Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine beiden Herren Vorredner haben dem Herrn Bundesfinanzminister und seinem Ministerium den Dank dafür ausgesprochen, daß der Haushaltsvoranschlag 1956 so zeitig vorgelegt worden ist. Für meine Freunde und mich selbst kann ich mich diesem Dank nur anschließen.
Lassen Sie mich bitte einen Augenblick bei dem gewaltigen Umfang der Drucksache 1900 und all dessen, was dazu gehört, bleiben. Ich habe den Eindruck, daß der Herr Bundesfinanzminister mit voller Absicht eine besondere Art von dünnem Papier hat wählen lassen, das sich auch schon bei der sogenannten Luxusausgabe des verabschiedeten Haushalts bewährt hat, damit man das Ganze überhaupt noch transportieren kann. Die „Allgemeinen Vorbemerkungen" sind in diesem Jahr zwar nicht dicker als im vorigen Jahr, aber dafür um eine ganz stattliche Anzahl von Seiten länger. Diese Allgemeinen Vorbemerkungen werden sich — das ist wohl mit Sicherheit zu erwarten — immer mehr zu einer durchaus regelmäßigen und sich ständig vervollkommnenden Einrichtung, die zum Bundeshaushalt gehört, entwickeln. Sie sind auch diesmal wieder eine Fundgrube von Material. Man kann sich, ich möchte beinahe sagen, weit über den Bereich des Bundesministeriums der Finanzen hinaus über fast alles, was in Deutschland im öffentlichen Bereich passiert ist, aus den Allgemeinen Vorbemerkungen unterrichten lassen.
Die Fortschritte, die bei den Allgemeinen Vorbemerkungen zu verzeichnen sind, ergeben sich besonders auf dem Gebiete der Bundesbeteiligungen. Da stellen die konsolidierten Bilanzen der großen Bundesunternehmungen eine wirkliche Weiterentwicklung gegenüber dem dar, was uns noch im vorigen Jahr geliefert wurde. Ich kann das hier nur am Rande vermerken; denn über Einzelheiten der Bundesbeteiligungen zu sprechen, ist die erste Beratung des Bundeshaushalts nicht der richtige Ort. Wir haben ja sogar einen besonderen Unterausschuß dieses Hohen Hauses, der sich mit diesen Fragen beschäftigt.
Als eine ausgesprochene Neuheit möchte ich auch den ausdrücklich als Entwurf bezeichneten Funktionenhaushalt besonders erwähnen. Meine Herren Vorredner haben ebenfalls schon davon gesprochen. Mein Eindruck bei der Durchsicht dieses Funktionenhaushalts geht dahin, daß schon durch diese Form der Beweis geliefert ist, daß ein Parlament einen nach Funktionen aufgegliederten Haushalt niemals wird verabschieden können. Wir werden höchst wahrscheinlich bei der institutionellen Aufgliederung des Haushaltsplans bleiben müssen. Das war ja auch der Eindruck der Mitglieder des Hohen Hauses, die im Sommer dieses Jahres in Amerika waren und die nun hier in schöner Gleichmäßigkeit nacheinander das Wort ergreifen; ich bin Numero 3. Wir haben uns drüben davon überzeugt, daß in dem Bundesstaat „Vereinigte Staaten von Amerika" sehr viele Probleme gleicher Art bestehen, daß aber die Form, in der man dieser Probleme Herr werden will, ganz andersartig und auch in den einzelnen Staaten sehr verschiedenartig ist. Aber ich will auch darauf nicht weiter eingehen. Allen Kollegen, die sich für diese Seite interessieren, darf ich die Lektüre unseres leider sehr umfangreich gewordenen Berichts, der vor einigen Monaten verteilt wurde, sehr ans Herz legen.
