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ID0210102000

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    2. Deutscher Bundestag — 101. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. September 1955 5617 101. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. September 1955. Nachruf des Präsidenten auf den Abg Schuler 5619 A Gedenkworte des Präsidenten für die Opfer des Unglücks auf Zeche Dahlbusch am 3. August, des Absturzes eines amerikanischen Flugzeugs über dem Schwarzwald am 11. August, der Überschwemmungskatastrophe in den Vereinigten Staaten und des Flutwellenunglücks in Indien und Pakistan 5619 B Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . . . 5651 B Mitteilung über Niederlegung der Mandate der Abgeordneten Traub und Dr. Pfleiderer 5619 C Eintritt der Abgeordneten Dr. Ratzel und Leibing in den Bundestag 5619 C Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn), Neumayer, Jahn (Frankfurt), Bock, Dr. Königswarter, Heye, Walter und Dr. Atzenroth 5619 C Mitteilung über Vereinbarung im Ältestenrat betr. Überweisung der Übersichten über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben an den Haushaltsausschuß 5619 D Überweisung der Übersichten über die Haushaltsausgaben im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1954 (Drucksache 1653) und im 1. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1955 (Drucksache 1658) an den Haushaltsausschuß 5619 D Nächste Fragestunde 5620 A Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestages . . . . 5620 A Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 117, 139, 182, 185, 186, 187, 188, 189, 190 (Drucksachen 878, 1660; 1081, 1611; 1471, 1666; 1535, 1663; 1556, 1560; 1610, 1654; 1614, 1643; 1632, 1646; 1638, 1649) 5620 C Zurückziehung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Lieferung von Futtergetreide an Hühnerherdbuch- und Vermehrungszuchten (Drucksache 1380) 5620 C Mitteilung über Vorlage der Verordnung Z Nr. 3/55 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1955, des Berichts des Bundesministers für Wirtschaft betr. Entwurf eines Energiewirtschaftsgesetzes (Drucksache 1647) und des Berichts des Bundesministers der Finanzen betr. Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Freimachung der Stadt Bad Oeynhausen (Drucksache 1652) 5620 D Geschäftliche Mitteilungen . 5620 D, 5626 C, 5651 C Große Anfrage der Fraktion der DP u. Gen. betr. Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt (Drucksache 1476) . . . . 5620 D Schneider (Bremerhaven) (DP), Anfragender 5620 D, 5621 A Dr. -Ing. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 5622 A Müller-Hermann (CDU/CSU) . . . 5623 D Wehr (SPD) 5624 B Rademacher (FDP) 5625 D Große Anfrage der Fraktion der SPD betr Mineralölpreise (Drucksache 1557) . . 5626 C Schmidt (Hamburg) (SPD), Anfragender 5626 C, 5638 B Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft . . 5630 D, 5640 A Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 5633 A Schloß (FDP) 5635 D Beratung der Übersicht 13 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen nach dem Stand vom 15. August 1955 (Drucksache 1645) . . 5640 C Beschlußfassung 5640 C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (Drucksache 1585) 5640 C Überweisung an die Ausschüsse für Geld und Kredit, für Finanz- und Steuerfragen und für Wirtschaftspolitik . . . . 5640 C Erste Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Drucksache 1617) . . 5640 D Überweisung an die Ausschüsse für Außenhandelsfragen und für Geld und Kredit 5640 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Statistiken der Steuern vom Einkommen (Drucksache 1639) 5640 D Überweisung an die Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen ,und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 5640 D Beratung des Entwurfs einer Zweiundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Stärke und Stärkemehl) (Drucksache 1637) 5641 A Überweisung an die Ausschüsse für Außenhandelsfragen und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 5641 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Pionier-Übungsplatzes auf der Teerhofinsel in Lübeck (Drucksache 1644) 5641 A Überweisung an den Haushaltsausschuß 5641 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Berlin an der Gemeinnützigen Wohnungsbau AG Groß-Berlin (Gewobag) (Drucksache 1655) 5641 B Überweisung an den Haushaltsausschuß 5641 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Bestimmungen über den Seidenbau (Drucksache 1616) . . 5641 B Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 5641 B Erste Beratung des von den Abg. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes (Drucksache 1629) 5641 B Überweisung an die Ausschüsse für Wiederaufbau und Wohnungswesen und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 5641 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Einfluß von Eignungsübungen der Streitkräfte auf Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer und Handelsvertreter sowie auf Beamtenverhältnisse (Eignungsübungsgesetz) (Drucksache 1591) 5641 C Dr. Menzel (SPD) 5641 D Sabel (CDU/CSU) 5642 A Petersen (GB/ BHE) 5642 A Überweisung an die Ausschüsse für europäische Sicherheit, für Arbeit, für Sozialpolitik, für Beamtenrecht und für Rechtswesen und Verfassungsrecht 5642 B Erste Beratung des von den Abg. MeyerRonnenberg u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Ladenschluß (Drucksache 1461) 5642 C Überweisung an die Ausschüsse für Arbeit, für Wirtschaftspolitik, für Sonderfragen des Mittelstandes und für Verkehrswesen 5642 C Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (Drucksache 1631) 5642 D Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen . . . . 5642 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Arbeitslosenversicherung (Drucksache 1411); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 1633) 5642 D Beschlußfassung 5642 D Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Moskauer Besprechungen) (Drucksache 1685) 5643 A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5643 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 5647 C Unterbrechung der Sitzung . . 5647 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Sozialversicherung vom 5. Mai 1953 nebst .Schlußprotokoll und Zusatzvereinbarung (Drucksache 1642) 5647 D Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 5647 D Erste Beratung dies Entwurfs eines Gesetzes über den Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 11. ,Mai 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba (Drucksache 1650) 5648 A Überweisung an die Ausschüsse für Außenhandelsfragen und für Verkehrswesen 5648 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Libanon vom 8. März 1955 auf idem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Drucksache 1640) 5648 A Überweisung an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheber recht 5648 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 4. November 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über den Schutz der Urheberrechte ihrer Staatsangehörigen an Werken der Tonkunst (Drucksache 1597) 5648 A Überweisung an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheber recht 5648 B Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden (Drucksache 1651) 5648 B Überweisung an die Ausschüsse für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 5648 B Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 472) . . . 5648 B, 5651 D Beschlußfassung 5648 B Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Steuererleichterung für die Anschaffung von Haushaltsgeräten (Drucksache 1630) 5648 C Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 5648 C Absetzung des Antrags der Abgeordneten Mensing und Genossen betr. Durchführung von Betriebsprüfungen und Steuerfahndungen durch die Finanzämter (Drucksache 919) von der Tagesordnung . 5648 C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bundesbeihilfen zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge (Drucksache 1312) . . . 5648 D Heinrich (SPD), Antragsteller . . . 5648 D Storch, Bundesminister für Arbeit 5649 D Stingl (CDU/CSU) 5650 B Frau Finselberger (GB/ BHE) . . . 5650 D Oberweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Haushaltsausschuß 5651 C Nächste Sitzung 5651 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5651 B Anlage 2: Interfraktioneller Antrag betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 472) 5651 D Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Dr. Pferdmenges 15. Oktober Bauer (Wasserburg) 17. Oktober Altmaier 15. Oktober Kühn (Bonn) 10. Oktober Dr. Horlacher 8. Oktober Anlage 2 Umdruck 472 (Vgl. S. 5648 B) Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Josten, Walz, Trittelvitz, Jacobs, Lahr, Feller, Schneider (Bremerhaven) und Genossen betreffend Zahlung der Beförderungsteuer von Besuchern aus dem Saargebiet (Drucksache 1612) an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (federführend), an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen, an den Haushaltsausschuß; 2. Antrag der Abgeordneten Maucher, Bauknecht, Kiesinger, Finckh und Genossen betreffend Ausbau der Bundesstraßen 30, 312 und 10 (Drucksache 1625) an den Haushaltsausschuß (federführend), an den Ausschuß für Verkehrswesen. Bonn, den 16. September 1955 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Dr. Mocker und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    Rede von Hanns Schloß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser temperamentvoller Kollege Schmidt hat zu Beginn seiner Ausführungen bedauert, daß die Mineralölgesellschaften sich leider nicht im Zustand der öffentlichen Anklage befänden. Das hat in diese Diskussion eine gewisse scharfe Note gebracht, die glücklicherweise durch die sehr sachlichen und gut fundierten Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann wesentlich gedämpft worden ist. Wenn ich hier das Wort zu diesem Thema ergreife, dann deswegen, weil ich in einer privatwirtschaftlichen Position in der Mineralölwirtschaft tätig bin -- was ich hier öffentlich bekenne — und die Probleme von der letzten Stelle,


