Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ehe ich zu der Beantwortung dieser Großen Anfrage übergehe, möchte ich einige Bemerkungen im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Kollegen Kühn machen. Wenn die SPD-Fraktion Wert auf eine Klärung der
ganzen Sache gelegt hätte, hätte sie mir nur einen Brief zu schreiben brauchen, und sie hätte diese ganzen Ausführungen bekommen, die jetzt leider nach Monaten hier im Parlament vor einer großen Öffentlichkeit verhandelt werden.
— Ja nun, ich kann doch nicht schreiben, ohne daß Sie fragen!
Herr Kollege Kühn hat einige Bemerkungen gemacht, die ich auch nicht unwidersprochen lassen möchte. Er hat davon gesprochen, daß Herr Geilinger — der frühere Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung" in Bonn — regierungsseitig wegbefördert worden sei. Ich habe den Herrn Dr. Müller von der „Neuen Zürcher Zeitung" in diesem Sommer, als ich in Murren war, gefragt, warum eigentlich Herr Geilinger versetzt worden sei.
— Ja, wenn Sie mir einen Mann nennen, der so klug ist, daß er alle Fragen beantworten kann, werde ich ihn in Zukunft allein fragen.
Herr Müller hat mir gesagt, es sei völlig unrichtig
— es waren nämlich derartige Nachrichten durch die Presse gegangen —, daß Herr Geilinger auf irgendeinen Druck hin versetzt worden sei. Herr Geilinger sei in dem in der Redaktion der „Neuen Zürcher Zeitung" üblichen Turnus versetzt worden.
Dann hat Herr Kühn gesagt, daß die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", nachdem jetzt Herr Sethe weg sei — ich glaube, er hat sich so ausgedrückt —, ganz oder nahezu ein Regierungsblatt sei. — Nun, verehrter Herr Kühn, ob mit oder ohne Sethe, es ist kein Regierungsblatt. Ich bedaure es; aber sie ist es nicht.
— Erkundigen Sie sich einmal bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung danach!
Und nun, meine Damen und Herren, muß ich doch meinen alten Kollegen Hellwege in Schutz nehmen. Ich glaube, es ist von Herrn Kühn gesagt worden, als wenn Herr Hellwege durch mich Ministerpräsident geworden sei.
— Achten Sie doch bitte das föderative Prinzip, meine Herren!
Endlich hat Herr Kühn gesprochen von meinem „Stabschef" Roegele und gleichzeitig von meinem „Stabschef" Globke. Herrn Globke akzeptiere ich als Stabschef,
Herrn Roegele bedauere ich, nicht akzeptieren zu können.
— Es ist ein tüchtiger Mann,
zweifellos; aber man kann nur einen Stabschef haben.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Anfrage selbst übergehen. Der Sachverhalt ist folgender. In der Ausgabe des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" vom 9. Juli 1952 wurden in einem Artikel mit der Überschrift „Am Telefon vorsichtig" mir, dem jetzigen Botschafter Blankenhorn und dem jetzigen Generalkonsul Dr. Reifferscheidt Vorwürfe gemacht, die den Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung mit der Qualifikation des § 187 a des Strafgesetzbuchs erfüllen. Die Beleidigten haben gegen den Gewährsmann des Spiegels, Schmeißer, den Verfasser des Berichtes, gegen den verantwortlichen Herausgeber des Spiegels, Herrn Augstein, und gegen den in der Sache eine erhebliche, wenn nicht die bedeutendste Rolle spielenden Herrn Ziebell Strafantrag gestellt. Erst am 18. April 1953 wurde gegen Schmeißer, Mans, Jaene, Augstein und Ziebell Anklage erhoben. Dann wurde Hauptverhandlungstermin auf den 23. Oktober 1953 anberaumt. Er mußte abgesetzt werden, weil auf Beschwerde der Angeklagten Schmeißer, Mans, Jaene und Augstein die gerichtliche Voruntersuchung eröffnet wurde. Diese Voruntersuchung führte zu meinem Bedauern dazu, daß es erst nach mehr als drei Jahren am 26. September 1955 zur Hauptverhandlung kam.
Dann kam noch folgendes. Die interessanteste Persönlichkeit in der ganzen Sache ist der Herr Ziebell. Der Verteidiger des Herrn Ziebell hat bei Beginn der Hauptverhandlung Einspruch dagegen erhoben, daß gegen seinen Mandanten verhandelt werde, weil bei der Zustellung der Anklageschrift an Ziebell ein Versehen unterlaufen sei. Das Gericht hat diesem Antrag stattgeben müssen, so daß das Verfahren gegen Ziebell, der mich wenigstens am meisten interessierte und auch in Zukunft noch interessieren wird, abgetrennt werden mußte.
