Rede von
Dr.
Hans-Christoph
Seebohm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage gibt die dankbar begrüßte Gelegenheit, dem Hohen Hause über die Maßnahmen zu berichten, die bereits in den vergangenen Jahren in der Vorbereitung für einen deutschen Luftverkehr getroffen wurden, und zugleich zu Fragen Stellung zu nehmen, die sich für die Zukunft ergeben.
Die aus dem Januar stammende Anfrage hat zunächst nach den Vorbereitungen für die Aufnahme eines deutschen Luftverkehrs gefragt. Inzwischen ist glücklicherweise der Dienst der Deutschen Lufthansa in Europa und, wie ich als Teilnehmer an einem der ersten Flüge nach New York aus eigenem Erleben berichten kann, auch über den Nordatlantik aufgenommen worden.
Der zweite Teil der Anfrage, der sich auf die Luftfahrtpolitik der Bundesregierung nach der Ratifizierung der Pariser Verträge bezieht, wird von mir behandelt werden.
Für die Beantwortung des dritten Punktes, der die deutsche Luftfahrtindustrie betrifft, ist der Herr Bundesminister für Wirtschaft zuständig.
Ich bedaure, daß die Antwort auf die Große Anfrage erst heute erfolgen kann. Ich hätte sie gern schon früher gegeben. Die neue Deutsche Lufthansa hat Mitte Mai mit vier Flugzeugen des Musters Convair 340 den planmäßigen kommerziellen Verkehr auf den internationalen Linien nach London, Paris und Madrid aufgenommen. Vorangegangen waren ab 1. März ein Übungsflugverkehr im Bundesgebiet, ab 1. April ein planmäßiger Dienst auf diesen innerdeutschen Strecken und ab Mitte April Übungsflüge nach England, Frankreich und Spanien. Am 8. Juni konnten die ersten der vier Flugzeuge des Musters Lockheed Super Constellation zum ersten planmäßigen kommerziellen Flug nach New York starten, nachdem auch über dem Nordatlantik einige Einführungsflüge stattgefunden hatten.
Die Regierungen der Staaten, deren Gebiet von der Lufthansa angeflogen oder überflogen wird, erteilten uns rechtzeitig die erforderlichen Genehmigungen. Ich darf den Regierungen dieser Staaten für ihre Bereitschaft und für ihr teilweise sehr rasches Handeln, zugleich aber auch dem inzwischen aufgelösten Zivilen Luftamt der alliierten Hohen Kommission, dessen Mitglieder jetzt die zivilen Luftattachés ihrer Botschaften sind, für die verständnisvolle Vermittlung unserer Wünsche herzlich danken.
Seit dem 5. Mai ist die Bundesrepublik endlich wieder im Besitz ihrer vollen Lufthoheit, lediglich eingeschränkt durch gewisse unvermeidliche Sonderbestimmungen für den Luftverkehr mit Berlin. Die volle Lufthoheit, das spricht sich so leicht aus, aber wir sollten auch heute das Bild nicht vergessen, das sich uns vor zehn Jahren darbot. Wir sollten an die Zeit nach 1945 denken, als es überhaupt verboten war, von einer deutschen Luftfahrt zu sprechen, ja auch nur an sie zu denken, von einer Arbeit für die deutsche Luftfahrt ganz zu schweigen. Selbst ein kühner Optimist hätte wohl in jener Zeit des Abkommens von Potsdam, des Morgenthau-Plans, des Sparta-Plans und ähnlicher Dokumente nicht zu glauben gewagt, daß heute die Möglichkeit bestehen würde, dem Hohen Hause über den Wiederaufbau der deutschen zivilen Luftfahrt zu berichten.
Die Schwierigkeiten, die es nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg zu überwinden galt, waren wesentlich größer als nach 1918. Nach 1945 wurde bewußt alles zerstört und beseitigt, was noch entfernt an eine deutsche zivile Luftfahrt erinnern konnte und was einen Wiederaufbau hätte erleichtern können. Die Proklamation Nr. 2 der Besatzungsmächte vorn 20. September 1945 verbot Herstellung, Besitz und Betrieb von Luftfahrzeugen aller Art durch deutsche Staatsbürger.
Erst sechs Jahre später wurde dieses allumfassende Gebot gemildert, als 1951 auf das ständige Drängen der Bundesregierung wenigstens der ' Segelflug und der Freiballonsport von ihren Fesseln befreit wurden. Zu diesem Zeitpunkt, im August 1951, entstand auch die Luftfahrtabteilung des Bundesministeriums für Verkehr. Seitdem begann man auf alliierter Seite, Verwaltungsaufgaben der Luftfahrt weitgehend deutschen Stellen zu übertragen.
Die Bundesregierung hat in dieser ganzen Zeit unbeirrt den Standpunkt vertreten, daß es für das Gedeihen der deutschen Wirtschaft und des Verkehrs unerläßlich notwendig sei, über einen eigenen deutschen Luftverkehr zu verfügen. Wenn nicht selten die Wiederherstellung der deutschen Lufthoheit gleichgesetzt wird nur mit der Möglichkeit zur Wiederaufnahme eines Luftverkehrs unter deutscher Flagge und daneben mit der Erfüllung der Sehnsucht der deutschen Motorsportflieger, wieder zu fliegen, dann ist dies doch nur eine recht oberflächliche Betrachtungsweise. Denn Voraussetzung für den Luftverkehr und für den Luftsport ist, daß auf allen Gebieten der Verwaltung der Luftfahrt die notwendigen Maßnahmen und Sicherungen getroffen sind. Das gilt für die nationale Gesetzgebung in der Bundesrepublik ebenso wie für die internationalen Vereinbarungen, für die Verwaltung beim Bund und bei den Ländern, für die Flugsicherung, für Forschung, Technik und Prüfwesen. Nur wenn auf allen diesen Gebieten Klarheit und Ordnung herrschen, können die Flugzeuge ruhig und sicher ihre Bahn ziehen.
Ich darf mit Befriedigung feststellen, daß sich die Übernahme der Lufthoheit praktisch reibungslos abgewickelt hat. Wenn dies möglich war, so ist es zwei Tatsachen zuzuschreiben: Überall wurde
mit Hingabe und Verantwortungsbewußtsein gearbeitet, und alles war rechtzeitig vorbereitet, um in Gang gesetzt zu werden; rechtzeitig, also nicht zu früh und nicht zu spät.
Zu diesen Vorbereitungsarbeiten gehörte eine Fülle von gesetzgeberischen Maßnahmen. Das deutsche Luftrecht, das im wesentlichen in dem Luftverkehrsgesetz und in der Verordnung über Luftverkehr, beide aus 1936, seinen Niederschlag gefunden hatte, ist, soweit es nicht in einzelnen Vorschriften dem Grundgesetz widerspricht, nicht aufgehoben. Aber es bedarf aus staatsrechtlichen Gründen einer weitgehenden Neugestaltung und bedarf zudem zahlreicher Änderungen, weil in den vergangenen 19 Jahren auf flugtechnischem Gebiet gewaltige Fortschritte erreicht wurden.
Das Schwergewicht der Arbeit lag nach den gegebenen Möglichkeiten zunächst in der Flugsicherung. In verhältnismäßig kurzer Zeit konnten hier die haushaltsmäßigen und gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Durch das Gesetz vom 23. März 1952 wurde die Bundesanstalt für Flugsicherung mit dem Sitz in Frankfurt am Main errichtet. Ihr wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1953 die Flugsicherung in der Bundesrepublik übertragen. Als weitere Bundesoberbehörde wurde durch das am 4. Dezember 1954 in Kraft getretene Gesetz das Luftfahrtbundesamt geschaffen, das seit dem 1. Februar 1955 in Braunschweig arbeitet.
