Rede von
Fritz
Erler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das ist mir völlig bewußt, und Sie haben absolut korrekt zitiert. Ich komme darauf zurück. Der Sozialdemokratische Pressedienst hat dadurch wiedergegeben, in welcher Lage man sich befindet, wenn das Denken an die Verteidigung an der Werra aufhört und nicht ein wiedervereinigtes Deutschland umschließt.
Zum letzten: Sicher sind wir uns alle in dem Ziele einig, daß ein Krieg verhindert werden muß, weil wir genau wissen, daß, welche Vorkehrungen man auch immer trifft, ein Krieg im Herzen Europas mit dem Untergang unseres Volkes enden wird. Es ging also darum: Was ist zu tun, um einen solchen Konflikt zu vermeiden? Ich bin überzeugt davon, daß der einzige Weg, den Konflikt wirklich zu vermeiden, wirklich dauerhaft zu bannen, darin besteht, daß, wenn Sie schon die Pariser Verträge unterzeichnet haben, mindestens die gleiche Energie, die Sie für dieses Vertragswerk aufgewandt haben — auch die Zeit übrigens, die Sie jahrelang damit verbracht haben, mit den Augen gebannt nur auf dieses Ziel starrend —, für eine konstruktive Politik der Entspannung verwendet wird. Ich sehe nicht, wie ein doch nun angesichts der parlamentarischen Situation nach wie vor auch in den Formen etwas überstürztes Beginnen der Bewaffnung der Bundesrepublik gerade der konstruktivste Beitrag zu einer Politik einer wirksamen Entspannung sein soll.
Daß man den Weg zur Weltabrüstung am wirksamsten mit der Aufrüstung der Bundesrepublik beginne, ist ein Argument, das in sich nicht schlüssig ist.
Wettrüsten hat bisher noch nie dazu geführt, daß sich die beiden Teile aus Furcht voreinander in Ruhe gelassen haben, sondern es kam zu Kurzschlüssen, wenn in Situationen der Spannung jeder der beiden Wettrüstenden dann doch geglaubt hat, den günstigeren Zeitpunkt für das Zuschlagen ausnutzen zu können. Das ist ein klarer Beweis dafür, daß Sicherheit heute mit rein militärischen Mitteln überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. Wirkliche Sicherheit kann uns nur die Politik verschaffen und nichts anderes.
In dem Zusammenhang sprach der Herr Minister von der Abrüstung, und ich bin ihm sehr dankbar
dafür, daß er fast wörtlich das aufgegriffen hat, was ich vor einigen Monaten von der Tribüne dieses Hohen Hauses zu dem Problem gesagt habe. Wir sind keine Utopisten, die sagen, die Abrüstung könne auf Einseitigkeit beruhen. Natürlich muß sie die Überlegenheiten beider Seiten einbeziehen. Man kann von keiner Seite verlangen, daß sie das fortwirft, worin sie überlegen ist, und sich dann schutzlos der anderen ausgeliefert sieht. Das isst ein selbstverständlicher Zusammenhang. Zum zweiten ist die Abrüstung auch an die Schaffung einer wirksamen internationalen Kontrolle gebunden, damit man sich darauf verlassen kann, daß das, was verabredet worden ist, auch eingehalten wird. Ich lege Wert darauf, das jetzt noch einmal an dieser Stelle zu sagen, nicht aus irgendwelchen Gründen parteipolitischer Rechthaberei — wir sind uns darin einig —, sondern damit die Staatsmänner in Genf, wo kein Deutscher am Verhandlungstisch sitzen wird, wissen, wie das ganze deutsche Volk in Fragen der Abrüstung denkt und daß es sich davon einen Erfolg erhofft, weil nur so auch das Klima für die Wiedervereinigung unseres Landes in Frieden und in Freiheit geschaffen werden kann.