Rede von
Bruno
Diekmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die allgemeinen Rechte der dänischen Minderheit ist am 29. März dieses Jahres durch den Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden. Eine ähnlich lautende Erklärung ist von dem dänischen Herrn Staatsminister Hansen unterzeichnet worden. Diese Erklärung ist an der Grenze mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Denn man glaubt hier, daß nunmehr, wie auch der Herr Staatssekretär soeben gesagt hat, ein neuer Abschnitt in der Grenzlandpolitik beginnen soll. Ganz besonders die Ausführungen der dänischen Presse waren erfüllt von der freundschaftlichen Atmosphäre, in der die beiden Vertragspartner diese Erklärung gemeinsam erarbeitet haben. Deutschland hat zum erstenmal nach dem Jahre 1945 eine ausgezeichnete Presse in Dänemark gehabt.
Wir können deshalb nicht verstehen, daß die Vorlage dieser Erklärung so verzögert worden ist. Die Erklärung ist schon am 29. März unterzeichnet worden und hätte nach unserer Auffassung schon längst hier im Hause verabschiedet werden müssen.
Aus dem Munde des Herrn Staatssekretärs haben wir gehört, daß das dänische Folketing bereits am 19. April seine Stellungnahme bekanntgegeben hat. Wir sind der Meinung, daß damit den Politikern, die immer vom Grenzkampf leben müssen, nun wieder neue Argumente dafür gegeben sind, die demokratische Haltung Deutschlands in Zweifel zu ziehen.
— Weil das in der Presse gestanden hat, Herr Dr. Bartram. Vielleicht haben Sie es nicht gelesen. Es ist aber immerhin notwendig, das zu erwähnen. Wir sind der Meinung, daß es taktisch nicht ganz richtig ist, uns diese Vorlage so verspätet auf den Tisch des Hauses zu legen.
Der Inhalt der Erklärung ist in drei Abschnitte geteilt. Im ersten Abschnitt sind die Rechte, die im Rahmen des Grundgesetzes der Minderheit sowie allen Staatsbürgern gewährt werden, aufgeführt; denn es ist selbstverständlich, daß man gegenüber der Minderheit keine Ausnahme machen darf. Der zweite Abschnitt enthält Ausführungen zu den Rechtsgrundsätzen. Wenn man die jetzt vorliegende Erklärung der Bundesregierung vergleicht mit der Kieler Erklärung, dann wird man hier und da feststellen, daß gleiche Formulierungen vorliegen. Damit will ich nicht gesagt haben, daß der eine von dem andern abgeschrieben hat, sondern ich wollte nur darauf verweisen, daß es gar nicht
anders sein kann, als daß die Formulierung übereinstimmt, denn schließlich sind diese Formulierungen aus der gleichen Grundeinstellung erarbeitet worden. Beide Erklärungen stützen sich auf die Grundrechte und Freiheiten des Grundgesetzes. Der dritte Abschnitt fällt mehr oder weniger in die Kompetenz des Landes Schleswig-Holstein. Hier sind eine Reihe von Einzelproblemen aufgeführt worden, zu denen sich die Landesregierung Schleswig-Holstein erklärt hat.
Der Herr Staatssekretär hat schon die chronologische Entwicklung dieser Erklärung dargestellt, so daß ich darauf nicht weiter einzugehen brauche. Der Hauptbeweggrund ist das schleswig-holsteinische Wahlgesetz gewesen, das mit seiner Fünfprozentklausel verhinderte, daß die dänische Minderheit in dem Landtag Schleswig-Holsteins vertreten ist.