Hatten in der Flugsicherung die Alliierten bereits wichtige Vorarbeit geleistet, so mußte auf dem Gebiet der Prüfung und Zulassung des Luftfahrtgerätes infolge der Zerstörung aller früheren Prüf- und Forschungsstellen eine ganz neue Organisation aufgebaut werden. Die gefundene Lösung, 1 nämlich Prüfung durch die vom Bundesminister für Verkehr mit Zustimmung des Bundesrates anerkannten nichtstaatlichen Prüfstellen, im wesentlichen wissenschaftliche Institute, und Zulassung durch das Luftfahrtbundesamt als obere Bundes-. behörde, dürfte den Interessen aller Beteiligten gerecht werden und die Verkehrssicherheit des Gerätes nach menschlichem Ermessen gewährleisten. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten stehen unmittelbar der praktischen Prüfung zur Verfügung, und umgekehrt erhält die Wissenschaft. neue Anregungen aus ihrer Prüfarbeit. Das Luftfahrtbundesamt erteilt die Prüferlaubnis an die Prüfer, führt die Luftfahrzeugrolle, sammelt Nachrichten über die Zulassungs- und Erlaubnisscheine für Luftfahrer und Luftfahrtgerät und ist als Leitstelle für Flugunfalluntersuchungen und für den Such- und Rettungsdienst tätig.
Weitere Maßnahmen gesetzgeberischer Art betrafen erstens die Prüfung ausländischen Luftfahrtgerätes. Da mit der Herstellung von Luftfahrtgerät in der Bundesrepublik noch nicht gerechnet werden konnte, wurde in einer Prüfordnung vom 19. August 1953 zunächst die Möglichkeit vorgesehen, ausländisches Gerät in einem erleichterten Verfahren zu prüfen und dabei ausländische Bau- und Prüfvorschriften anzuerkennen. Diese Regelung bewährte sich im Zuge der Lieferung ausländischer Flugzeuge an die Deutsche Lufthansa.
Zweitens. Die Kennzeichnung der Luftfahrtgeräte, die Erteilung von Eintragungs- und Zulassungsscheinen und Lufttüchtigkeitszeugnissen ist in einer Verordnung vom 9. November 1954 geregelt worden.
Drittens. Die Prüfung der Luftfahrer erfolgt auf Grund der Verordnung vom 21. Juni 1955. Diese regelt die Erteilung von Tätigkeitserlaubnissen an das Luftfahrtpersonal und paßt die alten Vorschriften aus dem Jahre 1936 den Richtlinien und Empfehlungen der Internationalen Zivilluftfahrt-organisation — ICAO — an. Die neue Prüfordnung ermöglicht die Anerkennung von Luftfahrerscheinen, die von Deutschen im Ausland erworben wurden, und regelt, in welchem Umfange Inhaber früherer deutscher Luftfahrerscheine unter erleichterten Bedingungen neue Erlaubnisscheine erwerben können.
Außer diesen Arbeiten wurden auch Ergänzungen und Änderungen des Luftfahrtrechts vorbereitet, die sich u. a. auf die Ausgestaltung der Bauschutzbereiche auf den Flughäfen, auf das Genehmigungsverfahren von Luftfahrtunternehmen und auf eine Luftfahrtstatistik beziehen. Bekanntlich berührt das Grundgesetz für die Bundesrepublik den Luftverkehr nur in dem Art. 73. Danach hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über den Luftverkehr. Weitere ausdrückliche Bestimmungen über den Luftverkehr enthält das Grundgesetz nicht. Für die Luftfahrtverwaltung kommen daher die allgemeinen Vorschriften, insbesondere der Art. 129, zur Anwendung. Nach Art. 129 ist die Zuständigkeit zur Vornahme von Verwaltungsakten auf Grund des Luftverkehrsgesetzes und der Verordnung über den Luftverkehr auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen übergegangen. Zwischen Bund und Ländern besteht unbeschadet der Möglichkeit einer künftigen gesetzlichen oder grundgesetzlichen Regelung keine Meinungsverschiedenheit über die Frage, welche Stellen als zuständig anzusehen sind. Dementsprechend wurde schon vor der endgültigen gesetzlichen Festlegung der Zuständigkeiten, nämlich bereits im Februar 1953, zwischen dem Bund und den Ländern eine Vereinbarung getroffen, die entsprechend den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen die Verwaltungsbefugnisse vorläufig gegenseitig abgrenzt und dem Bund vor allem die Aufgaben mit überregionalem Charakter vorbehält. Im Rahmen dieser Vereinbarung wurde von den Ländern die Notwendigkeit der Zusammenfassung der flugtechnischen Aufgaben beim Bund, insbesondere bei der Schaffung der Bundesanstalt für Flugsicherung und des Luftfahrtbundesamtes bejaht. Angesichts der guten Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern auf allen Gebieten der Luftfahrt habe ich keine Zweifel, daß sich die Vereinbarung auch künftig bewähren wird.
Ähnliche Vereinbarungen wurden auch auf dem Gebiete der Unfalluntersuchung und des Such- und Rettungsdienstes abgeschlossen. Die Luftaufsicht wurde dahin geregelt, daß sie ohne Bildung einer der früheren Luftpolizei entsprechenden besonderen Organisation durch Organe wahrgenommen wird, die von den Ländern auf den Flughäfen und Landeplätzen bestellt werden. Zur Verbesserung und Vereinheitlichung des Abfertigungsverfahrens wurden Richtlinien ausgearbeitet, die ein enges Zusammenarbeiten zwischen den mit der Luftaufsicht betrauten Personen und den Dienststellen der Flugsicherung und des Wetterdienstes gewährleisten.
Zur Regelung des Ein- und Ausflugs von Luftfahrzeugen im Bereich der Bundesrepublik wurde mit dem Alliierten Zivilen Luftfahrtamt vor seiner
Auflösung eine Übergangsregelung vereinbart, die in Kürze durch eine Regelung abgelöst werden wird, die dem deutschen Recht entspricht und gleichzeitig den Richtlinien der ICAO Rechnung trägt.
Ich habe gebeten, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich heute doch noch einmal der Verhältnisse zu erinnern, die vor zehn Jahren bei uns auf dem Luftfahrtgebiet herrschten. 1945 waren der einzig verbliebene und tatsächlich allein wieder in Erscheinung tretende Bestand der deutschen Luftfahrt unsere deutschen Verkehrsflughäfen. Auch sie, weitgehend durch Kriegszerstörungen in der Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, waren beschlagnahmt und standen zunächst unter rein alliierter Verwaltung. Um gemeinsam die deutschen Interessen zu vertreten, entschlossen sich die Flughafeneigentümer 1947 zu einer losen Zusammenarbeit, aus der 1950 die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen entstanden ist. Es muß anerkannt werden, daß diese ADV von Anfang an ein aktiver Helfer des Luftverkehrs gewesen ist, daß sie sich also nicht damit begnügte, brauchbare Landeplätze zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt durch die Arbeit der ADV konnte es frühzeitig erreicht werden, daß die Verwaltungsbefugnisse auf den deutschen Flughäfen mehr und mehr in deutsche Hände übergingen.
Daß die deutschen Flughäfen schnell wieder wachsende Bedeutung gewannen, war angesichts ihrer Lage im Herzen Europas nur natürlich. Denn ein planmäßiger internationaler Luftverkehr kann auf diese deutschen Flughäfen nicht verzichten. Ihre Anlagen und Einrichtungen müssen aber den steigenden flugtechnischen Ansprüchen genügen. So haben die Städte, die Länder und der Bund seit ' 1950 rund 100 Millionen DM zum Ausbau und zur laufenden Verbesserung der Flughäfen zur Verfügung gestellt.
Als Ergebnis dieser gemeinsamen Anstrengungen verfügt die Bundesrepublik nach Fertigstellung des Verkehrsflughafens Nürnberg im Frühjahr dieses Jahres über neun gutausgebaute Verkehrsflughäfen, zu denen Berlin als zehnter tritt. Die Anlagen dieser Häfen sind dem internationalen ICAO-Standard angepaßt. Wir verfügen über vier Häfen der ICAO-Klasse B mit Grundlängen der Startbahnen über 2150 m, über vier Häfen der Klasse C mit Grundlängen der Startbahnen von 1800 m und über zwei Häfen der Klasse D mit Grundlängen der Startbahnen von 1500 m.
Mit großer Sorge muß ich aber feststellen, daß noch immer einige der Verkehrsflughäfen gleichzeitig von militärischen Einheiten der Alliierten benutzt werden. Bei dieser Verquickung von ziviler und militärischer Luftfahrt — ich habe darauf schon oft hingewiesen — besteht nicht nur dauernd eine schwere gegenseitige Gefährdung, sondern auch die Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit des zivilen Luftverkehrs wird teilweise empfindlich gestört. Ich möchte hoffen und wünschen, daß es den gemeinsamen Bestrebungen gelingt, diese Verflechtungen zu lösen und unsere Verkehrsflughäfen ausschließlich der zivilen Luftfahrt zur Verfügung zu stellen.
