Rede von
Helmut
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der in den letzten Monaten allseitigen und meist nur zu berechtigten Kritik, die der Herr Bundesverkehrsminister in diesem Hause gefunden hat, ist es ihm vom Herzen zu gönnen, daß er heute einmal ausführlich über seine Luftverkehrspolitik sprechen konnte; denn auf diesem Gebiete sind ihm ganz zweifellos
Verdienste nicht abzusprechen. Ich bin allerdings von verschiedenen Freunden aus meiner Fraktion — und ich glaube, dabei auch die Zustimmung aus anderen Fraktionen zu haben — gebeten worden, zu sagen, daß diese Darlegungen ein wenig zu ausführlich gewesen sind, insbesondere, soweit sie sich mit der Vergangenheit beschäftigt haben. Mit der Großen Anfrage wollten die Antragsteller wissen, was in der Zukunft geschehen soll, Herr Bundesminister. Ich bin auch gebeten worden, zum Vortrag zu bringen, daß es vielleicht besser gewesen wäre, eine Rede zu halten, als eine Schreibe vorzulesen.
Aber ich meine in allem Ernst, daß auf dem Gebiet der Luftverkehrspolitik dem Herrn Bundesverkehrsminister erhebliche Verdienste nicht abgesprochen werden können, genau so wenig wie dem vorbereitenden Ausschuß „Luftfahrt", von dem er selbst gesprochen hat, und dessen Vorsitzenden, Dr. Weigelt, und genau so wenig wie etwa seinen Mitarbeitern im Ministerium oder aber den Herren von der Deutschen Lufthansa.
Die Deutsche Lufthansa hat einen schwierigen Start gehabt. Es geht an die Nerven, wenn man jahrelang in der Klause sitzen, Pläne machen, Pläne wieder verwerfen, neue Pläne machen muß und nie an die praktische Arbeit gehen kann. Wir haben ein ähnliches Beispiel in der ehemaligen Dienststelle Blank, wo man auch vier Jahre lang verurteilt war, Pläne zu machen, um sie anschließend wieder zu verwerfen und neue Pläne zu machen. Das hat im Endergebnis infolge der offenbar damit verbundenen hohen nervlichen Belastung dazu geführt, daß man, als es soweit war, zu einem Kurzschluß in der Form des Freiwilligengesetzes gelangt ist. Wir sind also durchaus in der Lage, der Deutschen Lufthansa zu bestätigen, daß sie in derselben Situation der Nervenbelastung nicht zu einem Kurzschluß, nicht zu einem Fehlstart, sondern, soweit sich das bisher und bis heute überblicken läßt, zu einem sehr anständigen und gelungenen Start gekommen ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang den Bemerkungen des Kollegen Schneider beipflichten, der ausdrücklich die Materialpolitik, wie es in der Fachsprache heißt, d. h. die Auswahl der Flugzeuge durch die Deutsche Lufthansa, verteidigt und bestätigt hat. Auch wir sind der Auffassung, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Entscheidungen getroffen werden mußten, eine bessere Entscheidung nicht möglich war.
Ich benutze die Gelegenheit, namens meiner politischen Freunde unser Vertrauen in die kaufmännischen und technischen Fähigkeiten des Vorstandes der Deutschen Lufthansa zum Ausdruck zu bringen. In demselben Zusammenhang muß aber erwähnt werden, daß wir mit einer gewissen Skepsis den Aufsichtsrat dieser Gesellschaft, seine Tätigkeit und seine Zusammensetzung betrachten. Wir haben den Eindruck, daß die Tätigkeit der Gesellschaft erschwert wird durch eine zu starke und zu sehr ins Detail gehende Einflußnahme von seiten des Aufsichtsrates, d. h. in Wirklichkeit von seiten der Bonner Bundesbürokratie, die diesen Aufsichtsrat bildet.
