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ID0210000600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955 5579 100. Sitzung Bonn, Sonnabend, den 16. Juli 1955. Beurlaubte Abgeordnete (Anlage) 5616 A Mitteilung über Aufnahme der Abg. Gräfin Finckenstein, Bender, Dr. Eckhardt, Haasler, Kraft, Dr. Dr. Oberländer, Samwer als Hospitanten in die Fraktion der CDU/CSU 5579 C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Personalvertretungsgesetz (Drucksache 1605) . . 5579 C Sabel (CDU/CSU), Berichterstatter . . 5579 C Beschlußfassung . . . 5581 B Erklärung der Bundesregierung gemäß § 47 der Geschäftsordnung (Genfer Konferenz und Wiedervereinigung Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 5581 C Ollenhauer (SPD) 5581 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1600, 1467) 5582 A Cillien (CDU/CSU) 5582 A Mellies (SPD) 5584 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5588 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 5588 D von Manteuffel (Neuß) (FDP) . . . 5590 C Feller (GB/BHE) 5591 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . 5594 A Blachstein (SPD) 5597 D Strauß, Bundesminister für besondere Aufgaben 5603 A, 5612 C Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 5610 D Erler (SPD) 5611 B, 5612 C Euler (FDP) 5613 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 5614 D Schlußabstimmung 5615 C Rückblick auf die Arbeiten des Bundestags, Wünsche für die Parlamentsferien: Vizepräsident Dr. Schmid 5615 C Nächste Sitzung 5616 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 5616 A Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Pelster 10. September D. Dr. Gerstenmaier 15. August Dr. Höck 31. Juli Bauer (Würzburg) 30. Juli Dr. Blank (Oberhausen) 30. Juli Dr. Kreyssig 30. Juli Dr. Pohle (Düsseldorf) 30. Juli Schoettle 30. Juli Dr. Vogel 30. Juli Albers 23. Juli Dr. Graf Henckel 23. Juli Dr. Arndt 16. Juli Dr. Bartram 16. Juli Bauereisen 16. Juli Birkelbach 16. Juli Böhm (Düsseldorf) 16. Juli Caspers 16. Juli Dr. Czermak 16. Juli Donhauser 16. Juli Dr. Dresbach 16. Juli Ehren 16. Juli Günther 16. Juli Harnischfeger 16. Juli Koenen (Lippstadt) 16. Juli Frau Dr. Kuchtner 16. Juli Leibfried 16. Juli Lemmer 16. Juli Frau Dr. Maxsein 16. Juli Metzger 16. Juli Morgenthaler 16. Juli Neuburger 16. Juli Onnen 16. Juli Raestrup 16. Juli Dr. Starke 16. Juli Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) 16. Juli Wiedeck 16. Juli Wullenhaupt 16. Juli Margulies 16. Juli Dr. Dr. h. c. Pünder 16. Juli Struve 16. Juli Dr. Eckhardt 16. Juli Dr. Schneider (Lollar) 16. Juli Dr. Keller 16. Juli b) Urlaubsanträge Frau Dr. Steinbiß vom 18. Juli bis einschließlich 23. September.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erich Ollenhauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion möchte ich zu der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers folgendes feststellen: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt den Zusammentritt der Genfer Konferenz, und sie hofft, daß diese Konferenz im Interesse der internationalen Entspannung und der Lösung der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands zu einem Erfolg führt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion teilt die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers, daß ein europäisches Sicherheitssystem, das die Beibehaltung der Teilung Deutschlands vorsieht, für das deutsche Volk unannehmbar wäre.

    (Beifall im ganzen Hause.)

