Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man .über einem Antrag liest „Vereinfachung der Verwaltung", dann sagt man sich, daß sich das sehr leicht schreibt und sagt, daß es aber ein ungeheures Problem aufzeigt, mit dem man, wie wir im Lauf der Debatte gehört haben, nicht erst seit einigen Monaten, sondern seit Jahrzehnten fertig zu werden versucht. Mir ist während dieser Debatte heute vormittag mehrfach der Gedanke durch den Kopf gegangen, daß wir zwar in einer freien parlamentarischen Demokratie leben, daß wir aber im Grunde alle miteinander hier eine Art Aufstand gegen die Diktatur des modernen sozialen Verwaltungsstaates unternehmen. Herr Kollege Dresbach hat gerade sehr eindrucksvoll gesagt, daß den Umfang der Verwaltung, den wir heute beklagen, nicht zuletzt verlorene Kriege, die Vertreibung einer Millionenzahl von Menschen und die damit gegebenen Probleme der Versorgung und des Lastenausgleichs hervorgerufen haben.
Aber, meine Damen und Herren, ich will auf etwas Praktisches hinweisen, nämlich darauf, daß schon vor Jahren die Bundesregierung einen Beschluß über die Einsetzung eines Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gefaßt hat. Dies ist ein Beschluß vom 8. Januar 1952, und er steht im „Bundesanzeiger" Nr. 128 vom 5. Juli 1952, gleichzeitig mit ausführlichen Richtlinien über die Aufgaben und die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in. der Verwaltung. Ich darf vielleicht die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf einen Passus in diesen Richtlinien lenken, in dem es u. a. heißt:
Der Bundesbeauftragte wird auf Ersuchen des Bundestags, des Bundesrats, der Bundesregierung und des Bundesministers der Finanzen gutachtlich tätig werden. Die Gutachten sind der ersuchenden Stelle unmittelbar zuzuleiten. Der Bundesbeauftragte soll jedoch auch von sich aus in sein Aufgabengebiet fallende Fragen aufgreifen und den zuständigen Bundesministern gutachtliche Äußerungen und Vorschläge machen. Bei der Erstattung seiner Gutachten ist er von Weisungen irgendwelcher Art unabhängig.
Mit dem Auftrag, der hier skizziert ist, ist der Präsident des Bundesrechnungshofs betraut worden. Er hat sich zur Erfüllung dieser Aufgaben der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs zu bedienen.
Das ist etwas, was schon Jahre alt ist, was in einem gewissen Umfang praktiziert worden ist, was aber doch wohl zeigt, daß das Problem, das hier behandelt werden soll, nicht etwa mit grenzenlosem Optimismus betrachtet werden darf. Man soll nicht glauben, daß ein neuer Ausschuß in der Lage wäre, all das zu tun, woran in den verschiedenen Sektoren schon seit langem gearbeitet worden ist.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir dann ein ganz offenes Wort, das nicht nur die Organisation der Arbeit der Bundesregierung, sondern auch die Organisation der Arbeit des Bundestages angeht. Vorhin sind Zahlen über die Vergrößerung des Verwaltungsapparats im Laufe der Jahrzehnte genannt worden, und darauf ist mit Zahlen über die Vergrößerung des Apparats auch der Wirtschaftsverbände erwidert worden. Ich könnte hinzusetzen: wenn Sie diese Zahlen einmal in Relation setzen zur Vergrößerung des Sozialprodukts in den betreffenden Jahren, werden Sie finden, daß sich diese Zahlen vielleicht milder betrachten lassen, als das gelegentlich geschieht, wenn man sie unverbunden nebeneinanderstellt.
Aber dieses Hohe Haus, der Bundestag, benötigt zur Bewältigung seiner Aufgaben — ich sage das ohne ein Wort der Kritik, wie sich versteht — heute auch das Vielfache von Ausschüssen wie etwa voraufgegangene Parlamente. Denken Sie nur an die Reichstagszeit! Wir haben es hier auf eine Zahl von etwa 40 Ausschüssen gebracht, und viele Aufgaben werden gleichzeitig nebeneinander in soundso viel Ausschüssen behandelt. Und nun sage ich das nicht aus der Perspektive des Abgeordneten, sondern aus der Perspektive des Ressortchefs: Daß das natürlich auch eine Beanspruchung der Beamten in einem ungleich gestiegenen Maße bedeutet, das müssen alle diejenigen, die über dieses Problem sprechen, sich, glaube ich, plastisch vor Augen halten, um zu einer gerechten Betrachtung kommen zu können.