Die in der Bundesrepublik und in Berlin zur Zeit betriebenen zehn Verkehrsflughäfen sind notwendig; aber sie sind auch ausreichend, um den gegenwärtigen Bedürfnisse unserer Volkswirtschaft nach einem planmäßigen Luftverkehr in befriedigendem Maße Rechnung zu tragen. Der erst in den Anfängen steckende Hubschrauberverkehr bleibt dabei außer Betracht.
Die Zahl der Verkehrsflughäfen muß begrenzt sein. Denn nach verkehrswirtschaftlichen Erkenntnissen sollen Verkehrsflughäfen in Europa im allgemeinen nicht weniger als 250 km voneinander entfernt liegen, da sonst das Verkehrsaufkommen im Verhältnis zu den hohen notwendigen Aufwendungen zu gering wäre.
Die Verkehrsflughäfen müssen jedoch, abgesehen von der Beseitigung von Kriegsschäden, im Hinblick auf den zunehmenden zivilen Luftverkehr und auf besondere Eigenschaften der Flugzeuge—ich denke dabei an die Entwicklung der Turboprop- und der Turbinenflugzeuge — für den zivilen Luftverkehr weiter ausgebaut werden. Das gilt nicht nur für die Start- und Landebahnen, sondern ebenso für sonstige Einrichtungen der Flughäfen. Allerdings werden auch die Flugzeugkonstrukteure mehr als bisher auf die technische Entwicklungsmöglichkeit der Verkehrsflughäfen Rücksicht nehmen müssen, namentlich hinsichtlich der Anforderungen, die sie an die Längen der Start- und Landebahnen stellen. Das ist nicht nur aus finanziellen Gründen für die Verkehrsflughäfen, sondern auch wegen der sonst unvermeidlichen weiteren Inanspruchnahme von Gelände beträchtlichen Ausmaßes notwendig. Flughäfen und Landeplätze für Hubschrauber werden in größerer Zahl erst geschaffen werden können, wenn dieses Verkehrsmittel technisch weiter vervollkommnet ist und in einigen Jahren seine wirtschaftliche Reife erlangt hat, so daß es dann steigende Bedeutung im Zubringerverkehr zu den großen Verkehrsflughäfen und im Nahverkehr zwischen großen Städten gewinnen kann. Während Ausbau und Betrieb einer Anzahl von Flughäfen mit internationalem Luftverkehr durch den Bund auch künftig finanziell gefördert werden sollen, ist eine derartige Unterstützung durch den Bund für Hubschrauberlandegelände nicht beabsichtigt. In dieser Hinsicht ist es Aufgabe der Länder und Gemeinden, wie bisher schon in Köln, Bonn und Duisburg, ihre etwa vorhandenen Interessen finanziell zu untermauern.
Abschließend zu diesem Kapitel zwei Vergleichszahlen. Im Jahre 1950 wurden in der Bundesrepublik und in Berlin 654 000 Fluggäste abgefertigt. Im Jahre 1954 waren es 2 414 000. Das bedeutet in dieser kurzen Zeit eine Steigerung um 270 %.
Entsprechend der Lage der Verkehrsflughäfen und der Einteilung Westdeutschlands in Besatzungszonen fanden wir bei der Übernahme der Flugsicherung in deutsche Verwaltung im Jahre 1953 eine sehr unterschiedliche Bodenorganisation und eine Flugsicherung vor, die teils von zivilen, teils von militärischen Dienststellen der Alliierten wahrgenommen wurde. Dabei herrschten die militärischen Gesichtspunkte vor. Seitdem ist von deutscher Seite alles getan worden, um die Flugsicherung im Bundesgebiet dem internationalen Standard anzugleichen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst die Funknavigations-, Schlechtwetterlande- und Fernmeldeeinrichtungen den Richtlinien und Empfehlungen der ICAO anzupassen. Heute schon besitzen wir in der Bundesrepublik ein einheitlich aufgebautes Luftstraßennetz mit Kontrollzonen für die Verkehrsflughäfen, ausgerüstet mit den international gebräuchlichen Flugsicherungseinrichtungen. So ist die Sicherheit gegen Zusam-
menstöße entsprechend dem heutigen Luftverkehrsbetrieb und der gegenwärtigen Verkehrsdisziplin der Luftfahrzeugführer nach menschlichem Ermessen gewährleistet. Wir dürfen sagen, daß sich der Flugsicherungsbetrieb seit der Übernahme in deutsche Hände eingespielt hat und daß ernstere Beanstandungen erfreulicherweise bisher nicht eingetreten sind. Den Flugsicherungsaufgaben voll gerecht zu werden, bleibt aber deshalb für die Zukunft sehr schwierig, weil der zivile Luftverkehr ständig anwächst und außerdem in zunehmendem Maße gegenüber den alliierten nud den kommenden deutschen Luftwaffenverbänden abgegrenzt werden muß.
Ein weiterer Ausbau dieses Luftstraßennetzes wird in den nächsten Jahren sicher nicht zu umgehen sein, und zwar infolge des zu erwartenden Anstiegs des zivilen Luftverkehrs und infolge des Einsatzes von Turboprop-, von Düsenflugzeugen und von Hubschraubern. Noch nicht ausreichend ausgebaut sind die derzeitigen Einrichtungen unserer Flugsicherung, um einen guten wirtschaftlichen Verkehrsfluß ohne Wartezeiten auf und im Luftraum über den Flughäfen zu erzielen. Hier besteht noch ein echter Nachholbedarf, hauptsächlich dadurch verursacht, daß vor der Übernahme der Flugsicherung in deutsche Verwaltung keine Möglichkeit gegeben war, Radargeräte für die Flugsicherung in der Bundesrepublik herstellen zu lassen oder im Ausland zu erwerben. Noch in diesem Jahr werden auf den Flughäfen Frankfurt am Main und Hamburg Landeradaranlagen modernster Bauweise aus amerikanischer Fertigung in Betrieb genommen. Weitere Flughäfen sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre mit Landeradaranlagen deu t-scher Herkunft ausgerüstet werden. Ferner ist es notwendig, Radaranlagen für die Flugsicherung auf den Luftstraßen zu errichten und die Verfahren zur Anzeige und zur Überwachung im Flugsicherungsdienst zur Kontrolle der Bewegungsvorgänge im Luftraum zu verbessern. Ziel unserer Flugsicherung muß sein sichere Landung auf Flughäfen bei aufliegenden Wolken und bei Horizontalsicht Null und sicherer und pünktlicher Streckenverkehr auf und außerhalb der Luftstraßen bis zu einer Verkehrsdichte, die von den Flughäfen aufgenommen werden kann. Hierzu wird es noch großer Anstrengungen und materieller Aufwendungen bedürfen. Es dürfte wohl nicht zu bestreiten sein, daß die Bundesrepublik ein erstklassiges Flugsicherungssystem besitzen muß, das den eben genannten Anforderungen des Luftverkehrs voll gerecht wird. Forschung, Entwicklung und Industrie werden eng mit der Flugsicherung zusammenarbeiten müssen, um diese Aufgaben zu lösen. Ihre Dringlichkeit wird dabei von der Frage der Zunahme des gesamten Luftverkehrs in den kommenden Jahren abhängen. Zwar sind die Notwendigkeiten des planmäßigen zivilen Luftverkehrs einigermaßen vorauszusehen, jedoch ist das Ausmaß der Zunahme des militärischen Luftverkehrs, der ja den gleichen Luftraum benutzt, noch nicht bekannt. Der Flugsicherung muß es in den kommenden Jahren gelingen, Geräte und Einrichtungen zu schaffen, die es ermöglichen, unabhängig von der Zunahme des militärischen Luftverkehrs den zivilen Luftverkehr ohne Wartezeiten regelmäßig und sicher durchzuführen.
