Rede von
Dr.
Wilhelm
Gülich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun habe ich im Zusammenhang mit der Betrachtung der Zahlen noch auf zwei Dinge hinzuweisen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in der 64. Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am 28. April dieses Jahres dargelegt, daß die Ausgaben für Berlin unvergleichlich höher seien als das Notopferaufkommen. Er sagte: Es ergibt sich folgende Rechnung: Aufkommen 1956 geschätzt mit 1225 Millionen DM, spezielle Leistung an Berlin 1050 Millionen DM; es blieben dann nach dem Vorschlag Dr. Gülich für einen Sonderfonds 175 Millionen DM übrig; für die weiteren Bundesleistungen an Berlin in Höhe von 250 Millionen DM müßte dann im Bundeshaushalt eine neue Deckung geschaffen werden. — Sehen Sie, meine Damen und Herren, das ist die falsche Rechnung. Diese Ausgaben werden ja auch bisher geleistet. Es ist ja nicht so, als ob jetzt eine zusätzliche Ausgabe geschaffen werden sollte. In seinen Ausführungen vorhin sagte der Herr Bundesfinanzminister, er schätze, daß 1955 aus dem Notopfer Berlin 1275 Millionen DM Einnahmen entstünden. Dabei hat er offensichtlich nicht die wahrscheinliche Steigerung des Steueraufkommens berücksichtigt und nicht das Ansteigen des Sozialprodukts zugrunde gelegt, das ja auch ein höheres Aufkommen aus dem Notopfer Berlin zur Folge haben wird. Er hat auch nicht das bisherige Ist-Aufkommen aus dem Notopfer Berlin angegeben; aber das ließe sich ja noch nachholen. Legt man jedoch die Zuwachsrate des Sozialprodukts zugrunde, die wir überhaupt für die Steuererwartung 1956 anlegen, so kommen wir mit dem Notopfer Berlin auf mindestens 100 Millionen DM mehr, wahrscheinlich 125 Millionen DM mehr, so daß wir statt 1275 Millionen DM hier 1400 Millionen DM ansetzen müßten. Diese 125 Millionen DM sind ja schließlich kein Pappenstiel; wir wollen sie nicht einfach unter den Tisch fallenlassen.
Nun hat ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums auf einer Sitzung des Haushaltsausschusses neulich geäußert, daß der Einzelplan 45 ab 1956 nach der Absicht des Herrn Bundesfinanzministers überhaupt verschwinden und daß die finanzielle Hilfe für Berlin im Einzelplan 60 ausgebracht werden solle. Das wäre genau die umgekehrte Richtung, die wir nicht wünschen. Noch einmal: Wir wünschen hier gar nichts Neues, sondern Ordnung in die Sache hineingebracht, und die Ordnung haben wir, wenn genau ausgewiesen wird: hier im Einzelplan 45, Finanzielle Hilfe für Berlin, haben wir ein ganz bestimmtes Aufkommen zu erwarten, und wir haben bestimmte Ausgaben zu tätigen; den Rest verwenden wir dann für gezielte Maßnahmen, für Sonderinvestitionen. Da der Herr Bundesfinanzminister nichts darüber gesagt hat, wäre ich ihm dankbar, wenn er — falls diese Auffassung, die einer seiner Herren neulich geäußert hat, zutreffend ist — heute dazu Rede stehen würde.
— Ich habe schon wiederholt nach der Regierungsbank hingeschaut. Ich habe ja neuerdings das Pech, daß der Bundesfinanzminister nicht da ist. Vor ein paar Tagen in Berlin war doch wirklich eine sehr unglückliche Situation; ich hatte dem Herrn Minister Schäffer, kurz nachdem er gesprochen hatte, ausdrücklich gesagt, daß ich ihm antworten wollte. Infolgedessen hätten wir ja, wenn er früher abreisen mußte, den Punkt vorziehen können. Wir hätten ihn also gemeinsam erörtern können; denn ich spreche ungern gegen der Herrn Bundesfinanzminister, wenn er nicht da ist und nicht selber sofort antworten kann. Das gibt eine schiefe Situation.