Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle zunächst nur fest, daß Sie hier behaupten, ich hätte eine solche Äußerung getan. Dies bestreite ich entschieden. Ich bitte im Protokoll nachzulesen, was gesagt worden ist.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich mich dem Thema zuwenden. Mit der Drucksache 1862 des Deutschen Bundestages hat die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands eine Große Anfrage betreffend das
Verfahren bei Rüstungsaufträgen an die Bundesregierung gerichtet. Ehe ich die in der Großen Anfrage gestellten Fragen im einzelnen beantworte, gestatten Sie mir einige allgemeine Ausführungen über die Problematik der vom Bundesverteidigungsministerium zu vergebenden Aufträge.
Grundlage für die Bedarfsdeckung der Streitkräfte sind die von den militärischen Abteilungen des Bundesverteidigungsministeriums festzulegenden Anforderungen, die nach Art des Geräts, nach Menge und Zeit unter Beachtung rein militärischer Gesichtspunkte zusammengestellt werden. Diese militärischen Bedarfsanforderungen können nicht ohne weitere Prüfung in Aufträge an die Wirtschaft umgewandelt werden. Diese Aufträge müssen sich in den allgemeinen Wirtschaftsablauf einpassen. Eine eigene, selbständige Rüstungswirtschaft wollen wir nicht wieder erstehen lassen. Alle Aufträge müssen, besonders im Zeichen der derzeitigen Vollbeschäftigung, mit den sonst an die Wirtschaft herantretenden Forderungen in Übereinstimmung gebracht werden. Die Sicherstellung des Bedarfs für die Versorgung und Ausrüstung der Streitkräfte kann also nur auf der Linie der allgemeinen Wirtschaftspolitik erfolgen.
Ich freue mich, daß der Herr Abgeordnete Schmidt soeben gesagt hat, je mehr man die Rüstungsaufträge marktwirtschaftlich ablaufen lassen könne, um so besser sei dies für uns alle. Nun, der Bundesverteidigungsminister hat schon vor Jahren, als weder er noch sonst jemand daran dachte, daß es einen Verteidigungsminister geben werde, zusammen mit dem Herrn Professor Erhard für die Durchsetzung der Grundzüge der marktwirtschaftlichen Ordnung nicht nur hier, sondern schon im Frankfurter Parlament gekämpft.
Die Sicherstellung des Bedarfs für die Versorgung und Ausrüstung der Streitkräfte kann also — so wiederhole ich noch einmal — nur auf der Linie der allgemeinen Wirtschaftspolitik erfolgen. Genauso wie der Verteidigungsminister allein zuständig und verantwortlich für alle Fragen ist, welche die Streitkräfte betreffen, so ist die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Wirtschaft für alle Entscheidungen von wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Bedeutung unbestritten.
Daher sind vor über Jahresfrist mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft Vereinbarungen getroffen worden, die Ihnen, meine Damen und Herren, unter dem Begriff „Leitsätze" bekannt sind. Darin ist festgelegt worden, daß die militärischen Bedarfsanforderungen nur dann in Beschaffungsprogramme und Aufträge an die Wirtschaft umgesetzt werden können, wenn ihre wirtschaftliche Durchführbarkeit vorher von dem zuständigen Ressort geprüft ist. Dies gilt nicht nur für die gewerbliche Wirtschaft, sondern in gleicher Weise für die Ernährungs- und die Bauwirtschaft. Auch darüber liegen Absprachen mit den zuständigen Bundesressorts vor.
Die Durchführung der Beschaffung als solche ist selbstverständlich wie bei allen öffentlichen Auftraggebern eine Angelegenheit des Bedarfsträgers, also in diesem Falle des Bundesverteidigungsministers. Sie wickelt sich nach Spielregeln ab, die für die gesamte öffentliche Hand verbindlich sind, nämlich nach den Vorschriften der Verdingungsordnung für Leistungen. In den Ergänzungen des Bundesministers für Verteidigung zur Verdingungsordnung für Leistungen, die im Bundesanzeiger Nr. 124 vom 1. Juli 1955 veröffentlicht worden sind, ist nochmals besonders hervorgehoben, daß die öffentliche Ausschreibung die Regel bilden soll und daß auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft Abweichungen hiervon bei der Beschaffungsstelle des Bundesverteidigungsministeriums nur im Einvernehmen mit den Beauftragten des Herrn Bundesministers für Wirtschaft zulässig sind.