Auch das Sachverzeichnis — es ist in dieser Form mehr ein technisches Hilfsmittel — ist zu begrüßen. Aber ebenfalls auf unsere amerikanischen Erfahrungen, insbesondere auf eine Bemerkung, die auch in unserem Bericht steht, gestützt, möchte ich folgende Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister und seine Herren richten: bitte viel Information, möglichst konzentriert, aber bitte nicht zuviel Papier! Die Gefahr, daß man einen Bericht wegen seines Umfanges gar nicht erst zu lesen anfängt, ist bei allen Parlamentariern, die in der Weise in Anspruch genommen sind, wie das bei uns der Fall ist, sehr groß. Sie finden in unserem Amerikabericht eine Stelle, an der es heißt, daß auch die amerikanischen Stellen der Exekutive ihren Parlamentariern sehr dicke, sehr klein gedruckte, sehr lange Berichte vorlegen und daß die Berichte vielleicht in dem sicheren Vertrauen so ausgestaltet sind, daß sie dann nicht gelesen werden. Auf diesen Weg wollen wir uns bitte nicht begeben, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch wegen des Gewissens der Abgeordneten, die ja die Verpflichtung fühlen oder fühlen sollten, die ihnen von der Regierung unterbreiteten Schriftstücke zu lesen!
Einige Worte möchte ich dem Haushaltsgesetz widmen, das in dem jetzt vorgelegten Entwurf gegenüber 1955 verhältnismäßig wenig Änderungen aufweist. Mit meinen Herren Vorrednern bedauere ich aufs tiefste, daß der § 6 wiederum die Außerkraftsetzung des § 75 der Reichshaushaltsordnung vorsieht. Das heißt also, daß wir uns wieder einmal mit den Fehlbeträgen der Vorjahre, wie es das Gesetz vorschreibt, nicht befassen sollen. Meine Damen und Herren, wir haben — das hat der Herr Bundesfinanzminister mit Recht gesagt — einen gesunden, einen sicheren Haushalt. Er hat sich auf das Urteil des Bundesrates berufen, der ebenfalls diesen Haushalt als „innerlich gesund" bezeichnet. Ich stehe auf dem Standpunkt: Wenn wir im Zeichen noch weiter steigender Zahlen die Verpflichtung des § 75 nicht erfüllen, dann versäumen wir etwas. Ich will die Frage der Notwendigkeit des Verfahrens, das § 75 vorschreibt, hier
gar nicht untersuchen. Wenn man glaubt, daß man auf die nachträgliche Abdeckung von Fehlbeträgen früherer Haushaltsjahre verzichten kann, bitte, dann soll man das Gesetz ändern, aber nicht sich selbst den bequemen Ausweg schaffen, durch einen kleinen Paragraphen die Anwendung eines Gesetzesparagraphen, der ja nicht zum Scherz in die Reichshaushaltsordnung hineingekommen ist, einfach von Jahr zu Jahr außer Kraft zu setzen. Ich finde, man muß die Vorschriften durchführen. Wenn sie undurchführbar geworden oder wenn sie unpraktisch, unanwendbar geworden sind, dann muß man sie ändern, darf sie aber nicht einfach so beiseite schieben.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede einen sehr kurzen Satz gesprochen, den meine Freunde und ich nur aufs nachdrücklichste bestätigen können: Die Finanzpolitik hat zu dienen. Das beste an diesem Satz ist diese uneingeschränkte Kürze, diese Feststellung: die Finanzpolitik hat zu dienen. Wir haben uns manchmal mit Situationen zu beschäftigen gehabt, in denen wir — Herr Kollege Schoettle hat in anderem Zusammenhang davon gesprochen — uns als Parlament gelegentlich der vom Ministerium gemachten Finanzpolitik glaubten erwehren zu müssen. Das von dem Herrn Bundesfinanzminister erwähnte englische Beispiel, das auf völlig anderen staatsrechtlichen und — wenn man das bei England sagen darf — verfassungsrechtlichen Grundlagen beruht, kommt ja für uns leider, leider nicht in Frage. Ich kann mir nicht vorstellen, daß in den zuständigen Instanzen eine Änderung unseres Grundgesetzes, das den Lauf der Gesetzgebung vorschreibt, irgendwie Aussicht auf Verwirklichung hätte. Also können wir nur mit Wehmut daran denken und sagen: Albion, in dieser Beziehung hast du's besser!