    (Schloß)

    nämlich vom Vertrieb aus, sehr gut übersehe und kenne. Ich bin allerdings nicht in einer Position bei den sogenannten big-boss-Firmen, sondern eher bei einer Firma, die die Rolle eines Außenseiters spielen könnte und zum Teil auch spielt.
    Das umfassende Zahlenmaterial über die Situation in der Mineralölwirtschaft, das Herr Müller-Hermann gebracht hat, kann ich in jeder Weise unterstreichen. Er hat mir insofern das Konzept verdorben, als ich als Redner nach ihm diese Dinge nun nicht mehr von mir aus bringen kann. Ich möchte aber doch noch ein paar Streiflichter aufsetzen und dabei im wesentlichen auf Zahlen verzichten.
    Der fundamentale Irrtum, dem die Befürworter dieser Attacke auf die Mineralölgesellschaften unterliegen, besteht nach meiner Auffassung darin, daß sie nur e i n Erzeugnis des umfassenden Produktionsprogramms der Mineralölwirtschaft in die Diskussion werfen und dabei wirklich übersehen, daß es sich um ein Koppelprodukt handelt. Die Mineralölgesellschaften bringen einige hundert verschiedene Erzeugnisse auf den Markt. Es ist auch eine vollkommen irrige Auffassung, anzunehmen, man könne Vertriebsgesellschaften von den Raffinerien trennen. Gerade bei den großen Firmen, die hier angegriffen wurden, besteht ein enger und eindeutiger Zusammenhang zwischen Produktion und Vertrieb.
    In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung befand sich vor einigen Wochen im Laufe der Auseinandersetzungen über die Benzinpreise auch ein Artikel eines Herrn Jürgen Eick, der offensichtlich von Unterhaltungen inspiriert war, die er mit den Sachkennern der Mineralölwirtschaft gehabt hat.
    In diesem Artikel hat Herr Eick nicht nur die objektiven Sachverhalte, die von den Gegnern der Mineralölgesellschaften ins Feld geworfen wurden, sondern auch die Mineralölwirtschaft selber zu Wort kommen lassen. Er brachte den netten Vergleich mit dem Schafzüchter, der auch nicht genau sagen könne, welche Kostenaufwendungen er einmal für die Wolleerzeugung und zum andern für die Fleischerzeugung beim Schaf habe. Viel komplizierter liegen die Dinge in der Mineralölwirtschaft. Wenn schon einmal eine Überprüfung des Geschäftsgebarens dieses bedeutenden Zweiges unserer Volkswirtschaft stattfinden wird, bin ich überzeugt, daß die Prüfer, die in diesem Falle nicht Parlamentarier sein werden, sondern die unserer Verwaltung entstammen müssen, die nötige Objektivität aufbringen, das Ganze zu sehen.
    Bei der Kritik an den Mineralölgesellschaften scheint mir überhaupt mehr oder weniger ein Politikum erster Ordnung vorzuliegen. Herr Kollege Schmidt hat unter den drei Motiven, die er dargelegt hat, an letzter Stelle das kartellpolitische Interesse erwähnt. Ich darf wohl sagen, wir haben hier im Hause allgemein den Eindruck gehabt, daß das Ihr maßgebliches Interesse an dieser Diskussion war.
    Auf die fünf Fragen der SPD ist hier in einer Reihe von Darlegungen eingegangen worden. Ich möchte aus meiner Sachkenntnis ein paar Randbemerkungen dazu machen.
    Zunächst einmal ist der Herr Vertreter des Wirtschaftsministeriums der Gretchenfrage, ob er den Preis für angemessen halte, recht faustisch ausgewichen. Es ist ganz natürlich, daß die Frage in dieser Verallgemeinerung — vor Verallgemeinerungen sollten wir uns ohnehin hüten, wenn wir in diese Dinge hineinsteigen — gar nicht beantwortet werden kann. In diesem Hause und ganz besonders im Wirtschaftsministerium ist eindeutig das Bestreben vorhanden, in dieser Zeit der Preis-und Lohnbewegung jede Tendenz zu fördern, die der Preissenkung dient. Diese Tendenz darf auch vor der Mineralölwirtschaft nicht haltmachen. Dem Appell des Herrn Müller-Hermann, die Mineralölwirtschaft möge den Rechenstift nehmen und sehr scharf kalkulieren, um das ihre dazu beizutragen, daß die Preise, in diesem Falle die Mineralölpreise, insgesamt nach unten tendieren, ist von diesem Hause ja auch Beifall gespendet worden.
    Meine Damen und Herren! Herr Schmidt hat dann insbesondere das kartellähnliche Verhalten der Gesellschaften angegriffen. Ich möchte ganz entschieden Einspruch gegen diesen Vorwurf erheben. Ich selbst kenne in der äußersten Vertriebsorganisation die divergierenden Interessen, das Gegeneinander, den scharfen Kampf um den letzten Kunden und habe mir manches Mal die Zeiten zurückgewünscht, die vor dem Kriege bestanden, als die Gesellschaften tatsächlich kartellähnliche Abmachungen hatten; sie widersprachen ja den Gesetzen nicht, da damals nach den Abmachungen des „Blauen Buches", wie das im Treibstoffwesen hieß, ganz klares Verhalten der Konkurrenten am Markt zu erkennen war. Wenn sich heute der Marktkampf im Tankstellengeschäft, im Tankstellenpreis nicht sichtbar dokumentiert, so darf man doch sagen, daß er in allen anderen Sparten des Geschäfts sich wild austobt. Hier ist erwähnt worden, daß der Service, die Qualitätsverbesserung eine dieser Verlagerungsmöglichkeiten für einen echten Wettbewerb sei. Ich darf Ihnen sagen, daß schon das Umwerben von Tankstelleninteressenten einen derartigen Wettbewerb auslöst. Der Mann, der heute einen gut gelegenen, verkehrsgünstig gelegenen Platz hat, ist in der Lage, in souveräner Weise die Bedingungen zu stellen und zu bestimmen, unter denen eine Treibstoffgesellschaft mit ihm arbeitet; und diese Bedingungen sind — das werden Ihnen all diese klugen Leute, die die Mineralölgesellschaften in den letzten Jahren mit solchen Plätzen beglücken konnten, bestätigen — von Fall zu Fall besser geworden.
    Wenn aber heute behauptet wird, die Mineralölgesellschaften schlössen „Knebelungsverträge" ab - wie das in einer Denkschrift, die dem Hause vorgelegt worden ist, behauptet wird —, so kann man dazu nur sagen: Beachten Sie bitte die rechtliche Behandlung von Auseinandersetzungen! Sämtliche deutschen Gerichte — und das sind maßgebende deutsche Gerichte, und Urteile liegen mir vor —, die in den letzten Jahren in Anspruch genommen worden sind, das Unmoralische oder Ungesetzliche solcher Ausschließlichkeitsverträge zu verdammen, haben Urteile gesprochen, die für die Mineralölgesellschaften günstig sind. Es handelt sich hier um Verträge, die zwischen zwei Partnern abgeschlossen werden, von denen keiner unter Druck steht, von denen jeder freiwillig seiner Meinung Ausdruck geben kann; und es ist ein höchst merkwürdiges Verfahren, wenn ein Partner, der ohne Druck und freiwillig einen Vertrag geschlossen hat, sich nach einer gewissen Zeit über eine Organisation an das Parlament wendet und dort praktisch die Diffamierung dieser Verträge anstrebt. Wir sollten sehr vorsichtig sein, in Bausch und Bogen ein derartiges Verfahren für richtig zu halten.