Auf dem Gebiet der Luftfahrttechnik sind das Prüfwesen, die Zulassung von Luftfahrtgerät und die Forschung Aufgaben, die durch den Bundesminister für Verkehr betreut werden. Über Prüfwesen und Zulassung habe ich im wesentlichen schon berichtet und habe jetzt noch über den Wiederaufbau der deutschen Luftfahrtforschung kurz zu berichten.
Für Forschung und Geräteentwicklung konnte nach 1945 infolge der bestehenden Verbote nichts getan werden. Fachwissenschaftler und fachtechnisches Personal wanderten in andere Berufe ab, besonders hochwertige Kräfte gingen in das Ausland, Nachwuchskräfte fehlten praktisch ganz. Nachdem aber im Jahre 1952 die Wissenschaftliche Gesellschaft für Luftfahrt als Zusammenschluß namhafter Wissenschaftler neu gegründet war und durch die private Initiative der interessierten Wissenschaftler mit Unterstützung der Länder einige der alten Luftfahrtforschungsvereine wieder auflebten, nachdem ferner in der Luftfahrtabteilung des Bundesministeriums für Verkehr die notwendige organisatorische Grundlage geschaffen war, hat auch der Bund die Luftfahrtforschung nachdrücklich gefördert. Heute sind wieder folgende Forschungsanstalten tätig: die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt, früher in Berlin, jetzt in Essen-Mülheim, mit ihren Instituten in Mülheim, Aachen, Garmisch und Bonn; die Deutsche Forschungsanstalt für Luftfahrt in Braunschweig; die Aerodynamische Versuchsanstalt in Göttingen; die Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug, jetzt in München; das Flugfunkforschungsinstitut Oberpfaffenhofen in München, das in die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt eingegliedert wird. Dieser Anstalt und dem neuentstandenen Institut für Physik der Strahlantriebe in Stuttgart und der Deutschen Studiengemeinschaft Hubschrauber in Stuttgart, darüber hinaus einigen Privatinstituten, Einzelforschern und den akademischen Fliegergruppen, den Akafliegs, hat das Bundesverkehrsministerium in den beiden letzten Jahren eine große Zahl von Forschungsaufträgen erteilen können. Diese Forschungsaufträge dienen bestimmten Zwecken zur baldigen praktischen Verwertung, während Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die die Luftfahrtforschung durch besondere Schwerpunktprogramme unterstützt hat, vorzugsweise für die Grundlagenforschung eingesetzt werden.
Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien der Länder, die ihrerseits erhebliche Mittel für die Einrichtung der Forschungsanstalten zur Verfügung gestellt haben und auch die Kosten für ihren allgemeinen Unterhalt zu wesentlichen Teilen tragen, ist sehr befriedigend. Es darf festgestellt werden, daß alle beteiligten Ressorts und Verbände einmütig an einer zweckmäßigen Koordinierung der so vielseitigen Luftfahrtforschung arbeiten, selbstverständlich unter Vermeidung jeder Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Arbeit.
Von besonderer Bedeutung ist es, daß dem einzelnen Forscher die in aller Welt durchgeführten Arbeiten seines Spezialgebietes zugänglich gemacht werden, damit er diese Ergebnisse für seine eigene Arbeit ausnutzen und Doppelarbeit vermeiden kann. Daher wurde mit Mitteln des Bundes und der Länder eine Zentralstelle für Dokumentation der Luftfahrt in München eingerichtet, die für die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt und die Wissenschaftliche Gesellschaft für Luftfahrt gemeinsam arbeitet und von ihnen betreut wird.
Ohne Zweifel sind die bisher der Luftfahrtforschung durch die öffentliche Hand zur Ver-
fügung gestellten Mittel gegenüber den Aufwendungen, die andere Staaten für die gleichen Zwecke machen, noch sehr gering, ja übermäßig bescheiden. Trotz dieser geringen Mittel hat der Neuaufbau der Luftfahrtforschung unter Berücksichtigung der gegebenen Möglichkeiten gute Fortschritte gemacht. Um aber den Anschluß an das Ausland wiederzugewinnen, wird es in den kommenden Jahren notwendig sein, die Fürsorge für die Luftfahrtforschung wesentlich zu verstärken. Große Sorge bereitet uns dabei der Mangel an qualifizierten Fachwissenschaftlern und Fachingenieuren. Mit einer Rückkehr aus den in andere Berufe und in das Ausland abgewanderten Menschen kann nur in bescheidenem Umfang gerechnet werden. Grundlegend wird dieses Problem nur durch eine sehr sorgfältig vorbereitete Planung zur Heranbildung von Nachwuchskräften zu lösen sein. All dies, meine verehrten Damen und Herren, war notwendig, um die Voraussetzungen für eine deutsche Zivilluftfahrt zu schaffen, aber auch als Voraussetzung für die Stellung der Bundesrepublik in der Gesamtheit der internationalen zivilen Luftfahrt.
Der Aufbau der deutschen Zivilluftfahrtverwaltung durfte natürlich nicht ausgerichtet sein allein auf den Betrieb der neuen Deutschen Lufthansa oder auf den rein deutschen Motorflug überhaupt. Vielmehr war davon auszugehen, daß heute rund 30 ausländische Luftverkehrsgesellschaften planmäßige Flugstrecken nach dem Bundesgebiet und über seine Grenzen hinaus betreiben. Es war der Tatsache Rechnung zu tragen, daß die Bundesrepublik immer mehr zur Drehscheibe einer sich ständig steigernden zwischenstaatlichen und interkontinentalen Handelsluftfahrt wird. Den daraus entstehenden Aufgaben mußte der Aufbau der deutschen Luftfahrtverwaltung entsprechen, unabhängig von den Bedürfnissen eines eigenen deutschen Luftverkehrs.
Die Deutsche Lufthansa unterhält, wie Sie wissen, zur Zeit mit den vier Flugzeugen des Musters Convair 340 folgende Flugverbindungen: vierzehnmal wöchentlich nach London, dreimal wöchentlich nach Paris, zweimal wöchentlich nach Madrid. Dieser Flugplan, der natürlich manche berechtigten Wünsche offenläßt, hat die Billigung aller interessierten Stellen, insbesondere auch der Länder, gefunden.
Daneben verfügt die Lufthansa über drei Flugzeuge des Musters DC 3, die dort eingesetzt werden sollen, wo sich im europäischen Verkehr besondere Lücken zeigen und wo sich lohnende Zubringeraufgaben zu den interkontinentalen Diensten ergeben.
Die vier Flugzeuge des Musters Lockheed-Super-
Constellation stehen im planmäßigen Flugliniendienst auf der Nordatlantikstrecke nach New York, der bedeutendsten Ader des Weltluftverkehrsnetzes. Wenn es auch das ernste Anliegen der Lufthansa sein wird, die echten Luftverkehrsbedürfnisse der deutschen Wirtschaft innerhalb des Bundesgebietes und des europäischen Kontinents zu befriedigen, so ist andererseits nicht zu verkennen, daß die wesentliche Aufgabe des Flugzeugs in der Überbrückung weiter Entfernungen liegt. Erst hier tritt sein entscheidender Vorteil gegenüber den erdgebundenen und wassergebundenen Verkehrsmitteln, nämlich seine Schnelligkeit, voll in Erscheinung, und daher ergeben sich bei diesen Diensten auch die größten ökonomischen Erfolgsaussichten. Deshalb soll die Lufthansa in der zweiten Ausbaustufe ihre Überseeflotte von vier auf acht Super-Constellation erweitern, um damit vom nächsten Jahre ab den Dienst nach New York von jetzt vier- bis sechsmal auf sieben- bis zehnmal wöchentlich — jeweils entsprechend der Reisezeit — zu verdichten und darüber hinaus eine Linie nach Südamerika, nämlich nach Rio de Janeiro und Buenos Aires, zweimal wöchentlich zu fliegen und ferner den Luftverkehr mit dem Nahen Osten bis Teheran in ihr Netz aufzunehmen.
Der 1951 eingesetzte Vorbereitungsausschuß für Luftverkehr hatte als Minimum für einen erfolgversprechenden Überseedienst 12 Flugzeuge angenommen. Dabei war er — das wird gelegentlich in der öffentlichen Diskussion übersehen — von der Kapazität des Flugzeugmusters Douglas DC 6 ausgegangen. Inzwischen sind die Flugleistungen je Einheit weiter verbessert worden. Heute entspricht der Transportwert von neun Super-Constellation dem von 12 DC 6-Flugzeugen. Der Kalkulation des Vorbereitungsausschusses würde also bei einem Einsatz von acht Super-Constellation, wie ab 1956 möglich, nahezu entsprochen werden.