Der Herr Bundesfinanzminister hat den Haushaltsvoranschlag 1956 als einen Haushalt der Sicherheit nach innen und nach außen bezeichnet. Wir sind durchaus bereit, anzuerkennen, daß das angestrebt ist, in weitem Umfange, soweit man das heute überhaupt übersehen kann, erreicht ist und daß es ein im höchsten Grade erstrebenswertes Ziel ist, einen solchen Haushalt der Sicherheit nach innen und nach außen aufzustellen. Eine Bemerkung kann ich mir in diesem Zusammenhang allerdings nicht verkneifen. Die Finanzpolitik hat zu dienen, darüber haben wir eben gesprochen. Die Sicherheit des Haushalts soll dem Ganzen dienen, nicht so sehr dem Finanzministerium. Jedenfalls darf das Sicherheitsgefühl, das durch den Haushaltsplan im Bundesfinanzministerium vielleicht hervorgerufen werden kann, den Steuerzahler nicht unnötig viel kosten.
Angesichts der unerwartet günstigen Entwicklung der Konjunktur leben weiteste Teile unserer Wirtschaft, besonders aber auch die öffentliche Finanzwirtschaft in einem, man möchte beinahe sagen, euphorischen Zustand, von dem wir überzeugt sein müssen, daß er nicht ununterbrochen bis in fernste Zukunft andauern wird.
Das wird nicht immer so bleiben.
Gerade in diesem Zusammenhang spielen die Überlegungen bezüglich der Sicherstellung der in den nächsten Jahren wachsenden Verteidigungsausgaben eine ganz besondere Rolle. Niemand denkt daran, sich den Verpflichtungen, soweit sie auf internationalen Verträgen beruhen, zu entziehen. Wichtig ist auch — das hat uns der Herr Bundesfinanzminister ja gestern versprochen —, daß die zu diesem Zweck für spätere Jahre angesammelten Mittel nicht schockartig auf die Wirtschaft losgelassen werden sollen im Wege plötzlich zu vergebender massierter Aufträge usw. Ein abweichender Vorschlag ist auch nicht gemacht worden, wie man anders, solange wir nicht die beneideten englischen Verhältnisse haben, die Deckung für das Anwachsen der Ausgaben sicherstellen könnte als durch eine gewisse Ansammlung; das häßliche Wort dafür heißt Hortung oder Thesaurierung.
— Es ist — das wollte ich gerade zum Ausdruck bringen — kein anderer Vorschlag gemacht worden. Wenn ich auch durchaus dafür bin, daß man, um mit dem Kollegen Schoettle zu reden, selbstverständlich auch die gute Stube der Verteidigung immer wieder von neuem abstauben muß — das ist ja auch in jedem anderen Zimmer erforderlich —, so bin ich doch der Meinung, daß hier in ganz besonderer Weise, solange kein besserer Vorschlag gemacht wird, auf dem vom Herrn Finanzminister vorgeschlagenen Wege die volle Erfüllung der uns hier erwachsenden Verpflichtungen sichergestellt werden sollte.
Ich habe in der Rede des Herrn Bundesfinanzministers einen Ausdruck gefunden, bei dem mir etwas unbehaglich wurde; der heißt „finanzwirtschaftliche Konjunkturpflege". So wie die Dinge noch lagen, als wir in Berlin zusammen waren, hätte ja dann die Pflege wohl in einer Abschwächung, in einer Abkühlung der damals vermuteten übermäßigen Konjunkturtemperatur bestehen müssen. Das alles hat sich mit der Abnahme der äußeren Temperatur auch in der öffentlichen Diskussion einigermaßen beruhigt. Konjunkturpflege möchte ich aber, soweit etwas Derartiges in einer sozialen Marktwirtschaft überhaupt zu erfolgen hat, lieber in der Gesamtpolitik der Bundesregierung durchgeführt sehen als nur durch das Finanzressort.
