Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, annehmen zu können, daß das Lichtzeichen, das soeben versehentlich gegeben wurde, wohl ein Zeitzeichen aus der Sorge um unsere heutige Tagesordnung gewesen sein könnte. Ich darf mich daher nach den bisherigen ausführlichen Vorlesungen für die Fraktion der Freien Demokraten auf eine kurze freie Rede beschränken.
Wir begrüßen die Anfrage der Fraktion der SPD über die Dienstgruppen, weil wir glauben, auf diese Weise auch vom Parlament aus einen gewissen Druck auf die bisher leider verschleppten Tarifverhandlungen ausüben zu können. Wir stehen auf der gleichen Basis wie die bisherigen Sprecher. Wir unterstellen, daß das ganze Haus gewillt ist, sich des Schicksals der 50 000 Dienstgruppenangehörigen anzunehmen, und "daß es in dieser Frage keine Unterschiede gibt.
Ich unterstreiche das, was der Kollege Eschmann in seiner Begründung hier dargelegt hat, daß sich viele der Dienstgruppenangehörigen nach 1945 Verdienste um die Verständigung mit den Siegermächten erworben haben. Viele von ihnen konnten nicht mehr nach ihrer mitteldeutschen oder ostdeutschen Heimat zurück und waren gewissermaßen darauf angewiesen, das am Anfang in der deutschen Bevölkerung keineswegs angesehene Amt eines Dienstgruppenangehörigen anzutreten. 70 % der Dienstgruppenangehörigen sind Heimatvertriebene. Wir sollten aber nicht nur die materiellen Werte anerkennen, die diese Menschen in der Verwaltung von Gerät, in der Ersparnis von Besatzungskosten ihrem Volk zugute kommen ließen. Wir sollten auch die ideellen Werte anerkennen, die darin liegen, daß die Dienstgruppenangehörigen die ersten waren, mit denen die Siegermächte zusammenarbeiten mußten. Das hat viel dazu beigetragen, Brücken von Mensch zu Mensch zu schlagen und die Kollektivurteile der Vergangenheit über Deutschland zu revidieren.
Es darf auch nicht vergessen werden — auch das darf ich noch einmal unterstreichen —, was die Dienstgruppenangehörigen bei den Katastrophen in Bayern und in Holland geleistet und wie oft sie unter Lebensgefahr bei den Minenräumern zu Lande und zur See für uns alle ein schwieriges Werk vollbracht haben.
Nun ist jedoch in der Frage der Tarifverhandlungen nach unseren Informationen, Herr Kollege Eschmann, die Verzögerung vielleicht nicht nur auf seiten der Bundesregierung zu suchen, sondern möglicherweise auch auf der Seite der Tarifverhandlungspartner selbst. Wir erfahren, daß die Ursachen zum Teil in der hinhaltenden Taktik der englischen und französischen Stellen liegen, zum Teil aber auch in einer gewissen Verzögerungstaktik der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, indem diese Gewerkschaft auf ihrer Forderung bestehenbleibt, die Entlohnung ausschließlich nach Tätigkeitsmerkmalen zu stufen. Die Dienstgruppen lassen sich aber nicht ohne weiteres' in ein solches Schema pressen. Das hat verwaltungstechnische und dienstliche Gründe! Wie in der öffentlichen Verwaltung, so gibt es auch bei den Dienstgruppen Dienststufen. Über diese Frage konnte bei den Tarifvertragsverhandlungen bisher leider keine Verständigung erzielt werden. Die Gewerkschaft ÖTV wehrt sich, solche Dienststufen anzuerkennen, weil sie zugegebenermaßen in den Dienstgruppen einen Modellfall für ähnliche Orga-
nisationen im Rahmen der Verteidigungsstreitkräfte sieht.
— Das ist die Information, die wir von leitenden Angehörigen der Dienstgruppen selbst haben.
Nun eine Frage, die der Kollege Eschmann zu Ziffer 3 angeschnitten hat: die Frage der Verwendung der Dienstgruppenangehörigen bei den künftigen Verbänden der Wehrmacht. Ich glaube, wir sollten uns keine Sorge bezüglich des Arbeitsmarktes machen. Hier unterstreichen wir das, was der Staatssekretär Hartmann bezüglich der Unterbringungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt gesagt hat. Herr Kollege Eschmann, niemand hat bisher daran gedacht, die Verbände der Dienstgruppen kollektiv oder korporativ als Kader für die neuen Verbände zu übernehmen. Wir haben ja gerade in einer der nächsten Sitzungen als Tagesordnungspunkt den Bericht des Bundesministers für Verteidigung über die Behandlung der Dienstgruppen vorgesehen. Auf der anderen Seite ist aber nicht zu verkennen — das haben Sie ja selber festgestellt —, daß sich bei den 50 000 Dienstgruppenangehörigen eine erhebliche sprachliche und auch technische Erfahrung angesammelt hat. Wir werden auf Grund des amerikanischen Hilfsgesetzes, das wir als nächsten Tagesordnungspunkt heute behandeln, Milliardenwerte an ausländischem Gerät übernehmen. Es kommt sehr darauf an, schon bei der Übernahme des Geräts, aber auch nachher bei der Pflege und Wartung Verluste möglichst zu vermeiden. Hier müssen wir auf jene Kräfte zurückgreifen, die bei den Dienstgruppen schon in den vergangenen zehn Jahren die Pflege und Wartung dieses amerikanischen, englischen, französischen Rüstungsmaterials übernommen haben.
Wir werden wahrscheinlich auch kleine Teams und Organismen — etwa 30 bis 50 Leute — geschlossen übernehmen. Ich denke an technische Teams auf Flugplätzen oder bei großen Depots. Man sollte also die individuelle Übernahme nicht streng auf eine Einzelperson beschränken, sondern möglicherweise auch die Teams zusammen-lassen; man sollte organisch Gewachsenes nicht willkürlich zerreißen. — Ich sehe an Ihrem Kopfnicken, Herr Kollege Eschmann, daß Sie der gleichen Auffassung sind.
Eine Kaderübernahme — gewissermaßen als nachträgliche Remilitarisierung durch die Hintertür — wird von niemandem beabsichtigt, und selbst unsere Partner aus dem NATO-Vertrag würden sich dagegen sträuben müssen, weil auch sie für eine Übergangszeit auf die Weiterarbeit eines großen Teils der Dienstgruppenangehörigen angewiesen sind.
Ich möchte mit diesen Bemerkungen unsere Stellungnahme zu der Frage der Dienstgruppenangehörigen beenden, in der Hoffnung, daß baldigst ein Vertrag abgeschlossen wird, der auf der einen Seite den Erfordernissen der Dienstgruppenangehörigen Rechnung trägt und sie nicht weiter unter Sonderrecht stellt, auf der andern Seite aber die Dienstgruppenangehörigen auch davor bewahrt, in ein allzu schematisches, formalistisches Tarifsystem gepreßt zu werden.