Rede von
Herbert
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Daß wir es an der Küste besonders schmerzlich empfinden, wenn heute Fahrgastschiffe aus aller Herren Ländern und alle möglichen fremden Linien bei uns anlanden und wir deutsche Fahrgastschiffe missen müssen, möchte ich nur am Rande erwähnen. Andererseits ist der Bau von Überseefahrgastschiffen natürlich keine Angelegenheit von Reminiszenzen oder gar des Prestiges, sondern eine Angelegenheit nüchterner Überlegung. Wenn wir auch, wie ich zu Anfang sagte, volles Verständnis dafür haben, daß wir unter volkswirtschaftlichem Zwang erst einmal die Frachtschiffahrt wieder aufbauen mußten und dabei auch die bekannten sogenannten Kombischiffe gebaut haben, so ist doch unseres Erachtens jetzt der Zeitpunkt gekommen, ernsthaft an das Problem des Wiederaufbaus einer deutschen Überseefahrgastschiffahrt heranzugehen, die für Deutschland in der Vergangenheit so große Bedeutung hatte und auch heute noch hat.
Die vielfach aufgestellte Behauptung,, die Überseefahrgastschiffahrt sei durch den zunehmenden Luftverkehr überholt, ist inzwischen eindeutig widerlegt worden. Es steht fest, daß der Fahrgaststrom in den letzten Jahren, insbesondere seit Kriegsende, sich immer breiter entwickelt hat. Dabei möchte ich betonen, daß es sich bei der Erörterung der Frage einer Fahrgastschiffahrt vor allem um den Nordatlantik handelt. Im Jahre 1954 wurden rund 950 000 Fahrgäste über den
Atlantik befördert. Der größte Teil von ihnen benutzte den Seeweg und nicht das Flugzeug. Dabei hat sich außerdem erwiesen, daß die zahlreichen Neubauten ausländischer Reedereien, die nach dem Kriege erstellt worden sind, ebenfalls eingeschlagen haben und ausreichend in Anspruch genommen sind. Es steht fest, daß der Fahrgast nach Übersee, der es eilig hat, in zunehmendem Maße das Flugzeug benutzt. Der Fahrgast aber, der es nicht so eilig hat, der auf einen gewissen Kornfort Wert legt und der diese Reise gleichzeitig zur Entspannung benutzen will, bedient sich nach wie vor des Schiffes. Jedenfalls haben die letzten Jahre gezeigt, daß trotz vermehrter Neubauten und vermehrten Einsatzes solcher Bauten auf der Nordatlantikroute diese Schiffe jeweils entsprechend belegt waren. Hier wie an keiner anderen Stelle ist zum Ausdruck gekommen, daß neue Verkehrsmittel auch neue Verkehrswege schaffen.
Ich darf vielleicht am Rande erwähnen, daß in Bremerhaven, meiner Heimatstadt, nicht weniger als etwa ein halbes Dutzend ausländischer Reede-. reien mit ihren Fahrgastschiffen anlegen. Mir ist nicht bekannt, daß eine von ihnen etwa über ein schlechtes Geschäft zu klagen hätte.
Bei der Beurteilung der Frage, ob wir eine deutsche Überseefahrgastschiffahrt wieder in Gang setzen können oder nicht, wird es für Sie auch interessant sein zu wissen, daß in den Jahren 1936 bis 1938 die Ausnutzung solcher Schiffe nur etwa bei 40 bis 50 0/o lag, während diese Ausnutzung nach dem Kriege bei allen Linien bei rund 70 bis 75 0/0 liegt.
Angesichts dieser Tatsachen sind meine Freunde von der Deutschen Partei und ich der Auffassung, daß nun die Zeit gekommen ist, daß nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Regierung sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen sollte, ob wir nicht auch auf diesem wirtschaftlichen Sektor wieder in die Arena treten sollen. Nach den statistischen Unterlagen, die sehr genau errechnet worden sind, scheint es festzustehen, daß eine deutsche Überseefahrgastschiffahrt rentabel gestaltet werden könnte. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, daß ein gutes Stück unseres Anfangskapitels jener unbändige Aufbauwille ist, den wir in den Jahren nach dem Kriege auf allen anderen Sektoren der Wirtschaft bewiesen haben, jener Optimismus, den wir ebenfalls bewiesen haben, der Wille, den Anschluß an die übrige Welt auch auf diesem Gebiet zu finden, und nicht zuletzt der hervorragende Ruf, den sich die deutschen Fahrgastschiffe mit ihrer Einrichtung, ihrer hervorragenden Gastronomie und ihrer hervorragenden Bedienung in aller Welt erworben haben.
Daß der Wiederaufbau einer solchen ÜberseeFahrgastschiffahrt vorübergehend auch einer gewissen staatlichen Hilfe bedarf, wird jedem Denkenden ohne weiteres klar sein. Wir meinen, daß es bei einigermaßen gutem Willen dieses Hauses und auch der Regierung möglich sein müßte, im Benehmen mit der Wirtschaft hier .gangbare Wege zu finden, zumal da die Auswirkungen solcher Fahrgastschiffe sich nicht nur rein rechnerisch darlegen lassen, sondern weit hineinwirken auf den Fremdenverkehr, auf die Werften, auf die Häfen und auf alle möglichen Zulieferindustrien.
Ich frage Sie, meine Damen und Harren: Wollen wir uns diese Chance entgehen lassen?
Wir möchten daher die Bundesregierung bitten, uns darzulegen, was sie tun kann und tun will, um am Wiederaufbau einer deutschen ÜberseeFahrgastschiffahrt mitzuwirken.