Die finanzielle Ordnung ist oberstes Ziel der deutschen Finanzpolitik, hat der Herr Bundesfinanzminister gesagt. Selbstverständlich einverstanden, meine Damen und Herren! Finanzielle Ordnung aus vielen, vielen Gründen! Aber ich darf eine Bemerkung machen. Meine Freunde und ich glauben, daß zur finanziellen Ordnung auch die Vermeidung der Ansammlung zu hoher, nicht notwendiger Barbeträge in öffentlichen Kassen gehört.
Das eigentlich von alters her probateste und ganz gut bewährte Mittel scheint mir darin zu bestehen, daß weniger Steuern erhoben werden; dann kann der Überdruck in den Kassen nicht entstehen.
In einer Aussprache über den Bundeshaushalt muß natürlich auch die Einnahmeseite behandelt werden. Das hat auch der Herr Bundesfinanzminister getan. An den Seitenzahlen der Rede gemessen sind das, was der Herr Bundesfinanzminister zu etwa zu senkenden Steuern gesagt hat, dem Um-
fange nach etwa 10 % gegenüber dem, was er über die Notwendigkeit der Ausgaben gesagt hat.
Meine Freunde halten grundsätzlich ihre in den Anträgen Drucksachen 1762, 1763 und 1764 gestellten Forderungen auf Senkung der nach unserer Meinung auch heute noch übergroßen Steuerlast aufrecht. Ich darf die wichtigsten Forderungen hier noch einmal ganz kurz nennen. Wir fordern eine lineare Senkung des Tarifs der Einkommensteuer um 10 %.
Inzwischen hat die Bank deutscher Länder in ihrem November-Bericht, der heute schon zitiert worden ist, in dem Abschnitt über die öffentlichen Finanzen eine Darstellung gegeben, die nach unserer Überzeugung unserer Forderung in dieser Beziehung eine Stütze gibt, wie sie besser, klassischer und deutlicher gar nicht gegeben werden kann.
Wir fordern auch eine Verbesserung — sie ist uns ja auch in Aussicht gestellt — der Ehegattenbesteuerung.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß die Denkschrift des Bundesfinanzministeriums zu dieser Frage — über die ebenfalls schon gesprochen wurde — unsere Wünsche und Erwartungen nicht erfüllt, insbesondere auch insofern nicht, als wir mit voller Absicht eine Denkschrift der Bundesregierung erbeten hatten, aber eine Ausarbeitung des allerdings vordringlich zuständigen, aber nur eines Ressorts bekommen haben.
— Ah, vielen Dank! Das wußte ich nicht. Ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen, daß es das gibt.
— Ich bin überzeugt; aber es geht eben ein bißchen langsam.
Meine Damen und Herren, wir verzichten in keiner Weise auf Verbrauchsteuersenkung gemäß unserer Drucksache 1762.
— Sie haben sich enthalten, Herr Professor; die Dinge liegen doch etwas anders, als sie vereinfachterweise in der Zeitung stehen.
— Für meine Fraktion habe ich das zu erklären, was ich hier eben gesagt habe.
— Vielen Dank!
Schließlich glauben wir, daß wir an der ebenfalls von uns in der Drucksache 1763 beantragten steuerlichen Begünstigung des Steinkohlenbergbaus festhalten müssen. Daß auf diesem Gebiet etwas Besonderes geschehen muß, halten wir für ein sehr dringendes Erfordernis im Interesse der Versorgung unserer Wirtschaft mit Grundstoffen.
Wir müssen auch fordern, meine Damen und Herren, daß die Konsolidierung des ganzen Finanzwesens nicht ausschließlich bei den Bundesfinanzen selbst erfolgt. Dort ruft die angenehme Kassenlage höchstens besondere Begehrlichkeit hervor.