Ich möchte auch an dieser Stelle schon gleich einschalten: hier mußte also nicht von irgend jemandem Ordnung hineingebracht werden, sondern hier hat der Bundesverteidigungsminister kraft der Vollmacht, die er hat, selber dafür gesorgt, daß diese Verdingungsordnung, wie soeben geschildert, ergänzt wurde.
Dieses Verfahren soll dem Grundsatz eines möglichst umfassenden Wettbewerbs Rechnung tragen und allen an der Erteilung von Aufträgen interessierten Firmen Gelegenheit geben, Angebote abzugeben und bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen Aufträge zu erhalten. Mit diesem Verfahren ist der Herr Minister Erhard, so glaube ich, einverstanden. Bei diesem Verfahren werden auch die berechtigten Interessen des Mittelstandes einschließlich des Handwerks zu berücksichtigen sein.
Der Materialbedarf der künftigen deutschen Streitkräfte setzt sich aus mehreren tausend verschiedenen Endprodukten — um einmal die Spannweite aufzuzeigen: von der Uniformmütze bis zum Flugzeug und von der Feldflasche bis zum Panzer — zusammen, und es gibt, jedenfalls so wie die Dinge im Augenblick und noch für einige Zeit stehen, drei Versorgungsmöglichkeiten, nämlich erstens die materielle Außenhilfe der Vereinigten Staaten, zweitens die deutsche Produktion und schließlich drittens den Kauf im Ausland.
Der Bedarf an schwerem Gerät und schweren Waffen für die Erstausstattung wird in erheblichem Umfang aus der Außenhilfe gedeckt werden. Sie wissen, daß entsprechende Zusagen vorliegen. Diese werden allerdings erst realisiert werden können, wenn das Verteidigungshilfeabkommen mit den Vereinigten Staaten, das gestern von diesem Hohen Hause in zweiter und dritter Lesung verabschiedet worden ist und noch dem Bundesrat zugeleitet werden muß, in Kraft getreten sein wird. Ich hoffe, daß das rechtzeitig erfolgt.
Auf dem Inlandsmarkt wird, jedenfalls für die nächste Zeit, vornehmlich der Bedarf an folgenden Gütern gedeckt werden: Bekleidung und Ausrüstung, Verpflegung, Kraftfahrzeuge und Zubehör, Fernmeldegerät, optisches Gerät, Sanitätsgerät, Pioniergerät, Unterkunftsgerät, ABC-Schutzgerät und demnächst auch schon an leichten Waffen und bestimmten Flugzeugtypen.
Ein großer Teil dieses Bedarfs besteht aus Erzeugnissen, die sich an die derzeitigen technischen Produktionsmöglichkeiten anlehnen. Die Bundesrepublik hat zehn Jahre lang eigentliche Rüstungsgüter und insbesondere schwere Waffen nicht fertigen können. Die Produktion war verboten, die in Frage kommenden Produktionsstätten demontiert. Die Bundesrepublik wird daher bis zur Aufnahme einer eigenen Produktion diese Güter in gewissem Umfang im Ausland kaufen müssen, soweit nicht eine Lieferung aus der Außenhilfe erfolgt.
Über alle hier angesprochenen Fragen steht mein Ministerium in einem laufenden engen Kontakt mit dem Bundeswirtschaftsministerium, und es wird
keine Entscheidung getroffen, die nicht vorher abgestimmt worden wäre.