    Aber gerade aus dieser Überzeugung hält es die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in diesem Augenblick für notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Zeit zum Handeln in der Frage der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands jetzt gekommen ist.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Es muß und kann ein Weg gefunden werden, der zu diesem Ziel führt. Der Beitrag, der von den vier früheren Besatzungsmächten geleistet werden kann, muß darauf hinauslaufen, daß von allen Seiten die Versuche eingestellt werden, die deutschen Teilstaaten oder ganz Deutschland jeweils in das Militärsystem des Ostens oder des Westens eingliedern zu wollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn sich die vier Verhandlungsmächte in Genf auf die Einstellung solcher Versuche einigen könnten, würde der in letzter Zeit spürbar gewordene Prozeß der internationalen Entspannung eine wesentliche Förderung erfahren.

    (Beifall bei der SPD.)



    (Ollenhauer)

    Wer den Status quo mit seinen Gefahren für den Frieden überwinden will, der muß auch bereit sein, die Bindungen der Bundesrepublik und der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands an die Militärsysteme in West und Ost, NATO und WarschauerPakt-Organisation, zur Erörterung zu stellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mit dem Verzicht auf die Eingliederung der Bundesrepublik und der sowjetisch besetzten Zone und später des wiedervereinigten Deutschlands in ein Militärsystem des Ostens oder des Westens wäre gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, im Rahmen der Vereinten Nationen ein System zu schaffen, das das berechtigte Sicherheitsbedürfnis unseres Volkes und der anderen Staaten befriedigt. Die Bundesregierung hat in dieser Situation die Pflicht, jede sich bietende Chance zur Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit durch eigene Vorschläge in dieser Richtung zu nutzen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort wird weiter nicht begehrt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Rechtsstellung der Freiwilligen in den Streitkräften (Freiwilligengesetz) (Drucksachen 1600, 1467).

(Erste Beratung: 92. und 93. Sitzung; zweite Beratung: 99. Sitzung.)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Cillien.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Cillien


