Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat am 14. Juni 1955 das Gesetz über die Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts — Erstes Bundesmietengesetz — beschlossen. Der Bundesrat hat am 24. Juni 1955 den Beschluß gefaßt, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel anzurufen, in acht Punkten eine Änderung des Gesetzes zu erreichen. Von diesen acht Anrufungspunkten waren vier von größerer Bedeutung, während die anderen vier Änderungsvorschläge lediglich redaktionelle Änderungen — in der Hauptsache Anpassungen an die vorhergehend vorgeschlagenen Änderungen — bezweckten.
Das Verlangen des Bundesrats betraf im wesentlichen die Streichung der §§ 3, 8 und 9 sowie eine Änderung der §§ 15 und 17 und eine Änderung der in § 45 enthaltenen Berlin-Klausel.
Zunächst zu § 3. In ihm wurde nach der Fassung des Bundestages die Möglichkeit gegeben, für preisgebundenen Wohnraum, also solchen, der bis 31. Dezember 1949 bezugsfertig war, eine höhere Miete als die preisrechtlich zulässige zu vereinbaren, um damit die Grundsätze der Vertragsfreiheit für das Mietrecht in wenn auch sehr beschränktem Umfange wiederherzustellen. Soweit diese frei vereinbarte Erhöhung 10 % der preisrechtlich zulässigen Miete nicht übersteigt, sollte sie für die Dauer dieses Mietverhältnisses als genehmigt gelten. Das war die sogenannte Bagatellklausel. Darüber hinaus waren aber einer Erhöhung schon nach dieser Fassung Grenzen gesetzt. Der Mieter konnte auch bei einer frei vereinbarten Miete gegen Mieten, die über 10 % bis zu 33 1/3 % erhöht wurden, die Unwirksamkeit innerhalb eines Jahres geltend machen, was dann auch nach § 30 die Rückforderung des Mehrbetrages zur Folge gehabt hätte. Er konnte weiter gegen Vereinbarungen einer Erhöhung über 33 1/3 % hinaus die Unwirksamkeit ohne Frist geltend machen, — die sogenannte Wucherklausel. Zum Schluß war in Abs. 6 dieses Paragraphen die Unabdingbarkeit bei Geltendmachung der Unwirksamkeit vorgesehen.
Zu § 3 hatte der Bundesrat bereits beim ersten Durchgang erhebliche Bedenken angemeldet und sie mit rechtspolitischen, wohnungs- und preispolitischen Erwägungen begründet. Auch durch die Neufassung sah er sie nicht im wesentlichen beseitigt, und er glaubte, auch in diesen verschiedenen Klauseln einen genügenden Schutz nicht sehen zu können. Besondere Bedenken äußerte der Bundesrat vor allem auch wegen der Rückwirkung dieser Bestimmung für den Fall der Geltendmachung der Unwirksamkeit.
Der Vermittlungsausschuß kam nach eingehender Aussprache zu der Ansicht, daß an dem Grundsatz, wenigstens mit einem kleinen Schritt die Vertragsfreiheit durch Schaffung der Möglichkeit freier Mietpreisvereinbarungen wiederherzustellen, festgehalten werden sollte, um so mehr, als auf Grund des § 13 des Gesetzes eine höhere Miete als die Richtsatzmiete plus örtlich zugelassene Zuschläge nicht zulässig sei. Dazu erblicken der Bundestag und die Bundesregierung gerade in dieser Bestimmung ein Kernproblem der ganzen Vorlage. Um den Bedenken des Bundesrates in noch größerem Umfange Rechnung zu tragen, wurde vorgeschlagen, den Paragraphen neu so zu fassen, wie er Ihnen in der Drucksache 1579 vorliegt. Dabei wurde zunächst die sogenannte Bagatellklausel fallen gelassen, und damit wurden auch die Bedenken einiger Länder ausgeräumt, daß die Klausel auch gegen eine öffentliche Stelle angewendet werden könne, die für die Mietzahlung aufkommen muß. Der Mieter oder auch eine öffentliche Stelle kann also nunmehr innerhalb von Jahresfrist j e d e Vereinbarung über eine Mieterhöhung bis zu 33 1/3 % anfechten. Eine Erhöhung über 33 1/3 % hinaus ist unwirksam, braucht also nicht einmal mehr angefochten zu werden.
