Rede von
Josef
Stingl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Bundesminister Storch zeigen deutlich, daß mit dem Antrag der Fraktion der SPD unter Umständen Schleusen geöffnet werden, die wir in ihrer Auswirkung nicht ganz übersehen können. In der Tat stellt aber die Handhabung, wie sie sich jetzt insbesondere in Berlin zeigt, für die betroffenen alten Arbeiter und Angestellten von Firmen eine Härte dar. Sie wollen nicht einsehen, daß ihr Anspruch nicht unter die Bestimmungen bezüglich der Kriegseinwirkung oder Nachwirkung des Krieges fällt und deshalb abgelehnt wird. Hauptsächlich betrifft es Betriebe im Ostsektor Berlins oder in den Randgebieten der sowjetischen Zone. Sie können nicht begreifen, daß in den Fällen, in denen der Betrieb von einer Bombe getroffen worden ist und aus diesem Grunde keine Altersentschädigung gezahlt wird, der Staat einspringt, daß der Staat aber nicht einspringt, wenn der Betrieb 'deshalb nichts mehr auszahlen kann, weil er enteignet ist.
Soweit mir bekannt ist, werden nach den Richtlinien diejenigen bedacht, deren Betrieb eine sowjetische Aktiengesellschaft geworden ist, wenn also die sowjetische Besatzungsmacht die Enteignung vorgenommen hat. Es werden aber nicht diejenigen bedacht, die deshalb nichts bekommen, weil die Sowjetzonenregierung die Enteignung vorgenommen hat. Auch das ist schwer begreiflich zu machen; denn in der Auswirkung ist es für den Menschen, der in dem Betrieb tätig gewesen ist, selbstverständlich völlig gleichgültig, welcher Art die Maßnahme gewesen ist. Für ihn stellt sich das als eine Maßnahme infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen dar.
Noch bedenklicher ist es bei den Betrieben, denen ein Teil ihrer Anlagen im Ostsektor enteignet wurde, die aber im Westsektor noch bestehen. Auch hier ist den Betrieben, die die Betreuung ihrer alten Menschen übernehmen wollen, sehr schwer begreiflich zu machen, daß es keine Nachwirkung des Krieges sein solle, wenn sie die Hälfte ihres Betriebes oder drei Viertel oder noch mehr — nach den Richtlinien muß es ja mindestens die Hälfte sein — verloren haben.
Wir sind der Meinung, daß hier tatsächlich einmal überprüft werden sollte, ob nicht dem Sinne dieser Richtlinien nach diese Enteignungsmaßnahmen den Demontagemaßnahmen und den sonstigen Nachwirkungen des Krieges gleichzusetzen sind. Wir sollten uns nicht so sehr damit auseinandersetzen, daß das Wort „unmittelbar" hier eine Rolle spielen soll.
Im zweiten Teil des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion ist ein Gebiet angeschnitten, das sich sehr stark mit den Forderungen des Lastenausgleichs überschneidet. Auch hier kann man nicht ohne weiteres sagen, daß wir, wie der Herr Bundesminister sagte, die Schleusen öffnen sollen.
Zum dritten Teil des Antrages ist nach meiner Kenntnis zu sagen, daß die Bearbeitung der Anträge eben sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich habe selber einige Male damit zu tun gehabt und muß feststellen, daß die Beweisnot der Antragsteller weithin ungemein groß ist. Sie kommen ohne jede Unterlage oder, wenn sie eine Unterlage haben, ohne jede Angabe, wie denn ihr Betrieb in Wirklichkeit in der Rechtsform zu dem noch bestehenden Betrieb stand, wie denn ihre Pensionskasse dazu stand. Die Beweisnot der Antragsteller ist wirklich sehr erheblich, und ich kann aus meiner Kenntnis und muß das als Anerkennung für das Arbeitsministerium sagen, daß hier bei der Bearbeitung 'den Antragstellern wirklich weitgehend entgegengekommen wird.
Unbeschadet dieser Tatsache, daß ich durchaus der Meinung bin, daß das Ministerium die jetzt bestehenden Richtlinien sehr großzügig handhabt, scheint uns, der CDU/CSU-Fraktion, der Antrag der SPD ein willkommener Anlaß zu sein, in den Ausschüssen 'das Problem noch einmal zu erörtern, insbesondere auch im Hinblick darauf, daß ja ein großer Teil der Bestände mit der Zeit aus der Leistung von Bundesbeihilfen herauskommt, weil wir als Voraussetzung haben, daß der Betrieb die Hälfte seiner Leistungsfähigkeit verloren hat; die kann er aber jetzt infolge des Wirtschaftsaufschwunges wieder erwerben.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Haushaltsausschuß — zur Mitberatung — zu überweisen.