Rede von
Margot
Kalinke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich weiß; ich bedanke mich, Herr Präsident. Ich sage das auch nur zur Erklärung, weshalb ich auf die allgemeine Aussprache zu dem Problem verzichten muß, das aber nicht getrennt von anderen Problemen der Sozialreform gesehen werden kann; in gar keinem Fall aber ohne Zusammenhang mit dem Problem der Rentenversicherungsreform! Insofern bitte ich Sie, Herr Präsident, zu gestatten, daß ich in den Punkten, in denen die Reform der Rentenversicherung als solche angesprochen ist, der Gründlichkeit wegen darauf eingehe.
Zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz habe ich in diesem Hause schon im September 1949 bei ,dem ersten Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Grundsätzliches gesagt. Ich habe sehr bedauert, daß damals unsere Koalitionspartner zusammen mit der Opposition der Auffassung waren, die Probleme des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes müßten bis zur Reform zurückgestellt werden. Auch zu Beginn des 2. Bundestages hat man bei der Ablehnung unserer Anträge diese Auffassung leider wieder vertreten, und zwar sowohl seitens der Opposition wie unserer Koalitionspartner. Es ist gar kein Zweifel, daß das Unrecht, das durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz geschaffen ist, indem zweierlei Recht gesetzt wurde — ich unterstreiche hier das, was Frau Döhring gesagt hat —, ein soziales Unrecht ist. Hier handelt es sich um die Folge einer sozialen Versprechung, die bei ihrer Verwirklichung zu sozialer Unzufriedenheit geführt hat. Das sollte uns so bedenklich machen, daß wir ,das SVAG als Schulbeispiel immer vor Augen haben müßten, wenn wir in die Verlockung kommen, etwa anläßlich von Wahlkämpfen oder bei irgendwelchen sozialen Forderungen in der Öffentlichkeit unüberlegte Versprechungen zu machen und Zusagen zu geben, deren finanzielle Auswirkungen wir im Augenblick nicht voll übersehen.
Der Herr Kollege Schüttler hat in seinen Ausführungen gerade auf die finanziellen Auswirkungen der Leistungen abgehoben. Ich möchte im Augenblick nicht über die finanziellen Auswirkungen sprechen, sondern mich dem Grundsätzlichen dieser Novelle zuwenden. Der Herr Kollege Hammer hat den schwarzen Buben „Finanzminister" an die Wand gemalt. Ich bin der Auffassung, daß er das nicht hätte tun sollen. Es ist in dieser Frage im Augenblick wirklich ganz unwichtig, ob der Herr Finanzminister das Geld aus den Mitteln des Haushalts für die Kriegsopferversorgung, aus der Kasse der Soforthilfeleistungen oder aus dem Zuschuß gibt, den er laut Gesetz den Rentenversicherungsträgern für die Witwenrenten geben muß, daß heißt für die 80 % der JV-Witwen, die Kriegerwitwen sind. Hier handelt es sich vor allem um Kriegsfolgeleistungen für die den Rentenversicherungsträgern Erstattungen gegeben werden. Deshalb könnte ich mir denken, daß der Herr Bundesfinanzminister den Kräften seiner Fraktion nachgegeben hat, die diese Rechnung nicht so ganz klar aufgemacht haben,
da er ohnehin für Kriegsfolgelasten leisten muß. Der Kriegerwitwe, Herr Kollege Arndgen, ist es vollkommen uninteressant, ob sie ihre Rente aus dem Versorgungstopf, aus dem Versicherungstopf oder aus der Soforthilfe bekommt. Aber sehr wichtig ist, daß sie eine Rentenleistung erhält.
Es ist, glaube ich, auch notwendig, die Frage zu stellen — ich war bei den Beratungen im Ausschuß noch nicht dabei und muß mich unter Umständen bei den Kollegen, die diese Frage im Ausschuß schon gestellt haben, entschuldigen —, wieviele dieser 80 % Witwen, die Kriegerwitwen sind, nun wirklich mehr bekommen werden und wieviel sie mehr bekommen werden. Es ist fraglich, ob Sie nicht tatsächlich nur eine soziale Versprechung
machen, die nicht mehr als ein kleines Zugeständnis für Einzelfälle bringen wird und andere ausschließt.