Weiter wurde den Bedenken des Bundesrates gegen die Rückwirkung dadurch Rechnung getragen, daß nunmehr erst vom Ersten des auf die Erklärung folgenden Monates an die fiktive Genehmigung entfällt und an Stelle der bisherigen Miete die preisrechtlich zulässige, mindestens aber die Kostenvergleichsmiete zu zahlen ist. Damit dürfte auch den Bedenken des Bundesrates Rechnung getragen sein, daß ein finanzkräftigerer Mieter arglistig durch ein höheres Angebot einen schwächeren bei der Bewerbung ausschließt, obwohl er schon vorhat, sich später auf die Unwirksamkeit zu berufen.
Der Vermittlungsausschuß kam aus diesen Gründen zu der Überzeugung, Ihnen mit der Neuf as-sung dieses § 3 einen brauchbaren Vermittlungsvorschlag gemacht zu haben.
Die §§ 8 und 9 behandeln die sogenannte Kostenvergleichsmiete. Mit diesen Bestimmungen wird angestrebt, daß der Vermieter wenigstens die zu seiner Kostendeckung erforderliche Miete erhalten soll. Wenn sich also nach Durchführung aller zulässigen Mieterhöhungen ein Mietpreis ergibt, der die Betriebs-, Instandhaltungs-, Verwaltungskosten sowie das Mietausfallwagnis nicht deckt, so kann eine sogenannte Kostenvergleichsmiete errechnet werden. Hierbei werden entsprechend dem § 9 die Kosten des Jahres 1936 denen im Jahre 1955 gegenübergestellt. Auch hier war eine Bagatellklausel eingebaut, d. h. eine Kostenvergleichsmiete sollte dann nicht durch Anrufung der Preisbehörde durchgesetzt werden können, wenn sie nicht mehr als 2 % über der zulässigen Miete lag. Diese Bestimmungen für die Kostenvergleichsmiete haben vor allem Bedeutung für den einfachen Zwischenkriegswohnungsbau, also für den in den Jahren 1924 bis 1938 und hier insbesondere in den Jahren 1927 bis 1929 gebauten Wohnraum, bei dem wegen der besonders hohen Baukosten mit einer nochmaligen 10%igen Pauschal-Erhöhung die Kosten nicht gedeckt sind.
Da diese Tatsachen von allen Seiten anerkannt wurden und deshalb schon früher der Vorschlag gemacht worden war, die Miete für diesen Wohnraum allgemein pauschal um 15 % zu erhöhen — ein Vorschlag, der aber vom Bundesrat wie vom Bundestag abgelehnt worden war —, glaubte der Vermittlungsausschuß, an der Bestimmung festhalten zu sollen.
Um aber dem Hauptbedenken des Bundesrates, nämlich daß dadurch eine Mehrbelastung der Preisbehörden und Verwaltungsbehörden eintreten würde, noch mehr Rechnung zu tragen, kam man zu dem sehr entscheidenden Entschluß, die Bagatellgrenze von 2 auf 5 % heraufzusetzen. Innerhalb dieser Grenze ist also wohl eine freiwillige Vereinbarung der Kostenmiete möglich, nicht aber eine Durchsetzbarkeit bei der Preisbehörde. Der Vermittlungsausschuß ging dabei von folgenden Erwägungen aus. Die Kostenvergleichsmiete muß der Vermieter, der sie geltend macht, mit exakten Zahlen belegen, die kaum von einer Seite bestritten werden können. Dadurch werden wohl schon viele Fälle durch eine freiwillige Vereinbarung, die nach dem erhalten gebliebenen § 3 nunmehr möglich ist, erledigt. Die Kostenvergleichsmiete ist aber auch für die Preisbehörde wesentlich leichter zu errechnen, als dies bisher nach der Verordnung PR 71/51 der Fall ist. Zudem werden die Preisbehörden gerade durch die Heraufsetzung der Bagatellgrenze nunmehr in einem verhältnismäßig geringen Maße in Anspruch genommen werden. Im Falle der Streichung dieser Bestimmung hätte man dagegen befürchten müssen, daß gerade von den Eigentümern solchen Wohnraums derartige Anträge gestellt worden wären, die dann die Preisbehörden noch mehr beschäftigt hätten. Auf Grund dieser Überlegungen glaubt der Vermittlungsausschuß, Ihnen auch mit dieser Änderung des § 8 einen annehmbaren Vermittlungsvorschlag gemacht zu haben.
§ 14 bringt lediglich die Neufassung entsprechend der bisherigen Änderung.
Die §§ 15 und 17 betreffen die Mietbeihilfen. Unbestritten waren hier einmal die Tatsache, daß Mietbeihilfen gewährt werden sollen, und zum andern der Kreis der Empfänger. Meinungsverschiedenheiten bestanden lediglich über die Höhe der benötigten Mittel und über die Aufbringung durch Bund und Länder. Zu § 15 hatte der Bundesrat beantragt, eine Begrenzung für den Zeitraum von drei Jahren einzuführen, während er zu § 17 beantragt hatte, diesen Zeitraum zu streichen.
