Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einreicher der Großen Anfrage sind von der Sorge erfüllt, daß die Aufträge aus dem Bundesverteidigungsministerium nicht so vergeben werden, wie es den Erfordernissen der gesamten Wirtschaft entspricht. Wir haben Verständnis für die Offenbarung dieser Sorge, und wir halten dafür, daß hier die Wachsamkeit des Parlaments gerechtfertigt ist. Wir sind von ähnlichen Motiven bewegt worden. Nur haben wir nicht den Weg einer Großen Anfrage beschritten; vielmehr nahmen wir bereits im Frühjahr 1955 mit dem Bundeswirtschaftsministerium, das ja für die gesamte Wirtschaftspolitik verantwortlich Ist, und mit dem Bundesverteidigungsministerium Kontakt auf und besprachen mit diesen Stellen in einigen Sitzungen, auf welchem Wege unseren Bedenken Rechnung getragen werden könne. Somit sind wir über den Zweck dieser Großen Anfrage der SPD weit hinausgegangen, und ich glaube sagen zu dürfen, daß wir dabei zweckmäßiger verfahren sind.
Unser Anliegen ging vornehmlich dahin, eine Verteilung der Aufträge in horizontaler und vertikaler Richtung zu sichern. Erstens wollten wir erreichen, daß die mittleren und kleineren Betriebe im Gefüge der Wirtschaft gemäß ihrer Wirtschaftskraft ebenso zum Zuge kommen wie die großen Betriebe. Der zweite Teil unseres Begehrens ging dahin, daß auch auf die regionale Streuung mehr als bisher Bedacht genommen werde. Es geht nach unserer Meinung nicht an, daß die der Zentrale Bonn näher gelegenen Betriebe besser abschneiden als die sowieso schon wirtschaftlich benachteiligten Randgebiete unserer Bundesrepublik.
Was den ersten Teil unseres Anliegens betrifft, so müssen wir immer wieder, bei jeder Gelegenheit, Stellung nehmen gegen das gedankenlose und übelwollende Gerede von der geringen Leistungskraft unserer mittelständischen Wirtschaft, vor allem des Handwerks. Es ist einfach nicht wahr, daß die kleineren Betriebe schlechthin leistungsuntüchtiger sind als die großen.
Das beweist der Beschäftigungsstand dort, das beweisen die Umsatzzahlen, das beweist der wachsende Anteil an der Exportquote, das beweist die jährlich stattfindende Deutsche Handwerksmesse, die in imposanter Weise den hohen Stand des Leistungsvermögens des Handwerks darstellt.
Selbstverständlich müssen bei den mittelständischen Erzeugern andere Maßstäbe angelegt werden, als dies bei der Großwirtschaft notwendig ist. Ich gebe zu, daß es für die auftragvergebenden Stellen bequemer und leichter ist, mit Großlieferanten zu verhandeln und abzuschließen. Es wird eingeräumt, daß der Geschäftsverkehr mit kleineren Firmen mehr Mühe und Umsicht verlangt. Aber die vermehrte Umsicht ist notwendig, wenn die Behörde dem Grundsatz „Gleiches Recht für alle" Geltung verschaffen will.
Darum fordern wir, daß die Dienststellen, die Aufträge vergeben, sich der Mühe unterziehen, zu untersuchen, wo die der Kleinwirtschaft eigentümliche Leistungsfähigkeit liegt, daß beispielsweise die kleineren holzverarbeitenden Betriebe bei Lie-
ferungen von Tischen und Kästen mehr oder ausschließlich berücksichtigt werden, wenn es sich herausstellen sollte, daß sie etwa bei der Lieferung von Stühlen kalkulatorisch unterlegen sind.
Wir fordern von der Behörde eine Äußerung des guten Willens, der sich in einer verstärkten Elastizität ausdrücken müßte. Es ist klar, daß z. B. Schneidermeister, auch wenn sie sich zu Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen haben, mit der Fließbandmethode großer Kleiderfabriken nicht gut Schritt halten können und daß sie unter Umständen bei der Ausschreibung zwangsläufig unterliegen. Bei gutem Willen könnten aber auch — das mag nur als ein Beispiel von vielen Möglichkeiten genannt sein — die kleinen Existenzen gerade dieser Branche zum Zuge kommen. Da läge es auf der Hand, daran zu denken, daß jeder Angehörige der künftigen Wehrmacht für seine Ausgehuniform ein Kleidergeld erhält, um sich, wenn er will und einen kleinen Aufbetrag bezahlt, dann durch den Maßschneider eine pikfeine Uniform nach Maß machen zu lassen.
Bei unseren vorhin erwähnten Besprechungen mit den Ministerien wurden wir des guten Willens versichert. Wir haben das Vertrauen, daß wir nicht enttäuscht werden.
In bezug auf die so notwendige, bis jetzt aber noch im argen liegende regionale Streuung liegt doch die Dringlichkeit der Förderung wirtschaftlich schwacher Gebiete ohne weiteres auf der Hand. So wie jeder Vater das schwächere oder gar kranke unter seinen Kindern bevorzugt stützt, so muß doch auch der Vater Staat den schwächeren Gebieten helfend unter die Arme greifen. Wir haben in Bayern, bedingt durch klimatische Verhältnisse, durch verkehrsungünstige Lagen und insbesondere durch die Eigenschaft als Grenzland und Zonenrandgebiet, Bezirke, in denen die Arbeitslosigkeit im Winter bis zu 30 % ansteigt und im Jahresdurchschnitt nicht unter 18 % sinkt.
— Jawohl, so ist es im Bayerischen Wald und in den Gebieten von Cham, von Deggendorf und Passau, so ist es in der Rhön, im Gebiet von Hammelburg usw. Ich möchte hier nicht nur für meine engere Heimat Bayern reden; nur dort kenne ich die Verhältnisse. Mein Anliegen gilt für alle Gebiete unserer Bundesrepublik, wo noch Not und Arbeitslosigkeit herrschen. Ich kenne die Verhältnisse in einigen dieser Notgebiete, wo das Wort von der überhitzten Konjunktur nur Befremden auslöst. Die kleinen Industriebetriebe und die Handwerker dort warten voll Hoffnung darauf, daß von dem großen Kuchen der Aufträge für das Verteidigungswesen ein bescheidenes Stück für sie abfällt. Was ich von der Notwendigkeit der Elastizität und ihrer Anwendung bei der Berücksichtigung des Mittelstandes sagte, gilt in erhöhtem Maße bei der Förderung dieser wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebiete.
Gestatten Sie mir als Beispiel noch eine kleine Anregung zu diesem Thema! Wenn jetzt umfangreiche Bauvorhaben ausgeführt werden müssen, wäre es doch ein Leichtes, daran zu denken, der notleidenden Steinindustrie im Bayerischen Wald und im Fichtelgebirge, im Spessart und im Odenwald in verstärktem Maße dadurch auf die Beine zu helfen, daß mehr als bisher Granit und Sandstein Verwendung finden. Das kostet nicht mehr als anderes Material, könnte aber die Not in verhältnismäßig großen Gebieten auf längere Dauer schlagartig mildern. Es liegt somit am guten Willen der auftragvergebenden Stellen.
Wir vertrauen also zunächst auf die uns bisher gemachten Zusagen und auf diesen guten Willen. Nach Ablauf einer relativ kurzen Zeit wird sich herausstellen, ob die bisher geltenden Bestimmungen ausreichen, den guten Willen zu praktizieren, oder aber ob es zur Erreichung dieses Zieles notwendig sein wird, daß der Bundestag diese Bestimmungen ändert.