Deshalb, meine Freunde aus der Koalition, bitte ich auch Sie, ernsthaft zu überlegen, ob Sie bei der doch auch von Ihnen gewollten Forderung, die Reform der Rentenversicherung als erstes Stück der Reform der sozialen Leistungen vorzuziehen, hier um finanzielle Auswirkungen streiten wollen oder ob wir nicht doch das Grundsätzliche dieser Frage gemeinsam überlegen sollten. Die Kollegin Döhring hat mit Recht auf die Konsequenzen hingewiesen, daß Sie mit Ihrem Antrag nun wieder zweierlei Recht schaffen wollen. Nach den von Ihnen geschätzten Zahlen wollen Sie 200 000 Wit: wen einen Rentenanspruch geben, 200 000 Witwen wollen Sie ohne Anspruch lassen; Sie können darüber jetzt schon in einigen Zeitungen lesen. Der Reichsbund und andere Ihnen nahestehende Organisationen haben der Opposition schon indirekt den Auftrag gegeben, in wenigen Wochen mit dem zweiten Antrag zu kommen. Ich frage diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, ob sie dann bereit sein werden, einen neuen Antrag erneut abzulehnen.
Es ist u. a. darüber diskutiert worden, daß man die Leistungen rückwirkend geben sollte. Von anderer Seite wurde gesagt, daß man sie erst zu einem späteren Termin gewähren sollte. Eine solche rückwirkende Auszahlung ist von Gesetzes wegen nicht möglich, weil die interne Verrechnung zwischen Rentenversicherungsträgern und Versorgungsverwaltung das einfach ausschließt. Die Auszahlung könnte erst erfolgen, nachdem die Verrechnung der Ersatzansprüche abgeschlossen ist.
Daß Sie bei 45 Jahren eine Grenze ziehen, kann ich nicht billigen. Ich habe mir sagen lassen — und Sie haben sich das wohl überlegt —, daß diese Grenze im Zusammenhang mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt gesehen werden soll. In den nächsten Monaten wird die Frau als Arbeitskraft mal wieder unerhört interessant sein. Sie wird jenen Berechnungen ausgesetzt sein, die man unter der Überschrift „Arbeitskräftereservoir der Frauen" zusammenfaßt. Unter einem solchen Gesichtspunkt sollte man soziale Leistungen nicht beschließen, und unter einem solchen Gesichtspunkt sollte man auch keine Grenzziehungen vornehmen.
Herr Kollege Schüttler hat im 1. Bundestag die Ansicht vertreten, daß das Recht der Invaliden- und der Angestelltenversicherung weiter angeglichen werden soll. Auch der hier vorliegende Antrag zur Änderung des § 21 verfolgt zweifelsohne dieses Ziel. Meine Herren, ich bin damit einverstanden. Wenn Sie das Recht der Arbeiter an das der Angestellten angleichen wollen, dann haben Sie aber heute wiederum nicht den vollen, sondern nur einen sehr zaghaften Schritt nach vorn getan. Sie sollten den Mut haben, mir noch heute die Antwort auf die Frage zu geben, ob Sie etwa auch die Absicht haben, nun in der Angestelltenversicherung, wo wir die unbedingte Witwenrente haben, in Zukunft auch die Leistung der Witwenrente erst mit 45 Jahren zu gewähren. Nach dem Grundsatz vom gleichen Recht für alle Staatsbürger und Versicherten ist das eine sehr ernst zu prüfende Frage!
— Sie haben mir das eben schon aufgeschrieben. Es trifft zu, daß meine Fraktion bereit war, die Probleme des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes erneut aufzugreifen, mit allen Konsequenzen, und es trifft zu, daß meine Fraktion den Antrag auf Änderungen in diesem Gesetz unterschrieben hat, allerdings, das muß ich dazu sagen, in der Hoffnung, daß in der Ausschußberatung etwas anderes herauskommen würde als diese Lösung.