Wir sollten vielmehr auch bei den einzelnen Einkommensbeziehern und namentlich in den unteren und mittleren Kategorien vorsehen, daß auch dort eine Konsolidierung eintreten kann — um es vulgär auszudrücken: daß sich auch dort ruhig etwas Speck ansammelt —, damit die deutsche Volkswirtschaft im Jahre 1957 oder 1958 in der Lage sein kann, auch größere Beanspruchungen ohne Schwierigkeiten durchzustehen.
Wenn zusätzlich zu diesen Lohn- und Einkommensteuersenkungen noch Verbrauchsteuern, wie die Zucker- und die Zündwarensteuer, gesenkt werden können, wenn auch noch andere Verbrauchsteuern gesenkt werden können — wir haben eben davon gesprochen — und wenn außerdem bei Milch und Kohle die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden können, dann allerdings glauben wir, daß das ein abgerundetes Sofortprogramm auf dem Gebiete der Finanzen und Steuern ist. Dazu müßte aber vielleicht noch — diese Ergänzung möchte ich hier anbringen — die von dem Herrn Bundesfinanzminister selbst in Aussicht gestellte Erörterung der Frage kommen, ob gewisse Umsatzsteuerbelastungen in Fällen der Be- und Verarbeitung in Zukunft wegfallen können.
Ob es richtig ist, beim Notopfer Berlin so vorzugehen, wie es der Herr Bundesfinanzminister in seiner gestrigen Rede in Aussicht gestellt hat, erscheint uns zweifelhaft. Wir glauben, daß die ganze Bevölkerung immer wieder auch in der Form einer finanziellen und im übrigen ja nicht untragbaren Belastung daran erinnert werden sollte, welche Aufgabe die Bundesrepublik in Berlin, für Berlin und damit für ganz Deutschland zu erfüllen hat.
Es ist völlig unmöglich — meinen Herren Vorrednern ist es genauso gegangen —, alle Gesichtspunkte zu behandeln, die der Herr Bundesfinanzminister in seiner gestrigen Rede herausgestellt hat, und es ist auch nicht möglich und nicht vorgesehen, in einer ersten Beratung in irgendeiner Weise auf Einzelprobleme des Haushalts einzugehen. Trotzdem darf ich einige ganz wenige Anmerkungen zu speziellen Fragen machen.
Bezüglich des zukünftigen Schicksals der Bundesbahn sind wir nicht so pessimistisch, wie der Kollege Schoettle das eben geäußert hat.
— Der Meinung sind wir allerdings auch, und es geschieht ja schon eine ganze Menge. Vielleicht muß in der politischen Richtung etwas geschehen. Das muß erneut überlegt werden. Ich glaube aber,
daß man dem Herrn Bundesfinanzminister — und das scheint mir auch im Sinne der Ausführungen des Kollegen Schoettle zu liegen — darin beistimmen muß, daß die Aufwendungen für die Bundesbahn, weil es sich um einen zur Zeit noch bestehenden laufenden Fehlbetrag handelt, von uns auch im ordentlichen Haushalt verkraftet werden müssen und nicht etwa, wie es der Bundesrat sich gedacht hat, in den außerordentlichen Haushalt aufgenommen werden können.
- Es wäre ja überhaupt sehr erwünscht, wenn sich das eines Tages erreichen ließe.
Meine Freunde begrüßen die zusätzlichen Aufwendungen für die ländliche Siedlung. Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern die mich sehr erheiternde Bemerkung gemacht, der Appell an die Länder stehe in den Erläuterungen zu Kap. 10 02 Tit. 531. Ich bin der Meinung, daß es damit natürlich nicht getan ist. Ich habe mir die Erläuterungen zu Tit. 531 angesehen. Da steht: „Die Länder sollen . . .". Ich möchte, um die auch von dem Herrn Bundesfinanzminister ausgesprochene Erwartung und diesen mündlichen Appell zu unterstreichen, meinerseits erklären: Wir erwarten, daß sich die Länder an der Aufbringung der Finanzierungsmittel beteiligen, wie es in den Erläuterungen zu Tit. 531 von Kap. 10 02 steht.
