Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP hatte ursprünglich nicht die Absicht, zu diesen Dingen zu sprechen; denn für uns ist es von Anfang an selbstverständlich gewesen, die Politik im Aufbau eines deutschen Luftverkehrs mit ganzem Herzen zu unterstützen. Deswegen werde ich mich auch in erster Linie mit Ausführungen der Diskussionsredner befassen, die meines Erachtens nicht unbeantwortet bleiben dürfen.
Von Anfang an ist die Frage aufgetaucht: Ist eine Lufthansa mit 8 oder 10 Apparaten überhaupt die geeignete Grundlage, auf der die europäischen und überseeischen Verkehrsbedürfnisse der Lufthansa einigermaßen befriedigt werden können? Hier allerdings möchte ich — und ich glaube, ich spreche auch im Einverständnis mit dem Herrn Bundesverkehrsminister — sehr deutlich zum Ausdruck bringen, daß, rein kaufmännisch gesehen, der Herr Bundesfinanzminister und dementsprechend auch der Haushaltsausschuß eine verkehrte Politik betreiben. Wir wissen, daß sich der Aufbau der Lufthansa für eine Reihe von Jahren mit roten Zahlen, wie man so sagt, also mit Unterbilanzen auswirkt. Aber das könnte um so eher abgebaut und könnte um so eher ausgeglichen werden, je wirtschaftlicher und vernünftiger der Aufbau etwa mit einer Größenordnung von 20 Flugzeugen vorgenommen würde. Wir erklären also, daß wir seitens der FDP den Herrn Bundesverkehrsminister in diesen Bemühungen beim Bundesfinanzminister und bei der Bundesregierung weiterhin unterstützen werden.
Was Herr Schmidt über den Aufwand von Lufthansa-Büros gesagt hat, wollen wir in einem .gewissen Grade unterstützen. Wenn eine Organisation von vornherein mit Unterbilanzen zu Lasten des Staates, d. h. also des Steuerzahlers, arbeitet, besteht natürlich immer die Riesengefahr, daß die Tendenz vorherrscht, zu sagen, wie man im Volksmund sagt: Na, auf einen Schnaps kommt es nicht an! Ich glaube nicht, daß das die richtige Politik wäre. Man hätte vielleicht die Möglichkeit gehabt, die Lufthansa-Büros mit irgendwelchen Unternehmen zu kombinieren, die sich ohnehin mit der Luftfahrt befassen; genau wie ich bei dieser Gelegenheit erwähnen darf, Herr Bundesverkehrsminister, daß wir uns doch wohl eingehend in unseren Auslandsniederlassungen überlegen können, ob wir nicht die Deutsche Zentrale für den Fremdenverkehr, den DER, die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Lufthansa zusammenfassen können. Ich spreche nun nicht irgendeinem deutschen Kulturzentrum das Wort, aber ich bin überzeugt, daß durch eine Kombination dieser ausländischen Büros a) wesentliche Kosten eingespart werden könnten und b) vor allen Dingen auch eine größere repräsentative Wirkung für die von mir aufgezählten Institute zu erzielen ist.
Es ist auch der Vorschlag gemacht worden, der Wirtschaft eine Zinsgarantie zu bieten. Sie wissen ja, daß die Wirtschaft von dem Risiko freigestellt ist, daß sie aber auch auf der anderen Seite keinerlei Renditen zu erwarten hat. Ich bin allerdings auch der Meinung, daß die Wirtschaft sich in diesem Falle nicht so sehr von vier, fünf oder sechs Prozent Dividende bestimmen lassen sollte, sondern daß sie hier einmal Wagnis und Unternehmereigenschaft, die ja immer so herausgestellt werden, für einige Jahre der Deutschen Lufthansa zur Verfügung stellen sollte, um von vornherein dafür zu sorgen, daß der staatliche Einfluß, der anfänglich notwendig ist, um die Dinge aufzubauen, so schnell wie möglich wieder abgebaut wird. Das ist ein sehr klarer und deutlicher Appell an die deutsche Wirtschaft, in diesem Fall nicht so sehr auf den Zinsfuß zu sehen und auf das Verdienen, sondern darauf, ihre eigenen Grundsätze, die sie immer proklamiert, durch eine entsprechende Bereitschaft unter Beweis zu stellen.
