Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wenngleich ich auch in fast allen Punkten mit den Ausführungen meines Freundes Schmidt übereinstimme, so gibt es zwischen uns beiden doch einen Unterschied: er kommt aus Hamburg und ich komme aus Hannover. Der Flughafen Hamburg gehört nämlich zu den bisher sehr protegierten Großflughäfen Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf-Lohausen. Darüber hinaus gibt es in der Bundesrepublik ja auch noch einige andere Gebiete, in denen Flughäfen liegen, von denen heute nur sehr wenig die Rede gewesen ist. Außerdem gibt es noch jemand, der am Flugverkehr interessiert ist, nämlich den Flugpassagier, von dem bisher überhaupt noch nichts gesagt wurde und auf den in der Luftverkehrspolitik der Bundesregierung schließlich auch einige Rücksicht genommen werden muß. Der Flugzeugpassagier ist zum großen Teil derjenige, der als Angehöriger eines Unternehmens der deutschen Wirtschaft am Flugverkehr teilnimmt. Insoweit wäre es sehr wünschenswert gewesen, wenn der Herr Bundesverkehrsminister uns auch einiges über seine Luftverkehrspolitik im allgemeinen gesagt hätte.
Ich weiß, daß er bisher keinen großen Einfluß auf die Gestaltung der Verkehrspläne der nichtdeutschen Luftfahrtgesellschaften gehabt hat; aber das wird in Zukunft ja anders. Die ausländischen Luftverkehrsgesellschaften, die das deutsche Bundesgebiet bisher beflogen haben, haben die deutsche Wirtschaft, den deutschen Flugpassagier und auch zum guten Teil die deutschen Flughäfen ausschließlich aus eigenen ökonomischen Gesichtspunkten in ihre Verkehrspolitik einbezogen, und mit diesem Zustand sollte endlich Schluß gemacht werden. Das Bundesverkehrsministerium, das in Zukunft die Luftverkehrsrechte an die Deutsche Lufthansa und an die anderen Verkehrsgesellschaften, auch die ausländischen, zu vergeben haben wird, sollte meines Erachtens Wert darauf legen, daß in anderer Weise als bisher der über dem deutschen Bundesgebiet bestehende Fluglinienverkehr nicht allein zum Anschlußverkehr des internationalen Großverkehrs gemacht wird. wie es heute noch der Fall ist und wie es leider auch für die nächste Zeit wohl der Fall sein wird.
Herr Bundesminister, ich kann es verhältnismäßig kurz machen, wenn ich Sie bitte, die, wie ich glaube, Ihrem Ministerium vorliegenden Vorschläge zur Verbesserung der Luftverkehrsverhältnisse für Niedersachsen einmal in Ihre Erinnerung zu rufen, die vom Verkehrsverband Niedersachsen-Kassel eingereicht worden sind. Die darin gemach-
ten Ausführungen treffen zum großen Teil auch auf andere Gebiete der Bundesrepublik zu. Ich möchte Sie bitten, bei Ihrer künftigen Verkehrspolitik wirklich zu bedenken, daß es außer Hamburg, Düsseldorf-Lohausen und Frankfurt am Main noch einige andere Flughäfen mit großen Wirtschaftsräumen gibt.
Ich befinde mich nicht in Übereinstimmung mit meinem Freund Helmut Schmidt, wenn er der Auffassung ist, daß für die Lufthansa in erster Linie Fragen der Rentabilität eine Rolle spielen sollten. Ich weiß nicht, ob es überhaupt möglich ist, eine Luftverkehrsgesellschaft so rentabel zu gestalten, daß man bei ihr von einer Rentabilität sprechen kann. Nach meiner Auffassung ist beim Luftverkehr vor allem das Luftverkehrsbedürfnis der Wirtschaft und der Menschen, die sich am Luftverkehr beteiligen wollen, zu berücksichtigen; und wenn man diesen Wünschen Rechnung tragen will, muß man die Luftverkehrspolitik in ganz bestimmter Weise auf sie abstellen, und zwar anders, als es bisher von den ausländischen Luftverkehrsgesellschaften getan worden ist, auf die Sie, wie ich durchaus unterstreiche, keinen Einfluß gehabt haben. Ich möchte Sie jedoch bitten, die Politik der internationalen Luftverkehrsgesellschaften nicht fortzusetzen.