    (Schloß)

    Ich verkenne nicht, daß aus der Vorkriegszeit Verträge bestehen, deren Charakter nach unserer heutigen Auffassung nicht mehr tragbar ist. Aber auf diesem Gebiet hat sich nach der Auflösung des Zentralbüros für Mineralöl, die neue Verträge mit den Tankstellenhaltern notwendig machte, ein Wandel vollzogen, und es kann von Knebelungsverträgen keine Rede sein. Insbesondere sind die Verträge, die ich eingesehen habe, und die zum Teil von der Konkurrenz stammen, durchaus auf ein zweiseitiges Kündigungsrecht abgestellt. Aber vergessen Sie nicht: der Tankstellenhalter, der im Sinne des Gesetzes Agent, also Handelsvertreter ist, muß seine Preisdirektiven und seine Verhaltensdirektiven von der Firma übernehmen, die ihm die Verkaufseinrichtungen stellt und die einen Markenartikel feilhält. Das ist nicht nur in der Mineralölwirtschaft Usus, das ist in einer ganzen Reihe von Produktionszweigen der Fall; ich darf nur an die gebundenen Preise der Automobilfirmen und ähnliches erinnern. Meine Damen und Herren, daß das im Sinne der freien Marktwirtschaft keine Idealzustände sind und daß sie irgendwie einer Bereinigung bedürfen, ist klar; und daß die Mineralölwirtschaft, nachdem sie eine gute Entwicklungsmöglichkeit vor sich sieht, auf diesem Gebiet mit gutem Beispiel vorangehen müßte, das ist nicht nur ein Wunsch, den wir hier laut äußern, sondern das dürfte auch in vielen Kreisen der Mineralölwirtschaft allmählich durchgedrungen sein. Wenn sich aber eine etwas sture Haltung in Kreisen der Mineralölwirtschaft gezeigt hat, dann nicht zuletzt deswegen, weil die Angriffe vielfach sehr unsachlich vorgetragen worden sind

    (Lachen bei der SPD)

    und weil man die wirkliche Situation dieses Wirtschaftszweiges oft völlig außer acht gelassen hat.

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: Das ist ja albern!)