Da nach internationaler Erfahrung die Überseedienste den Luftverkehrsgesellschaften Überschüsse abwerfen, während die innereuropäischen Strecken häufig Zuschüsse erfordern, erscheinen für die Lufthansa — mit einem geringen Verkehr innerhalb Europas und einem relativ starken Verkehr nach Übersee auf den hauptbenutzten Strecken — die Aussichten, nach einer verhältnismäßig kurzen Anlaufzeit ihre Ausgaben aus eigenen Einnahnahmen ohne Beihilfen der öffentlichen Hand dekken zu können, durchaus günstig. Die Ertragsrechnungen der alten Lufthansa können hier nicht zum Vergleich herangezogen werden. Seit 1939 sind mehr als anderthalb Jahrzehnte vergangen, und in dieser Zeit ist die mögliche Eigenwirtschaftlichkeit von Luftverkehrsunternehmungen bei sorgfältiger Planung erkannt und bewiesen. Die letzten Bilanzen vieler Luftverkehrsgesellschaften geben darüber Auskunft.
Natürlich liegen in allen Vorausberechnungen gewisse Unsicherheitsfaktoren. Wenn man aber, wie wir es getan haben, auf Grund der internationalen Erkenntnisse und Erfahrungen die Erwartungen auf einen Erfolg in Form nur eines Minimums einsetzt, so erscheint das Risiko begrenzt. Auf Grund sehr vorsichtiger Kalkulationen wird die Lufthansa nach Abschluß der zweiten Aufbaustufe im Betriebsjahr 1958 mit einem Park von sieben Flugzeugen für den Europadienst und von acht Super-Constellation für den interkontinentalen Dienst zu einer ausgeglichenen Ertragsrechnung kommen können. Voraussetzung für dieses erhoffte wirtschaftliche Ergebnis ist allerdings, daß man der Lufthansa gestattet, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu arbeiten, und sie nicht zwingt, unrentable Linien zu betreiben.
Der Investitions-Kapitalbedarf bei einer Flottengröße von 4 Convair 340-, 3 DC 3- und 8 Super Constellation-Flugzeugen beläuft sich auf 136 Millionen DM. Er soll durch Eigenkapital des Unternehmens in Höhe von 50 Millionen DM, durch verdiente Abschreibungen in Höhe von rund 45 Millionen DM, durch Bundesmittel in Höhe von rund 26 Millionen DM und durch Darlehen in Höhe von rund 15 Millionen DM gedeckt werden.
Die Auswahl des Fluggeräts wurde allein nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgenommen. Sie steht ja in erster Linie in der Verantwortung der Organe der Gesellschaft. Die besondere Lage der deutschen Luftverkehrsgesellschaft ist gekennzeichnet durch die Notwendigkeit eines Neuaufbaus der gesamten technischen Organisation und einer Schulung des Personals von Grund auf, ferner durch die Forderung, Anschluß zu finden an die Erfahrungen ausländischer Luftverkehrsgesellschaften, die in der Nachkriegszeit ihren Flugbetrieb auf einen hohen technischen Stand bringen konnten. Wir mußten sozusagen auf einen Zug aufspringen, der sich in voller Fahrt befindet, und konnten nicht auf dem Bahnsteig einsteigen. Daher durften wir nur Flugzeugmuster auswählen, die zur Zeit der Bestellung bereits bewiesen hatten, daß bei ihnen das technische Risiko auf ein möglichst geringes Maß herabgesetzt war. Also konnten nur völlig erprobte Flugzeuge mit genügend langem Einsatz und Bewährung im Luftverkehr in Auftrag gegeben werden. Daß die zukunftsträchtige Entwicklung der Propellerturbinen- und der Strahlturbinen-Verkehrsflugzeuge von uns und von der Lufthansa mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt wird, ist selbstverständlich. Die Deckung des ersten Bedarfs an Fluggerät für den deutschen Luftverkehr bedeutet keinesfalls eine Festlegung oder eine einseitige Bindung in irgendeiner Beziehung, sowohl was die Flugzeugmuster, als auch was die Antriebsart oder das Ursprungsland angeht. Bei der Auswahl des Fluggeräts gab also der Grundsatz: „Sicherheit zuerst" den Ausschlag.
Ebenso wurde auch in der personellen Hinsicht verfahren. Fliegerisches Personal der Lufthansa wurde in England und in den Vereinigten Staaten ausgebildet, Stationspersonal erhielt seine Schulung in Betrieben ausländischer Unternehmen. Damit man ganz sicher geht, sitzen in der Anfangszeit am ersten Steuer der Lufthansa-Flugzeuge Kapitäne, die von der British-European Airways und von den amerikanischen Trans World Airlines zur Verfügung gestellt wurden, während deutsche Flugzeugführer als Co-Piloten fliegen. Dieser der Lufthansa gewährten Starthilfe der genannten Gesellschaften werden wir uns stets dankbar erinnern.
Seit Dezember 1953 laufen eigene Ausbildungsprogramme der Lufthansa. Sie sehen, wie früh wir anfangen mußten, um wenigstens über die notwendigen Co-Piloten zu verfügen. Anfangs begann sie am Linktrainer am Boden, später wurde sie im fliegenden Flugzeug fortgesetzt. In den bisher durchgeführten Kursen wurden 24 Flugzeugführer und 15 Flugingenieure ausgebildet. In der Schulung befinden sich zur Zeit 61 Flugzeugführer und 13 Flugingenieure.
Angesichts der kleinen Flotte der Lufthansa erscheinen diese Zahlen vielleicht hoch. Dabei ist aber zu bedenken, daß zu jedem Convair-Flugzeug zwei und zu jeder Super Constellation drei Besatzungen gehören. Jedes Flugzeug muß — selbstverständlich unter Einhaltung der von der Sicherheit diktierten Höchstgrenze — möglichst intensiv ausgenutzt werden, also fliegen. Nur das fliegende Flugzeug kann Geld verdienen. Die Zahl der Flugstunden des fliegenden Personals muß aber aus sozialen und Sicherheitsgründen beschränkt sein. Der Dienst erfordert physisch und psychisch einen sehr hohen persönlichen Einsatz. Die Schonung solch hochwertiger Kräfte zur Erhaltung ihrer Arbeitskraft ist nicht nur aus menschlichen und sozialen Gründen, sondern ebenso im wohlverstandenen Interesse der Luftverkehrsgesellschaft erforderlich.
Die Ausbildung des Lufthansapersonals ist in Hamburg konzentriert. Hier ist unter der großzügigen Förderung durch die Bürgerschaft und den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, für die wir sehr dankbar sind, eine technische Basis entstanden, die zu den schönsten und vor allem zweckmäßigsten Werften in der Welt zählen dürfte.
Damit lassen Sie mich, meine Damen und Herren, meine Antwort auf die Große Anfrage nach den Vorbereitungen für einen deutschen Luftverkehr schließen, die ich durch einen Bericht über schon Erreichtes und noch Geplantes ergänzen durfte.
Lassen Sie mich nun noch einiges zu der Frage nach der Luftfahrtpolitik sagen, welche die Bundesregierung zu verfolgen gedenkt.
Zunächst ein Wort zu einem Problem, das auch in diesem Hohen Hause schon behandelt worden ist, nämlich zu der Frage, weshalb es noch nicht zur Gründung einer europäischen Luftverkehrsgesellschaft gekommen ist. Seit zwei Jahrzehnten ist von den verschiedensten Seiten versucht worden, einen Zusammenschluß der Luftverkehrsunternehmen, sei es mit, sei es ohne übergeordnete internationale Behörde, herbeizuführen, um eine unrationelle Konkurrenz im Luftverkehr auszuschalten. Alle Bemühungen in dieser Richtung, insbesondere des Völkerbundes in den 30er Jahren, der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation, der ICAO, seit 1944 und des Europarates — ich denke z. B. an den sogenannten Sforza-Plan von 1951 — hatten keinen Erfolg.
