Rede von
Dr.
Fritz
Neumayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die Frage, sehr verehrte Frau Dr. Lüders, die Sie eben angeschnitten haben, ist schon lange Gegenstand ernster Sorge der Bundesregierung gewesen. Das Bundesjustizministerium hat die damit zusammenhängenden Probleme einer gewissenhaften Prüfung unterzogen. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich nicht empfiehlt, bereits vor Durchführung der Strafrechtsreform hier strafverschärfende Maßnahmen zu treffen. Ich darf Ihnen die Gründe, die uns zu diesem Ergebnis kommen ließen, kurz vortragen.
Einmal: Für Kindesmißhandlung ist in § 223 b des Strafgesetzbuches eine Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren und für Sittlichkeitsdelikte gegenüber Kindern in § 176 eine Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren angedroht. Nun sind in beiden Fällen bei Vorliegen gravierender Umstände Erhöhungen dieses Strafmaßes möglich. Es kann also sogar bis auf lebenslängliche Zuchthausstrafe erkannt werden. Allerdings — das muß ich einräumen — ermöglichen die Vorschriften beim Vorliegen mildernder Umstände die Verhängung leichterer Strafen. Ich glaube aber, daß auf solche leichteren Strafen bei Vorliegen mildernder Umstände im Augenblick nicht verzichtet werden kann. Es gibt leichtere Fälle von Kindesmißhandlungen und auch von Sittlichkeitsdelikten an Kindern, bei denen das Verhalten des Täters zwar verwerflich, aber doch nicht zuchthauswürdig ist. Nach unserer Überzeugung sind die Vorschriften des geltenden Rechts durchaus geeignet, um in jedem einzelnen Fall zu einer gerechten Strafe zu kommen. Damit soll aber nicht zum Ausdruck, gebracht werden, daß unter Umständen nicht doch eine Änderung angezeigt erscheint. Warum sie im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für richtig gehalten wird, ergibt sich daraus, daß wir nicht an das Vorliegen eines Bedürfnisses glauben, aber auch aus unserer Auffassung, daß die große Strafrechtsreform doch eine Reihe sehr wesentlicher rechtspolitischer, kriminalpolitischer Gesichtspunkte würdigten muß, für die bis jetzt eine einheitliche Stellungnahme noch nicht erarbeitet ist. Wenn wir heute durch eine Novelle die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs in diesen Fragen änderten, dann könnte es vorkommen, daß infolge der großen Strafrechtsreform aus kriminalpolitischen Gesichtspunkten eine nochmalige Änderung notwendig erscheinen würde. Aus allen diesen Gründen glauben wir nicht, daß es angezeigt ist, schon jetzt eine Änderung eintreten zu lassen.