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wie jeder, der an dieses Pult tritt, so habe auch ich den dringenden Wunsch, daß ich mit meinen Ausführungen verstanden werde, und zwar nicht in dem flüchtigen Sinne stimmlicher Art, sondern auch hinsichtlich meiner Beweggründe. Ich habe nicht die Absicht, zu dem vorliegenden Freiwilligengesetz in der dritten Lesung noch im einzelnen ausführlich Stellung zu nehmen. Das ist ausführlich in den zwei Lesungen und in den Beratungen der Ausschüsse geschehen. Ich habe vielmehr die Absicht, in dieser sehr ernsten Schicksalsstunde des deutschen Volkes einige sehr grundlegende und besinnliche Ausführungen zu machen, wie sie nach meinem Dafürhalten der Verantwortung angemessen sind, die wir gemeinsam zu tragen haben. Ich habe nicht die Absicht, Stoff zu liefern zu einer Auseinandersetzung, sondern zu einer Verständigung.
    Aus diesem Grunde und nur zu diesem Zwecke darf ich mir die persönliche Bemerkung erlauben, daß ich den ersten Weltkrieg als Freiwilliger zugleich mit sechs Brüdern mitgemacht habe. Viele von uns erinnern sich gewiß noch daran, was in jenen Kriegsfreiwilligen an einer inneren Bereitschaft steckte, an einer Hingabe, an einer Treue zu dem, was man damals „vaterländisches Ideal" nannte. Selbst in der Bezeichnung „Kriegsmutwilliger", die ja die alten Leute der Kompanien und Schwadronen gerne benutzten, steckte doch immer noch ein Stück Hochachtung vor diesen jungen Menschen.
    Ich halte die Bestrebungen, unser Volk in irgendeiner Weise geschichtslos zu machen, ganz allgemein für bedenklich, und ich halte all die Versuche für verderblich und gefährlich, einzelne Perioden deutscher Geschichte irgendwie ausmerzen zu wollen. Die ganze deutsche Geschichte ist unser Schicksal, und wir haben uns mit ihr auseinanderzusetzen und sie zu tragen in ihren Höhepunkten und in ihren Tiefpunkten. Aus diesem Grunde liegt es mir nahe, hier das Wort von jenen Kriegsfreiwilligen doch einmal in diesem Augenblick zu gebrauchen, wo wir vor der Notwendigkeit stehen, ein neues erstes Soldatengesetz zu verabschieden. Wie kurz ist die Spanne Zeit seit jenen Jahren und wie tief und aufwühlend der Unterschied in der Beurteilung und in der Betrachtung jener Menschen und jener Ereignisse! Seit jenen Jahren ist das deutsche Soldatentum zweimal durch Schande und durch Schmach hindurchgegangen. Zweimal hat das deutsche Volk den starken Willen und den heißen Wunsch gehabt: „Nie wieder Krieg!", und weite Teile haben sich völlig abgewandt von jedem militärischen Denken. Es wäre gut und schön gewesen, wenn sich das erfüllt hätte, was 'wir gemeinsam erhofften und ersehnten. Aber vor einem möchte ich warnen und spreche es ganz offen aus: es wäre unverantwortlich, wenn wir uns bei dieser Arbeit, die jetzt vor uns liegt, und bei den Pflichten, die auf uns warten, abwenden wollten von jenen Werten echten, tapferen, hingebungsvollen Soldatentums, wie es in der deutschen Geschichte so oft hervorragend in Erscheinung getreten ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich würde eine solche Abwendung als einen Verzicht an Selbstachtung betrachten, ohne die eine Nation nicht in Ehren zu bestehen vermag.
    Es sei mir erlaubt, nun einige allgemeine Feststellungen zu machen. Wir sind uns im ganzen Hause, wir sind uns in allen Schichten unseres Volkes darin einig: wir hätten es gewünscht, daß wir ein solches Gesetz und seine Nachfolgegesetze niemals hätten zu beschließen brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber die geschichtliche Entwicklung seit dem Jahre 1945 ist anders gelaufen, als wir es uns gedacht und als manche es sich erträumt hatten, die sich niemals dazu veranlaßt sahen, mit den Realitäten und Wirklichkeiten des menschlichen Lebens und des Völkerlebens zu rechnen. Uns sind schwere Enttäuschungen bereitet worden. Aber diese Enttäuschungen entbinden uns nicht von der Verantwortung, für den Frieden und die Wohlfahrt unseres Volkes zu sorgen. Genauso wie wir in jenen chaotischen Zeiten vor zehn Jahren die Arme nicht haben sinken lassen, sondern darangegangen sind — unterstützt, und das unterstreiche ich mit aller Betonung, von allen Berufen, Klassen und Schichten unseres Volkes —, dennoch einen Aufbau zu wagen, haben wir auch jetzt die Verpflichtung, in keinem Augenblick die Sicherheit und den Frieden unseres Volkes aus den Augen zu lassen.
    Dabei verschweige ich nicht, daß auch wir — und damit meine ich jetzt einmal meine politischen Freunde — unter denselben Belastungen und vor schwerwiegenden Fragen stehen, die augenblicklich unser ganzes Volk bewegen. Wir nehmen an all der Ungesichertheit unserer Existenz teil und haben schwere Sorgen über das, was etwa an dem europäischen oder am Himmel der gesamten Völkerwelt heraufzieht.
    Ich greife aus den besonderen Fragen drei einzelne Fragen heraus, die ja landauf, landab erör-


    (Cillien)

    tert werden. Ist ein Verteidigungsbeitrag des deutschen Volkes in der Situation, in der wir stehen, angebracht? Könnte nicht darauf verzichtet werden, eben weil wir den Frieden und nichts als den Frieden wollen? Es hieße doch, sich einer gefährlichen Täuschung sowohl über die Natur des einzelnen Menschen wie über die Natur der Völker hingeben, wenn wir uns auf irgendwelche Versprechungen oder irgendwelche Worte hin der Sicherheit begeben wollten, die wir zu erstreben verpflichtet sind. Wir glauben - und das haben wir in diesen vergangenen Jahren unentwegt verfolgt —, daß das Mindestmaß an Sicherung für unser Volk am ehesten gewährleistet wird, wenn wir nicht wie in vergangenen Jahren deutscher Geschichte allein in der Weltgeschichte stehen, allein vertrauend auf unsere Kraft und unser Können, sondern wenn wir uns bemühen um Freunde und Genossen, wenn wir uns in die Gemeinschaft der freien Völker hineinstellen und wenn wir mit ihnen zusammenwirken für dieses große gemeinsame Ziel. Wer so eine Partnerschaft erstrebt, um ein hohes Ziel zu verwirklichen, kann sich dann allerdings nicht von den Pflichten, von den Opfern dispensieren, die in einer solchen Gemeinschaft gefordert werden müssen.

