Er hat auch später noch dieses Problem als innerpolitisches Anliegen Nr. 1 bezeichnet. Aber zur Zeit müssen wir doch feststellen, daß wir noch immer weit von der Verwirklichung dieser Zusagen entfernt sind. Das muß mit allem Nachdruck gesagt werden, und das bleibt richtig, auch wenn wir es begrüßen, daß nunmehr endlich, wie aus dem Etat des Herrn Bundesarbeitsministers ersichtlich ist, für diesen Zweck zusätzliche Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden sollen.

    (Abg. Niederalt: Schon im vergangenen Jahr, Herr Kather! — Abg. Dr. Mocker: Um so schlimmer! Was machen denn die Leute? — Zuruf von der Mitte: Das gibt ja wieder neue Bauten!)

    — Es ist bezeichnend, daß Ihnen die Notwendigkeit neuer Bauten nur im Zusammenhang mit der Sozialreform angreifbar erscheint.
    In diesem Zusammenhang möchte ich auch die betriebliche Altersfürsorge in Verbindung mit den 1952 verabschiedeten Richtlinien über Bundesbeihilfen erwähnen. Auch in diesem Jahr sind die Mittel um etwa ein Drittel gekürzt worden, und das Bundesarbeitsministerium begründet diese Kürzung damit, daß eine Anzahl Betriebe an der Bundesbeihilfe nicht mehr beteiligt sind. Weiter ist seitens der Regierung schon zum Ausdruck gekommen, daß im Laufe des nächsten Jahres auch die Krupp-Werke aus der Bundesbeihilfe ausscheiden. Dem Bundesarbeitsministerium ist trotz der Preis- und Lohnentwicklung nicht die Erkenntnis gekommen, daß die Bundesbeihilfe völlig unzureichend ist und erhöht werden muß. Hierfür sollten in erster Linie die Mittel zur Verfügung stehen, die durch Ausscheiden von Betrieben eingespart werden.
    Nachdem in der Presse, insbesondere im September dieses Jahres, immer wieder betont wurde, daß die Vollbeschäftigung in der Bundesrepublik erreicht sei, und darüber hinaus in den letzten Wochen erneut Meldungen darüber erschienen, daß sich die Regierung über die Beschäftigung fremdländischer Arbeitnehmer Gedanken mache, da bereits im kommenden Jahr ein Arbeitskräftemangel entstehen werde, möchten wir den Herrn Bundesarbeitsminister erneut in aller Deutlichkeit auf die Dauerarbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmer und Angestellten hinweisen.

    (Abg. Metzger: Er kann es nicht hören!)

    — Ja, er ist nicht da. Das ist das übliche Bild. Man darf es aber ja hier nicht beanstanden, ohne sich vom Herrn Abgeordneten Rinke den Zuruf „Demagoge" zuzuziehen.

    (Beifall beim GB/BHE. — Zuruf rechts: Der ist auch nicht da!)

    — Also ist die Sache ohne Gefahren, meinen Sie? Gut! — Meine Damen und Herren, ich kann mir zu diesem Problem, das wir ja so oft hier behandelt haben und auch bei anderer Gelegenheit noch behandeln werden, wohl weitere Ausführungen ersparen.
    Wie die Bundesregierung zum Problem der Eingliederung steht, dafür gibt es in diesem Haushalt ein weiteres Anzeichen. Man hat es für gut gehalten, die ohnehin so knapp bemessenen Mittel für die Organisationen, die sich mit der Eingliederung der Geschädigten befassen, gegenüber dem Vorjahr um 20 000 DM zu kürzen. Das erinnert uns daran, daß schon bei der letzten Etatberatung Vertriebenenabgeordnete der CDU im Haushaltsausschuß eine Kürzung dieser Position um 50 000 DM durchgesetzt hatten. Und ganz gewiß im Sinne dieser Herren hat sich damals Herr Bundesminister Oberländer beeilt, ausgerechnet am Tage vor der zweiten Lesung eine Neuverteilung der Mittel auf der geschmälerten Basis vorzunehmen, wobei 80 % der Kürzung dem Bund der vertriebenen Deutschen zur Last gelegt wurden, während andere Organisationen Erhöhungen zugebilligt bekamen.

    (Abg. Niederalt: Das werden wir in der zweiten Lesung behandeln!)

    Die Verbände, die sich mit der Eingliederung befassen, sind unbequem. Sie sind auf Grund ihrer Aufgabenstellung darauf angewiesen, allzuviele Forderungen zu erheben. Es ist daher das Bestreben erkennbar, die Kulturarbeit und die sich mit dieser Arbeit vornehmlich befassenden Organisationen in den Vordergrund zu schieben, allerdings auch da, ohne wirklich Ausreichendes zu tun. Kultur hört sich immer gut an, und man kann schon mit wenigen Mitteln etwas Sichtbares aufstellen, während bei den sozialen Anliegen mit solchen Beträgen natürlich nichts getan ist. Deshalb sind die Landsmannschaften bei der Bundesregierung beliebter und angesehener, und den unbequemen Eingliederungsorganisationen, insbesondere dem Bund der vertriebenen Deutschen wird aus der oben gekennzeichneten Sicht „Das Problem ist gelöst" Zukunft und Existenzberechtigung gleichermaßen abgesprochen.
    Auch von anderer Seite her wird diese stärkste Vertriebenenorganisation als unbequem und gefährlich angesehen, nämlich vom Westdeutschen Flüchtlingskongreß, von der kommunistischen Tarnorganisation auf dem Sektor der Vertriebenen. Dort wird diese Organisation mit allen Mitteln bekämpft — —