Ich darf hier folgendes sagen. Ich will niemandem im Justizwesen zu nahe treten. Aber wenn ich Ihnen die Termine hier vortrage, dann erinnere ich mich lebhaft an eine Unterhaltung, die ich mit dem verstorbenen Minister Severing einmal gehabt habe, der mir gesagt hat, er könne aus seiner langen Erfahrung sagen, man solle niemals Strafantrag wegen Beleidigung steilen, weil eine solche Sache erst nach Jahr und Tag überhaupt zur Hauptverhandlung komme.
Nachdem nun am ersten Tage der Hauptverhandlung mit der Vernehmung des Angeklagten Schmeißer in Hannover begonnen worden war, ließ dieser am zweiten Verhandlungstag durch seinen Verteidiger erklären, er habe nicht in beleidigender Absicht gehandelt. Soweit in seinen Aussagen ein Vorwurf ehrenrührigen oder pflichtwidrigen Verhaltens enthalten sei, halte er diesen nicht aufrecht.
Daraufhin erklärte der Verteidiger der Angeklagten Mans, Jaene und Augstein, daß diese den Vorwurf pflichtwidrigen oder ehrenrührigen Verhaltens nicht erhöben. Ferner gab der Verteidiger des Angeklagten Schmeißer zu Protokoll, Schmeißer sei bereit, die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten Jaene, Mans und Augstein zu übernehmen.
Auf Grund dieser Erklärung nahm der Anwalt der Nebenkläger Blankenhorn und Reifferscheidt in deren Namen sowie mit meinem Einverständnis die Strafanträge gegen die Angeklagten Schmeißer, Mans, Jaene und Augstein zurück. Da mein Strafantrag durchaus begründet war, machte ich die Zurücknahme des Strafantrags davon abhängig, daß die Gegenseite die Kosten des Verfahrens übernehme.
Nach gerichtlicher Erörterung der Kostenfrage wurde das Verfahren gegen die eben genannten Angeklagten eingestellt. Dem Angeklagten Schmeißer wurden die Kosten einschließlich der ihm selbst und der den Mitangeklagten Mans, Jaene und Augstein erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt.
Gegen dieses Urteil hat der Staatsanwalt Revision wegen der Kostenfrage eingelegt. Meine Damen und Herren, ich habe den Wunsch ausgedrückt, diese Revision möge durchgeführt werden, so daß wir eventuell, wenn Herr Schmeißer nicht in der Lage ist, die Kosten zu zahlen, das Vergnügen haben, ihn noch einmal vor Gericht zu sehen.
— Doch, doch!
Meine Damen und Herren, den Gegenstand des Verfahrens darf ich Ihnen am besten mit den Worten der Anklageschrift schildern.
1. Blankenhorn, Reifferscheidt und ich seien in den Jahren 1948 und 1949 Mitarbeiter eines französischen Agentennetzes gewesen.
2. Blankenhorn habe im Einvernehmen mit mir einen französischen Agenten mit geheimstem Nachrichtenmaterial versehen, ihn mit dem Inhalt des Speidel-Plans über die Verteidigung Westdeutschlands bekanntgemacht und hierfür Zuwendungen von Geld und Lebensmitteln erhalten.
3. Blankenhorn habe versucht, im Jahre 1949 für den Wahlkampf der CDU über den französischen Nachrichtendienst erhebliche Geldbeträge zu erhalten.
— Ja, hören Sie mal weiter!
4. Blankenhorn und ich hätten ein Angebot des französischen Nachrichtendienstes angenommen, als Gegenleistung für unsere Dienste im Falle eines russischen Einmarsches mit unseren Familien nach Spanien in Sicherheit gebracht zu werden.
5. Dr. Reifferscheidt habe die Abtrennung des linken Rheinufers von Deutschland betrieben, für diese Zwecke Flugschriften drucken lassen und einem französischen Agenten eine Liste einflußreicher westdeutscher Persönlichkeiten überreicht, die gleichfalls die Loslösung des Rheinlandes erstrebten.
Zu diesen verleumderischen Behauptungen Schmeißers erkläre ich Ihnen folgendes.