    (Abg. Dr. Krone: Sehr richtig!)

    Dazu gehört eben, daß auch wir den bescheidenen Verteidigungsbeitrag leisten, wie er unseren Kräften entspricht.
    Ebenso schwer, ebenso bedrohlich ist die andere Frage, ob es in einer Zeit einer atomaren Bedrohung des ganzen Weltgeschehens überhaupt noch sinnvoll ist, sich über einen Verteidigungsbeitrag zu unterhalten. Wir werden heute im Laufe des Tages noch einen besonderen Bericht über die Erfahrungen der letzten Manöver hören, die sich über dem Raum unseres Volkes abgespielt haben. Ich verstehe es menschlich durchaus, wenn der eine oder andere sagt: Was sollen solche kleinen Abwehrmittel bei einer solchen radikalen Bedrohung des ganzen Globus, auf dem wir leben? Ist es nicht einfach sinnlos, hier Geld und Kraft in ein Unternehmen zu vergeuden, das doch hoffnungslos ist? Meine Damen, meine Herren, ich streiche nichts ab von dem, was erfahrene Menschen über die Vernichtungskraft dessen zu sagen wissen, was auch menschlicher Geist erfunden hat. Aber ich wende mich sehr viel lieber auch den Dingen zu, die auch von Menschen unternommen werden und die dahin zielen, dieses Verderben von uns abzuwehren. Ich glaube, daß bei aller Bedrohung der Welt und bei aller Spannung auch die Bereitschaft der Völker, aufeinander zu hören und einander zu helfen, niemals so groß gewesen ist wie heute. Wir selbst haben es spüren dürfen, und die Verbindung untereinander ist so groß und so lebendig geworden, wie nie zuvor. Wir spüren, wie wir aufeinander angewiesen sind, und sind bereit, miteinander zu reden und nach den besten Möglichkeiten zu einer gemeinsamen Wohlfahrt der Welt zu suchen.
    Ich gehöre auch zu denen, die von dem Geschehen in Genf eine weitere Förderung dessen erwarten, was allen Menschen dieser krummen Erde am Herzen liegt. Sollte nicht gerade der letzte grausige Krieg und das, was wir von einem bevorstehenden etwa ahnen können, auch dazu dienen, daß der Krieg den Krieg verschlingt, ihn unmöglich macht?
    Ich möchte nicht, daß wir bei dieser wirklich nüchternen und notwendigen Betrachtung über all die Kräfte des Herzens, die auch lebendig sind,
    über die sittlichen, die moralischen, die geistigen
    und die geistlichen Kräfte einfach hinweggehen,
    die nicht nur in unserem Volk, sondern überall
    lebendig sind, um das Unheil von uns abzuwenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, es entspricht unserer gemeinsamen Überzeugung, daß es nicht nur irgendwie eine alte Gewohnheit ist, wenn die Menschheit aufgerufen worden ist, sich vor dieser Tagung in Genf in einem fürbittenden Gebet für den Weltfrieden einzusetzen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, daß diese geistigen und geistlichen
    Kräfte lebendig sind und stärker sind als die radikalen Ströme und Bewegungen der Vernichtung.
    Lassen Sie mich's an einem kleinen Beispiel deutlich machen, das mich vorgestern so bewegt hat. Eine Dame, die dabei ist, sich ein Haus zu bauen, erzählte mir, sie seien an dem weiteren Ausbau gehindert — ich dachte, sie würde sagen: weil das Geld oder die Materialien fehlten, nein: weil ein Rotschwänzchenpaar ein Nest in ihrem werdenden Bau gebaut hätte, und deshalb könne der Bau nicht vollendet werden. Das mag sentimental klingen; es ist mir ein Beweis dafür, daß die Kräfte des Mitleids und der Barmherzigkeit nicht ausgestorben sind