Diese Debatte hat bis auf einige kleine Spritzer, möchte ich sagen, gezeigt, daß sich die Aufgabe, die wir hier behandeln, im Grunde nicht für den Parteienstreit eignet. Sie gibt für den Parteienstreit im Grunde wenig her, was man leicht daraus ersehen kann, daß jeweils die Mehrheitsgruppen den anderen oder die Minderheitsgruppen den Mehrheitsgruppen vorgeworfen haben, daß sie ihre großen Pläne zur Vereinfachung der Verwaltung nicht durchgeführt haben. Die Rede des Herrn Kollegen Dr. Menzel ist ja eine Fundgrube für Beispiele dieser Art. Ich möchte, wenn ich mich in diesem Zusammenhang an den Kollegen Menzel wenden darf, hinzufügen: Er hat die Schaffung von Landschaftsverbänden in Nordrhein-Westfalen hart getadelt. Aber er war in der Provinzialregierung von Westfalen noch in einer Zeit tätig, in der sich Westfalen im Gegensatz zu dem Nordrheingebiet den, wie ich glaube, Luxus eines Provinzialverbandes gestattet hat.
— Ich sage das nur, um darauf hinzuweisen, daß das Hin und Her parteipolitisch nicht sonderlich
ergiebig sein würde, und deswegen möchte ich mich daran nicht beteiligen.
Dann sind drei Stichworte genannt worden, die das Haus sehr animiert haben: Speiseeis, Enteneier und Spielwarenvorschriften. Meine Damen und Herren, man mag darüber streiten, ob es auf dem Gesundheitsgebiet gerade Verordnungen der Bundesregierung sein müssen. Aber Speiseeis ist in der Tat unter dem Gesichtspunkt öffentlicher Gesundheitspflege ein Thema, — —
— Was Herr Sträter dazu gesagt hat, wird sicher sehr witzig und anregend gewesen sein. Ich möchte aber sagen, es ist ein bißchen sehr billig gewesen, Herr Kollege Schmitt, sich über Verordnungen lustig zu machen, die aus der Arbeit von mit diesen Themen sehr vertrauten Gesundheitsreferenten entstanden sind. Es hat sich — es ist vielleicht ganz gut, wenn ich das bei dieser Gelegenheit einmal sage — ergeben, daß sich zwar alle für die Gesundheit Verantwortlichen im Bund und in den Ländern darüber einig waren, daß man aber dann, als man sah, daß dieses ganze Thema vielleicht auch unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet werden konnte, allerdings wohlgemerkt nicht unter dem der Gesundheitspflege, diese Sache einfach beiseite gelegt hat. Ob man damit der öffentlichen Gesundheitspflege gedient hat, das steht auf einem ganz anderen Blatt.
Wozu führt das aber praktisch? Das führt praktisch dazu, daß man auf frühere Vorschriften zurückgreift. Wenn Sie die publizieren, kommen Sie leicht auf 15 Seiten, und wenn Sie alle früheren Vorschriften zusammenfassen wollen, dann mache ich mich anheischig, Ihnen 50 Druckseiten darüber beizubringen. Man darf die Sache nicht daran aufhängen, daß unser modernes Laben in seiner Vielfalt und gerade in der Zusammenballung — das sind im Grunde mehr oder weniger soziologische Tatbestände — einen Staat unter Umständen einfach dazu zwingt, Dinge sehr detailliert zu regeln, die sich eben aus allgemeinen Erkenntnissen, wie hier der Gesundheitslehre, als notwendig ergeben.
Man kann auch nicht sagen, daß wir in unseren Tagen auf dem Gebiet der Versuche zur Verwaltungsreform ganz hinter dem zurückblieben, was Generationen vorher gemacht haben. Es gibt z. B. einen ausgezeichneten praktischen Bericht, nämlich den Kollmann-Bericht, und ich freue mich, daß Herr Kollege Kleindinst seiner bayrischen Heimat die Ehre erwiesen hat, diesen Bericht hier anzuführen. Es ist schade, daß der Kollmann-Bericht nicht viel stärker verbreitet ist. Der Kollmann-Bericht ist ein in Bayern erstattetes Gutachten, das alle Mitglieder dieses Hohen Hauses mit hohem Genuß lesen würden. Aber wenn man dann vor die Frage gestellt wird, ob man die darin gegebenen Folgerungen auf sich nehmen will, dann wird die Sache ungeheuer peinlich, vor allen Dingen, wenn solche Berichte dann noch dazu kommen, daß sie an der Spitze ihrer Betrachtung zunächst einmal die Verringerung der Zahl der Parlamentsmitglieder anbringen. Ich will nicht sagen, daß ich den Bericht in diesem Punkt unterstütze, aber ich sage nur: es ist ein Problem, das nicht isoliert betrachtet werden kann und das gerade dann nicht isoliert betrachtet wird, wenn es einmal praktisch daran geht,
irgendeiner Stadt oder einer Kleinstadt ein Amtsgericht oder irgendein kleines Amt oder sonst ein Gericht zu nehmen. Dann kann man sich doch nicht retten vor den Erhaltungsbemühungen der Betroffenen. Ich kann nur noch einmal sagen: es redet sich leicht unter der Überschrift „Vereinfachung der Verwaltung", und es handelt sich schwer, nicht zuletzt aus objektiven Gegebenheiten.