Wir glauben, Herr Bundesminister, daß Sie sehr sorgfältig prüfen sollten, ob es nicht vermieden werden kann, daß die Deutsche Lufthansa schon zu Beginn ihrer Tätigkeit in eine Situation hinein-
ruscht, die eigentlich dadurch gekennzeichnet werden könnte, daß man sagt, sie sei eine Unterabteilung des Bundesverkehrsministeriums. Davon möchten wir dringend abraten.
Man kann hier von zwei verschiedenen Extremen reden. Das eine Extrem wäre die Art und Weise, wie der Herr Bundesfinanzminister das Volkswagenwerk an der Longe zu führen beliebt. Diese Longe ist so lang und so dünn, daß man sie gar nicht mehr erkennen kann. Bei der Lufthansa haben wir umgekehrt das Gefühl, daß sie durch die Bürokratie zu stark angebunden ist.
Wir halten auch die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht für glücklich. Ich bin nicht der Meinung, daß es eine richtige Sache ist, Oberstadtdirektoren von ehrgeizigen Städten mit Flughäfen in die Lufthansa zu nehmen, weil es dazu führen muß, daß man hinterher aus Prestigegründen auf die Deutsche Lufthansa Einfluß nimmt, diesen oder jenen Flughafen anzufliegen — genau so wie aus außenpolitischen Prestigegründen Einfluß genommen wird, diese oder jene außerdeutsche Stadt anzufliegen. Nichts ist bei dem Aufbau dieses deutschen Luftverkehrsunternehmens so unzweckmäßig wie etwa dies, die kaufmännischen Entscheidungen Prestigeerwägungen unterzuordnen.
Ich glaube übrigens, daß die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht zuletzt einer der Gründe dafür war, daß es trotz aller Bemühungen bisher nicht gelungen ist, das Privatkapital in stärkerer Weise zu interessieren. Ich darf einmal das Hohe Haus und den Herrn Bundesverkehrsminister darauf hinweisen, daß es in meiner Vaterstadt, in Hamburg, für die großen öffentlichen Unternehmen und auch für die Verkehrsunternehmen — wir haben in Hamburg beispielsweise den Seehafen, den Flughafen und die Hochbahn — üblich ist, die Aufsichtsräte nicht ausschließlich mit den Beamten der Verwaltung zu besetzen, sondern zu einem Drittel mit Arbeitnehmern — das versteht sich von selbst —, zu einem Drittel mit Vertretern der Exekutive, aber zu einem Drittel auch mit Persönlichkeiten, die entweder aus dem Parlament oder aus den Branchen oder aus der Bankwelt kommen. Diese Zusammensetzung garantiert jedenfalls, daß sich in diesen Aufsichtsräten keine bürokratische Inzucht entwickeln kann.
Ich glaube, daß diese Anregung im übrigen nicht nur für den Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa, sondern vielleicht auch für die Aufsichtsräte anderer bundeseigener Unternehmungen zum mindesten der Erwägung wert wäre.
Eine Kapitalerhöhung — davon ist in der Antwort des Herrn Bundesministers die Rede gewesen — wird in absehbarer Zeit nötig sein. Ich glaube wirklich, daß hierzu neue Wege beschritten und neue Verbindungen angeknüpft werden müssen, um privates Kapital zu interessieren. Der Bundeshaushalt wird genug strapaziert, wenn er in den nächsten Jahren, wie wir das durchaus wollen, die Zuschußbedürfnisse der Deutschen Lufthansa befriedigen muß.
Ich darf mir erlauben, zum Zuschußbedarf zwei Bemerkungen zu machen. Damit er so schnell verschwindet, wie es der Minister hofft, ist ein schrittweiser, aber zügiger Ausbau bis zur Rentabilitätsschwelle notwendig. Dieser Ausbau — das möchte ich noch einmal betonen — darf nicht durch die vorzeitige Erfüllung irgendwelcher innerdeutscher Wünsche gestört werden. Es muß zunächst einmal die Rentabilität dieser Gesellschaft erreicht sein, dann erst kann man darangehen, spezifische deutsche Verkehrswünsche zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine andere Bemerkung machen. Herr Bundesminister, es scheint sehr fraglich zu sein, ob es zweckmäßig ist, in demselben Zeitraum, in dem das Parlament jedes Jahr durchaus beträchtliche Zuschüsse an die Lufthansa zu bewilligen haben wird, auf dem Konkurrenzsektor — ich meine die große Passagierseeschiffahrt — von Bundes wegen mit noch größeren Beträgen tätig zu werden und sich zu engagieren.
