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ID0210003500

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Metadaten
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    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Frau: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Lüders.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955 5579 100. Sitzung Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955. Beurlaubte Abgeordnete (Anlage) 5616 A Mitteilung über Aufnahme der Abg. Gräfin Finckenstein, Bender, Dr. Eckhardt, Haasler, Kraft, Dr. Dr. Oberländer, Samwer als Hospitanten in die Fraktion der CDU/CSU 5579 C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Personalvertretungsgesetz (Drucksache 1605) . . 5579 C Sabel (CDU/CSU), Berichterstatter . . 5579 C Beschlußfassung . . . 5581 B Erklärung der Bundesregierung gemäß § 47 der Geschäftsordnung (Genfer Konferenz und Wiedervereinigung Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5581 C Ollenhauer (SPD) 5581 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1600, 1467) 5582 A Cillien (CDU/CSU) 5582 A Mellies (SPD) 5584 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5588 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 5588 D von Manteuffel (Neuß) (FDP) . . . 5590 C Feller (GB/BHE) 5591 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5594 A Blachstein (SPD) 5597 D Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben 5603 A, 5612 C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 5610 D Erler (SPD) 5611 B, 5612 C Euler (FDP) 5613 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 5614 D Schlußabstimmung 5615 C Rückblick auf die Arbeiten des Bundestags, Wünsche für die Parlamentsferien: Vizepräsident Dr. Schmid 5615 C Nächste Sitzung 5616 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5616 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Pelster 10. September D. Dr. Gerstenmaier 15. August Dr. Höck 31. Juli Bauer (Würzburg) 30. Juli Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli Dr. Kreyssig 30. Juli Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli Schoettle 30. Juli Dr. Vogel 30. Juli Albers 23. Juli Dr. Graf Henckel 23. Juli Dr. Arndt 16. Juli Dr. Bartram 16. Juli Bauereisen 16. Juli Birkelbach 16. Juli Böhm (Düsseldorf) 16. Juli Caspers 16. Juli Dr. Czermak 16. Juli Donhauser 16. Juli Dr. Dresbach 16. Juli Ehren 16. Juli Günther 16. Juli Harnischfeger 16. Juli Koenen (Lippstadt) 16. Juli Frau Dr. Kuchtner 16. Juli Leibfried 16. Juli Lemmer 16. Juli Frau Dr. Maxsein 16. Juli Metzger 16. Juli Morgenthaler 16. Juli Neuburger 16. Juli Onnen 16. Juli Raestrup 16. Juli Dr. Starke 16. Juli Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 16. Juli Wiedeck 16. Juli Wullenhaupt 16. Juli Margulies 16. Juli Dr. Dr. h. c. Pünder 16. Juli Struve 16. Juli Dr. Eckhardt 16. Juli Dr. Schneider (Lollar) 16. Juli Dr. Keller 16. Juli b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß vom 18. Juli bis einschließlich 23. September.
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    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich pflichte Herrn Kollegen Erler völlig darin bei, daß die Entscheidung über die Richtigkeit unserer Außenpolitik erst noch vor uns liegt; denn das Ziel unserer Außenpolitik muß die Verwirklichung der deutschen Einheit auf der Grundlage der Freiheit für ganz Deutschland sein, und das allein auf dem Wege des Friedens.
    Aber es sind doch immerhin in der bisherigen außenpolitischen Entwicklung sehr wichtige Stationen zu durchschreiten gewesen. So, wie die Entwicklung gelaufen ist, haben wir doch zunächst einmal als erstes und wichtigstes für einen erfolgreichen Fortgang dieser Politik das eine erreichen müssen und tatsächlich erreicht: die Sowjets sind inzwischen offensichtlich zu der Erkenntnis gekommen, daß es für sie unzweckmäßig ist, jene Politik der Aggressionen fortzusetzen, die sie jahrelang nach 1945 getrieben haben. Dieser Erkenntnis mußten die Sowjets erst einmal zugeführt werden. Denn wenn ihnen diese Erkenntnis zu eigen gewesen wäre, dann hätten sie wohl in den Jahren nach 1945 eine andere Politik gemacht, in jener Zeit, als die westlichen Demokratien, und gerade die stärksten Mächte unter ihnen fast zur völligen Abrüstung gekommen waren. Die Sowjets haben mit ihrer Politik des Schreckens, den sie über ganze Völker legten, erst wieder die Aufrüstungsmaßnahmen der westlichen Welt zur Selbsterhaltung, zur nackten Selbsterhaltung der demokratischen Völker erzwungen.
    Wir wissen gerade aus dem Verhalten der Sowjets der letzten Wochen, daß bei ihren bisherigen Erwägungen sehr entscheidend das Faktum des Wirksamwerdens der Pariser Verträge gewesen ist. Leider ist der Friede nicht dadurch zu sichern, daß man nur den Friedenswillen beteuert, so wichtig es ist, daß immer wieder der unbedingte Entschluß zum Frieden vom Westen verkündet wird. Man durfte sich aber nicht darauf beschränken, sondern es war die Aufgabe der westlichen Völker, durch gemeinsame Politik die Fakten zu setzen, die die
    Sowjets von der Aussichtslosigkeit der Fortsetzung ihrer bisherigen aggressiven Politik überzeugten. Nur dadurch, daß diese Fakten gesetzt worden sind, Fakten, die den Sowjets deutlich machten: Das Risiko für Gewaltanwendung wird nun fortlaufend steigen, auf eine Weise, daß sie sich von überraschenden Angriffen in Zukunft gar keinen Erfolg mehr versprechen können, sind sie einstweilen zu dem, wie ich meine, erst taktischen Ergebnis gekommen, eine Politik der Beschwichtigung einer Periode der aggressiven Haltung folgen zu lassen. Wir würden für die jetzt beginnende Periode der internationalen Konferenzen die durch unsere bisherige Politik geschaffenen Erfolgsaussichten sofort wieder zerstören, wenn wir die Erkenntnisse preisgäben, die unsere Politik bisher genährt haben.
    Diese Außenpolitik war bisher immer nur ausschließlich — das möchte ich namens der Freien Demokraten mit aller Entschiedenheit im Augenblick vor dem Beginn der Genfer Konferenz hier vor der Welt erklären, und da darf ich wohl auch namens aller Koalitionsparteien sprechen —, war nur und ausschließlich als eine Politik der Friedenssicherung, der Friedensfestigung und der Friedensstärkung gemeint und beabsichtigt.