Da aber Sie, meine Herren, die Vorentscheidung
vermutlich schon getroffen und, wie Sie bei der Verteidigung Ihres Antrags gesagt haben, vor allem finanzielle Überlegungen angestellt hatten, war es meiner Fraktion — das ist kein Geheimnis —, selbst wenn sie wie ein Löwe gekämpft hätte, nicht möglich, nun die Mehrheitsentschließungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises der CDU oder der Fraktion der CDU umzuwerfen.
Wissenschaftliche Untersuchungen sind nicht immer sehr beliebt bei sozialpolitischen Entscheidungen, aber wir haben doch alle gemeinsam beschlossen, daß, damit wir eine Grundlage für sozialpolitische Entscheidungen haben, die soziale Wirklichkeit erforscht werden soll. Wir haben inzwischen erfreulicherweise eine Statistik vorliegen, das ist die L-Statistik.
Sie bestätigt nicht ganz, was Professor Mackenroth vermutet hat, daß nämlich nicht überall die Kumulation der Renten ein solches Ausmaß annimmt, wie man es befürchtete. Die Hauptproblematik liegt in der Frage doch bei den Witwenrenten: Kann man eine so wichtige Frage wie die Gestaltung der Witwenrente in der Rentenversicherung vorab lösen, ohne sich ganz klar zu sein, was diese Kumulierung von Leistungen bedeutet? Darf man als verantwortungsvoller Sozialpolitiker hier einfach nach finanziellen Grundsätzen sagen: Wenn ich es nicht 400 000 Witwen geben kann, dann gebe ich es einfach nur 200 000 Witwen? Ich gehöre nicht zu den Personen, die etwa die Auffassung vertreten, Witwen oder Rentner wären eine homogene Gruppe. Unter den Witwen gibt es genau so wie unter den Rentnern die unterschiedlichsten sozialen Verhältnisse. Sie können kurze oder lange Zeit verheiratet gewesen sein, sie können jung oder alt, sie können reich oder arm, sie können eine selbständige oder abhängige Existenz haben, sie mögen arbeitsfähig sein oder nicht. Das alles kann doch dem Gesetzgeber, der eine Altersrente oder eine Witwenrente beschließt, nicht Anlaß zur Prüfung sein, sondern Anlaß zur Untersuchung kann doch nur die grundsätzliche Frage sein, ob die Witwenrente bedingt oder unbedingt gezahlt werden soll und wie Beiträge und Leistungen gestaltet werden.
Deshalb muß ich vor allen Versuchen warnen, in dieser Frage zu einem schlechten Kompromiß zu kommen. Und, Herr Kollege Horn, ich habe auch den Mut, Ihren Antrag entschieden abzulehnen. ja, ich habe sogar den Mut, wenn Sie nicht belehrbar sein sollten, mit der sozialdemokratischen Fraktion zu stimmen und dann zu erklären: Wenn Sie A sagen, dann sagen Sie auch B und zur Not das ganze Abc! Haben Sie den Mut, eine solche Frage
anzupacken! Haben Sie aber auch den Mut, einzusehen, daß Sie die Reform präjudizieren, ja, eine sinnvolle Reform geradezu verhindern!
Draußen stellt man sich vor: Reform heißt: „Mehrleistungen für alle." Reform kann aber nicht heißen, „allen" mehr zu geben, ohne Prüfung des Bedarfs und ohne überlegt gezielte Leistungen. Sie haben sich zum Versicherungsprinzip bekannt. Eine Versicherung kann nur Leistungen geben, für die sie von den Versicherten oder der Versichertengemeinschaft Beiträge erhalten hat. Mit Ihrem Zusatzantrag, der natürlich eine Konsequenz Ihres Entschlusses ist, haben Sie praktisch vor, den Weg des Rentenmehrbetragsgesetzes nun fortzusetzen, indem Sie weitere Pauschalerhöhungen geben, ohne daß Sie in der Lage sein werden, einen Anspruch der Witwen etwa nach dem Grundsatz des Versicherungsprinzips in der Invalidenversicherung wirklich nachzuweisen.
