Herr Abgeordneter Dr. Bucher, können Sie Ihren Antrag nicht schriftlich vorlegen, wie das die Geschäftsordnung vorsieht?
Ich wäre Ihnen sehr dankbar; Sie können ihn ja nachreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Illerhaus.
Illerhaus Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist die Rede davon gewesen, daß bei diesem Gesetz eine Rechtsgleichheit im Bundesgebiet hergestellt werden müsse. Ich möchte von dieser Tatsache ausgehen. Nach der Gewerbeordnung haben die unteren Verwaltungsbehörden die Befugnis, sechs Sonntage im Jahr für den Verkauf freizugeben. Darüber hinaus können die Regierungspräsidenten für vier weitere Sonntage eine Genehmigung erteilen. Diese Regelung ist bis vor einigen Jahren sehr ordentlich gelaufen und hat zu keinerlei Beanstandungen Anlaß gegeben.
Erst das Eingreifen der Arbeitsminister der Länder vor einigen Jahren, die die Absicht hatten, eine einheitliche Regelung in ihren Ländern durchzuführen, hat dazu geführt, daß in den Regierungsbezirken ein Streit darüber entstanden ist, ob der dritte Sonntag genehmigt werden soll oder nicht.
Ich muß mich doch sehr darüber wundern, daß man einen solchen Antrag innerhalb von 14 Tagen in drei Lesungen durchpeitschen will, wenn auf der andern Seite für wichtige Belange eines Teils des Mittelstandes oder des Einzelhandels vier Jahre keine Zeit gewesen ist.
Die Verbraucherverbände, die letzten Endes die Verbraucher vertreten, haben sich sehr eingehend mit diesem Problem befaßt und beschlossen, unter keinen Umständen für die Abschaffung des Kupfernen Sonntags einzutreten.
Auch eine Reihe von Betriebsräten von Einzelhandelsfirmen, die doch nun wirklich von dieser angeblichen Mehrbelastung betroffen sind, haben sich gegen die Aufhebung des Kupfernen Sonntags ausgesprochen. Wenn Sie die Entwicklung des Weihnachtsgeschäfts in den letzten Jahrzehnten, vor allen Dingen in der Nachkriegszeit, verfolgt haben, dann werden Sie mir darin recht geben müssen, daß diese Einkäufe immer weiter vorverlegt worden sind. Wir sind wirklich froh darüber, daß den Angestellten im Einzelhandel nicht mehr gerade in den letzten acht Tagen die ganze Last des Verkaufs aufgebürdet worden ist.
Diese Vorverlegung auf Anfang Dezember hat dazu geführt, daß größere Einkäufe, die in den letzten Jahren vielfach zu Weihnachten gemacht werden, rechtzeitig getätigt werden konnten. Gerade dieser erste Sonntag nach dem Ultimo November, also nach den Lohn- und Gehaltszahlungen, ist immer einer der besten Geschäftstage gewesen. Man sollte doch an diesen Gewohnheiten der Verbraucher nicht einfach sang- und klanglos vorübergehen.
Noch ein übriges. Es ist vor einigen Tagen einmal gesagt worden, daß die Interessentenverbände im Bundestag zu stark zu Wort kommen, und es wurde in diesem Zusammenhang an- die Drucksachen zum Apothekergesetz erinnert. Ich stehe in dieser Frage absolut nicht auf seiten der Apotheker, komme also nicht in den Geruch, für die Apotheker zu sprechen. Aber wenn andererseits andere Interessentenverbände auf Grund einer sehr starken Vertretung im Bundestag Gelegenheit haben, ihre Wünsche massiv vorzutragen und innerhalb von 14 Tagen in drei Lesungen durchzupeitschen, dann muß ich allerdings sagen: hier ist nicht gleiche Möglichkeit für alle geschaffen.
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Meine Damen und Herren, wir beschäftigen uns seit einigen Jahren — in der letzten Zeit massiert — mit dem Ladenschlußgesetz. Der Entwurf eines Ladenschlußgesetzes von dem Kollegen Meyer-Ronnenberg ist eingebracht und dem Ausschuß überwiesen worden. In diesem Entwurf ist auch eine Regelung hinsichtlich der offenen Sonntage vor Weihnachten vorgesehen. Ich frage mich: warum muß nun dieser eine Punkt aus diesem Gesetzentwurf vorgezogen und jetzt mit aller Gewalt im Bundestag durchgepeitscht werden?
Wir haben so viele Jahre drei offene Sonntage gehabt, da kommt es nicht darauf an, wenn wir im Jahre 1955 auch noch einmal drei offene Sonntage haben, selbst wenn der Bundestag zu einem anderen Beschluß kommen sollte.
