Rede von
Philipp
Wehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Hohe Haus heute, am ersten Tag nach den Sommerferien, die Ehre hatte, die Antwort des Herrn Bundesverkehrsministers auf die Große Anfrage der Deutschen Partei über den Wiederaufbau der deutschen Passagierschiffahrt entgegenzunehmen, dann liegt das wohl weniger, glaube ich, an einer augenblicklich großen Dringlichkeit in der Sache als in dem Umstand, daß im Lande Bremen eine Neuwahl zur Bürgerschaft ansteht.
Herr Müller-Hermann hat gleichfalls den Termin der heutigen Aussprache beanstandet. Dieser Termin ist zwar in der Sicht der Bremer Wahlen richtig getroffen; doch hätte die Fraktion der SPD gewünscht, daß auch die Antwort auf die Große Anfrage so treffend ausgefallen wäre. Dann hätte nicht nur der Vater dieser Idee seinen Kindern nach Bremen ein nettes Wahlsouvenir mit nach Hause gebracht, sondern das Hohe Haus hätte dann auch mit Befriedigung die Initiative der Bundesregierung zur Kenntnis nehmen können.
Trotz dieser Vorbemerkung möchte ich aber feststellen, daß die Stellung der Frage des Wiederaufbaues der deutschen Passagierschiffahrt nicht einer Partei vorbehalten sein kann oder nur lokale Bedeutung hat. Es handelt sich in der Sache darum, die Pläne der Bundesregierung hierzu tatsächlich einmal kennenzulernen.
Über die Bedeutung einer eigenen nationalen Passagierschiffahrt gibt es wohl keine Meinungsverschiedenheiten hier in diesem Hause. Es ist deshalb nicht notwendig, noch einmal von hier aus die materiellen und ideellen Werte hervorzuheben, da hierüber, glaube ich, keine geteilte Meinung vorhanden ist. Mit einer neuerlichen Deklamation solcher Feststellungen wird die Sache selber nicht vorangetrieben, da niemand mehr von der Notwendigkeit dieses Aufbaus überzeugt werden müßte.
Aber wir waren enttäuscht von der Antwort des Herrn Bundesverkehrsministers, weil er diese Deklamation an die Spitze seiner Ausführungen gestellt und zu ihrem Beweis dann eine Reihe allgemein bekannter Tatsachen angeführt hat, die wir doch jederzeit auch aus der Presse entnehmen konnten. Wir bezweifeln daher auch nicht, daß die Bundesregierung von dem volkswirtschaftlichen Wert der Passagierschiffahrt überzeugt ist. Es ist zwar eine interessante Feststellung, daß die Bundesregierung den Nutzen dieser Passagierschiffahrt nach dem kommerziellen Erfolg bemessen will und daneben auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft überlegt. Aber derartige allgemeine Feststellungen und Überlegungen sagen doch nichts darüber aus, welche Pläne denn nun die Bundesregierung tatsächlich verfolgt. Die Anfrage in der Drucksache 1476 lautet ja auch:
Welche schiffahrtspolitischen Pläne verfolgt die Bundesregierung mit Bezug auf den Ausbau der Passagierschiffahrt?
Die Antwort, die wir vernommen haben, ist ein Hinweis auf die private Initiative zweier Reedereien. Mit anderen Worten: die Bundesregierung hat also keine fertigen Pläne, keine Vorstellungen darüber, was werden soll. Sie ist sich auch darüber nicht im klaren, wie denn nun die private Initiative verwirklicht werden soll.
Immer wieder wird auf das zu geringe Eigenkapital der Reeder hingewiesen. In allen Darstellungen über die Lage zeigt sich, daß rund 40 % bei der Finanzierung der Neubaupläne fehlen. Um diese 40 % ist in der Presse eine eifrige Diskussion gepflegt worden, seitdem die 7d-Gelder nicht mehr fließen. Die übrigen 60 % sollen sich aus 20% Eigenmitteln und 40 % Mitteln aus ersten Hypotheken zusammensetzen. Die fehlenden Gelder, die auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen wären, werden kaum aufzubringen sein, wenn der Zinssatz, der hier für den Zinsendienst gefordert wird, nachher auch angewendet wird.
Die eigene Initiative der Reedereien ist durchaus anerkennenswert. Wir freuen uns, daß sich in dem Rechenschaftsbericht des Norddeutschen Lloyd erkennen läßt, daß auch Wege zur Beschaffung von Eigenkapital beschritten worden sind — das ist durchaus notwendig, um hier eine Grundlage zu schaffen — und daß notwendige Fusionen vorgenommen worden sind.