Gerade als Hamburger, der ich die Entwicklung auf beiden Sektoren, sowohl auf dem Gebiet der Luftfahrt als auch auf dem der Passagierseeschifffahrt, ständig vor Augen habe, möchte ich angesichts offizieller und offiziöser Verlautbarungen, die wir in den letzten Wochen auf diesem Gebiet zur Kenntnis bekommen haben, sehr eindringlich darum bitten, sich der Gefahr bewußt zu sein, daß eine Verzettelung dazu führen kann, daß auf beiden Gebieten nichts Ganzes und Vollständiges geschaffen wird. Es kann womöglich richtiger sein, zunächst das eine zu erledigen und dann erst das andere zu beginnen.
Ich möchte zur Lufthansa noch eine Schlußbemerkung machen. Meine politischen Freunde und ich wünschen mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen, daß wir in der Zukunft keinerlei Entwicklungen von der Art sehen möchten, wie sie unmittelbar vor und nach 1933 stattgefunden haben hinsichtlich der Verknüpfung von Militärluftfahrt und Deutscher Lufthansa.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat mehrfach in dieser Richtung Zusagen abgegeben. Wir wünschen — das möchte ich mit allem Nachdruck auch von uns aus zum Ausdruck bringen — keinerlei Entwicklungen in jener Richtung, wie sie sich in der damaligen Zeit etwa in der Person von Herrn Erhard Milch und anderen manifestierten.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat dann weiter über die deutschen Flughäfen gesprochen. Ihm ist darin beizupflichten, daß wir deren zur Zeit durchaus genug haben. Vielleicht haben wir sogar schon einen oder zwei über den Durst. Ich will das hier nicht beurteilen. Meine Damen und Herren, es ist an die Städte die Aufforderung zu richten, keinerlei trügerische Hoffnungen an derlei Projekte zu knüpfen. Ich möchte mir an dieser Stelle auch die Einzelbemerkung gestatten, daß es im RheinRuhr-Bezirk nicht angängig ist, zwei Großflughäfen acht Flugminuten nebeneinander zu errichten, und daß man sich entscheiden muß, entweder den einen oder den anderen auszubauen. Ich sage das, obwohl ich dem Herrn Direktor des — wie heißt er so schön? — „Köln-Bonner Flughafens Wahn zu Porz" durchaus verbunden bin.
Auch der Herr Bundesverkehrsminister hat von diesem Köln-Bonner Flughafen Wahn zu Porz gesprochen und von der Belästigung durch die Militärfliegerei auf diesem Hafen, die übrigens neulich dazu geführt hat, daß der Flugplatz für eine Reihe von Tagen für zivile Zwecke überhaupt ge-
sperrt wurde. Diese Militärfliegerei auf dem Flughafen beschert uns ja trotz unserer Souveränität immer wieder Sturzflüge auf die Köpfe der Bewohner der vorläufigen Bundeshauptstadt, Sturzflüge, die uns in unseren Ausschußsitzungen erschrecken. Auch an dieser Stelle, Herr Minister Seebohm, sei einmal die Frage gestattet: Wie ist das denn eigentlich mit unserer Souveränität? Ist das auf diesem Gebiete genau so, wie es aus Ihrer Antwort in der vorigen Woche auf die Anfrage betreffend die Beschädigungen der Autobahnen durch alliierte Panzer hervorging, daß man nämlich sagen muß: Wir können leider bloß bitten, aber wir können die Leute da nicht wegkriegen? Ich meine, daß es nun wirklich einmal an der Zeit ist, diese Belästigung abzustellen.