Ich darf noch auf etwas anderes aufmerksam machen. In dem Gesetzentwurf ist von den Sonntagen, die zwischen dem 10. und 23. Dezember liegen, die Rede. Meine Damen und Herren, denken Sie einmal an das nächste Jahr! Im nächsten Jahr fällt der Heilige Abend auf einen Montag. Dann würde im nächsten Jahr der erste offene Sonntag der 16. Dezember sein. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß, es reichlich spät ist, wenn der 16. Dezember der erste offene Sonntag sein soll?
Nun ist gesagt worden, daß sich hohe Würdenträger beider Religionsgemeinschaften für die Abschaffung des dritten Sonntags ausgesprochen haben.
Ich erkenne diese Stellungnahmen der kirchlichen Stellen an, aber ich muß schon sagen: dann gibt es ein viel größeres Feld, auf dem man sich in dieser Richtung vielleicht noch etwas mehr als bisher betätigen könnte. Ich brauche Sie nur an die vielen, vielen und regelmäßigen Sonntagsarbeiten in der gesamten Schwerindustrie und vor allen Dingen auch in der Bauwirtschaft zu erinnern.
Wenn man also schon von einer Sonntagsheiligung spricht, dann muß man auf der ganzen Linie davon sprechen! Ich kann nicht einsehen, daß dieser eine offene Sonntagnachmittag mit den vier Stunden zu einer so einschneidenden Entheiligung des Sonntags führen soll, daß der Bundestag dagegen ein Gesetz machen müßte.
Dem Wunsch, daß man nur zwei Sonntage vor Weihnachten zulassen will, liegt noch gar keine einwandfreie Ermittlung darüber zugrunde, welche beiden Sonntage denn die wichtigsten sind. Wir haben auf der einen Seite große Gruppen im Einzelhandel, die, sagen wir mal, mit großen Stücken handeln, mit Herren- und Damenoberbekleidung, Möbeln und sonstigen großen Stücken. Dafür ist der erste Sonntag im Dezember der geeignetste, weil gerade diese großen Teile sehr frühzeitig gekauft werden. Auf der anderen Seite stehen die Geschäfte für Lebensmittel, Genußmittel, Tabakwaren, die Drogerien usw., die, wenn schon von nur zwei Sonntagen gesprochen wird, nicht an dem ersten, sondern an dem letzten Sonntag vor Weihnachten interessiert sind, weil diese Dinge zur Abrundung in allerletzter Minute gekauft werden.
Ich beantrage also, zumindest den § 1 dahingehend zu ändern, daß die Zahlen 10 und 23 durch die Zahlen 4 und 17 ersetzt werden. Das würde bedeuten, daß der erste und zweite Sonntag in der Adventszeit für den Verkauf freigegeben werden. Dann müßte ein § 1 a eingefügt werden, demzufolge Lebensmittel- und Genußmittelgeschäf ten, Buchhandlungen, Parfümerien, Drogerien abweichend die Genehmigung erteilt wird, an den beiden Sonntagen zwischen dem 10. und 23. zu öffnen.
Wir hätten die Dinge damit so vernünftig gestaltet, daß ein guter Einkauf vor Weihnachten gewährleistet ist. Es kann doch unmöglich der Wille des Gesetzgebers sein, die bisherigen Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher durch Gesetz vollkommen zu ändern.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort zu der Überbeanspruchung der Angestellten im Einzelhandel sagen. Wenn im Dezember der dritte Sonntag mit vier Stunden — zwei Sonntage werden ja auch nach diesem Gesetz genehmigt — wegfällt, glauben Sie, daß dann die Angestellten zu Weihnachten, wenn ein gutes Weihnachtsgeschäft gewesen ist, weniger abgekämpft sind? Glauben Sie nicht auch, daß sich für die Angestellten, wenn sie im Dezember durch diesen einen Tag mit den vier Stunden beansprucht werden, absolut keine Änderung ergibt?
Ich bin der Meinung, man sollte einen solchen Gesetzentwurf, dessen Materie im übrigen schon im Ladenschlußgesetzentwurf enthalten ist und also eo ipso in diesem Hause behandelt wird, nicht erst in allerletzter Minute in 14 Tagen hier durchpeitschen, nur um irgend etwas durchzuführen. Wir haben so lange Jahre drei Sonntage gehabt; dann wäre es auch in diesem Jahre noch zumindest tragbar gewesen, den dritten Sonntag zu belassen, um jenen Entwurf in aller Ruhe in wirklich ernster Arbeit durchzubringen.