Herr Abgeordneter Greve hat natürlich — ich habe volles Verständnis dafür — für seinen Flughafen Langenhagen etwas sagen wollen — er hat das nicht so deutlich zum Ausdruck gebracht —; aber ich glaube, wir müssen die Dinge doch sehr real sehen. Man muß die Lufthansa davor bewahren, in ihrem Aufbau denselben Weg zu gehen wie die Deutsche Bundesbahn. Die macht uns so viel Schwierigkeiten mit ihren allgemeinen Verpflichtungen, was man schlechthin Gemeinwirtschaft usw. nennt. Es kann sich immer nur darum handeln, die Linienverkehre der Luftfahrt für Europa und für Übersee auf bestimmte große Lufthäfen zu konzentrieren. Das übrige muß in Form eines Zubringerdienstes gemacht werden, wobei auch die Entwicklung beim Hubschrauber mutmaßlich eine entsprechende Rolle spielen wird.
Selbstverständlich würde ich es auch sagen! Im übrigen ist es so, daß die Hannoveraner und die Langenhagener, die meine ganze Sympathie haben, schon weil ich aus dieser Gegend stamme, Herr Greve, doch einen großen Erfolg gehabt haben. Das hat zwar nichts mit der Deutschen Lufthansa zu tun, wohl aber mit der deutschen Luftfahrtpolitik; denn Hamburg hat mehr als 60 % des Luftbrückendienstes von Berlin an Langenhagen verloren.
— Selbstverständlich, das sage ja auch ich; das wollte ich Ihnen ja beweisen. Wirtschaftlich ist das vollkommen richtig. Obwohl es für uns in Hamburg höchst bedauerlich ist, ist es wirtschaftlich durchaus begründet. Denn die Kosten für das Flugzeug sind geringer und die Kosten für die Nachreise ebenfalls. Also insofern hat dieser Hafen auch einen ganz schönen Ausgleich gefunden.
— Das ist auch vollkommen richtig. Ich wollte nur sagen, Herr Greve, daß Sie, wenn Sie wieder nach Hause kommen, Ihren Leuten sagen können: wir haben ja schon eine ganze Menge für Langenhagen erreicht.
— Schön.
Ich muß auch dem Herrn Abgeordneten Schmidt eine Antwort geben. Der Herr Bundesverkehrsminister hat einmal sehr richtig gesagt, mit der deutschen Luftfahrt sei es so, daß wir auf einen fahrenden D-Zug aufzuspringen hätten, um überhaupt den Anschluß noch zu erreichen. Wenn nun der Abgeordnete Schmidt sagt, wir sollten diese eine Sache, d. h. die Luftfahrt, vorantreiben zu' Lasten des Gedankens, daß man eines Tages auch wieder an die Passagierschiffahrt herangehen muß, dann muß ich sagen, daß wir von der FDP diese Auffassung nicht unterstützen können. Hier könnte es nämlich durchaus sein, daß wir in der Passagierschiffahrt nun wirklich nicht mehr den Anschluß erreichen. Wir werden erfreulicherweise im Laufe dieses Jahres feststellen können, daß im großen ganzen die Linienschiffahrt in der Frachtschifffahrt ihren Aufbau vollzogen hat. Mutmaßlich werden wir mit Ende des Haushaltsjahres 1955/56 das Darlehensgesetz, soweit es sich um eine Unterstützung des Aufbaus der Frachtschiffahrt handelt, auslaufen lassen können. Ganz genau möchte ich mich da nicht festlegen; aber die Dinge bahnen sich entsprechend an. Dann aber ist zweifelsohne der Augenblick gekommen, dieses Darlehensgesetz in Richtung auf den Anfang — ich spreche immer nur von dem Anfang — einer deutschen Passagierschiffahrt fortzuführen. Wir können überzeugt davon sein, daß sowohl die Luftfahrt als auch die Passagierschiffahrt für den Privatreisenden und für den Geschäftsreisenden durchaus attraktiv ist. Die Tendenz geht doch zweifelsohne heute dahin, sich nicht der Strapaze zu unterwerfen, auf einer Reise beide Strecken unter Umständen in 4, 5 oder 6 Tagen mit dem Flugzeug zurückzulegen, sondern der vernünftige Mann überlegt sich heute schon: fahre ich nicht wenigstens eine Strecke mit dem Passagierschiff und die andere in der Luft.