Selbstverständlich beobachten meine Freunde genau so wie die Herren Vertreter der anderen Fraktionen das weitere Anwachsen des Personalbestandes mit Sorge. Die Zahlen, die schon im Nachtragshaushalt 1955 und die ferner im Haushaltsvoranschlag 1956 — ohne Verteidigung — stehen, sind an sich objektiv nicht sehr groß. Aber der Trend geht eben leider immer noch nach oben, und wir müssen dahin kommen, daß es in dieser Beziehung rückwärts geht. Daß natürlich die Gesetzgebung dieses Hauses nicht unschuldig daran ist, daß die Ministerien glauben, die ihnen von uns übertragenen Arbeiten nur mit mehr Menschen erfüllen zu können, wollen wir zwar zugeben, und wir wollen uns auch selber vornehmen, diese Dinge stets im Auge zu behalten.
Ich hatte neulich eine sehr interessante Unterhaltung mit dem Innenminister eines Landes, der sagte: Sie können auch bei uns sehr gut helfen, indem Sie nicht immer die obersten Landesbehörden in ihren Bundesgesetzen als die durchführende Stelle bestimmen. — Eine Sache, die wir uns gelegentlich einmal bei solchen Gesetzen überlegen müssen.
— Die Durchführungsbestimmungen tun dann auch noch ein weiteres dazu.
Nachdrücklich anschließen möchte ich mich dem, was der Kollege Schoettle zur Frage des Luftschutzes gesagt hat. Die Summen, die in diesem Jahr für den zivilen Luftschutz vorgesehen sind, sind — gemessen an der Aufgabe — unendlich bescheiden, und wir brauchen uns bloß der vorgestrigen Diskussion über die Operation der Carte blanche zu entsinnen, um uns noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, welche Gefahren drohen. Ich
möchte — das tue ich seit Jahren — die Dinge so betrachten: Wir alle sind, glaube ich, ohne Ausnahme, der Überzeugung, daß das Letzte geschehen muß, um einen Krieg zu verhindern. Aber wenn nachher ein Krieg, an dem wir vielleicht überhaupt gar nicht einmal selbst beteiligt sind, sondern in dem wir nur Objekt sind, über uns dahinbraust, und es ist in Deutschland zum Schutze der Zivilbevölkerung und auch der wichtigen Anlagen und Arbeitsplätze nichts geschehen, dann wird man sagen: Dafür, daß das passiert ist, seid ihr — das deutsche Parlament und die Regierung — verantwortlich. Wir müssen uns diese Sache sehr ernstlich überlegen, und es ist wirklich die Frage, was wichtiger ist — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich diese beiden nicht miteinander in unmittelbarer Verbindung stehenden Dinge einmal in diese Verbindung setze —: Ist es wohl wichtiger, die gesetzlich zwingend nicht einmal vorgesehene Tilgung der Ausgleichsforderungen in Angriff zu nehmen und auf diesem Gebiet ein Milliardenprogramm durchzuführen — auf Jahre hinaus natürlich, aber der Luftschutz läßt sich auch nicht von heute auf morgen machen —, oder wäre es nicht doch mindestens erwägenswert, daß man die Mittel, die hier der Tilgung der Ausgleichsforderungen dienen sollen, vielleicht dem Schutz der Zivilbevölkerung dienstbar macht?
Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers über den Sozialetat haben uns in eindrucksvoller Weise vor Augen geführt, welche Leistungen unsere gesamte Volkswirtschaft für diesen Zweck erfreulicherweise hat aufbringen können.
Es ist eine Binsenwahrheit, aber ich möchte es doch noch einmal sagen: nur eine ertragreiche Wirtschaft, eine Wirtschaft, die vorwärtsschreitet und Gewinne erzielt, kann Leistungen von dieser gewaltigen Milliardenhöhe aufbringen.