    (Beifall bei der FDP und in der Mitte.)

    Dieses einzige Orientierungsziel im großen Fortgang unserer außenpolitischen Bestrebungen ist gerade durch die Art der defensiven Ausgestaltung der Pariser Verträge auf eine Weise verkörpert worden, daß es die Sowjets gar nicht übersehen können, ganz davon abgesehen, daß die Sowjets von sich aus das deutlichste Bewußtsein dafür haben, wieviel mehr Garantien in demokratischen Völkern für die Erhaltung des Friedens gegeben sind als unter einem diktatorischen System,

    (Abg. Dr. Mende: Sehr richtig!)

    das eine ganz andere Bewegungsfreiheit hat und keinerlei Hemmungen durch die öffentliche Meinung unterliegt.
    Das wird insbesondere bei all den Bestrebungen, die eingeleitet werden müssen, um über Abrüstung und Atombannung zu einer Sicherung des Friedens zu kommen, beachtet werden müssen. Da darf ich noch einmal das Augenmerk darauf richten, daß es nicht damit getan ist, Abkommen der Abrüstung, Abkommen über den Ausschluß des Atomkrieges zu schließen, wenn keine Garantien dafür zu erhalten sind, daß die übernommenen Verpflichtungen auch von allen Vertragspartnern respektiert werden. Das Wichtigste für den praktischen Erfolg aller Abrüstungsverträge mit dem Osten wird sein, daß eine Kontrolle eingeführt wird und die Sowjets bereit sind, sich einer solchen Kontrolle zu unterwerfen, die die Gefahr ausschließt, daß die Verpflichtungen von den Sowjets lediglich als Papier genommen werden, daß sie die Verpflichtung zur Rüstungsbeschränkung zu propagandistischen Zwecken mißbrauchen, während sie sich in der inneren Praxis gar nicht um die international übernommenen Beschränkungen kümmern.
    Wenn man nun in Anbetracht der unermeßlichen Gefahren für die Menschheit alles tun soll, um diese Verträge über Rüstungsbeschränkung, über den Ausschluß eines Atomkriegs durchzusetzen, dann darf ich doch daran erinnern, daß es nicht der Osten war, sondern der Westen, daß es der amerikanische Präsident Eisenhower war, der den bisher einzigen praktischen Vorschlag einer Bannung der