Frau Kollegin Korspeter hat im Ausschuß die Frage gestellt, wie sich das auswirken wird. Natürlich wird es sich so auswirken, wie sich pauschale Leistungen immer auswirken: Die eine Witwe wird nach dem Versicherungsprinzip zu Unrecht etwas bekommen, und die andere, deren Mann ausreichende Beiträge gezahlt hat, wird vielleicht zu wenig bekommen. Aber ich weiß, daß der Herr Bundesminister für Arbeit im Frankfurter Wirtschaftsrat andere Grundsätze angewendet sehen wollte, daß nämlich die Witwen derjenigen, die nun höhere Beiträge bezahlen, auch eine Rente bekommen. Ein solcher Grundsatz auf der Grundlage der Beitragserhöhung, nach dem SVAG für die Zukunft nun auch eine unbedingte Witwenrente in die Invalidenversicherung einzuführen, scheint mir sozialpolitisch sinnvoll und notwendig. Diese Frage kann aber nach meiner Auffassung nicht vorweg gelöst werden. Zuvor müssen all die großen Fragen angeschnitten werden, die sich im Zusammenhang mit der Reform der Rentenversicherung, mit der Gestaltung der Rente überhaupt, mit der Gestaltung des Invaliditätsbegriffs und vieler Probleme mehr ergeben werden.
— Meine Herren, wir brauchen nicht lange zu warten. Es steht bei uns, gemeinsam den Arbeitsminister heute noch aufzufordern, uns wenigstens eine Gesetzesvorlage für die Reform der Rentenversicherung vorzulegen.
Herr Professor Schellenberg hat große Klage geführt. Nun, auch den Antrag Schellenberg — ich sage das ehrlich — sehe ich als einen Kompromißvorschlag an, zunächst etwas zu tun. Aber es ist insofern ein gefährlicher Kompromißvorschlag, als er die künftige Gestaltung der Rentenversicherung, die künftige Gestaltung der Rentenformel, die künftige Gestaltung des Invaliditätsbegriffs und die Lösung all der Probleme, die von Ihnen überhaupt noch nicht überlegt worden sind, präjudiziert. Ungelöst ist auch die Frage: Was wird mit der großen Zahl der beschäftigten Witwen werden, die nun wieder versicherungspflichtig werden und die auch selber Beiträge bezahlen müssen? Das sind doch Fragen, die man nicht leichtfertig oder nebenbei behandeln kann,
sondern die man nur hineingestellt sehen kann in das große Problem, die Rentenversicherung von Grund auf zu reformieren.
Alle Parlamente der Welt, meine Herren und Damen, nicht nur dieses Parlament, haben sich in den letzten Jahrzehnten das Vergnügen gemacht, soziale Leistungen zu versprechen und sie unter Mißbrauch und Überstrapazierung einer doppelten Solidarität zu geben, einmal der Solidaritat der Versicherten, die Sie einfach, ohne sie zu befragen, mit dem Anpassungsgesetz gezwungen haben, doppelte Beiträge zu entrichten, dann aber der Solidarität der Steuerzahler, die Sie jetzt zwingen, mit den festen Bestandteilen der Renten aus Staatszuschüssen weiteren Personenkreisen aus Steuermitteln Zuschüsse zu geben, ohne daß Sie je die ernste Frage prüfen, wo der Bedarf ist und wie sozial gezielt denn alle diese Leistungen aus der Solidaritätshaftung der Versicherten einerseits und der Gemeinschaft der Steuerzahler andererseits sind.
Das sind die ganz großen Fragen von morgen, in denen wir den Mut zur Entscheidung haben müssen. Man kann, glaube ich, diese Frage nicht allein als ein finanzielles Problem bezeichnen, mit dem Hintergedanken: Es ist ja nicht ganz so schlimm, ob der Finanzminister das aus dem Töpfchen Versorgung oder aus dem Töpfchen Versicherung mit Staatszuschuß nimmt oder ob die Fürsorge sich wieder einmal, wie so oft seit dem Inkrafttreten des Anpassungsgesetzes, auf Kosten der Versicherung und derjenigen, die die Beiträge aufbringen müssen, nämlich der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, entlastet.