In der Straßburger ICAO-Konferenz 1954 zur Koordinierung des europäischen Luftverkehrs, in der die Bundesrepublik erstmals gleichberechtigt vertreten war, konnten wir ein Interesse an der Bildung einer europäischen Luftverkehrsgesellschaft im Sinne der Entschließung des Bundestages vom 23. Juni 1953 leider nicht feststellen. Abgesehen davon, daß schon die Bestrebungen der Bundesregierung, diesen Punkt auf die Tagesordnung der Konferenz zu bringen, nicht durchdrangen, war man, als die Frage anderweit doch zur Erörterung kam, weithin der Auffassung, der bisherige Wettbewerb solle in geregelter Form aufrechterhalten bleiben, weil nur er die Möglichkeit für laufende Verbesserungen und für eine Befriedigung des Bedarfs biete. Bei der immer noch stürmischen technischen Weiterentwicklung auf allen Gebieten der Luftfahrt befürchtete man vielfach, bei zu engen Bindungen gegenüber Entwicklungen in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten und auch in Rußland ins Hintertreffen zu geraten. Diese Ansicht wird auch von dem gemeinsamen Luftfahrtstudienbüro der sechs größten europäischen Luftverkehrsgesellschaften in Brüssel geteilt.
Gegen eine europäische Luftverkehrsgesellschaft ist weiter angeführt worden die zu große Verschiedenartigkeit der zu vereinigenden nationalen Gesellschaften, und zwar nicht nur in ihren Verkehrszielen und in ihrem Fluggerät, sondern auch in der Struktur ihres Kapitals, das sich in unterschiedlicher Zusammensetzung teils in öffentlicher Hand, teils in Privatbesitz befindet.
Für die Notwendigkeit einer wirksameren inter -nationalen Zusammenarbeit der Staaten und der Luftverkehrsgesellschaften zeigte sich auf der Straßburger Konferenz dagegen stärkstes Interesse. Zur weiteren gedeihlichen Entwicklung des europäischen Luftverkehrs wurde die Europäische Zivilluftfahrt-Kommission gegründet, die zu ihrer ersten Sitzung im November 1955 in Straßburg zusammentreten wird. Hier wird die Bundesrepublik aktiv und intensiv mitarbeiten. Die Deutsche Lufthansa ihrerseits wird sich dem Brüsseler Studienbüro anschließen, abgesehen von ihrer kürzlich erfolgten Aufnahme in die International Air Transport Association, die sogenannte IATA, die privatwirtschaftliche Vereinigung der Luftverkehrsgesellschaften, das Gegenstück zu der bereits gekennzeichneten ICAO, deren Mitglieder die Staaten sind.
Diese beiden Wege bieten zur Zeit die besten Möglichkeiten, mit denen wir einem sinnvollen Zusammengehen der verschiedenen Luftverkehrsunternehmen in Europa näherkommen können. Dabei sollte nicht verkannt werden, daß man nach dem heutigen Stand der Technik ein europäischer Luftverkehr für sich allein überhaupt nicht wirtschaftlich zu gestalten ist. Eine Integrierung allein für ein europäisches Streckennetz wäre daher wenig zweckvoll und böte keine befriedigenden wirtschaftlichen Aussichten. Um zu einer besseren Zusammenarbeit der europäischen Luftverkehrsgesellschaften und zu einer besseren Wirtschaftlichkeit zu gelangen, ist es nötig, zu erkennen, daß sich diese Zusammenarbeit nicht nur auf den Verkehr innerhalb Europas beschränken darf, sondern sich auch auf den interkontinentalen Verkehr von und nach Europa ausdehnen muß. Diese Möglichkeit sollte in der Tat genau untersucht werden. Gerade dazu ist die Europäische Zivilluftfahrt-Kommission geeignet. Vielleicht bieten sich aber auch noch andere Wege dadurch an, daß einige europäische Luftverkehrsgesellschaften gleicher Struktur mit gleichen Verkehrsinteressen und mit gleicher technischer Ausstattung Wege suchen und finden, um sich enger zusammenzuschließen.
Ich erinnere an Abkommen, die zwischen unserer Lufthansa und den beiden großen britischen Luftverkehrsgesellschaften seit 1954 und mit der Air France seit 1955 bestehen und die sehr ausbaufähig sind. Mit Pool-Verträgen, sei es auf einzelnen Verkehrslinien, sei es für bestimmte Verkehrsgebiete, läßt sich ein gutes Stück des Weges zu einer Zusammenfassung des Luftverkehrs zurücklegen. Gerade nachdem wir die Lufthoheit zurückerhalten haben, stehen wir all diesen Bestrebungen noch aufgeschlossener gegenüber. Eine Zusammenfassung des europäischen Luftverkehrs, wie sie uns vorschwebt, muß aber, um erfolgreich zu sein — ich darf dies nochmals ausdrücklich unterstreichen —, nicht nur den innereuropäischen Luftverkehr, sondern den gesamten von europäischen Luftverkehrsunternehmungen betriebenen Luftverkehr in Europa sowie von und nach Europa einschließen. Damit wir zu diesem Ziel gelangen, scheint es mir notwendig, eine Periode immer enger werdender Zusammenarbeit der Staaten und der Luftverkehrsgesellschaften vorzuschalten.
Wie ich schon erwähnen durfte, ist die Bundesrepublik durch die Pariser Verträge zum Beitritt in die ICAO verpflichtet, jener weltweiten Organisation, die 1944 durch das Abkommen von Chicago geschaffen wurde und der heute 66 Staaten angehören. Dieser Verpflichtung, verankert in dem „Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen", ist die Bundesrepublik insoweit bereits nachgekommen, als sie in der ICAO-Versammlung am 9. Juni dieses Jahres einen Aufnahmeantrag stellte, der in einer betont freundschaftlichen Atmosphäre mit 51 Stimmen bei 52 Stimmberechtigten unter einer Stimmenthaltung angenommen wurde. Nunmehr bedarf es noch der Zustimmung der UNO in ihrer Generalversammlung im kommenden Oktober. Hierzu ist nur einfache Stimmenmehrheit notwendig, so daß an einem zustimmenden Beschluß nicht zu zweifeln sein wird.
Der Beitritt zu der ICAO war auch vom Standpunkt der Bundesrepublik aus eine unbedingte Notwendigkeit; denn er schafft die staatsrechtlichen Grundlagen für eine Betätigung der Bundesrepublik im internationalen Luftverkehr. Materiell und zeitlich waren dabei einige Schwierigkeiten zu überwinden. Einmal mußte der Möglichkeit vorgebeugt werden, daß gewisse Staaten Einspruch gegen die Aufnahme der Bundesrepublik einlegen. Zum anderen war große Eile geboten, da die Hauptversammlung der ICAO nur alle zwei Jahre stattfindet und die Zeitspanne zwischen der Wiederherstellung der deutschen Lufthoheit am 5. Mai und der nächsten Hauptversammlung in Montreal Anfang Juni 1955 nur recht knapp war. Beide Klippen konnten umfahren werden dank unserer sehr intensiv betriebenen Vorbereitungen und dank der besonderen Unterstützung durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs.
Während der ICAO und der Europäischen Luftfahrt-Kommission die Aufstellung allgemein gültiger Grundsätze für Betrieb und Verkehr zufällt, ist der Austausch von Verkehrsrechten, d. h. die Genehmigung zur Aufnahme des Luftverkehrs zwischen den einzelnen Staaten, zweiseitigen Abkommen vorbehalten. Auch die Bundesrepublik wird nunmehr nach der Wiedererlangung ihrer Souveränität solche Abkommen in verhältnismäßig großer Zahl abzuschließen haben. Das ideale Ziel der ICAO, die Staaten noch enger aneinander zu binden und das System der bilateralen Abkommen durch ein allgemeines multilaterales Abkommen über den Austausch von Verkehrsrechten zu ersetzen, hat sich bisher nicht verwirklichen lassen. Aber die weitere Entwicklung deutet in diese Richtung, und wir werden uns intensiv bemühen, dieses Ziel bald zu erreichen.