Es .ist infolgedessen alles daran gelegen, daß der Weg, der uns bis zu diesem Maße wirtschaftlicher Aktivität und größeren Ertrages gebracht hat, auch weiter beschritten wird.
Der Einzelplan 14, der Haushalt des Bundesministeriums für Verteidigung, ist vorläufig noch im neuen Bundeshaushaltsplan ein Torso. Wir behandeln zur Zeit im Sicherheitsausschuß und im Haushaltsausschuß in gemeinsamen Sitzungen die Vorschläge, die zu einer beschleunigten Durchführung wenigstens der Anlaufmaßnahmen erforderlich sind. Hier wird sich ein Gesamtüberblick erst gewinnen lassen, wenn die Verwaltung in der Lage gewesen sein wird, uns die Einzelheiten in der Form eines Haushaltsvoranschlages zu unterbreiten. Beruhigend ist an dieser Sache, daß die vorgesehene Gesamtsumme im laufenden Haushaltsjahr unter keinen Umständen wird erhöht werden müssen oder können. Es wird also unbedenklich sein, selbst wenn die Einzelheiten im Augenblick der Verabschiedung des Haushalts 1956 noch nicht vorliegen, die Globalsumme zu beschließen.
Der Herr Bundesfinanzminister und anschließend Herr Kollege Schoettle — ich weiß nicht, ob auch Sie etwas dazu gesagt haben, Herr Vogel; ich bitte um Entschuldigung — sind auf die Frage „Atom"
— ich nenne einfach mal dieses Stichwort — eingegangen. Meine Freunde sind der Meinung, daß dieses Gebiet den nächsten Haushalt und die kommenden Haushalte stark in Anspruch nehmen wird. Die jetzt für die Bundesrepublik mögliche friedliche Nutzung der Kernenergien wird nicht nur dringende gesetzliche Maßnahmen erfordern, sondern auch materielle Bereitstellungen, um den schon sehr großen Vorsprung der anderen Staaten möglichst bald einzuholen. Ich möchte diese Notwendigkeit hier nicht im einzelnen begründen. Das wird sicherlich in Kürze bei der schon lange ausstehenden Aussprache über die diesen Fragenkomplex betreffende Große Anfrage mehrerer Abgeordneter aller Fraktionen ausgiebig geschehen. Dabei handelt es sich aber nicht etwa allein um die in der Öffentlichkeit so lebhaft diskutierte Frage der Planung und Aufstellung eines Atommeilers, sondern ganz allgemein auch um die Förderung der zentralen Forschung und Entwicklung, nicht zuletzt aber um die eigentlich schon überfällige Prüfung und Festlegung aller Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung, zur Überwachung von Wasser und Luft gegen radioaktive Verseuchung und anderes mehr. Hier wird eine gewisse Großzügigkeit in der Bereitstellung von Mitteln wahrscheinlich erforderlich sein. Gerade weil wir nicht in der Lage sein werden, so große Mittel aufzubringen wie beispielsweise die USA, Großbritannien oder sogar Frankreich, werden wir besonders überlegt vorgehen müssen, um den richtigen Einsatz zu sichern. Meine Fraktion wird jedenfalls in ,den Haushaltsberatungen energisch dafür eintreten, daß das Notwendige im Rahmen des Haushalts bereitgestellt wird.
Ein Wort lassen Sie mich zum Wohnungsbau sagen. Wir haben uns Laufe der letzten Jahre daran gewöhnt, 400, 500 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau als eine Selbstverständlichkeit anzusehen. Die Notwendigkeit für diese Aufwendungen besteht nach wie vor. Herr Kollege Schoettle hat sogar vorhin eine Verstärkung dieser Mittel um 200 Millionen gefordert. Man wird sich das überlegen müssen. Eine Verschiebung hat sich insofern ergeben, als nun ,allmählich durch das Fälligwerden einer größeren Anzahl von Bausparprämien, die ja aus den allgemeinen Wohnungsbauförderungsmitteln genommen werden müssen, das eigentliche, offizielle soziale Wohnungsbauprogramm beeinträchtigt wird. Das sollten wir, so wie die Dinge heute liegen, nicht zulassen. Meine Freunde und ich jedenfalls betrachten den Wohnungsbau noch immer als eine Aufgabe allererster Ordnung, als d i e Aufgabe im Bereich der Bundesrepublik. Ich möchte diesen Standpunkt auch von dieser Stelle aus ausdrücklich unterstreichen.