    (Euler)

    Atomgefahren für die zukünftige politische Entwicklung gemacht hat. Unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen Einhaltung zukünftig zu schaffender Verträge hat er den Vorschlag unterbreitet, daß sämtliche Mächte, die sich im Besitze von Rohmaterial für nukleare Waffen befinden, diese Rohstoffe an einen internationalen Atompool abliefern, der nicht nur dafür zu sorgen hat, daß diese Atomrohstoffe nicht für die Produktion von Waffen verwandt werden, sondern umgekehrt positiv zu gewährleisten hat, daß sie ausschließlich in den Dienst der friedlichen Entwicklung der Menschheit gestellt werden, also der Menschheit zum Segen gereichen über ihre praktische Anwendung als Energiequellen in der Wirtschaft, als Mittel der Beeinflussung des Pflanzenwachstums in der Landwirtschaft und als Heilmittel für Zwecke der Medizin.
    Es wird sehr viel von der Zukunft der praktischen Verwirklichung der Abrüstung und der Bannung des Atomkriegs abhängen, daß die Sowjets sich nicht nur theoretisch zu dem Gedanken des Ausschlusses eines Atomkriegs bekennen, sondern daß sie auch die praktischen Maßnahmen gutzuheißen gewillt sind, von denen allein die Verwirklichung der Idee, der Atomkrieg solle gebannt werden, abhängt. Wir im Deutschen Bundestag haben in diesem Augenblick die Pflicht, vor der Menschheit zu erklären, daß es der Wille des deutschen 'Volkes und seiner Volksvertreter ist, es möchten bald jene Abkommen erzielt werden, die zu einer Bannung nicht nur des Atomkrieges, sondern darüber hinaus des Krieges als solchen führen. Gerade für deutsche Politiker, Politiker eines Landes in der gefährlichsten Lage, gilt es, immer wieder die Erkenntnis auszusprechen, daß eine deutsche Politik, die nicht ausschließlich darauf orientiert ist, den Frieden zur sichern und zu stärken, den Krieg auszuschließen und den Atomkrieg als Verderblichstes vorerst mit Sicherheit zu bannen, nur von gemeingefährlichen Narren oder von Verbrechern gemacht werden könnte.
    So kommt es gerade in diesem Augenblick der internationalen Entwicklung darauf an, der ganzen Welt verständlich zu machen: Unsere gesamte Außenpolitik ist lediglich auf das Ziel orientiert, die Friedenssehnsucht der europäischen Völker und darüber hinaus der Völker der Welt zu erfüllen, die in ihnen lebendig ist auf Grund der katastrophalen Erfahrungen zweier Weltkriege und auf Grund dessen, was wir über die verheerenden Folgen des Atomkrieges der Zukunft wissen.
    Es ist überaus wünschenswert, und es muß amtlicherseits alles getan werden, daß die Erkenntnisse der Atomwissenschaftler in die breitesten Volksschichten hineingetragen werden, damit diese erkennen, wie verhängnisvoll ein zukünftiger Krieg wäre. Die Besorgnis, die man dabei allerdings haben muß, ist die: Wird in der östlichen Welt ebenso dafür Sorge getragen, daß die Folgen eines zukünftigen Krieges dem russischen Volke und den anderen Völkern, die heute in der Unfreiheit schmachten, ebenso