Im Zusammenhang mit dem Flughafen darf ich noch auf ein anderes Problem aufmerksam machen. Der Herr Minister Seebohm sprach davon, daß die Lufthansa in die IATA, in die International Air Transport Association, aufgenommen worden ist. Die IATA hat eine Reihe von sehr wichtigen Aufgaben im internationalen Luftverkehr und hat sie verdienstvollerweise bisher auch erfüllt. Man muß aber darauf aufmerksam machen, daß die IATA ein großes und starkes internationales Preiskartell ist, in dem die amerikanischen Gesellschaften den Ton angeben und die erste Geige spielen. Man muß darauf aufmerksam machen, daß das Tarif- und Ratengefüge der IATA, das übrigens fast schon genau so kompliziert ist wie dasjenige der Deutschen Bundesbahn, ein Kunstschach fürwahr, für die Interessen der deutschen Volkswirtschaft und besonders für gewisse Gebiete des deutschen Wirtschaftsraumes außerordentlich wichtig ist und auch deshalb von der offiziellen Bundesverkehrspolitik unter die Lupe genommen werden sollte, wenngleich es sich hier um einen privatwirtschaftlichen Verband handelt.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat dann gegen Schluß seiner Rede auch von den Chartergesellschaften gesprochen, von den privaten Luftverkehrsgesellschaften, die jetzt in Deutschland wie Pilze aus dem Boden schießen. Gewiß, hinter diesen Gesellschaften stehen meist Interessen ausländischer Luftverkehrsgesellschaften, und gewiß ist gerade in bezug auf diese Chartergesellschaften — darin ist Herrn Seebohm Recht zu geben — eine besondere Sorgfalt in der technischen Aufsicht hinsichtlich der Flugsicherung notwendig. Aber insgesamt gefällt mir persönlich nicht die ablehnende Einstellung des Bundesverkehrsministeriums gegenüber diesen Gesellschaften, die bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck kommt. Daß die Deutsche Lufthansa erklärt, sie wolle in Zukunft nur mit einer dieser Bedarfsgesellschaften zusammenarbeiten, scheint durchaus angemessen und richtig. Aber das Bundesverkehrsministerium hat meines Erachtens nicht die Aufgabe, durch eine bestimmte, einseitige Handhabung des deutschen Luftverkehrsrechtes hier eine Art innerdeutschen Protektionismus zugunsten der staatlichen Gesellschaft auszuüben. Diese Gefahr ist ziemlich deutlich zu erkennen, und ich möchte davor warnen.
Herr Minister, Sie haben dann auch einige Ausführungen zum Bundesamt für Luftfahrt in Braunschweig gemacht. Ich befürchte, daß dieses Bundesamt einstweilen noch nicht arbeitsfähig ist. Ich habe den Eindruck, daß man sich dringend darum kümmern muß. Ich habe neulich aus befreundeten Kreisen gehört, daß jemand einen Antrag gestellt hat, dort ein Sportflugzeug zu begutachten, damit es zugelassen werde. Er hat in einem längeren Brief, den ich gesehen habe, eine geradezu grotesk bürokratische Antwort bekommen. Ich habe den Eindruck, daß das weniger an schlechtem Willen der dortigen Beamten lag als vielmehr daran, daß diese Anstalt noch nicht arbeitsfähig ist. Sie sollten darauf Ihr besonderes Augenmerk richten.
In diesem Zusammenhang sei auch ein Wort zu dem Problem des innerdeutschen Luftverkehrs gesagt. Ich darf Sie an einen Beschluß des Deutschen Bundestages erinnern, in dem auf Empfehlung des Gesamtdeutschen Ausschusses die Bundesregierung ersucht worden ist, Verhandlungen mit den Alliierten zu führen mit dem Ziel, daß auch der deutsche Luftverkehr die Möglichkeit bekommt, Berlin anzufliegen. Ich wäre dankbar, wenn wir — wenn nicht heute, so doch in näherer Zukunft — einmal hören könnten, wie diese Verhandlungen laufen.