    Wenn es große Preisunterschiede beispielsweise zwischen dem Schweizer Bezinpreis und dem deutschen gibt, dann spielt dabei eine ganze Reihe von Umständen mit, die die . Mineralölwirtschaft nicht auf dem Kerbholz hat. Daß sie ihre langfristigen Investionen in den letzten Jahren mit kurzfristigen Mitteln und gegenüber der Schweiz oder dem Ausland überhaupt sehr überhöhten Zinssätzen hat durchführen müssen und daß sie diese Investionen über den Preis abgewälzt hat, das ist auch ein Vergehen, wenn Sie das so nennen wollen, das praktisch der gesamtdeutschen Wirtschaft zur Last zu legen ist und das seine Ursache in unseren besonderen Kapitalmarktverhältnissen hat. Darüber hinaus hinkt der Vergleich mit der Schweiz insofern, als dort eine durch keinerlei Kriegsverluste intakt gebliebene Organisation besteht, wie sie in Deutschland eben nicht existierte. Hier waren erhebliche Neuinvestitionen mit allen Belastungen notwendig. Außerdem ist der Fall Dudweiler — um diesen berühmten Fall einmal anzuschneiden; Herr Kollege Müller-Hermann hat das nicht gesagt — in der Schweiz deswegen möglich, weil hier wirklich nur ein einzelnes Produkt angeboten wird, das auf dem Weltmarkt unter Preisdruck stand, und weil Herr Dudweiler auf Kopplungsprodukte, die mit Verlust verkauft werden müssen, wie Dieselkraftstoff und ähnliche, keinerlei Rücksicht zu nehmen brauchte. Er befand sich hier in derselben Lage wie bei seinem seinerzeitigen Start mit Teigwaren, die er zu billigen Preisen auf den Schweizer Markt warf.
    Die Rücksichtnahme auf die Gesamtsituation der Raffinerien führt in Deutschland zu dem überhöhten Benzinpreis, und ich bin der Überzeugung, daß die Mineralölwirtschaft auf diesem Gebiet im Zuge der Gesamtentwicklung in der nächsten Zeit einen bedeutenden Fortschritt machen kann. Es ist Ihnen ja bekannt, daß die deutsche Energieversorgung in diesem klassischen Kohlenland im allgemeinen unter dem erschütternden Eindruck steht, daß wir für unsere deutsche Kohlenförderung, die dem Bedarf nicht mehr nachkommen kann, Ersatz suchen müssen. Die Mineralölwirtschaft wird nun in den nächsten Jahren in verstärktem Maße eines ihrer bisher unter Preisdruck stehenden Produkte, nämlich das Heizöl, das dem Gasöl sehr nahe verwandt ist, auf den Markt bringen können, und die Kalkulation der Mineralölwirtschaft wird damit auf vollkommen neue Grundlagen gestellt werden. Wenn Sie Fachzeitschriften und Informationsdienste der Mineralölwirtschaft lesen, dann werden Sie sehen, daß seit geraumer Zeit auf dieses Faktum hingewiesen wird. Hier ist auch die Ursache dafür zu suchen, daß die Mineralölwirtschaft noch laufend investiert. Sie tut das nicht, um die Verworrenheit am Benzinmarkt zu erhöhen, sondern sie tut das, um im Rahmen der gesamten Energieversorgung auf dem Heizölsektor, auf dem Gasölsektor die Bedürfnisse zu befriedigen, die in verstärktem Maße in den nächsten Jahren auf uns zukommen. So rechnet man mit einer Verfünffachung bis Versechsfachung des Heizölbedarfs in der Bundesrepublik im Laufe der nächsten drei bis vier Jahre.
    Meine Damen und Herren! Die Kritik an den Treibstoffgesellschaften ist meiner Ansicht nach insofern verfehlt, als sie einen Spezialfall konstruiert und die Gesamtsituation unserer Wirtschaft nicht sieht. Insofern möchte ich aufs deutlichste noch einmal unterstützen, was Herr Kollege Müller-Hermann gesagt hat. Nun aber noch zu konstruieren, die Treibstoffgesellschaften trieben an den Tankstellen eine gleiche Preispolitik und daher sei also zu erkennen, daß sie Absprachen träfen, ist auch grundsätzlich falsch.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Hat ja niemand behauptet!)

    Bisher haben die Treibstoffgesellschaften — ich erinnere an die Denkschrift, Herr Kollege Schmidt! —, wenn eine von ihnen eine Preissenkung durchgeführt hat, nachziehen müssen. Diese Gleichzeitigkeit des Nachziehens hat mit einer kartellähnlichen Abrede nichts zu tun.
    Im übrigen hat Herr Kollege Schmidt bedauert, daß - die Bundesregierung keine Handhabe in irgendeinem Kartellgesetz oder etwas Ähnlichem besitze, gegen die Treibstoffgesellschaften vorzugehen. Ich glaube, er hat die Frage nur deshalb gestellt, weil er wünscht, daß die Regierung auf diesem Gebiete eine größere Aktivität entfaltet. Die Bundesregierung hat sehr wohl Möglichkeiten und hatte sie in der Vergangenheit auch; denn wir hatten ja die Kartellgesetze der Alliierten, die bis zur Aufhebung des Besatzungsstatuts im Schwunge waren. Es ist hier interessant, daß alle Versuche von interessierter Seite, die Treibstoffgesellschaften wegen ihres Ausschließlichkeitsvertrages über dieses Kartellgesetz anzugreifen, mißlungen sind und daß maßgebliche Äußerungen unserer seinerzeitigen alliierten Oberbefehlshaber vorlagen, daß das Geschäftsgebaren der Gesellschaften nicht unter die Kartellverbote der Alliierten falle. Wir wollen in diesem Falle nicht katholischer sein als der Papst. Wir wünschen sehr wohl, daß der Herr Wirtschaftsminister, der sich in diesem Falle Ihrer


    (Schloß)