bewußt werden, wie sie uns in der westlichen Welt bewußt sind? In dieser Richtung muß man Besorgnisse haben. Um so mehr ist der gesamte Westen verpflichtet, dafür zu sorgen, daß er gegenüber der östlichen Welt nicht militärisch ins Hintertreffen kommt. Denn je mehr das der Fall wäre, um so mehr würden sich die Gefahren wieder erhöhen. Jede Risikoverminderung für sowjetische Angriffe der Zukunft hat zur Folge nicht, daß der Frieden gesichert ist, sondern eben dadurch gefährdet wird.
    Auf Grund dieser Zusammenhänge ist es völlig falsch, heute vom deutschen Standpunkt aus immer wieder jene Alternative in die Bevölkerung hineinzuschleudern, wie sie vorhin Herr Kollege Blachstein aufgenommen hat, es handle sich darum, entweder die Menschen zu sichern oder aber sicherzustellen, daß Kanonen produziert werden. Nein, im Zuge unserer Politik, bei der wir Gott sei Dank nicht isoliert dastehen, nicht auf uns allein gestellt sind, sondern heute zusammenwirken mit einer breiten Front von Völkern, die alle durch dasselbe fundamentale Lebensinteresse der Erhaltung des Friedens geeint sind, kommt es allein darauf an, die Produktion der erforderlichen Abwehrwaffen nicht zu unterlassen, damit der Frieden durch einen östlichen Angriff nicht gebrochen wird. Infolgedessen ist diese Alternative, die Sie draußen in der Bevölkerung in einer viel gröberen Form als hier im Bundestag darbieten, nur geeignet, riesige Mißverständnisse zu wecken. Wenn unser Volk in diesen wichtigsten Fragen erneut Irrtümern zum Opfer fiele, dann wäre das Ergebnis für unser Volk nicht etwa segensreich, sondern die betrübliche Konsequenz wäre wahrscheinlich, daß wir gerade dadurch in Krisen von unwahrscheinlichem Ausmaß hineingestellt würden.
    Durch die bisherige Entwicklung, dadurch, daß die Außenpolitik, wie sie die Regierungsparteien durch die Jahre hindurch in Solidarität mit den demokratischen Kräften aller westlichen Völker getrieben haben, die Sowjets zu der Erkenntnis gebracht hat, daß sie sich von Überraschungsangriffen in der Zukunft keinen Erfolg mehr versprechen können, haben wir, glaube ich, auch den wichtigsten praktischen Beitrag dafür geleistet, daß wir auf friedliche Weise zu der Wiedervereinigung kommen, allerdings in der Form, wie sie unsere 20 Millionen schwergeprüften Menschen in Mitteldeutschland erhoffen, nämlich so, daß die Wiedervereinigung für sie die Befreiung von einer Sklaverei wird, gegen die sie am 17. Juni 1953 auf eine Weise, die für die ganze Welt denkwürdig war, aufgestanden sind. Wir haben den wichtigsten praktischen Beitrag für die Wiedervereinigung geleistet, und wir glauben, daß nur bei konsequenter Fortsetzung dieser Politik die Wiedervereinigung auf eine Weise zustande kommt, wie sie nicht nur das deutsche Volk, sondern alle europäischen Völker wünschen müssen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Lüders.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Marie-Elisabeth Lüders