Meine Damen und Herren, nur ganz kurz noch ein paar Worte zu den Fragen des internationalen Luftverkehrs und der internationalen Luftverkehrspolitik. Herr Kollege Schneider hat den Dank an die Amerikaner und an die Engländer ausgesprochen für die finanzielle Hilfe und für die Hilfe durch die Zurverfügungstellung ihrer Piloten. Man kann sich dem anschließen. Man soll allerdings nicht verkennen, daß dabei auf der anderen Seite auch sehr nüchterne und rein kaufmännische Erwägungen eine erhebliche Rolle gespielt haben, die letzten Endes auch ausschlaggebend gewesen sind für die endliche Annahme des deutschamerikanischen Luftfahrtabkommens. Denn ganz zweifellos ziehen auf Jahre hinaus die amerikanischen Luftfahrtgesellschaften aus dem Anfliegen deutscher Flughäfen sehr viel größeren Vorteil und sehr viel größere Einnahmen als die Deutsche Lufthansa aus dem Anfliegen amerikanischer Flughäfen. Die Amerikaner haben hier in der Bundesrepublik immerhin ein Verkehrsaufkommen von Hunderttausenden von Passagieren, haben hier über 100 Millionen DM Einnahmen im Jahr, und die Kabotage, die sie von hier aus treiben, erstreckt sich auf 14 Länder außer der Bundesrepublik.
Man muß aber, glaube ich, in diesem Zusammenhang das Bedauern darüber aussprechen, daß es auf dem Feld der internationalen Luftverkehrspolitik immer noch notwendig ist, zweiseitige Abkommen zu schließen, wie das richtigerweise jetzt auch die Bundesrepublik angefangen hat. Denn es gibt seit mehr als zehn Jahren internationale Vereinbarungen und Verträge, die in feierlicher Form die sogenannten „Fünf Freiheiten" des Luftverkehrs postuliert haben. Aber es geht mit diesen Verträgen und feierlichen Erklärungen so ähnlich wie mit der Havanna-Charta, daß man nämlich nach Tische besonders auf seiten der großen Staaten und hier ganz besonders auf seiten der Vereinigten Staaten das, was man vorher erklärt hat, nicht durchführt, daß man hier also in bezug auf seine eigenen Luftverkehrsgesellschaften in den nationalstaatlichen Protektionismus zurücksinkt. In Europa haben meines Wissens nur drei Staaten, nämlich Schweden, Holland und Griechenland, jenes Abkommen ratifiziert, das die Fünf Freiheiten im internationalen Luftverkehr postuliert hat. Ich wäre dankbar, wenn die Bundesverkehrspolitik in diesem Punkte genau so liberal und großzügig verfahren würde, wie das Schweden getan hat, und ich wäre weiterhin dankbar, wenn das hier erklärt werden könnte.
Im übrigen ist dem Herrn Bundesverkehrsminister wahrscheinlich darin beizustimmen, daß eine der ersten Etappen der Zusammenarbeit auf internationalem Gebiet hier in Europa erreicht werden muß. Wenn es aber schon zunächst noch nicht zu einem Zusammenschluß der Luftverkehrsgesellschaften in Europa kommen kann, dann sollten wir klein anfangen. Und das sage ich an die Adresse der Deutschen Lufthansa und ihres Vorstandes: Dann fangen Sie doch ganz klein und schrittweise an und richten Sie nicht in jeder Stadt, jeder für sich, eigene großzügig und luxuriös eingerichtete Werbe- und Abfertigungsbüros ein. Es ist überhaupt nicht zu verstehen, daß man sogar hier in Bonn ein sehr hübsches und nettes, aber doch weiß Gott teures Büro für die Lufthansa eingerichtet hat. Kann man sich denn nicht mit der Swiss Air oder mit der KLM oder mit wem immer dahin verständigen, daß man sich gegenseitig vertritt? Es ist doch grotesk, daß man auf jedem Flughafen eine Vielzahl von Schaltern jeder einzelnen Gesellschaft sieht, alle in mehrschichtigem Wechsel mit Personal besetzt, das — wenn man die Stunden und Minuten zusammenzählt — während des ganzen Tages insgesamt nur zwei Stunden arbeitet. Auf diesem kleinen Feld sollte man einmal einen Anfang machen, zumal es vor dem Krieg auf diesem Gebiet auch eine Zusammenarbeit gegeben hat.