    (zur SPD) vollen Unterstützung erfreuen darf, alle Versuche, den Markt zu beherrschen und ein Preisdiktat auszuüben, über dieses Kartellgesetz im Keime erstickt. Sie finden da auf der anderen Seite des Hauses genau so ernste Befürworter wie in Ihren eigenen Reihen, wenn auch aus ganz verschiedenen Motiven heraus. Aber wir wünschen nicht, daß eine Wirtschaftsgruppe allein diffamiert und in öffentlichen Anklagezustand versetzt wird, wie es in diesem Hause gefordert wurde. Vergessen Sie nicht: der Mineralölwirtschaft haftet mehr als jeder anderen — das geht schon an mit den Entdeckungen und Bohrungen von Erdölfeldern — das Moment des Spekulativen, des Waghalsigen und der Vorwegnahme von künftigen Entwicklungen an. Dieses spekulative unternehmerische Element erfordert in ganz besonderem Maße Persönlichkeiten, die Verantwortung tragen und die ins Große und ins Weite denken. Was die Mineralölgesellschaften — zu deren Befürworter ich mich im übrigen in keiner Weise machen möchte — an wissenschaftlicher und technischer Forschung jahraus jahrein leisten — betrachten Sie sich die Verfeinerung der Produktionsverfahren usw., betrachten Sie sich die imponierend großen Laboratorien, die nicht nur für den Treibstoffmarkt entscheidende Ergebnisse erzielt haben, sondern auch für die pharmazeutische Wirtschaft —, all das beinhaltet für uns, daß wir mit einer gewissen Behutsamkeit an die Frage des Geschäftsgebarens der Mineralölgesellschaften herantreten sollen. Wir wünschen, daß die Initiative möglichst von den Mineralölgesellschaften selbst ausgeht, daß darüber hinaus aber der Herr Bundeswirtschaftsminister seinerseits sich auch einmal Gedanken darüber macht, wie er das Knäuel der allgemeinwirtschaftlichen Situation — siehe Kapitalmarkt, ) siehe Regelung kurzfristiger Verpflichtungen, siehe Abwälzung der Investionskosten auf den Preis — zerhaut. Hier gilt mehr als in ästhetischen Betrachtungen das Wort: „Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr ihn der Pein!" Man kann anklagen, man kann volkstümliche Forderungen erheben, man kann Beispiele aufstellen von großen Außenseitern, aber man kann die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß die deutsche Mineralölwirtschaft in den letzten Jahren nach ganz erbärmlichen Anfängen mit Verlustabschlüssen den Mut gehabt hat, Investitionen auf sich zu nehmen in einem Zeitpunkt, als die Lethargie in anderen Wirtschaftszweigen und die politische Situation solche Investionen noch in keiner Weise gerechtfertigt haben. Die deutsche Mineralölwirtschaft kann von Ihnen verlangen, daß ihr Geschäftsgebaren objektiv betrachtet wird, und ich gebe der Erwartung Ausdruck, daß dies auch in der Tat geschieht.


    (Beifall rechts.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mir am Ende dieser Aussprache ein paar Bemerkungen zu den einzelnen Beiträgen erlauben. Ich darf mit Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär Westrick, beginnen, die mir im Gesamtzusammenhang bei weitem als die bedeutsamsten erschienen sind. Ich gebe gern zu, Sie und auch Ihr Ministerium haben sich nicht als Außenseiter erwiesen — aber auch nicht als insider, Herr Westrick, um im Bild zu bleiben —, sondern Ihre Antwort war, wenn ich sie in zwei Sätzen zusammenfassen darf, eine janusköpfige Antwort. Sie lautete erstens: Teils ja, teils nein; und zweitens: Genaueres weiß man nicht. Aber Sie haben nicht gesagt: Genaueres weiß man noch nicht. „Wir haben zwar Zahlen", haben Sie gesagt, aber Sie haben sie hier nicht ausgesprochen. Ich hoffe, daß man das Wort „noch" bei Ihrer Antwort einfügen darf, damit es auf diesem Markt zukünftig doch etwas klarer wird.
    Eine Richtigstellung in bezug auf das Verkehrsfinanzgesetz hat Herr Müller-Hermann schon gegeben; ich möchte nicht darauf eingehen. Aber ich möchte hervorheben, daß Sie, Herr Staatssekretär Westrick — und damit der Herr Bundeswirtschaftsminister —, wörtlich zum Ausdruck gebracht haben, man neige in seinem Hause zu der Ansicht, daß bei Benzin preisliche Zugeständnisse gemacht werden sollten. Sie haben „sollten" gesagt, nicht „könnten". Das scheint mir doch ein durchaus bemerkenswertes Ergebnis dieser Debatte zu sein, wenngleich es nun noch erheblicher Anstrengungen bedarf, um aus diesem Soll-Satz nachher einen tatsächlichen Vollzug werden zu lassen.
    Sie haben des weiteren geantwortet, daß der Wettbewerb nicht voll wirksam sei; später haben Sie gesagt, es liege kein „echter" Wettbewerb vor. In diesem Zusammenhang war mir sehr interessant, daß Sie gesagt haben: Leider; die paar kleinen Außenseiter verfügen ja in ihrer Vereinzelung nicht über genug Einfluß! Damit war angedeutet und der Gedanke nahegelegt — das ist ein sehr interessanter Vorgang, meine Damen und Herren —, wenn die Außenseiter ein bißchen weniger vereinzelt wären, d. h. ein bißchen mehr Tuchfühlung miteinander hätten, ob sie dann nicht vielleicht etwas mehr Einfluß im Sinne, sagen wir, der allgemeinen Preissenkungstendenzen ausüben könnten. Das ist wirklich erstaunlich. Hier ist auf dem Hintergrund der Ideologie des reinen Wettbewerbs in der konkreten Situation eines Oligopols die Vorstellung, man könne mit einem neuen zusätzlichen Oligopolisten das bisherige Oligopol verändern. Ich glaube nicht, daß das geht. Damit kann man vielleicht einen Augenblickserfolg erzielen, aber auf die Dauer können Sie bei drei oder vier großen Vertriebskonzernen die Sache nicht dadurch besser machen, daß Sie einen fünften großen danebenstellen, Herr Westrick! Das geht nicht. Das mag vielleicht einen kurzfristigen Erfolg erzielen. Aber auf die Dauer können Sie nicht umhin, von hoher Hand aus in diesen Markt einzugreifen und aufzupassen. Auf die Dauer brauchen Sie eben nicht noch einen Außenseiter, sondern Sie brauchen die Sanktionen, die Ihnen hoffentlich das Kartellgesetz gibt. Anders kommen Sie auf dem Mineralöl-Markt nicht zu Rande.
    Wenn hier nun Herr Westrick und nachher auch Herr Schloß, — das an dessen Bemerkungen mir Sympathischste gewesen ist, daß er von Anfang an bekannte, nicht aus der Branche zu kommen, was allerdings entschuldigt, daß er nachher mit einer gewissen Branchen- und Betriebsblindheit gesprochen hat, eine Reihe von Argumenten vorgetragen haben, weshalb die Preise in Deutschland so hoch sind — höhere Oktanzahl, geringerer Tankstellenumsatz usw. —, dann muß man doch sagen: das alles sind zwar sachlich zutreffende Hinweise, aber die Tatsachen, die hier mit Recht behauptet werden, daß z. B. die Oktanzahl in Deutschland höher ist als in sämtlichen anderen westeuropä-