Die Bundesrepublik hat offiziell über ein Luftverkehrsabkommen bisher mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland verhandelt. Die informellen Vorbesprechungen mit Frankreich sind so weit gediehen, daß im Grunde nur noch ein formaler Abschluß fehlt. Weitgehend vorbereitet sind Abkommen mit Belgien und der Schweiz. Informelle Vorbesprechungen wurden ferner eingeleitet mit den skandinavischen Staaten, mit Island, Irland, Finnland, den Niederlanden, Spanien, Brasilien und Australien.
Diese Staatsverträge bedürfen in der Bundesrepublik der Ratifizierung durch die gesetzgebenden Körperschaften. Das Hohe Haus wird sich daher eingehend mit ihnen zu beschäftigen haben. In den anderen Staaten ist dies zum Teil nicht der
Fall. In den Verträgen werden im wesentlichen geregelt: das Prinzip des Austausches von Verkehrsrechten bei einer gleichmäßigen und gerechten Behandlung der beiderseitigen Luftverkehrsunternehmen, die Tariffragen, die Zollfragen bei Ein- und Ausflug, die gegenseitige Anerkennung von Lufttüchtigkeitszeugnissen der Flugzeuge und von Befähigungszeugnissen der Besatzungen, der künftige Meinungsaustausch über die Luftfahrtbeziehungen, die Möglichkeit einer Konsultation und die Einsetzung eines Schiedsgerichts bei Meinungsverschiedenheiten.
Die Staatsverträge werden ergänzt durch einen diplomatischen Notenwechsel über die Fluglinien im einzelnen, die von den Luftverkehrsunternehmen der beiden Staaten betrieben werden dürfen. Diese Liste der Fluglinien enthält also den Niederschlag der gegenseitig eingeräumten Rechte zu Landungen im Staatsgebiet des Partners und zum Durchflug durch den über seinem Staatsgebiet befindlichen Luftraum; denn dieser Luftraum gehört zu dem jeweiligen Hoheitsgebiet. Landungen in dem Gebiet des anderen Staates sind natürlich nur dann wirklich interessant, wenn sie mit dem Recht verknüpft sind, Fluggäste, Fracht und Post aus allen Häfen der betreffenden Fluglinie abzusetzen und nach allen Häfen dieser Linie aufzunehmen.
Da ein multilaterales Luftverkehrsabkommen bisher nicht besteht, sind bereits sehr viele bilaterale Abkommen zwischen den Handelsluftfahrt treibenden Staaten abgeschlossen worden. Oft haben diese Verhandlungen monatelang gedauert, manche wurden ohne positives Ergebnis abgebrochen. Für die Bundesrepublik ist die Ausgangslage bei diesen Verhandlungen insofern gewiß nicht einfach, als die anderen Staaten sich bereits viele Verkehrsrechte gegenseitig gewährt haben und man auf die Einschaltung der Bundesrepublik in dieses System nicht gerade gewartet hat. Es war also auch hier geboten, sehr frühzeitig Fühlung aufzunehmen und abklärende Vorverhandlungen durchzuführen.
Am wichtigsten erschien der Abschluß von Abkommen mit den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Frankreich. Bei der Festlegung der Verkehrsrechte handelt es sich nicht etwa nur darum, diejenigen Rechte zu erwerben, die sofort ausgeübt werden können; vielmehr muß hier auf weite Sicht geplant werden, um der Gefahr zu begegnen, daß der Partner bestimmte Rechte später anderweitig in einer Weise vergibt, welche die Erfüllung unserer eigenen Wünsche ausschließen würde.
Zu dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen darf ich zusammenfassend sagen, daß es gelungen ist, für die Bundesrepublik die bedeutenden Luftstraßen der Welt zu erschließen. Ich darf diese erfreuliche Feststellung durch eine knappe Skizze dessen, was bisher erreicht worden ist, belegen.
Das Abkommen mit den Vereinigten Staaten ist am Donnerstag der vorigen Woche in Washington so, wie es von den beiden Delegationen vereinbart worden war, unverändert unterzeichnet worden. Sie wissen, daß es nach seiner Paraphierung durch die Leiter der beiden Delegationen nochmals eingehend durch die verantwortlichen amerikanischen Behörden geprüft worden ist. Einige amerikanische Unternehmen hatten mit dem Hinweis Einspruch erhoben, die der Bundesrepublik eingeräumten Rechte seien weitergehend als die an andere Staaten gewährten Rechte. Daraufhin hatten Kreise des amerikanischen Senats den Wunsch nach einer Überprüfung geäußert. Die Verhandlungen waren also keineswegs gescheitert, wie manche annehmen zu müssen glaubten, sondern es hatte sich lediglich die Unterzeichnung des Abkommens verzögert. Wir zweifelten nicht, daß unterzeichnet werden würde, weil wir der Überzeugung waren und sind, daß das Abkommen den Interessen sowohl der Vereinigten Staaten wie der Bundesrepublik gleichermaßen 'Rechnung trägt und in durchaus fairer Weise einen Ausgleich zwischen den Verkehrsrechten der amerikanischen Unternehmen im Bundesgebiet und des deutschen Luftverkehrs in den Vereinigten Staaten darstellt.
Der deutsche Luftverkehr hat durch dieses Abkommen das Recht zu folgenden Linien erworben:
1. vom Bundesgebiet über Zwischenlandeplätze nach Boston, New York und Philadelphia, also zur nordamerikanischen Ostküste, und darüber hinaus von den USA über Flughäfen in der karibischen See nach Südamerika;
2. vom Bundesgebiet über Zwischenlandeplätze nach Chicago — eine im Hinblick auf den hohen Anteil deutschstämmiger Bevölkerung in diesem Raum luftverkehrswirtschaftlich für uns recht interessante Strecke —;
3. vom Bundesgebiet über Zwischenlandeplätze nach San Francisco oder Los Angeles, wobei die Bundesrepublik zu einem späteren Zeitpunkt die Wahl des Endpunktes treffen kann; diese Strecke zur nordamerikanischen Westküste kann auch über das Polgebiet geführt werden.
Diesem Abkommen mit den USA folgt nun das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, das wir in der letzten Woche in London abgeschlossen haben. Ich freue mich, sagen zu können, daß das Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von dem Geist einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit getragen wird, demselben Geist, aus dem die frühere Vereinbarung der beiden britischen Luftverkehrsgesellschaften BOAC und BEA mit der Deutschen Lufthansa entstanden ist.
Der deutsche Luftverkehr erhält hier das Recht zum Betrieb folgender Strecken:
1. vom Bundesgebiet über Zwischenlandepunkte nach London, Manchester, Glasgow und Edinburgh sowie über Manchester nach Dublin, der Hauptstadt Irlands;
2. vom Bundesgebiet über Zwischenlandeplätze und über Manchester nach Kanada und den Vereinigten Staaten; hier findet sich die Ergänzung zu den Rechten, die uns die Vereinigten Staaten gewährt haben.
Dasselbe gilt von der nächsten Strecke, die vom Bundesgebiet über Südwesteuropa, die Azoren und die Bahama-Inseln nach Mexiko, Venezuela, Kolumbien und Peru geflogen werden kann. Diese Strecke nach Mittelamerika und dem Nordteil von Südamerika ist also in Zusammenhang mit dem Luftverkehr nach den USA zu werten.
Das weitere traditionelle Ziel der deutschen Handelsluftfahrt, der Ferne Osten, wird uns durch eine Strecke erschlossen mit der Linienführung vom Bundesgebiet über Süd- und Südosteuropa, Ägypten oder die Türkei, den Mittleren Osten, Pakistan und Indien nach Kalkutta. Hier gabelt sich
die Strecke; der eine Strang kann über Bangkok und Hongkong nach Japan führen, der andere über Ceylon und Singapore nach Indonesien, Australien und Australasien. Wesentlich war hier die Gewährung von Verkehrsrechten durch das Vereinigte Königreich für Landungen in Hongkong und Singapore.
Schließlich erhält der deutsche Luftverkehr das Recht auf Strecken nach der Südafrikanischen Union. Diese können sowohl entlang der afrikanischen Ostküste über Nairobi als auch entlang der Westküste des Schwarzen Erdteils über Kano oder Lagos in Nigeria geführt werden.
Die Unterzeichnung des Abkommens wird voraussichtlich nächste Woche erfolgen.