Nun, meine Herren, daß ich auch über das Rentenmehrbetragsgesetz etwas sagen muß, ist nur deshalb nötig, weil seine Formel nun erneut übertragen werden soll. Ich gebe Ihnen zu: Wer dieses Gesetz so will, wie Sie es im Ausschuß beschlossen haben, der muß auch dem Zusatzantrag der CDU zustimmen; denn ohne diesen Zusatzantrag ist es nicht durchführbar. Aber eine soziale Konsequenz möchte ich Ihnen, ohne Prophet zu sein, schon heute voraussagen: Bei den Empfängern kleiner Renten, die heute ebenfalls zusätzliche Fürsorgeleistungen erhalten, wird weiter eine Anrechnung erfolgen. Diese Anrechnung wird wiederum zu sozialen Enttäuschungen führen. Hier wird die Politik der allgemeinen pauschalen Rentenzulagen wieder aufgenommen, mit der man den Armsten nicht hilft, sondern ihnen nur soziale Versprechungen macht, die keine soziale Befriedung zur Folge haben. Alle seit des SVAG gewährten Rentenzulagen mit Ausnahme der Erhöhung nach dem Grundbetragsgesetz sind bei der Fürsorge wieder angerechnet worden und haben gerade bei den Ärmsten der Armen, die Sie doch immer gemeinsam zitieren, zu einer Entlastung der Fürsorge auf Kosten der Versicherung, aber nicht etwa zur sozialen Gerechtigkeit geführt, wie Sie das sozialethisch so oft und, ich muß sagen, sehr oft in absoluter Übereinstimmung auch mit meiner Auffassung begründen. Dieses Modell des Rentenmehrbetragsgesetzes hätte ich, wenn ich in diesem Hause gewesen wäre, mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Von ihm hat ja auch Herr Professor Preller neulich beim Reichsbund gesagt, „daß heute niemand der Auffassung sein wird, diese Fragen seien nur mit dem Rentenmehrbetragsgesetz gelöst".
Ich wäre sehr dankbar, meine Herren, wenn Sie mir vor der Abstimmung noch sagen könnten, wie Sie mit den übrigen Problemen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes verfahren wollen, ob Sie die unbedingte Witwenrente der Angestelltenversicherung und die Fehler des Anpassungsgesetzes, die so nivellierend auf die Leistungen in der Angestelltenversicherung wirken, nun endlich revidieren wollen — der Arbeitsminister hat es schon 1950 versprochen — oder ob Sie wiederum nur ein Teilgebiet vorwegnehmen werden und damit das große Ganze verhindern.
Meine Herren und Damen, ersparen Sie mir, Ihnen zu beweisen, wie das Verhältnis der Beiträge zu den Renten, das Sie so oft zitieren, verzerrt ist und durch Ihren heutigen Beschluß weiter verzerrt wird. Der ungleichen sozialen Wirkung ungezielter Staatszuschüsse aus Steuermitteln und der ungleichen Leistung, die Sie jetzt damit geben wollen, daß Sie Witwen zweierlei Rechts schaffen, kann niemand zustimmen, dem es nach seinem Verantwortungsbewußtsein um die wahre soziale Gerechtigkeit geht.
Meine Herren und Damen, ich habe 1949 und 1953 bei der Begründung unserer Anträge das gesagt, was ich heute wiederholen kann, ohne davon ein Wort oder eine Silbe oder ein Komma wegzulassen. Ich habe damals zum Ausdruck gebracht, daß ich es für die schlechteste Sozialpolitik halte, aus politischen Gründen oder aus Wahlagitation zweierlei Recht zu schaffen, echte Versicherungsansprüche mit Fürsorgeunterstützungen zu verquicken oder nun in der Auseinandersetzung um die Reform nicht den Mut zu Konsequenzen zu haben, selbst wenn sie unpopulär sind. Meine Herren und Damen, ich habe diesen Mut!
Aus diesem Grunde werde ich, wenn Sie den Antrag nicht zurücküberweisen und sich überlegen, ob wir nicht doch noch heute den Herrn Arbeitsminister gemeinsam bitten, wenigstens die Reform der Rentenversicherung vorzuziehen, statt durch einen weiteren Flicken auf ein unvollkommenes Gesetz alles zu präjudizieren, um des Grundsatzes willen mit meinen Freunden dem Antrag der SPD zustimmen.