Zu 1. Blankenhorn, Reifferscheidt und ich waren niemals Mitarbeiter eines französischen Agentennetzes. Ich war seit 1946 Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Union der britischen Zone und 1948 Vorsitzender des Parlamentarischen Rates. Blankenhorn war Generalsekretär des Zonenausschusses der CDU und Dr. Reifferscheidt eine Zeitlang nebenamtlich Wirtschaftsreferent im Zonenausschuß der CDU, später Syndikus der deutschbelgisch-luxemburgischen Handelskammer. In dieser Zeit wurden wir ebenso wie die Vertreter der anderen politischen Parteien von Beauftragten der Militärregierung und der Besatzungsmächte laufend aufgesucht. Die Herren unter uns, die damals in Hannover gewohnt haben, werden sicher wissen, wie häufig dort Vertreter der britischen Besatzungsmacht bei der sozialdemokratischen Parteileitung vorgesprochen haben.
Ich mache daraus keinen Vorwurf, meine Herren. Die Vertreter der politischen Parteien und die Behörden waren gemäß Kontrollratsproklamation Nr. 2 verpflichtet, diesen Beauftragten die von ihnen gewünschten Auskünfte zu erteilen. So hat auch Schmeißer, und zwar unter dem Decknamen Levacher, als Beauftragter des französischen Nachrichtendienstes das Büro des Zonenausschusses der CDU der britischen Zone aufgesucht und mit deren Generalsekretär Blankenhorn gesprochen. Herr Blankenhorn hat mir davon Mitteilung gemacht und hat mich gebeten, ich möchte Levacher auch einmal empfangen. Daraufhin habe ich Levacher im Generalsekretariat der CDU in Köln-Marienburg kurz empfangen. Dabei wurden nur unwichtige Dinge behandelt. Sonst habe ich mit dem Manne nie gesprochen. Weder ich noch Blanken-horn noch Reifferscheidt sind — ich wiederhole das — Mitarbeiter eines fremden Agentennetzes gewesen.
Zweitens. Ebenso unzutreffend ist es, daß ich Blankenhorn das Einverständnis erteilt hätte, einen französischen Agenten mit geheimstem Nachrichtenmaterial zu versehen. Der angebliche Speidelplan, von dem Schmeißer spricht, existierte überhaupt nicht. In Wirklichkeit lag folgendes vor. Herr Speidel, damals Zivilist, war bei einem Bekannten in Bonn zu Besuch. Dort habe ich ihn getroffen. Es war damals eine sehr unruhige Zeit, und es wurde davon gesprochen, ob eventuell die Russen durchbrechen könnten und würden. Herr Speidel hat damals gesagt, daß die amerikanischen, die britischen und die französischen Truppen zu schwach seien, um einen solchen Durchbruchsversuch zu verhindern. Ich habe dann Herrn Blankenhorn beauftragt, diese Ansicht des Herrn Speidel den Stäben der drei Besatzungsmächte, die damals beim Parlamentarischen Rat bestanden, und auch über die Verbindung mit dem französischen Nachrichtendienst dem französischen Ministerpräsidium — dieser Nachrichtendienst unterstand dem französischen Ministerpräsidium — mitzuteilen. Geheimste militärische Dinge in dem Sinn, wie man heutzutage vielleicht davon sprechen kann, gab es ja damals überhaupt nicht bei uns in Deutschland.
Nun, meine Damen und Herren, hat Schmeißer die Behauptung aufgestellt, daß er Herrn Blankenhorn Lebensmittel und Geld gegeben habe. Dazu erkläre ich Ihnen folgendes. Herr Blankenhorn hat Herrn Schmeißer, wie das damals üblich und zwangsläufig war, bewirtet, und dafür hat sich
Schmeißer revanchiert, indem er Blankenhorn Kleinigkeiten, Schokolade, Kaffee und auch einmal, soviel ich weiß, eine Flasche Kognak, überbracht hat.
Ich weiß nicht, ob wir uns über diese Frage noch weiter unterhalten sollen.