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß die Menschen bereit sind, Opfer an Zeit und Geld zu bringen, um die Brut eines Rotschwänzchenpaares am Leben zu erhalten. Wo solche Gedanken und solche starken Gefühle lebendig sind, da ist nach meinem Dafürhalten auch noch etwas anderes lebendig, was allerdings noch wichtiger und durchschlagender ist: da ist auch die Achtung vor dem Herrn des Lebens selber lebendig, der das Leben gegeben hat und erhalten wissen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es bewegt uns auch noch eine ganz andere Frage, die bei der Verwirklichung dieses Gesetzes in der Praxis von einer ganz großen und entscheidenden Bedeutung ist; sie lautet ganz einfach so: Wie wird unsere Jugend, von der dieses Opfer gefordert werden soll, dieses Gesetz hinnehmen? Ist sie bereit dazu? Hält sie eine Verteidigung dessen, was jetzt ihr Leben umschließt, für sinnvoll und wertvoll? Meine Damen, meine Herren, es gibt viele Fragen, letzte Fragen des menschlichen Lebens, die mit Hilfe solcher rationalen Erwägungen nicht beantwortet werden können. Deshalb liegt es mir auch völlig fern, in einer solchen Diskussion etwa darauf hinzuweisen, wieweit wir es gebracht haben seit dem Chaos und seit dem Zusammenbruch jener Jahre, was alles erreicht worden ist, wie auch für die Jugend gesorgt und wie sie wieder in ganz andere Lebensverhältnisse hineingebracht worden ist, als sie selber vielleicht damals ahnen konnte. Wir haben vieles erreicht; da ist gar kein Zweifel. Aber wo Opfer nur vom Materiellen her begründet werden, da handelt es sich nicht um echte Opfer und um echten Einsatz.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Erlauben Sie mir, daß ich das, was mich in diesem Augenblick bewegt, auch durch ein kleines Erlebnis zu verdeutlichen versuche.

    (Abg. Wehner: Diesmal mit einer Kohlmeise!)



    (Cillien)

