Meine Damen und Herren, Sie haben diese Erklärung gehört. Das Wort hat nunmehr der Herr Vizekanzler.
Dr. h. c. Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich vor, nur einen oder zwei Sätze durchaus angenehmen Inhalts in Antwort auf eine Anfrage des Herrn Kollegen Brandt zu sagen. Aber die letzten Ausführungen unseres Kollegen Klingelhöfer zwingen mich doch, eins für die Bundesregierung und, ich darf Gott sei Dank sagen, auch für alle Parteien dieses Hauses ausdrücklich auszusprechen. An einer Stelle der Ausführungen des Herrn Kollegen Klingelhöfer ist ein Zweifel an unserer Haltung gegenüber dem Problem Berlin als Ganzes laut geworden, und hierzu möchte ich erklären: Wir wissen, daß unser ganzer außenpolitischer Kampf ohne die Behauptung eines lebenskräftigen Berlin verloren wäre. Wir wissen, daß wir an Berlin keine normalen Maßstäbe anlegen können. Ich gehe über das hinaus, was der Herr Kollege Brandt gesagt hat — und ich spreche hier die Ansicht der Bundesregierung aus —: Ich denke nicht nur daran, daß Berlin neben seiner Teilung auch noch das schwere Schicksal trägt, daß es nicht mehr Sitz so vieler zentraler Reichs- und anderer Stellen ist; wir wissen darüber hinaus, daß Berlin niemals gänzlich aus eigener Kraft lebensfähig werden kann, solange es nicht das große wirtschaftliche Zentrum eines blühenden Abnehmergebietes und solange es nicht das unbehinderte Verkehrszentrum ist.
Wir gehen also in unseren Ansichten so weit, und wir stehen zu den Verpflichtungen, die wir in der Vergangenheit immer wieder anerkannt haben ) und die auch aus der heutigen Regierungserklärung, die der Herr Finanzminister abgab, deutlich wurden.
— Verzeihen Sie, ich glaube, ich habe das deutlich genug mit meinem zweiten oder dritten Satz gesagt, Herr Kollege.
— Nein, nein, Herr Kollege Leiske schien meinen dritten oder vierten Satz überhört zu haben. Im übrigen, Herr Wehner, pflege ich keinen Menschen anzuschreien. Ich glaube auch nicht, daß das der Würde des Parlaments entsprechen würde und daß der Herr Präsident mir das gestatten würde.
Nun eine andere Sache, die mir auszusprechen am Herzen liegt. Ich würde sehr großen Wert darauf legen, Herr Kollege Klingelhöfer, nachdem wir so manches Jahr zusammengearbeitet haben, daß dieser Ihr Satz nicht in der Welt stehenbliebe. Es ist unmöglich, von einem Bundesfinanzminister, der seine Pflicht tut, zu verlangen, daß er sich der Prüfung des Verwendungszwecks von ihm bewilligter Ausgaben enthält.
Sie haben gesagt, das geht den Herrn Bundesfinanzminister nichts an. Dann müßte sich sowohl dieses Haus — —
— Jawohl, verzeihen Sie, aber in unserer Vorstellung — Herr Kollege, hier muß ich Sie nun wirklich unmittelbar ansprechen — besteht eine so schroffe Trennung zwischen Berlin und dem Bund nicht. Die leider Gottes völlig gefallene Grenze in bezug auf Abwanderungen ist ja heute mit Recht schon vom Kollegen Brandt erwähnt worden. Wir wissen von der unmittelbaren wechselseitigen Beziehung bei der Frage des Arbeitsmarkts, bei der Frage der Preisentwicklung usw., und ich würde nicht der Ansicht sein, daß die Bundesregierung ihre Pflicht täte, wenn sie sich jedes Urteils über die Auswirkung von Maßnahmen enthielte, bei denen sie mitwirkt.
Ich bin also durchaus der Ansicht, Herr Kollege Klingelhöfer — ich weiß nicht, ob Sie oder jemand anders den Ausdruck gebraucht haben; er ist heute schon gefallen —, daß es sich bei Ihnen um einen Lapsus linguae, um ein Stolpern der Zunge, handelte. Sie sind ja selbst alter Finanzmann, und ich möchte Sie mal auf dem Platze des Bundesfinanzministers sehen, wenn man Ihnen zumutete, auf eine solche Prüfung zu verzichten.