Im Vermittlungsausschuß herrschte Einigkeit darüber, daß die Grenze in beiden Paragraphen erhalten bleiben soll. Der Rechtsanspruch auf die Gewährung von Beihilfen ist erhalten geblieben, weil die bisherige Fassung aufrechterhalten wurde, wenigstens für diesen Zeitraum. Bei den Mietbeihilfen ging man davon aus, daß die Regelung für die Kriegsfolgenhilfeempfänger im Vierten Überleitungsgesetz erfolgt sei, wogegen für die Sowjetzonenflüchtlinge nach wie vor mit dem Bund gesondert abgerechnet wird, so daß Beihilfen lediglich für den neu hinzugekommenen Personenkreis in Betracht kommen sollen, nämlich für die sogenannten Weihnachtshilfeempfänger, d. h. Personen, deren Einkommen zwischen 100 und 110 % der Fürsorgerichtsätze liegen. Da aber für die hierzu benötigten Mittel keine klaren Unterlagen, sondern auch nur Schätzungen vorlagen, Schätzungen, die, wie immer, weit auseinandergingen, glaubt der Vermittlungsausschuß, mit der Neueinfügung eines Abs. 3, der auch die Zustimmung des Bundesfinanzministers gefunden hat, einen brauchbaren Vermittlungsvorschlag gemacht zu haben. Danach erhält ein Land, das nachweist, daß die ihm nach Abs. 2 pauschal geleisteten Beträge des Bundes nicht ausreichen, um 50 % der vorgeschriebenen Mindestleistungen für den genannten Personenkreis, also die Weihnachtshilfeempfänger, aufbringen zu können, diesen Fehlbetrag vom Bund ersetzt. Damit dürften sowohl die Wünsche des Bundes als auch — durch eine im Rücken stehende Ausgleichsverpflichtung des Bundes — die Wünsche der Länder berücksichtigt und auch dieser Vorschlag annehmbar geworden sein.
Zu § 45, der sogenannten Berlin-Klausel, hatte schon der Bundestag vorgeschlagen, das Gesetz nur in bestimmten Abschnitten auf Berlin zu erstrecken; denn für Berlin sollte nur die einfache 10%ige Pauschalerhöhung möglich sein. Berlin hatte darüber hinaus noch verlangt, daß die Erstreckung nicht in diesem Gesetz, sondern erst auf Grund einer Rechtsverordnung der Bundesregierung erfolgen solle, die aber erst dann erlassen werden sollte, wenn die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins dies zulasse und Berlin dieses Gesetz gemäß Art. 87 Abs. 2 seiner Verfassung in Kraft setze.
Dieser Vorschlag war nicht durchführbar. Er wäre durch verschiedene andere Abänderungsvor-
schläge, die ebenfalls von Berlin gemacht wurden, vielleicht durchführbar geworden; aber die Durchführung wäre schwierig gewesen, und es hätte Unsicherheit bestanden, weil eine Anfechtung dieser Verordnung gerade wegen der Begründung mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage Berlins möglich gewesen wäre.
Um einerseits alle diese verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Bedenken auszuschließen, andererseits aber Berlin entgegenzukommen, ist der Vermittlungsausschuß zu der Auffassung gekommen, die Fassung des Bundestages beizubehalten, jedoch in § 45 Abs. 2 Satz 1 die Frist von einem Monat, die nach dem Dritten Überleitungsgesetz für Berlin gilt, anstatt bis zum 31. März 1956 bis zum 31. Dezember 1956 zu verlängern.
Man glaubte, nachdem jetzt nach eigenen Berichten die Lage, .wie sie 1952 im Bundesgebiet bestand, im Jahre 1954 auch in Berlin erreicht war und nachdem bereits 1952 im Bundesgebiet die erste Mieterhöhung vorgenommen wurde, nunmehr auch Berlin diese Erhöhung zumuten zu können, allerdings mit der Einschränkung des Hinausschiebens des Inkrafttretens bis Dezember 1956.
Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, über diese Änderungsvorschläge gemeinsam abstimmen zu lassen, weil er glaubt, daß diese Bestimmungen zusammen ein Ganzes bilden.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie bitten, diesem Gesetz im ganzen, wie es nunmehr vom Vermittlungsausschuß beschlossen wurde, Ihre Zustimmung zu geben, damit dieses Gesetz, das Bundestag und Bundesrat schon seit langem beschäftigt, in Kraft treten kann.