    (Schmidt [Hamburg])

    ischen Ländern, sind doch Folgen des ungleichgewichtigen Marktes. Wenn Sie nicht diese Marktform hätten, in der die Konzerne in einem erbitterten Quotenkampf, in einem erbitterten Kampf um den Marktanteil sich befinden, dann würde man den Unfug mit der künstlich überzüchteten deutschen Oktanzahl nicht gemacht haben. Sämtliche europäische Motoren laufen mit wesentlich niedrigerer Oktanzahl. Herr Westrick hat Beispiele genannt: Frankreich, England. Eine Folge des Ungleichgewichts auf dem Markt ist, daß man den Wettbewerb auf solche Gebiete wie Überzüchtung der Oktanzahl verlagert hat. Da hat auch die deutsche Automobilindustrie einen Teil schuld. Es ist eine Folge dieses Ungleichgewichts, daß man nun die Überinvestitionen auf dem Tankstellensektor hat: an jeder Ecke gleich drei Tankstellen, die infolgedessen nicht leben können! Jede Mineralölgesellschaft hat Tankstellen noch und noch und noch geschaffen. Sicher, die können jetzt mit Recht sagen: Die Tankstellenleute müssen höhere Provisionen haben als im Ausland, sonst können die Kerls nicht leben! Aber die Ursache ist, daß man so viele Tankstellen geschaffen hat, und die Ursache dafür ist das Ungleichgewicht auf dem Markt, die Tatsache des Oligopols, die auch Herr Westrick hervorgehoben hat.
    Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß man in dieses Oligopol eingreifen muß mit den Möglichkeiten, die einem das Wettbewerbsgesetz gibt — oder geben sollte.
    Herrn S c h l o ß darf ich sagen: wenn wir uns hier gerade an den Preisen aufgehängt haben, so sicherlich deshalb, weil man an den Preisen die ganze Geschichte am besten darstellen kann. Aber ich verkenne nicht, Herr Schloß — ich habe mich wirklich sehr lange und eingehend mit den Dingen beschäftigt, auch wenn ich von Haus aus nicht Mineralölverkäufer bin —, daß das ein sehr vielschichtiges Problem ist und sehr viele sachliche Fragen dahinter stehen. Das muß man einmal im Ausschuß behandeln; man kann ja auf diese ganzen Dinge nicht im Plenum eingehen. Wir werden einen Weg finden müssen, um die Mineralölfrage dem zuständigen Ausschuß, d. h. dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zuzuweisen. Vielleicht muß man dazu formell noch einen Antrag nachreichen.
    Aber eins hat mich an der Antwort von Herrn Staatssekretär Westrick enttäuscht. Er hat gesagt: Wir hoffen erstens auf das Kartellgesetz, und zwei- tens werden wir unsere Gespräche fortsetzen. — Es ist also die Methode Coué: freundlich zureden, und dann werden sie schon! Also hoffentlich, ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Westrick! Wir werden ja in vier oder sechs Wochen diese Debatte wieder führen müssen, wenn es Ihnen bis dahin nicht gelungen sein sollte.
    Zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Müller-Hermann möchte ich nicht sehr viel bemerken. Auch. er hat einige sachliche Einzelheiten mit Recht hervorgehoben. Ich würde glauben, daß auch sie im Ausschuß behandelt werden sollten. Es hat keinen Sinn, eine Detaildebatte hier im Plenum zu führen.
    Aber eins fand ich nicht ganz nett und auch nicht ganz geschickt von Ihnen, Herr Müller-Hermann: wieso haben meine Ausführungen vorhin die Absicht gehabt, mir die Gunst der Mineralölkonzerne zu erhalten? Ich glaube gar nicht, daß Sie das im
    Ernst gesagt haben. Glauben Sie wirklich, daß die Konzerne freudig erregt gewesen sind über die Ausführungen am Anfang dieser Diskussion? Das glaube ich wirklich nicht. Ich glaube vielmehr, sie waren doch peinlich berührt, oder ich hoffe das. Es geht hier nicht um die Gunst der Mineralölgesellschaften, es geht um den Respekt vor einer sachlich begründeten Meinung, den wir verlangen können. Denn ich habe das Gefühl, auch einschließlich des Herrn Schloß hat hier niemand gesprochen und es hat auch niemand Zwischenrufe gemacht, der etwa in der Tendenz gegenteiliger Ansicht gewesen wäre als die Fragesteller. Die Tendenz war in abgeschwächtem Grade bei Herrn Westrick und bei allen Rednern die gleiche wie bei den Fragestellern. Diese Tendenz ist bei dem einen sachlich etwas stärker nach dieser Richtung begründet, bei dem andern mehr nach jener Richtung. Im Ausschuß wird sich herausstellen, daß man über die sachlichen Fragen zu verhältnismäßig weitgehender Einmütigkeit in der Auffassung kommen kann. Aber die Tendenz insgesamt ist sachlich begründet. — Herr Schloß nickt mit dem Kopf, ich bin dafür dankbar. — Vor dieser sachlich begründeten Meinung des Parlaments, daß auf dem Mineralölsektor die Preise nicht in Ordnung sind und daß sie herunter müssen, erwarten wir Respekt. Und ich glaube, daß Sie mit dem Respekt allein nicht auskommen, sondern auch einen Knüppel hinter der Tür brauchen, Herr Westrick; schaffen Sie sich den Knüppel an!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und vereinzelt in der Mitte.)