Die Aufrechterhaltung der Kaufkraft unserer Währung, die Sicherheit der intervalutarischen Bewertung unserer Währung hatte der Herr Bundesfinanzminister als eine unserer wichtigsten Aufgaben bezeichnet. Wir können das nur bestätigen und auch das, unterstreichen, was zu diesem Punkt der Kollege Vogel in seinen Ausführungen gesagt hat. Es darf — so muß unsere Politik und insbesondere unsere Ausgabenpolitik beschaffen sein — überhaupt niemals der Gedanke aufkommen, die Währung könnte nicht stabil sein. Wir haben augenblicklich, wie uns der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat, geradezu märchenhaft gute Deckungsverhältnisse des umlaufenden Geldes durch Gold und Devisen. Das wird nicht immer so
bleiben; das gehört auch zu der Euphorie. Aber selbst wenn sich das in irgendeinem Zeitpunkt einmal ändern sollte, — unsere staatliche Ausgabenpolitik kann und darf niemals Anlaß auch nur zu Zweifeln geben an der Sicherheit und der Aufrechterhaltung des Wertes unserer Währung,
Von meinen Herren Vorrednern ist schon verschiedentlich von der allmählich sehr notwendig gewordenen Reform des Haushaltsrechts gesprochen worden. Meine Kollegen Schoettle, Vogel und ich freuen uns sicherlich darüber, daß der Herr Bundesfinanzminister wesentliche Anregungen und Erkenntnisse, die wir in USA gewonnen haben und die in unserem Bericht niedergelegt sind, aufgreift. Auch uns erscheinen die Punkte: Rechnungsjahr gleich Kalenderjahr, Abschaffung des außerordentlichen Haushalts und dafür Einrichtung eines Kapital- oder Investitionshaushalts, Mehrjährigkeit gewisser Ausgabeermächtigungen, Anpassung der Reichshaushaltsordnung an die gegenwärtige staatsrechtliche Lage, Vermögensrechnung, Rechnungsabschluß, Bundesbeteiligungen usw. vordringlich zu sein. Wir freuen uns, wenn nun diese Arbeiten, die schon seit langem laufen, schnell weitergehen. Wir wissen, eine Reform des Haushaltsrechts ist eine unendlich komplizierte und langwierige Aufgabe. Wir glauben aber, daß man den Perfektionismus nicht zu weit treiben und dringliche Abänderungen in einer Art Kleiner Haushaltsrechtsreform lieber vorwegnehmen und gesetzlich verabschieden sollte. In diese Richtung führen ja auch die Ausführungen zu dem Thema auf den Seiten 228 und 229 der Allgemeinen Vorbemerkungen.
In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses des Haushaltsausschusses lassen Sie mich sagen, daß wir im Rechnungsprüfungsausschuß besonders die Hoffnung haben, die Rechnungslegung und die Prüfung durch den Bundesrechnungshof mögen so beschleunigt werden, daß wir in einer nahen Zukunft aus den Erfahrungen und Ergebnissen vergangener Jahre und möglichst nahe zurückliegender Jahre Nutzanwendungen und Kenntnisse für die Behandlung des neuen Haushalts gewinnen können. Denn das ist ja eigentlich der letzte und tiefe Sinn einer Rechnungsprüfung. .
Namens meiner Freunde darf ich das Hohe Haus bitten, den Haushaltsvoranschlag, Drucksache 1900, dem Haushaltsausschuß zu überweisen.