Nun darf ich mich dem 6000er-Programm zuwenden. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Durchführung des sogenannten 6000er-Programms, also die Aufstellung der im Freiwilligengesetz vorgesehenen und von diesem Hohen Hause bewilligten 6000 Soldaten, in einem bestimmten Zeitraum ablaufen soll. Sie haben dieses Gesetz ja selber terminiert. Während die ursprünglichen Planungen meines Hauses die Aufstellung von Verbänden vorsahen, war dies nach dem von diesem Hohen Hause beschlossenen Freiwilligengesetz nicht mehr möglich. Hieraus ergab sich eine neue personelle Planung, die selbstverständlich ihre Auswirkung auch auf den Materialbedarf haben muß.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einhalten und mich einem Einwand zuwenden, den der Herr Abgeordnete Schmidt hier soeben vorgebracht hat. Er sagt, ich hätte doch seit Jahren gewußt, daß man Uniformen brauche. Ich glaube, der Herr Abgeordnete Schmidt gehört zu dem Kreis von Personen aus diesem Hohen Hause, denen ich mehrfach Uniformen vorgeführt habe, um die Meinung über eine Uniform, wie wir sie entwickeln wollten, zu ergründen. Erst als ich hinreichend sicher zu sein glaubte, daß die von uns entwickelte Uniform Ihren Beifall fände, habe ich dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen können, durch Verordnung diese Uniform zu bestimmen. Ich weiß daher, Herr Schmidt, sehr wohl seit Jahren, daß man Uniformen braucht. Aber Uniformen kann man erst bestellen, wenn der Herr Bundespräsident von seinem Recht, zu bestimmen, wie diese Uniform aussehen soll, Gebrauch gemacht hat; und das ist nicht vor Jahren geschehen, sondern erst, nachdem diese
Vorarbeiten, an denen Sie sich beteiligt haben — ich danke Ihnen dafür —, abgeschlossen waren. Sie sollten daher solche Behauptungen nicht aufstellen.
Meine Damen und Herren! Die hier im Hause anwesenden militärischen Experten werden mir bestätigen, wie schwierig eine solche Planungsumstellung ist. Erst nach Abschluß dieser von der Militärischen Abteilung meines Hauses zu leistenden Arbeit lagen die Angaben vor, welche die Festlegung der im 6000er- Programm benötigten Materialien nach Art, Menge und Zeit ermöglichten. Ich war aus diesen Gründen zu meinem eigenen Bedauern nicht in der Lage, in diesem besonderen Fall die von mir geschilderten marktwirtschaftlichen Grundsätze in dem auch von mir gewünschten Umfang zur Anwendung zu bringen. Die öffentliche Ausschreibung hätte mehr Zeit erfordert, als in diesem besonderen Fall angesichts der für die Durchführung dieses Programms gesetzten Termine zur Verfügung stand. Ich mußte daher von den in der Verdingungsordnung für Leistungen ebenfalls vorgesehenen Vergebungsarten, der beschränkten Ausschreibung und der freihändigen Vergabe, Gebrauch machen.
Wie ernst es mir mit meinem Willen in bezug auf Ausschreibungen ist, mögen Sie daraus ersehen, daß ich für die erste und einzige Garnison, die ich gegenwärtig habe und entwickle, in Andernach, allein für die 800 Brote, die wir in Zukunft in der Stadt Andernach für die Soldaten brauchen werden, nicht zu einer beschränkten oder sonstigen Ausschreibung, sondern zu einer öffentlichen Ausschreibung gegriffen habe, um jedem Bäckermeister und jedem anderen Brotproduzenten die
Möglichkeit zu geben, bei der Vergabe dieser 800 Brote beteiligt zu werden.
Nun darf ich mich präzise den einzelnen Punkten der Anfrage der SPD-Fraktion zuwenden und sie wie folgt beantworten.
Zu 1. Vor jeder Vergabe prüft die beschaffende Stelle nach den bestehenden Bestimmungen, welche Vergabeart als die zweckmäßigste erscheint. Dabei hat die öffentliche Ausschreibung die Regel zu bilden. Beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben finden nur in Abstimmung mit dem Beauftragten des Bundesministers für Wirtschaft am Sitz des Beschaffungsamtes statt. Die Gründe, weshalb von der öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung abgewichen werden muß, werden jeweils aktenkundig gemacht.
Zu 2. Das bei der Beschaffung angewandte Verfahren entspricht den Grundsätzen der Verdingungsordnung für Leistungen und den ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers für Verteidigung vom 25. Juni 1955. Die Ergänzungen des Bundesministers für Verteidigung wurden im Bundesanzeiger Nr. 124 vom 1. Juli 1955 veröffentlicht.