— Ja, die anderen! Man muß eben mit gutem Beispiel vorangehen.
— Das würde ich auch sagen.
Im großen und ganzen wäre auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit dem Bundesverkehrsminister Seebohm durchaus zuzustimmen.
Nun hat auch der Herr Bundeswirtschaftsminister, der leider nicht mehr unter uns ist, einige Ausführungen gemacht, die er, ganz gegen seine Gewohnheit, gleichfalls abgelesen hat, womit er insofern den Herrn Bundesverkehrsminister nachträglich etwas legitimiert hat. Zu diesen Ausführungen müssen noch einige Worte gesagt werden.
Meine Damen und Herren, der sogenannte „Spätheimkehrer Luftfahrtindustrie" — das ist so ein Wort, das ein bißchen an das Gefühl appellieren und uns weich machen soll, möglichst viel öffentliche Mittel für den Aufbau der Luftfahrtindustrie zur Verfügung zu stellen. Man muß das mit aller Skepsis und mit aller Nüchternheit betrachten. Ich freue mich, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister seine Erklärung in sehr nüchternem Stil abgegeben und gesagt hat: Wir wollen, daß das privatwirtschaftlich aufgebaut wird. — Das fasse ich so auf, daß er gemeint hat: Wir wollen nicht von Staats wegen à tout prix eine Luftfahrtindustrie wiederherstellen.
Man muß sich einmal ansehen, was in dieser Branche los ist. Da gibt es eine große Zahl von Firmen — vielleicht sind es elf oder dreizehn oder vierzehn —: Heinkel, Dornier, Messerschmitt, Focke-Wulf, Daimler-Benz, Norddeutsche Flugzeugbau, Siebel, Flick, Henschel, Weser-Flug, Bücker, Klemm, Blohm & Voss, Junkers, Maybach, BMW — vielleicht habe ich noch einige vergessen. Alle diese Firmen liegen miteinander im Widerstreit. Es ist ein toller Kampf unter. der Decke. Sie haben sich zum Teil nach außen in Arbeitsgemeinschaften zusammengetan. In Fachkreisen nennt man diese Arbeitsgemeinschaften spöttisch „Arbeitsgemeinschaften zur gegenseitigen Bespitzelung". Aber in Wirklichkeit ist es ein toller Konkurrenzkampf, und es ist ganz klar, daß von den hochgespannten Erwartungen aller dieser früheren Firmen, die zum Teil nur noch aus Firmenmänteln bestehen, nur ein allerkleinster Teil verwirklicht werden kann, wenn das Ganze einen Sinn haben soll.
Es ist allen Menschen, die sich damit beschäftigen, klar, daß, abgesehen vielleicht vom Hubschrauberbau und dem Bau von einigen Schul- und Kurierflugzeugen, wofür insgesamt zwei Werke ausreichen würden, im übrigen eine Luftfahrtindustrie nur auf der Basis öffentlicher, das heißt also auf deutsch: militärischer Aufträge möglich ist. Solange das nicht in Frage kommt — und das kommt allein aus technischen Gründen für eine Reihe von Jahren nicht in Frage —, sind alle anderen Erwartungen irreal, und man sollte hier nicht an das Gefühl appellieren, wie es jüngst einmal geschehen ist, als die Luftfahrtindustrie sich an die Abgeordneten gewandt hat.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Ich wiederhole, daß auf dem Felde der Luftverkehrspolitik durchaus eine Reihe von Leistungen vollbracht worden sind, die man anerkennen muß. Ich habe auf einige Gefahren hingewiesen und einige Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck gebracht. Ich darf schließen mit der Empfehlung, daß es in der Luftverkehrspolitik, auch was die Luftfahrtindustrie angeht, dann nicht schieflaufen kann und der Erfolg dann nicht ausbleiben wird, wenn alle Beteiligten, insbesondere die Bundesregierung, als obersten Grundsatz das Prinzip der absoluten kaufmännischen Nüchternheit voranstellen.