Dann hat Schmeißer behauptet, daß er Herrn Blankenhorn monatlich Geld gegeben habe. Meine Damen und Herren, er hat Herrn Blankenhorn kein Geld gegeben. Der Tatbestand ist hier der folgende. Im Industriegebiet bestand eine Stelle zum Kampf gegen den Kommunismus. Schmeißer hat Herrn Blankenhorn zwecks Weitergabe an diese Stelle insgesamt etwa 1600 DM gegeben, um dafür von dieser Stelle Material über den Kommunismus im Industriegebiet zu erhalten. Dieses Material ist von dieser Stelle über Blankenhorn dem Schmeißer übergeben worden. Völlig aus der Luft gegriffen ist die Behauptung, es sei versucht worden, im Jahre 1949 für den Wahlkampf der CDU über den französischen Nachrichtendienst erhebliche Geldbeträge — man nennt sogar eine Summe von 800 000 DM — zu erhalten.
Eine grobe Unwahrheit ist es ebenfalls, Blankenhorn und ich hätten Angebote des französischen Nachrichtendienstes angenommen, im Falle eines russischen Einmarsches in Sicherheit gebracht zu werden. Der französische Nachrichtendienst hat mir und Blankenhorn niemals ein solches Angebot gemacht.
Die Behauptung, Reifferscheidt habe die Abtrennung des linken Rheinufers von Deutschland betrieben, entbehrt jeder Grundlage. Weder sind Flugschriften gedruckt worden noch haben französische Agenten Listen westdeutscher Persönlichkeiten erhalten, die angeblich die Loslösung des Rheinlandes erstrebten.
Nun, meine Damen und Herren, muß ich Ihnen aber etwas sagen über die Persönlichkeiten, mit denen wir es zu tun haben, die wir damals aber noch nicht kannten. Herr Schmeißer kam, wie ich eben schon sagte, unter dem Namen Levacher und stellte sich als Franzose vor. Schmeißer hatte etwas Medizin und Jura studiert und war Anfang 1946 auf Grund der Behauptung, Widerstandskämpfer gewesen zu sein, als Referent mit der Bezeichnung „Regierungsrat" in der Rechtsabteilung des bayerischen Entnazifizierungsministeriums angestellt worden.
Sein dortiger Abteilungsleiter war der jetzige Mitangeklagte Ziebell. Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen mußte Schmeißer Ende 1946 seine Stellung in dem bayerischen Ministerium aufgeben. Obwohl er während seiner Münchner Zeit Ziebell bespitzelt hatte, kam er Anfang 1947 durch Hilfe Ziebells in das hessische Landwirtschaftsministerium,
wo er jedoch auch nur einige Monate blieb. Nach einer kurzen Gastrolle als Anwaltsassessor war er seit August 1947 für den französischen Nachrichtendienst tätig. Da der französische Nachrichtendienst im Laufe der Zeit selbst erhebliche Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit bekam, mußte Schmeißer im Herbst 1951 auch diese Stellung als französischer Nachrichtenagent aufgeben. Er bewarb sich nunmehr über Ziebell um eine Beschäftigung beim hessischen Verfassungsschutzamt. Dabei glaubte er offenbar, durch sensationell aufgebauschte oder frei erfundene Behauptungen die Eignung für seine neue Stellung beweisen zu können. Die Fassung seiner in einem Bericht — der bei den Gerichtsakten ist — vom 22. November 1951 schriftlich niedergelegten Angaben wurde von Ziebell — ich drücke mich sehr vorsichtig aus — stark beeinflußt. Unter Mißbrauch der Dienstbeziehungen zwischen dem Verfassungsschutzamt und dem Polizeipräsidium gab Ziebell überdies diesem Bericht den Anschein eines amtlichen Protokolls. Ich darf davon absehen, im einzelnen auf die Entstehung dieses Protokolls und seine weitere Behandlung durch das hessische Verfassungsschutzamt einzugehen, weil diese Frage noch in dem Strafverfahren gegen Ziebell, das ja noch aussteht und das durchgeführt werden wird, eine Rolle spielen wird. Der Beweggrund dafür, daß Ziebell die Angaben Schmeißers ohne sachliche Nachprüfung übernahm, dürfte seine Hoffnung gewesen sein, durch Auswertung des Schmeißer-Berichts seine eigene Position festigen und ausbauen zu können.
Ziebell war nämlich ebenso wie Schmeißer in seiner beruflichen Laufbahn gescheitert. Nach kurzer Tätigkeit als Gerichtsassessor und Rechtsberater der Deutschen Arbeitsfront hat er sich im Oktober 1936 als Rechtsanwalt beim Kammergericht niedergelassen. Im Jahre 1940 war Ziebell aus der Anwaltschaft ausgeschieden, weil er auf Anzeige einiger deutscher Juden, die er als Rechtsanwalt vertreten hatte, zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und gegen ihn ein ehrengerichtliches Verfahren auf Ausschluß aus der Anwaltschaft eingeleitet worden war. Mit der unwahren Behauptung, Verfolgter des Faschismus zu sein, war es trotzdem Ziebell gelungen, im Januar 1946 Abteilungsleiter im bayerischen Entnazifizierungsministerium zu werden.