Zu 3. Ein anderes Verfahren wird nicht zur Anwendung gebracht. Der zwischen den Bundesministern für Wirtschaft und für Verteidigung eingerichtete Arbeitsausschuß für verteidigungswirtschaftliche Fragen hat sich mit dem Vergabeverfahren für das 6000er -Programm in seinen Sitzungen am 27. Juli, am 12. September und am 25. Oktober 1955 befaßt.
Zu 4. In den angegebenen Sitzungen bestand bei dem Arbeitsausschuß Übereinstimmung darüber, daß bei dem an sich anerkannten Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung in Anbetracht des geringen Umfanges des Programms bei einzelnen Positionen eine gewisse Durchbrechung des Grundsatzes unvermeidlich sein werde. Immerhin bekannte sich der Ausschuß trotz der angeführten unvermeidlichen Einschränkungen doch dazu, folgendes festzulegen. Die Verbindungsstelle des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Außenabteilung Koblenz des Bundesverteidigungsministeriums sollte feststellen, in welchen Fällen eine öffentliche Ausschreibung möglich ist. Das Ergebnis dieser Feststellung war ein Vorschlag der Verbindungsstelle des Bundeswirtschaftsministeriums, einen großen Teil der einzelnen Positionen dieses Beschaffungsprogramms öffentlich, einen weiteren Teil beschränkt auszuschreiben und den Rest freihändig zu vergeben. Im Oktober dieses Jahres ergaben aber die Aufstellungstermine und Pläne die Notwendigkeit, das vorgesehene Beschaffungsprogramm zu ändern und mit verkürzten Fristen durchzuführen, was eine weitere Durchbrechung des Grundsatzes der öffentlichen Ausschreibung bedeutete. In Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände, die diese Abweichung erforderlich machten, trat ich persönlich und unmittelbar an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft heran und wies ihn darauf hin, daß mir nach Lage der Dinge nur freihändige Vergebungen möglich erschienen, wie sie auch die Verdingungsordnung für Leistungen bei besonderer Dringlichkeit vorsieht. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft machte seine Zustimmung davon abhängig, daß am Grundsatz der öffentlichen Ausschreibungen festgehalten werde. Deshalb müsse nochmals eine Prüfung aller Positionen auf die Möglichkeit der öffentlichen Ausschreibungen stattfinden.
Da sich die jeweiligen Stellungnahmen des Sechser-Ausschusses im Rahmen der Verdingungsordnung für Leistungen und der ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers für Verteidigung gehalten haben und andererseits Meinungsverschiedenheiten über das anzuwendende Verfahren nicht aufgetreten sind, lag keine Veranlassung vor, gemäß Ziffer 5 der zwischen dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Verteidigungsressort vereinbarten Leitsätze den Kabinettsausschuß anzuruf en.
Zu 5. Die Leitsätze werden nach wie vor für verbindlich gehalten.
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen ja nun leicht die Bundesausschreibungsblätter vorzeigen, und Sie werden auch Gelegenheit haben, sie zu lesen. Sie werden sehen, daß es ganze Blätter voll Ausschreibungen sind, die der Bundesminister für Verteidigung hier hat bekanntmachen lassen. Der Bundesminister für Verteidigung wird immer, gerade weil er — und das sagt er von sich mit einem gewissen Stolz — mit einer der Vorkämpfer der Wirtschaftspolitik ist, die in Deutschland schließlich zu der derzeitigen Vollbeschäftigung und einer Wirtschaft geführt hat, die in der Lage ist, unser Volk zu ernähren, die Prinzipien der Marktwirtschaft unterstützen. Er bekennt sich daher zu den Prinzipien des freien Wettbewerbs und damit in diesem Falle zu den Prinzipien der öffentlichen Ausschreibung.
Soweit er in diesem Einzelfall davon abgewichen ist, hat er sich streng im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gehalten, und er wird das auch in Zukunft tun. Es wird zwischen ihm und dem Bundeswirtschaftsminister und dem eben noch als „Wächter" zitierten Bundesfinanzminister keine Differenzen geben; denn der Bundesverteidigungsminister hat nur ein Interesse — und das werden Sie vielleicht verstehen —, nämlich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ein Höchstmaß an Verteidigungseffizienz zu erzielen, d. h. aufs Wirtschaftliche übertragen: für wenig Geld soviel wie möglich einkaufen zu können.