Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Es sollte eigentlich kein Zweifel daran bestehen, daß auch wir dieses Gesetz mit äußerstem Mißtrauen betrachten. „Bundesleistungsgesetz", das riecht förmlich nach Eingriffen in die Persönlichkeit, nach Eingriffen in das Privateigentum. Wir haben alle noch die Erfahrungen aus der Kriegszeit und aus der Besatzungszeit. Wir wissen, daß solche Eingriffe, wenn sie von den Interessierten vorgenommen werden, nicht den notwendigen Beschränkungen unterliegen. Nachdem mein Vorredner aber zu dem Schluß gekommen ist, daß man den ganzen Gesetzentwurf in den Papierkorb werfen müsse, möchte ich doch sagen, daß wir einer so radikalen Auffassung nicht zustimmen können. Wir machen aus unserer liberalen Auffassung auch bei diesem Problem kein Hehl und werden uns auch für eine entsprechende Formulierung des Gesetzes einsetzen. Sie können nicht bestreiten, daß zunächst einmal eine gewisse Notwendigkeit besteht, das Reichsleistungsgesetz, insbesondere seine Generalklausel, abzuschaffen, und das ist eine Hauptaufgabe dieses Gesetzes. Vorläufig gilt das Reichsleistungsgesetz noch, und erst durch dieses Gesetz wird es außer Kraft gesetzt. Dies begrüßen wir, und wir nehmen an, daß Sie das auch begrüßen.
Hinzu kommt, daß wir die Pariser Verträge abgeschlossen haben. Sie stehen nicht zu ihnen, aber wir stehen dazu und sind verpflichtet, gewisse Voraussetzungen zu schaffen. Dabei wollen wir alles tun, um das in dem engstmöglichen Rahmen zu halten. Wir erkennen dankbar an, daß der Herr
Staatssekretär uns in der Erklärung der Regierung eine Reihe von Zusicherungen gegeben hat, wonach Eingriffe in das Privateigentum bzw. in die Freiheit der Persönlichkeit unter keinen Umständen erfolgen sollen. Er hat von dem Subsidiaritätsprinzip gesprochen, und er hat auch gesagt, daß ein Bundes-WirtschaftssicherstellungsGesetz, das sich auf die öffentlichen Betriebe beziehen wird, den Vorrang haben soll. Diese Erklärung unterstreichen wir. Aber, Herr Staatssekretär, mit einer einfachen Erklärung ist es nicht getan. Sie sagen: Wir sollen Eingriffe in die Wirtschaft so weit wie möglich vermeiden. Sie wissen jedoch, daß jede Anforderung, die auf Grund dieses Gesetzes möglich ist, bereits ein Eingriff in die Wirtschaft ist. Ganz gleichgültig, ob es sich um eine mildere oder eine schärfere Form der Anforderung handelt, es ist ein Eingriff in die Wirtschaft und führt zu Belästigungen, zu Schäden und sonstigen Gefahren.
Wir haben unsere Grundsatzforderungen zu diesem Gesetz in vier Punkten zusammengefaßt:
Erstens. Eingriffe in das Privateigentum und die Freiheit der Person müssen auf das absolut unerläßliche Maß beschränkt bleiben.
Zweitens. Die Voraussetzungen für Anforderungen jeder Art müssen eindeutig umrissen werden. Sie dürfen nicht in der Ausführung Rechtsverordnungen überlassen bleiben, sondern müssen im Gesetz festgelegt werden.
Drittens. In jedem Fall ist eine angemessene Entschädigung zu gewähren.
Viertens. Den Betroffenen muß das Recht verbleiben, wegen der Angemessenheit der Entschädigung und der Rechtmäßigkeit der Anforderung den vollen gerichtlichen Instanzenzug in Anspruch zu nehmen.
Diese vier Forderungen - ich gestehe es zu — sind zu einem großen Teil durch den Gesetzentwurf und zu einem weiteren Teil durch die darüber hinausgehenden Erklärungen des Herrn Staatssekretärs erfüllt. Aber es bleibt ein Rest in den Ausschußberatungen sicherzustellen.
Ich will nicht, wie es mein Vorredner getan hat, auf viele Einzelheiten eingehen. Trotzdem möchte ich sagen: ich habe bei § 1 gewisse Bedenken, ob man die Bestimmungen, die für den ersten Absatz, nämlich die Notstände, gelten sollen, einfach genau denen gleichsetzen muß, die für die anderen Absätze notwendig sind.
— Was bedeutet hier Feigenblatt, Herr Professor Gülich?! Ich teile nicht die Auffassung des Bundesrats, daß aus Gründen der Zuständigkeit der Absatz über die Notstände gestrichen werden müsse. Er muß eingeschränkt werden, er muß näher, schärfer definiert werden. Wir müssen aber mit solchen Fällen rechnen, und wir müssen dafür auch eine gewisse Vorsorge treffen. Aber ich wiederhole: Diese Vorsorge muß genau umrissen sein, und die Bestimmung darf nicht einer Ergänzung durch spätere Rechtsverordnung überlassen bleiben.
Ich bin nicht mit Ihnen der Meinung, daß der § 14 gestrichen werden müsse; denn ich könnte mir vorstellen, daß ein solcher Notstand einmal eintritt. Wir haben zwar in unserem Lande noch