Aber es ist etwas anderes in die Debatte hineingekommen, und das tut mir leid. Meine Herren, ich glaube — wenn ich ein persönliches Wort sagen darf —, an mir als gutem Berliner brauchen Sie ja wohl nicht zu zweifeln. Deswegen darf ich sagen: man kann nicht einem Mitglied der Bundesregierung Hinterhältigkeiten zutrauen und so scharf polemisieren, wenn derselbe Bundesfinanzminister vorher ausdrücklich erklärt hat: „Mit der Aufnahme der Vorhaben in den damit bereits vorbereiteten Landeshaushalt 1956 und der in der Bemessung des Bundeszuschusses liegenden Anerkennung wird die Entscheidung auch für die Durchführung der Vorhaben in den folgenden Haushaltsjahren grundsätzlich gegeben sein." Ich weiß nicht, wie man sich da deutlicher festlegen könnte und sollte.
Wir wollen doch nun nicht beginnen, gegenseitig in unseren Äußerungen ein Mißtrauen zu verraten.
— Ich finde so generelle Behauptungen und Zwischenrufe meistens deplaziert. Dann soll man sich zunächst einmal in seiner Kammer sehr gegenständlich über die einzelnen Dinge unterhalten.
Ich meine, auch das wäre ein Stück eines parlamentarischen Stils, nach dem wir sehr eifrig suchen;
aber ob wir einen gefunden haben, ist die andere Frage.
— Ja nun, das ist doch eine generelle Behauptung, die unbewiesen im Raume steht, deren Erörterung aber auch gar nicht hierher gehört. Das ist eben ein sehr schlechter parlamentarischer Stil.
Es war eine sehr verallgemeinernde Behauptung. Das werden Sie, wenn Sie das Stenogramm prüfen, nicht gut leugnen können.
Ich will jetzt zu etwas Angenehmerem kommen. Herr Kollege Brandt, Sie haben ein sehr ernstes Thema angesprochen: das der älteren Angestellten. Nur deswegen hatte ich mich eigentlich gemeldet. Ich wollte Ihnen sagen, daß ich mit Ihrer Ansicht, es sei nicht zweckmäßig, kleine Pflästerchen für drei Monate zu suchen, voll übereinstimme und daß ich nach dem heutigen Stand der Dinge hoffe, noch in den allernächsten Wochen zu einer Aktion großen Ausmaßes und mit einer zunächst auf ein Jahr bemessenen Einstellungsverpflichtung zu Ende zu kommen. Das ist das, was ich mitteilen wollte.
Das zweite, was uns in diesem Augenblick sehr bekümmert, ist die Folge der erfreulichen Belebung der Berliner Wirtschaft. Die Regierung wird der Liquiditätsverstärkung in Berlin sehr große Aufmerksamkeit zuwenden. Wir sind hier auf einem guten Wege.
Ich möchte eine dritte Bemerkung machen. Ich habe sie schon vor den Berliner Abgeordneten gemacht, soweit sie damals nach der Sitzung des Wirtschaftskabinetts in Berlin mit uns zusammen waren. Das ist immer eine gewisse — nicht aus der praktischen Handhabung der Dinge entstehende — Sorge wegen Bereitstellung der Mittel. Ich möchte Ihnen das eine sagen: Keiner von Ihnen wird behaupten, daß es dem Sondervermögen nicht gelungen sei, sich seit 1949 elastisch jedem Berliner Bedarf anzupassen. Wenn ich das jetzt sage, dann deswegen, weil man allzusehr in festen Daten und Terminen rechnet und allzuwenig den praktischen Ablauf der Dinge sieht. Ich möchte mich hier in der gleichen Weise festlegen, wie ich das schon einmal getan habe. Wir werden praktisch mit den von mir zur Verfügung gestellten Beträgen nicht nur die Berliner Investitionen innerhalb der genannten Zeiträume ausreichend speisen können, sondern wir werden die vom Herrn Bundesfinanzminister erwähnten sogenannten Kommunalbauten — Markt, Milchhof — sicherlich in vernünftiger Weise mitfinanzieren können. Ich hoffe auch, daß sich das, was ich für das vielleicht Wichtigste halte, nämlich die große Neugestaltung der Berliner Entwässerung, ebenfalls durch kombinierte Finanzierungsmethoden bewerkstelligen läßt. Wenn wir uns in der nächsten Zeit über solche praktischen Dinge — hoffentlich — etwas mehr unterhalten können, so, glaube ich, wird die Freundschaft zwischen uns größer sein, als wenn wir uns im Allgemeinen bewegen.