Zu den vorliegenden Anträgen, die in den Ausschüssen sicherlich eingehend behandelt werden, möchte ich keine einzelnen Bemerkungen machen, bis auf eine Bemerkung zu Ziffer 5 des Änderungsantrages der Fraktion der SPD. Hier ist — ich hätte beinahe gesagt: sozusagen mit der linken Hand — etwas eingebaut worden, was den Verfassern des Antrags ein altes Anliegen ist, aber ein Anliegen, von dem ich hier gleich festgestellt haben möchte, daß ich es für nicht berechtigt halte. Da wird z. B. gefordert, die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts aufzulösen. Ich weiß, daß das eine Vorstellung ist, die manche der Herren dort haben, aber ich möchte hier gleich aus besonderen Gründen sagen, daß das nach Auffassung der Bundesregierung unmöglich ist. Wir brauchen diese Sicherungsgruppe sehr nötig.
— Nein, wir brauchen sie nicht contra legem, ich glaube. wír haben ausgeführt, daß sie intra legem, daß gemäß dem Gesetz gebraucht wird. Herr Kollege Menzel, was das contra legem angeht, so haben Sie sich ja heute in einem gewaltigen Umfang zu Verfassungsrevisionen bereit erklärt,
und notfalls könnte man dann auch dieses Problem
noch einmal unter dem Gesichtspunkt aufgreifen.
Das Problem der Verwaltungsreform ist sicherlich ein Problem, das jeden, der im öffentlichen Leben steht und arbeitet, beschäftigen muß, dem man aber nur zu Leibe rücken kann, wenn man eine klare Einsicht in die durch die moderne Entwicklung und den modernen Massenstaat gegebenen Funktionen und Tatbestände hat. Wenn ich auf diese Frage angesprochen worden bin, so habe ich eigentlich immer zunächst einmal versucht, auch einen internationalen Vergleich herbeizuführen. Bisher — das darf ich dem Hohen Hause sagen — führt der Versuch des internationalen Vergleichs, soweit die Tatbestände vergleichbar sind, immer noch dazu, zu erkennen, daß wir mit dem Problem Umfang der Verwaltung und Organisation der Verwaltung mindestens auf dem Niveau des internationalen Durchschnitts fertig werden, jedenfalls auch in unserer Verwaltungsvergrößerung den internationalen Durchschnitt nicht etwa überschritten haben. Wenn das ein tröstlicher Gedanke sein mag, so bin ich trotzdem der Meinung, daß alle Mühen, die die Ausschüsse hier und weitere Gremien an diese Frage verwenden, sicherlich nicht umsonst sein werden.
Zwei der Herren haben damit geschlossen, daß sie die Frage auf die Basis der allgemeinen Politik gestellt haben. Was Herr Kollege Dr. Dresbach dazu gesagt hat, ist sicherlich sehr eindrucksvoll gewesen. Aber Herr Kollege Dresbach wird gleichwohl mit mir der Meinung sein, daß wir — wenn wir einmal den großen geschichtlichen Komplex Krieg und Kriegsfolgen und Verteidigung gegen die Kriegsgefahren herausnehmen — in einer wirtschaftlichen Entwicklung stehen, die gewisse Gesetzmäßigkeiten hat, denen wir uns nicht entziehen können.
Ich kann der Erklärung des Kollegen Bergmeyer nicht zustimmen, gewisse von der Wissenschaft aufgestellte eherne Gesetze wolle er nicht anerkennen. Das ehrt ihn in seinem Widerstandswillen. Bei näherer Betrachtung dieses Problems wird sich jedoch erweisen, daß es Notwendigkeiten der Verwaltung gibt — nicht nur bei uns, sondern international —, denen wir nur begrenzt ausweichen können. Aber ich glaube, das Hohe Haus würde sich selbst einen schlechten Dienst erweisen, wollte es etwa zugestehen, daß es in seiner Haushaltspolitik in den letzten Jahren die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vernachlässigt hätte.
Ich kann aus der Kenntnis meines Haushalts, der ja keiner der kleinsten im Rahmen der Bundesregierung ist, nur sagen, daß ich die Überzeugung habe, daß hier nicht ein Pfennig unnütz oder zuviel ausgegeben wird.