    Ich habe vor einigen Jahren in einer Versammlung gesprochen, wie wir alle es tun, und habe dort versucht, ebenso wie wir es alle tun, mit Kräften des Verstandes und des Herzens zu reden über die Nöte und über die Schwierigkeiten unseres Volkes und über die Auswege, die wir planen, und die Taten, die wir vollbringen wollen. Daran schloß sich eine Aussprache an — und wieder sage ich: wie es uns meistens allen passiert — mit Fragen, die aus einem ganz kleinen und persönlichen Interesse herauskamen, Fragen, die einen etwas ernüchtern, wenn man an die großen Schicksalsfragen unseres Volkes dachte. Zum Schluß meldete sich dann noch ein junger Mensch, ein Heimkehrer. Ich muß gestehen, ich war etwas verdrießlich, daß nun noch solch ein ähnlicher Beitrag geleistet werden sollte. Am Schluß habe ich aussprechen dürfen — leider war es nur das einzige Mal —, daß den besten Beitrag dieses Abends jener junge Heimkehrer mit seinen kurzen Ausführungen geleistet hatte. Er war der einzige, der gesagt hatte: mein Volk, mein Vaterland. Das ist etwas, was uns weithin fehlt. Diese distanzierte Betrachtung unseres Schicksals, dieses Reden: Bonn, Bonn, wie wenn man auf dem Monde säße und nicht mit verpflichtet wäre, an dem Schicksal unseres Volkes Anteil zu nehmen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das kann nicht erreicht werden durch irgendwelche Gesetze und Vorschriften. Auch die Brut jener Rotschwänzchen — ich gebrauche das ruhig noch einmal, trotz dieses Zwischenrufes vorhin —,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    auch das Schicksal dieses Rotschwänzchenpaares kann nicht gesichert werden durch die Bestimmungen des Tierschutzvereins. Ebensowenig kann das, was wir hier wünschen, nämlich der Schutz, die Einheit, der Frieden für unser Volk durch solche Gesetze erreicht werden, die wir beschließen. Diese Dinge können nur geschützt und gefördert werden durch das lebendige Beispiel und durch das Vorbild, und das ist die Aufgabe ganz besonders eines Parlaments in einer repräsentativen Demokratie.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe es deshalb mit ganz besonderer Freude verfolgt, wie bei den Beratungen dieser Gesetze sich doch, insonderheit in den Ausschüssen, erfreuliche Ansätze für eine gemeinsame Zusammenarbeit, zum Tragen gemeinsamer Verantwortung gezeigt haben.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich stehe nicht an, all den Kollegen und Kolleginnnen zu danken, die bei aller Differenziertheit ihrer politischen Anschauungen ein großes gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Verantwortung für Deutschland gesehen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das bedeutet in keiner Weise eine Verflachung der politischen Auseinandersetzungen.
    Ich erinnere mich mit Dank daran, daß von dieser Stelle einmal einer meiner Kollegen gesagt hat: Es kann für eine politische Überzeugung, für eine politische Ansicht nicht Gültigkeit für jedermann verlangt werden. Die Richtigkeit politischer Anschauungen kann nicht bewiesen werden. Ich füge dem hinzu: Aber nur dort, wo eine hohe Achtung vor den Überzeugungen und den politischen Ansichten des andern besteht, ist auch der Boden für eine fruchtbare Aussprache bereitet.

    (Beifall in der Mitte.)

    Und wenn das als gemeinsame Verpflichtung unserem armen, geschlagenen Volke gegenüber stärker sichtbar würde, als wir es bislang erfahren durften, müßte das auch zum Brückenschlagen, zum Überbrücken der Gegensätze, die nun einmal da sind, beitragen. Wir werden auch in Zukunft Differenzen untereinander haben, und diese müssen ausgetragen werden. Aber ich habe, entschuldigen Sie, nachdem ich nun zehn Jahre im parlamentarischen Leben stehe, die Vorstellung, als wenn auch da Reformen durchaus möglich und nötig wären.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der Beitrag muß von allen gemeinsam geleistet werden. Nur so werden wir der jungen Generation, von der wir in besonderer Weise Opfer fordern, nahebringen können, daß es sich doch lohnt, für dieses Volk, für dieses Vaterland einzustehen, ohne zu fragen: „Was bringt es mir?", „Lohnt es sich?", „Komme ich damit weiter?".

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Aus all diesen Gründen, aus einer fest fundierten und immer wieder überprüften politischen Überzeugung sind meine Freunde bereit, diesem ersten Soldatengesetz ihre Zustimmung zu geben. Sie tun es gerade auch deshalb, weil in diesem Hause in seiner ganzen Breite Leitbilder für den künftigen deutschen Soldaten vorhanden sind, die uns mit Zuversicht erfüllen können. Wir sind alle gewillt, diesem deutschen Soldaten eine würdige und ehrenhafte Stellung in unserem bürgerlichen Leben zu gewähren.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir sind alle entschlossen, dazu beizutragen, daß Überwucherungen, wie sie einmal vorhanden gewesen sind, nicht wieder einzutreten vermögen.
    Ziel bleibt für uns die Sicherung des Friedens, die Erhaltung unserer Freiheit. Wir glauben, daß wir gerade auf diesem Wege das verwirklichen, was uns zutiefst am Herzen liegt: die beiden getrennten Teile Deutschlands wieder zusammenzufügen zu einem gemeinsamen Vaterland.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)