Die Besprechungen mit Frankreich lassen als Ergebnis eine Abrundung und Ergänzung der genannten Strecken erkennen. Abgesehen von dem Nachbarschaftsverkehr zwischen deutschen und französischen Flughäfen stehen hier für den deutschen Luftverkehr die wichtigsten Durchflug- und Landerechte auf den Strecken nach Nord-, Mittel-und Südamerika sowie nach Südafrika in Aussicht.
In einer überraschend kurzen Zeit konnten also dank rechtzeitig eingeleiteter Vorbereitungen die wichtigsten luftverkehrspolitischen Probleme in einer die Interessen der Bundesrepublik voll befriedigenden Weise gelöst werden. Dies gibt unserer Lufthansa die Voraussetzungen für neue Planungen, die ohne Sicherung der Rechtslage im luftleeren Raum gestanden hätten. Davon hängt auch die zukünftige Materialpolitik ab. Die Organe der Lufthansa, insbesondere auch ihr technischer Ausschuß unter dem Vorsitz von Professor Brandt, sind mit diesen Untersuchungen beschäftigt. Bevor sie uns ihre Auffassung dargelegt haben, möchte auch ich mich noch zurückhalten. — Finanziell sieht es so aus, daß wir in den nächsten Jahren noch weitere 100 Millionen DM investieren möchten, aber möglichst nicht zu Lasten des Haushalts. Auch dieses Probelm wird von den Organen der Lufthansa zur Zeit eingehend bearbeitet.
Bis zu dem Wirksamwerden von zweiseitigen Luftverkehrsabkommen behalten die das Bundesgebiet anfliegenden ausländischen Luftverkehrsgesellschaften ihre durch das ehemalige Civil Aviation Board erteilten Verkehrsrechte, und zwar ab 5. Mai 1955 auf ein Jahr, längstens auf zwei Jahre, sofern Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen begonnen haben, jedoch noch nicht beendet worden sind. Diese ebenfalls in dem Überleitungsvertrag enthaltene Regelung zugunsten von rund 30 ausländischen Unternehmen hat ihre Berechtigung in dem Wunsch aller Beteiligten, nicht etwa am Tage der deutschen Lufthoheit über dem Bundesgebiet mehr oder weniger ein Vakuum entstehen zu lassen. Es wäre ebensowenig sinnvoll gewesen, hätte man die bestehenden Konzessionen der ausländischen Gesellschaften erlöschen lassen und anschließend nur ein beschränktes Verkehrsvolumen bewilligt. In beiden Fällen wäre unsere Wirtschaft betroffen worden. Denn da die deutsche Lufthansa das Schwergewicht auf die interkontinentalen Flugdienste legt, wird sie auf Jahre hinaus den Luftverkehr über dem Bundesgebiet nicht in einem Umfang übernehmen können, in dem er im Interesse der deutschen Wirtschaft durchzuführen ist.
Die Bundesregierung wird daher auf der internationalen Ebene eine möglichst freiheitliche Luftverkehrspolitik betreiben, ausgehend von den echten Verkehrsbedürfnissen, dabei allerdings unter voller Aufrechterhaltung der deutschen Ansprüche auf Verkehrsrechte.
Bei der Vergabe von Verkehrsrechten an Luftverkehrsgesellschaften des Auslandes wird in jedem Fall sorgfältig geprüft werden, ob die beantragte Strecke der Befriedigung eines echten Verkehrsbedürfnisses dienen würde. Wird diese Frage bejaht, so neigen wir grundsätzlich dazu, für diese Strecke uneingeschränkte Verkehrsrechte zu gewähren, um die verfügbaren Kapazitäten voll auszunutzen.
Einer besonderen Regelung bedarf der sogenannte Kabotageverkehr, also Beförderungen zwischen zwei Flughäfen innerhalb des Bundesgebiets. Das Recht auf Kabotageverkehr wird in Zukunft ausländischen Gesellschaften in der Bundesrepublik grundsätzlich nicht mehr gewährt werden. Dieses Verfahren entspricht einer allgemeinen internationalen Übung. Das schließt allerdings nicht aus, daß in Einzelfällen solche Rechte ausnahmsweise dann gewährt werden können, wenn es den deutschen Verkehrsinteressen entspricht.
Man darf wohl sagen, daß sich die neue Lufthansa erfreulicherweise in völliger Harmonie in die Symphonie der völkerverbindenden Handelsluftfahrt eingefügt hat.
Von vornherein war es ihr Bestreben, auch in der freundschaftlichen Zusammenarbeit mit anderen Luftverkehrsgesellschaften das Erbe der alten Lufthansa anzutreten. Es erwies sich, daß das Wiedererscheinen deutscher Verkehrsflugzeuge von den ausländischen Luftverkehrswirtschaften als eine Selbstverständlichkeit angesehen wurde und daß man zu einer Zusammenarbeit von vornherein bereit war. Bisher schon sind Vereinbarungen der Lufthansa mit den beiden britischen Gesellschaften BEA und BOAC sowie mit der Air France zustande gekommen, welche die sinnvolle Eingliederung der deutschen Kräfte irr den internationalen Luftverkehr fördern. Ein Poolabkommen zwischen der Air France und der Lufthansa ist geschlossen, weitere Poolabkommen mit der BEA und der spanischen Luftverkehrsgesellschaft Iberia stehen vor der Unterzeichnung.
Damit habe ich die Frage nach der künftigen Luftfahrtpolitik beantwortet, soweit sie nach dem Ausland hin in Erscheinung tritt. Innerhalb unserer deutschen Luftverkehrsorganisation ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß neben der deutschen Lufthansa weitere Unternehmen ihren Betrieb aufnehmen. Wir werden aber dafür zu sorgen haben, daß ein unrationelles Nebeneinander vermieden wird. Die Entwicklung nach dem ersten Weltkrieg, von der Herr Schneider schon sprach, darf sich nicht wiederholen, als es zeitweise wohl rund 60 Luftverkehrsunternehmen in Deutschland gab. Was war damals die Folge? Vier Jahre nach Kriegsende waren nur noch zwei Unternehmen vorhanden, Aerolloyd und Junkers; die anderen hatten ihre Selbständigkeit aufgeben oder ihren Betrieb wegen finanzieller Schwierigkeiten überhaupt einstellen müssen.
Die jetzt im Bundesgebiet tätigen Firmen, die Charterflüge, Rund- und Reklameflüge durchführen, sind im Grunde Maklerunternehmen, die aus-
ländisches Fluggerät gemietet haben. Es sind also noch keine Luftfahrtunternehmen im Sinne des deutschen Luftverkehrsgesetzes und der Verordnung über den Luftverkehr. Wer künftig mittels eigener oder fremder Luftfahrzeuge Personen oder Sachen gewerblich befördern will, also als echtes Luftfahrtunternehmen tätig sein will, muß die hierfür erforderliche Genehmigung nach § 11 des Luftverkehrsgesetzes bei der zuständigen obersten Landesbehörde beantragen. Fluglinien, deren Betrieb über ein Land der Bundesrepublik hinausgeht, genehmigt der Bundesminister für Verkehr im Benehmen mit den zuständigen obersten Landesverkehrsbehörden. Im Interesse eines geordneten Wiederaufbaus des deutschen Luftverkehrs wird es notwendig sein, bei der Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit und insbesondere der technischen Grundlagen der Betriebe einen strengen Maßstab anzulegen. Außerdem muß darauf geachtet werden, daß durch das Entstehen solcher Unternehmen die sinnvolle Gestaltung des Verkehrs in seiner Gesamtheit, das sich ergänzende Zusammenwirken aller Verkehrsträger, nicht gestört wird.
Damit bin ich am Schluß.
Ich bin dankbar, daß mir Gelegenheit gegeben wurde, dem Hohen Hause über die Fragen zu berichten, deren Bedeutung für das deutsche Volk ständig stärkeres Gewicht gewinnt. Ich darf abschließend feststellen: Mit dem 5. Mai 1955 sind die Fesseln gefallen, die unserem Verkehr zu Wasser und zu Luft in Potsdam angelegt wurden.
Der deutsche Verkehr ist in allen seinen Sparten wieder frei, und ein berechtigtes Anliegen des deutschen Volkes ist damit erfüllt.