Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um eins vorwegzunehmen: Im Jahre 1954 sind über diesen Etatstitel 10 174 000 Mark verausgabt worden. Der Tatbestand, daß der Etatstitel nicht ausgeschöpft worden wäre, ist also in Wirklichkeit nicht gegeben. In den ersten Jahren lagen allerdings die Beträge weit unter dieser Summe. Das ist auch verständlich, weil sich ein großer Teil der Leute erst viel später für diese Hilfen gemeldet haben.
Aber wenn man zu dem hier vorliegenden Antrag Stellung nehmen will, muß man sich doch klar darüber sein, was der Bundestag damals mit seinem Beschluß gewollt hat. Er wollte denjenigen Menschen, die bei uns in Deutschland in der Vorkriegszeit irgendwelche Altersversorgungsansprüche an ihren Betrieb hatten, einen Ersatz geben, wenn diese Betriebe entweder durch die Kriegsfolgen oder durch Demontage vernichtet waren. Durch den vorliegenden Antrag wird etwas ganz anderes verlangt. Wir leben in einem gespaltenen Deutschland.
In der Sowjetzone hat man eine ganze Reihe von Betrieben den Privateigentümern weggenommen, hat sie zu Staatsbetrieben gemacht, und man hat dort die früher bestandene Altersversorgung nicht wiederaufleben lassen. Die Folge davon ist, daß natürlich die Leute, wenn sie heute zu uns kommen, sagen: Wenn dort drüben keine Enteignung vorgenommen worden wäre, dann bekämen wir die Altersversorgung. Wir haben im Bundesarbeitsministerium sehr viele Einzelfälle zu bearbeiten gehabt. Ich weiß, daß, wenn wir in der Behandlung dieser Anträge nicht sehr großzügig gewesen wären, annähernd die Hälfte der Leute, soweit sie 'aus der sowjetisch besetzten Zone oder aus den östlichen Gebieten gekommen sind, überhaupt nicht in den Genuß der Leistungen hätten kommen können, weil sie gar nicht beweisen konnten, daß ihnen eine feste arbeitsvertragliche Zusicherung gegeben war. Wir haben die Dinge so großzügig wie nur irgend möglich gehandhabt.
Bei der Behandlung dieser Frage müssen wir uns darüber im klaren sein, daß wir in Situationen kommen können, die wir in der finanziellen Auswirkung gar nicht zu überschauen in der Lage sind. Nehmen Sie an, wir würden die Dinge so handhaben, wie es jetzt in diesem Antrag gewünscht wird; dann würden wir wahrscheinlich sehr bald vor der Tatsache stehen, daß 'beispielsweise alle diejenigen Menschen, die in der Zone irgendeine Leistung aus der Sozialversicherung bekommen, wenn sie bei der Eisenbahn oder bei der Post gewesen sind, nun sagen: „Wenn der Krieg nicht gekommen wäre, dann hätten wir die Versorgungsabteilung B behalten, und deshalb sind wir der Meinung, daß wir ebenfalls entschädigt werden müssen."
Nach meiner Meinung sollte man diesen Antrag dem zuständigen Ausschuß überweisen und dort grundsätzlich die Frage prüfen, ob wir diesen Etatstitel überhaupt vergrößern wollen oder im Zuge der Neuordnung der sozialen Leistungen das allgemeine Rentenniveau so gestalten, daß diese Sonderleistungen weitgehend ¡abgebaut werden können.