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle können uns wohl nach diesen Reden des Eindrucks nicht erwehren, daß die ganze Welt in Angst vor der Angst lebt und zittert. Wir haben allen Anlaß, uns das täglich aufs neue klarzumachen, auch für die Beurteilung der Maßnahmen, von denen wir glauben, daß sie die Welt vielleicht von dieser Angst befreien könnten.
    In dieser Angst ruft die ganze Welt verzweifelt nach Sicherheit. Und was tut sie? Sie versucht, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben,

    (Sehr richtig! bei der SPD)



    (Frau Dr. Dr. h. c. Lüders)

    und dieser apokalyptische Reiter jagt seit drei Stunden durch diesen Saal in allen nur denkbaren Formen und Vorstellungen. Er reitet heute schon nicht mehr, wie alle Militärexperten wissen, um Minuten, sondern er reitet schon um Sekunden um das Leben von Millionen und aber Millionen Menschen.
    Ich will mich darüber nicht verbreiten. Es ist lange genug und schauerlich genug darüber gesprochen worden. Meine Phantasie reicht nicht aus, mir auch nur annähernd eine Vorstellung von dem zu vermitteln, was erfolgen könnte. Hoffen wir, daß es nicht erfolgen wird!
    Aber, meine Damen und Herren, ich darf ganz :kurz zu etwas anderem sprechen. Es herrscht allgemein die Auffassung, daß militärische Fragen eine rein männliche Angelegenheit sind. Ich glaube, aus Erfahrung sagen zu können, daß das ein grundlegender Irrtum ist. Wir haben eine tragische Erfahrung auf dem Gebiete gemacht. Wir haben auch heute allen Anlaß zu bedenken, daß es die Männer, Söhne und Brüder von Frauen sind, die den Dienst für uns alle wieder aufnehmen sollen. Der menschliche Einfluß auf die Soldaten war und ist immer von höchster Bedeutung für jeden militärischen Erfolg gewesen. Er ist es auch schon im Frieden, und er ist es ganz besonders jetzt in unserer Lage. Ich bin überzeugt, daß auch die beste militärische Organisation, daß auch die vollkommensten technischen Mittel allein nicht in der Lage sind — oder jedenfalls nur sehr bedingt in der Lage sind —, die Entscheidung herbeizuführen.
    Mir scheint, daß schon die Vorberatungen zu der heutigen Vorlage die große Bedeutung der psychologischen Seite des Problems, das vor uns steht, des Problems der Verteidigung und Sicherheit, gezeigt haben. Das Echo in der Öffentlichkeit war weitgehend psychologischer Natur, besonders bei den Frauen und bei der Jugend, und ich glaube, wir haben über dem Waffengerassel und Atomgeprassel diese psychologische Seite weitgehend vergessen. Vergessen wir nicht, meine Herren, daß Frauen von Natur aus Gegner der Zerstörung und Gewalt sind! Vergessen wir nicht, daß es weitgehend auf sie ankommt, wie Soldaten geistigseelisch beeinflußt werden. Die Frage der militärischen Verteidigung ist keine rein männliche Angelegenheit. Sie ist eine allgemein menschliche Angelegenheit. Sie ist nicht nur eine organisatorische oder technische Angelegenheit, sondern sie ist eine tiefgreifende psychologische Angelegenheit. Vergessen wir nicht, daß auf dem Feld der Psychologie die Frauen und Mütter jederzeit den ausschlaggebenden Einfluß ausüben werden. Wir sind es, die in unseren Heimen den jungen Soldaten und den zukünftigen Soldaten in der Hand haben. Diesem Einfluß von uns schon im Hause kann sich keine militärische Organisation durch ihre Einrichtungen erwehren. Ich brauche nicht das Wort Friedrichs des Großen zu zitieren, daß Kriege in der Kinderstube vorbereitet werden. Das ist eine Tatsache, die immer wieder vergessen wird.
    Meine Damen und Herren, versuchen wir es doch, die Welt mehr dahin zu beeinflussen, daß Frieden wichtiger ist als Krieg, daß Verstand und Verständnis die wichtige Voraussetzung sind, um zu einer Verständigung zu kommen. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, uns klarzumachen, was unserer Lage dienen könnte, ehe es zu spät ist.
    Meine Herren, Sie werden lachen, tun Sie es ruhig: aber es wird die Zeit kommen, in der die Welt aus Angst und Vernunft den Weg des Friedens beschreiten wird

    (Beifall im ganzen Hause)

    und nicht den Weg der Aufrüstung und ähnlicher Dinge. Es wird die Zeit kommen, meine Damen und Herren — und ich hoffe, ich erlebe sie noch mit Ihnen zusammen —,

    (erneuter Beifall im ganzen Hause)

    in der wir alle, in der alle Parteien, einerlei ob rechts, ob links, ob Mitte, in der alle Völker erkennen und danach handeln werden, daß es nur einen einzigen Weg zur Sicherheit und zum Frieden gibt. Das ist: mit den Frauen für den Frieden zu arbeiten!

    (Beifall im ganzen Hause.)