Er war jedoch nur Angestellter, der sich lediglich für die Dauer seines Angestelltenverhältnisses Ministerialrat nennen durfte. Nachdem er im Dezember 1946 auf Grund gegen ihn erhobener Vorwürfe aus dem Dienst des Entnazifizierungsministeriums ausgeschieden war, beschäftigte er sich im Saargebiet und in Frankreich als französischer Nachrichtenagent. Ein Strafverfahren wegen Konkursverbrechens veranlaßte ihn im Jahre 1950, das Saargebiet zu verlassen, und von diesem Zeitpunkt ab arbeitete t r für das Hessische Verfassungsschutzamt.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich zu der Beantwortung der Fragen im einzelnen kommen.
Ich hatte am 27. September dieses Jahres in meinem Arbeitszimmer eine Besprechung, als ich aus Hannover aus dem Gerichtsgebäude angerufen wurde und mir zu meiner Überraschung gesagt wurde, daß Schmeißer und die Herausgeber und Redakteure des „Spiegel" die Ihnen bereits genannten Erklärungen abgegeben hätten. Ich wurde gefragt, ob ich bereit sei, meinen Strafantrag gegen die Genannten zurückzuziehen. Ich habe — das erkläre ich ganz offen — dagegen große Bedenken gehabt; denn meiner innersten Natur war es zu-
wider, daß wir, nachdem wir mal den Schmeißer wenigstens da hatten, darauf verzichten sollten, nun diese ganze Sache durchzufechten. Aber, meine Damen und Herren, Ziebell stand ja noch im Hintergrund; es war mir gesagt worden, daß das Verfahren gegen ihn abgetrennt sei. Ziebell ist — ich habe ihn nie gesehen in meinem Leben —, wenn ich so die ganze Lebensgeschichte der beiden Leute miteinander vergleiche, die unstreitig interessantere Persönlichkeit.
Bei meinen Erwägungen, ob ich den Strafantrag zurückziehen wolle, habe ich natürlich auch daran gedacht, daß, wenn jetzt drei Wochen lang — so lange war die Verhandlung vom Gericht angesetzt — die Sache Schmeißer verhandelt werde, das Beste von der Sache genommen sei, wenn man später auf Ziebell kommen würde, und daß man unmöglich dann noch einmal weitere drei Wochen Interesse in der deutschen Öffentlichkeit für diesen Herrn Ziebell haben werde.
Ich habe dann meinen Anwalt, Herrn Professor Dahs, weil ich gewisse Hemmungen hatte, wegen meiner Zustimmung telephonisch befragt. Herr Dahs hat mir auch angeraten zuzustimmen; es sei hier das richtige, weil es sich um die Schmeißer, „Spiegel" usw. handle, die ja diese bekannte Erklärung abgegeben hätten.
Schmeißer selbst, meine Damen und Herren, war und bleibt für mich völlig uninteressant. Die Herausgeber und Redakteure des „Spiegel" — das muß ich zugeben, obgleich ich gerade kein großer Freund des „Spiegel" bin —
waren nach unseren Informationen von Schmeißer und Ziebell getäuscht worden. Im übrigen — ich darf das nochmals betonen — scheint mir auch jetzt der eigentliche Hauptverantwortliche Ziebell zu sein, gegen den das Verfahren weiterläuft. Die notwendigen gerichtlichen Feststellungen werden in diesem Verfahren noch erfolgen.
Zur Frage 2. Vergleichsverhandlungen mit Schmeißer haben nicht stattgefunden. Vielmehr ist der Verteidiger Schmeißers während der Hauptverhandlung von sich aus, und zwar erstmalig am 26. September 1955, an den Vertreter der Nebenkläger Blankenhorn und Reifferscheidt herangetreten und hat die Erklärung angeboten, Schmeißer wolle von seinen früheren Anschuldigungen abrücken, dies öffentlich erklären und die Kosten des Verfahrens tragen.