In der Denkschrift, die ich eben erwähnt habe, ist meines Erachtens mit vollem Recht gesagt worden, daß das Bundesgebiet zum Interessenfeld ausländischer Verkehrsgesellschaften geworden ist, die auf die Bedürfnisse der Bundesrepublik und des Bundesgebietes sowohl hinsichtlich der Linienführung als auch hinsichtlich der Linienbedienung einzelner Flughäfen sehr wenig Rücksicht nehmen. Es ist natürlich richtig, daß die bisherigen Verhältnisse anders waren als die, die heute schon bestehen und in Zukunft bestehen werden. Aber die Abkommen, die jetzt geschlossen werden, müssen von einer ganz bestimmten Vorstellung hinsichtlich der von uns zu betreibenden Luftverkehrspolitik ausgehen. Davon, ob diese Luftverkehrspolitik in der Wurzel richtig oder falsch ist, wird es entscheidend abhängen, ob die bilateralen Abkommen, um die es sich vorläufig nur handelt — Sie sprachen selbst von der Unmöglichkeit, multilaterale Abkommen abzuschließen —, auch unseren Verkehrsbedürfnissen auf dem Gebiet der Luftfahrt Rechnung tragen oder nicht. Wenn ich recht unterrichtet bin, werden gerade in den nächsten Monaten eine Reihe von Luftverkehrsabkommen verhandelt und abgeschlossen werden, bei denen es darauf ankommt, die ausländischen Luftverkehrsgesellschaften, wenn sie Luftverkehrsrechte auf dem Gebiete der Bundesrepublik erwerben wollen, darauf hinzuweisen, daß es ihre Pflicht ist, nicht nur diejenigen Strekken zu befliegen, die sie aus Rentabilitätsgründen allein gern befliegen möchten, sondern daß sie in ihrer Linienführung auch dem gesamten deutschen Luftverkehrsbedürfnis Rechnung zu tragen haben. das von der Deutschen Lufthansa allein nicht befriedigt werden kann. Ich mache mich keineswegs etwa zum Fürsprecher dafür, daß die Deutsche Lufthansa jeden deutschen Flughafen anfliegen soll — das ist auf absehbare Zeit praktisch nicht möglich —, aber ich bitte Sie, Herr Bundesverkehrsminister, darauf hinzuwirken, daß auf die Gestaltung des g e samt en deutschen Luftverkehrsnetzes bei der Erteilung der Rechte sowohl an die Deutsche Lufthansa als auch an die ausländischen Gesellschaften Rücksicht genommen wird, insbesondere auch gerade bei der Flugplangestaltung, daß nämlich möglichst alle Teile der deutschen Bundesrepublik angeflogen werden.
In der von mir erwähnten Denkschrift ist auch darauf hingewiesen worden, daß nur bei einer Zusammenarbeit, die schließlich ihre Wurzel in der Luftverkehrspolitik der Bundesregierung haben muß, eine vernünftige Netzplangestaltung und eine vernünftige Linienführung möglich ist, und je nachdem, wie bei uns die Luftverkehrsgesetze aussehen werden und wie sich auf Grund dieser Gesetze die Durchführung unserer luftverkehrspolitischen Maßnahmen gestaltet, wird es sich erweisen, ob den Bedürfnissen aller, die am Luftverkehr interessiert sind, Rechnung getragen wird oder nicht. Natürlich ist der Raum der Bundesrepublik zu klein; aber es geht auch nicht an, daß man nur den gesamten Weltraum zur Grundlage der Verkehrspolitik der deutschen Bundesregierung macht. Meines Erachtens wird es notwendig sein, zunächst einmal im europäischen Raum eine vernünftige Luftverkehrspolitik unter Beteiligung der Bundesrepublik möglich zu machen. Dieser Raum ist groß genug. Und wenn immer von der europäischen Wirtschaftsintegration die Rede ist, dann muß die Luftverkehrspolitik der Bundesregierung auch auf diese europäische Wirtschaftsintegration hinsichtlich der Netzplangestaltung insgesamt und der Bedienung nicht nur von drei deutschen Flughäfen, sondern von allen auch in anderen deutschen Gebieten gelegenen Flughäfen Rücksicht nehmen. Das ist die Bitte, die ich in diesem Zusammenhang noch an Sie zu richten hätte.