Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD- Fraktion — Drucksache 1312 — betreffend die Handhabung der Richtlinien zur Gewährung von Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge vom 17. Oktober 1951 will in seinem Abs. a sicherstellen, daß Ansprüche nicht unter der Begründung abgelehnt werden, bei den Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone und Ost-Berlin handele es sich um keine Nachwirkungen des Krieges. Aus der bisherigen Handhabung und auch aus der Antwort des Herrn Bundesarbeitsministers auf die Kleine Anfrage Nr. 129 der SPD-Fraktion geht hervor, daß die Bundesregierung nicht gewillt ist, denjenigen Personenkreis mit einzubeziehen, der durch die Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone aus der betrieblichen Altersfürsorge ausgeschlossen wurde bzw. ihrer verlustig ging. Hierzu ist festzustellen, daß bei den Beratungen über die Bundesbeihilfen sowohl in den beteiligten Ausschüssen als auch in der 107. Sitzung des 1. Deutschen Bundestages von der Tatsache ausgegangen wurde, daß allen Arbeitnehmern, denen infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen die betriebliche Altersfürsorge verlustig gegangen ist, im Wege des Ausgleichs eine Beihilfe gezahlt wird. Das ist das gleiche System
1 wie das, auf Grund dessen nach der Inflation 1924 dem damaligen Reichsarbeitsminister ein Fonds zur Verfügung gestellt wurde, aus dem er die Betriebe oder die betrieblichen Altersversorgungseinrichtungen mit Mitteln versehen konnte, wenn sie aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage waren, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dabei war es vollkommen gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch bestand oder ob der Anspruch aus einer freiwilligen Leistung hergeleitet wurde. So ist es auch ganz gleich, ob nun die Betriebe und die Unternehmungen noch oder nicht mehr vorhanden sind und ob die Unterstützungseinrichtungen dadurch aufgelöst worden sind, daß der Betrieb in der Ostzone enteignet wurde oder nicht mehr besteht oder daß der Betrieb in der Bundesrepublik demontiert wurde.
Ausgehend von diesem Grundgedanken sind auch die Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone und in Ost-Berlin unter dem Gesichtspunkt der Nachwirkungen des Krieges zu betrachten. Die Enteignungsmaßnahmen sind im Schutze und mit dem Willen der Besatzungsmacht geschehen, um die politischen Ziele gegen die Auffassung von Recht und Freiheit zum Tragen zu bringen. Also handelt es sich hierbei um Maßnahmen, die infolge des Krieges ergriffen worden sind. Die Enteignung, die in unseren Augen eine illegale Maßnahme ist, ist gleichbedeutend mit den Demontagemaßnahmen der Westalliierten in den Betrieben der Bundesrepublik und im Lande Berlin. Diese Maßnahmen hatten bzw. haben einen politischen Hintergrund, auf den ich hier im einzelnen nicht einzugehen brauche. Es geht lediglich um die Feststellung, daß die Betroffenen in beiden Fällen ihren berechtigten Anspruch auf I Altersversorgung durch Kriegseinwirkungen verloren haben. Aus diesem Grunde müssen auch beide Teile gleichbehandelt werden, soweit die Betroffenen ihren Wohnsitz im Bereich der Bundesrepublik und des Landes Berlin haben.
Wir sind der Auffassung, daß die Betroffenen aus den enteigneten Betrieben der sowjetischen Besatzungszone und Ost-Berlins mit in den Rahmen des Ausgleiches fallen. Meine Damen und Herren, einen solchen Antrag abzulehnen, bedeutet, daß man die Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone entgegen der bisherigen Auffassung des Eigentumsbegriffs anerkennt.
Der Abs. b des Antrags meiner Fraktion will, daß Benachteiligungen von Heimatvertriebenen, die Ansprüche auf Leistung der betrieblichen Altersfürsorge verloren haben, vermieden werden. Anspruch nach Abschnitt I Abs. 1 der Richtlinien vom 17. Oktober 1951 hat derjenige, der im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung nach der maßgeblichen betrieblichen Regelung eine Altersfürsorgeleistung erhalten hätte, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits der Rentenfall eingetreten wäre. Im Zeitpunkt des Ausscheidens muß also die in der betrieblichen Regelung für die Erlangung einer Altersfürsorgeleistung geforderte Beschäftigungszeit, die Wartezeit, zurückgelegt sein. Das ist eine harte Bestimmung für den betroffenen Kreis der Heimatvertriebenen. In der Regel war es in der betrieblichen Altersfürsorge so, daß eine Unterstützung nach einer Beschäftigungszeit von 25, 30 bzw. 40 Jahren gewährt wurde. Durch die Vertreibung stehen die Heimatvertriebenen heute oft vor der Tatsache, daß ihnen nur eine kurze
Zeit, vielleicht zwei bis drei Jahre, an der Erfüllung der Wartezeit fehlt, um in den Genuß der Altersfürsorgeunterstützung zu kommen. Sie selbst sind an der Vertreibung, die durch die Kriegsereignisse verursacht wurde, schuldlos. Wir sind der Auffassung, daß in solchen Fällen den Betroffenen die Bundesbeihilfe trotz Nichterfüllung der Wartezeit zu gewähren ist. Wäre die Vertreibung nicht erfolgt, so hätten sie bestimmt in ihren Betrieben die Wartezeit erfüllt und dadurch die Altersfürsorge erhalten.
Der Abs. c des Antrags der SPD-Fraktion will sicherstellen, daß Zeitverluste infolge langfristiger Bearbeitung der Anträge auf Gewährung von Bundesbeihilfen nicht zu Lasten der Berechtigten gehen. Die bisherige Behandlung der Anträge durch die Bundesregierung führte dazu, daß erhebliche Zeitverluste eingetreten sind bzw. Anträge abgelehnt wurden, die sich nach unserer Auffassung auf einen berechtigten Anspruch auf Zahlung der Bundesbeihilfe stützen. Hier muß sichergestellt werden, daß diese Zeitverluste nicht zu Lasten der Antragsteller gehen und daß ihnen die Leistungen vom Zeitpunkt der Antragstellung an gewährt werden.
Zum Schluß darf ich Sie noch darauf hinweisen, daß seit Erlaß der Richtlinien im Jahre 1951 erhebliche Preissteigerungen stattgefunden haben, die Veranlassung von Lohn-, Gehalts- und Rentenerhöhungen waren. Es scheint daher notwendig, eine Überprüfung der bisherigen Höchstsätze — für Invalidenversicherungspflichtige beträgt der Höchstsatz 30, für Angestelltenversicherungspflichtige 50 DM — vorzunehmen und sie entsprechend den gestiegenen Lebenshaltungskosten anzugleichen. Dies erscheint um so notwendiger, als von den ursprünglich im Haushalt eingesetzten 25 Millionen DM nur 6,5 Millionen DM ausgegeben wurden; mit anderen Worten: nur ein Viertel der veranschlagten Summe wurde in Anspruch genommen.
Die finanziellen Möglichkeiten gestatten es, den Ärmsten der Armen gerecht zu werden. Ich darf Sie daher bitten, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.