    Ich möchte nun aber noch eine Einzelbemerkung machen dürfen, Herr Schloß, zu Ihren Ausführungen, es liege kein Kartell vor. Zunächst einmal, soweit wir von unserer Seite Ausführungen gemacht haben, haben wir nur behauptet, es liege eine kartellähnliche Situation vor. Aber was ist denn z. B. die AEV, die jedes Jahr im vorhinein festsetzt, welche Raffinerie wieviel hunderttausend Tonnen durchsetzt und ob diese hunderttausend Tonnen aus Venezuela oder Nahost kommen? Ist das nicht etwas, was wirklich den Ausdruck „kartellähnliche Organisation" verdient? Sagen Sie bloß nicht, dás seien nachträgliche Feststellungen, die sich aus der statistischen Zusammentragung der Einzelentscheidungen der verschiedenen Raffinerien und Verkaufsgesellschaften ergäben! Das ist nur ein Beispiel für viele. Es lassen sich wirklich sehr viele Beispiele anführen. Ich glaube, es wäre besser, diese Debatte nicht zu vertiefen.
    Ich möchte zum Schluß auch auf ein anderes Argument eingehen, das Herr Schloß gebracht hat. Er meinte, es sei doch unfair, nun eine einzelne Branche zu diskriminieren. Mir hat ferngelegen, diese Herren zu diskriminieren. Ich habe ausdrücklich gesagt, sie handeln im Rahmen der gegebenen Rechts- und Wirtschaftsordnung. Es kann sie niemand anklagen, gegen irgendein Gesetz zu verstoßen. Wenn wir das nicht wollen, was die Auswirkungen davon sind, müssen wir eben das Gesetz, die Rechtsordnung und die Wirtschaftsordnung ändern. Ich habe sie nicht diskriminiert. Aber ich wehre mich auch dagegen, daß Sie sagen, wir hätten eine einzelne Branche herausgenommen. Wir werden vielleicht demnächst eine andere Branche, die möglicherweise noch viel interessanter ist, was die Preise angeht, nämlich die Automobilbranche, unter die Lupe nehmen. Man


    (Schmidt [Hamburg])

    kann nicht alles auf einmal, man muß nach und nach der Katze den Schwanz in Scheiben abschneiden!

    (Beifall bei der SPD.)