Das ist das Wesentliche, was ich im Auftrage der FDP zu diesem Thema zu sagen habe.
Vielleicht dürfen wir den Herrn Bundesverkehrsminister noch bitten, sich ein wenig um das
berühmte red tape zu kümmern, wie der Engländer sagt. Ich habe da einige praktische Erfahrungen gesammelt. Wenn Sie heute z. B. nach dem Fernen Osten fliegen, so müssen Sie siebenmal 6000 Meter rauf und runter und haben dann aber auch buchstäblich auf jedem Flughafen, den Sie anlaufen, ein vollkommen anderes System der Abfertigung sogar für die Transitpassagiere mit entsprechenden Untersuchungen der Gesundheitsbehörden. In Karatschi passiert es z. B., daß ein Offizier der Gesundheitsbehörde persönlich in das Flugzeug kommt. Wir erinnern uns ja alle, daß wir nach der Demobilisierung zu gewissen Demobilisierungsstellen mußten und dort symbolisch die berühmte Spritze von den Alliierten bekamen. So etwas passiert heute beispielsweise in einem Hafen wie Karatschi. Hier — sicherlich mit Takt, aber auch mit einer ganz bestimmten Zielsetzung — mit dafür zu sorgen, daß diese Bürokratie im Interesse einer Freizügigkeit im internationalen Luftverkehr abgebaut wird, auch das ist, Herr Bundesminister, eine höchst dankbare Aufgabe für Sie und für Ihre Arbeit.
Zum Schluß noch eine spezielle Angelegenheit, die die IATA-Agenten betrifft. Ich weiß nicht, wie die Dinge im Augenblick stehen. Aber wir waren hier in Deutschland sehr überrascht, daß uns, die wir nicht nur für die deutsche, sondern auch für die europäische Wirtschaft als Schrittmacher einen sehr leistungsfähigen Sammelverkehr aufgebaut haben, der also zunächst einmal für das Frachtgeschäft der Luftfahrtgesellschaften attraktiv wirkt, auf der anderen Seite der Wirtschaft große Vorteile bringt, das Civil Aviation Board in Washington erklärt hat: Derartige Tarife — wohlverstanden, meine Damen und Herren, für einen Flug von Deutschland bis nach New York — unterliegen der Genehmigung der Behörde der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich glaube, diese Auffassung ist mit der wiedergewonnenen Souveränität schlecht zu vereinbaren.
Im übrigen, Herr Minister, darf ich Ihnen weiterhin sehr viel Erfolg bei dem Aufbau der deutschen Luftfahrt wünschen. Es gibt nun einmal Dinge — genau wie die Passagierschiffahrt —, die man nicht ausschließlich von der wirtschaftlichen und materiellen Seite her beurteilen kann. Hier muß man einmal den Begriff der Flagge und des Ansehens, also den Begriff „national" im guten Sinne des Wortes — ich stehe sicher nicht im Verdacht, extreme Auffassungen zu haben —, in seiner Wertschätzung anerkennen, und man muß wissen, was es bedeutet, sowohl in der Luftfahrt als auch in der Passagierschiffahrt mit der eigenen Flagge zum Ansehen Deutschlands beitragen zu können.