Zur Frage 3. Daß die Erklärung Schmeißers, er habe nicht in beleidigender Absicht gehandelt, allein gegenüber einer Anklage wegen übler Nachrede und Verleumdung nicht ausreicht, ist auch mir klar, meine Damen und Herren. Aber bitte hören Sie auch den zweiten Satz seiner Erklärung. Er lautet wie folgt:
Soweit in meinen Aussagen ein Vorwurf ehrenrührigen oder pflichtwidrigen Verhaltens gegen die Genannten enthalten ist, halte ich diesen nicht aufrecht.
Mit dieser Erklärung ist Schmeißer deutlich von seinen früheren Behauptungen abgerückt. In der Substanz sind seine Äußerungen hinfällig geworden. Für mich bestand gar kein Zweifel daran: aus der Erklärung Schmeißers in Verbindung mit dem Ergebnis der gerichtlichen Voruntersuchung und der Kostenübernahme durch Schmeißer war die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Unrichtigkeit
der in Frage kommenden tatsächlichen Behauptungen zugegeben wurde. Ich hielt es ferner für nicht erforderlich, daß die Erklärungen des Herausgebers und der Mitarbeiter des „Spiegels" ausdrücklich die Anklagepunkte wiederholten oder auf die Anklage Bezug nahmen, weil sie sich nach dem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Verfahren nur auf die den Gegenstand der Anklage bildenden Behauptungen ehrenrührigen oder pflichtwidrigen Verhaltens erstrecken konnten.
Zur Frage 4 verweise ich auf meine bisherigen Ausführungen. Ich möchte hier nur wiederholen, daß eine gerichtliche Feststellung der Unrichtigkeit der diskriminierenden Behauptungen in dem Verfahren gegen Ziebell erfolgen dürfte.
Zur Frage 5. Vereinbarungen über die Prozeßkosten sind nicht abgeschlossen worden. Vielmehr hat sich Schmeißer von sich aus zur Übernahme bereit erklärt. Damit ist er auch verpflichtet, die mir und den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen einschließlich der Anwaltskosten, über die eine Abrechnung noch nicht vorliegt, zu erstatten. Die Frage, wer diese Kosten wirklich trägt, läßt sich abschließend erst beantworten, wenn über die Revision der Staatsanwaltschaft entschieden ist. In keinem Falle werden die Schmeißer auferlegten Kosten von den Nebenklägern oder von mir ersetzt werden. Meine Zustimmung zur Zurücknahme des Strafantrags ist, wie ausdrücklich in das Gerichtsprotokoll aufgenommen worden ist, nur für den Fall erteilt worden, daß mir und den Nebenklägern keine Kosten zur Last fallen. Die Auslagen der Zeugen sind in diesem Verfahren, wie auch sonst, Teile der Gerichtskosten. Sie sind nicht aus sonstigen öffentlichen Mitteln bestritten worden. Die als Zeugen geladenen Herren Blankenhorn, Reifferscheidt und Strohm haben keine Dienstreisen nach Hannover genehmigt erhalten.
Zur Frage 6. Einer Verpflichtung des „Spiegel", den Vertrieb der beschlagnahmten Ausgabe vom 9. Juli 1952 zu unterlassen, bedurfte es nicht, weil dies zu einem neuen Verfahren geführt hätte. Der „Spiegel" hat die beschlagnahmte Auflage auch keineswegs neu vertrieben.
Ich darf zusammenfassen.
Ein Herr Levacher war uns vor Begründung der Bundesrepublik Deutschland als Vertreter einer Besatzungsmacht gegenübergetreten. Ihm haben wir entsprechend den damals geltenden besatzungsrechtlichen Bestimmungen Auskünfte gegeben. Sie alle, meine Damen und Herren, soweit Sie damals im politischen Leben tätig waren, haben sich ebenfalls mit Vertretern der Besatzungsmächte unterhalten, ihnen Auskünfte gegeben, und können daher diese Dinge beurteilen.
Nachdem sich die Angeklagten mit Ausnahme des mitangeklagten Ziebell von ihren Behauptungen distanziert hatten, waren wir in der Lage, die Strafanträge zurückzuziehen. Die Dauer des Gerichtsverfahrens lag nicht in unserer Hand. Der Zeitpunkt, an dem wir die Strafanträge zurückzogen, war dadurch bestimmt, daß die Angeklagten ihre Erklärungen erst am zweiten Tage der Hauptverhandlung abgaben.
Ich darf wiederholen, meine Damen und Herren, daß diejenigen, die eine gerichtliche Feststellung und Aufklärung noch wünschen, eine solche in dem Verfahren gegen Ziebell erhalten werden.