Nach meiner Auffassung sind noch einige andere Punkte bis heute nicht erledigt. Wenn auch die Einrichtung von Schulen und Kindergärten weiterhin genehmigt oder gestattet wird und auch der Schulgeldbeitrag wiederum auf 80 % erhöht worden ist, so gibt es, wie ich schon sagte, noch einen anderen außerordentlich wichtigen Punkt, der bisher noch nicht geklärt ist. Ich bin immerhin der Meinung, daß das Auswärtige Amt sich dieser Angelegenheit annehmen und sich mit der schleswigholsteinischen Regierung in Verbindung setzen sollte. Es geht dabei um das Provisorium, das bis zum Ablauf dieser Legislaturperiode vorgesehen werden sollte. Denn, wie gesagt, in dieser Legislaturperiode ist die Minderheit nicht im schleswigholsteinischen Landtag vertreten. Es sind, wenn ich nicht irre, darüber auch Absprachen geführt worden, daß man eine provisorische Lösung finden wolle. Nach den Mitteilungen, die gestern von DPA gegeben worden sind, sind, wenn ich nicht irre, gestern oder vorgestern mehrstündige Verhandlungen zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein und der dänischen Minderheit geführt worden, wie man dieses Provisorium gegebenenfalls überwinden könnte. Man ist trotz dieser dreistündigen Besprechung nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen. Von seiten der Landesregierung wurde auch diesmal darauf verwiesen, daß verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bestünden und nicht ohne weiteres die Möglichkeit bestehe, eine provisorische Lösung für die dänische Minderheit zu finden. Weitere Besprechungen sollen nunmehr im August dieses Jahres geführt werden.
Ich bin der Meinung, daß man sich nicht auf den juristischen Standpunkt allein stellen soll, sondern daß letzten Endes doch das Parlament als die politische Instanz darüber zu entscheiden hat, wie etwa dieses Provisorium geregelt werden kann. Das Außenministerium sollte sich dieserhalb mit der schleswig-holsteinischen Regierung in Verbindung setzen.
Wenn also die Abschnitte I und II in ihren Grundforderungen mit der Kieler Erklärung übereinstimmen, dann muß ich doch die Frage stellen, warum eigentlich der Bund bemüht werden mußte, damit eine Klärung der Grenzlandfrage herbeigeführt werden konnte. Die Kieler Erklärung hätte nach unserer Auffassung durchaus ausgereicht, um der Minderheit gerecht zu werden; denn es kommt nur auf den guten Willen der Regierung bzw. des Landesparlaments an, wenn man nicht nur in
einem guten Verhältnis zur Minderheit bleiben, sondern ihr auch politische Gerechtigkeit zuteil werden lassen will. Warum man sich der Kieler Erklärung und des Weges über den sogenannten guten Willen nicht bedient hat, vermag ich nicht ohne weiteres zu übersehen. Vielleicht hat es nur daran gelegen, daß die Kieler Erklärung ein Aktivposten der sozialdemokratischen Politik gewesen ist.
Es ist leider Gottes so, ob nun hier im Hause oder woanders, daß die guten Vorschläge, ganz egal, von welcher Seite des Hauses sie kommen, von der Gegenseite immer mit einem gewissen Mißtrauen betrachtet werden. Uns ist es jedenfalls einerlei, woher die guten Vorschläge, die guten Gesetzentwürfe und brauchbaren Anregungen kommen; die Hauptsache ist, daß es dem Volke zum Nutzen gereicht.
Wenn nun auf Grund der jetzt vorliegenden Erklärung, die sicherlich vom ganzen Hause unterstützt und gebilligt wird, die Kieler Erklärung zur historischen Vergangenheit wird, dann mag es getrost geschehen. Wenn die jetzt vorliegende Erklärung dazu beiträgt, daß die Völker der beiden Länder Dänemark und Deutschland in ein gesundes, vernünftiges Verhältnis zueinander kommen, dann ist es uns, wie gesagt, einerlei, ob die Kieler Erklärung historische Vergangenheit wird oder nicht.
Es hat mich sehr gefreut, daß der Herr Bundespräsident anläßlich des Besuchs des Herrn Staatsministers Hansen einige sehr nette Worte gefunden und vor allen Dingen darauf aufmerksam gemacht hat, daß in früheren Zeiten ein gemeinsames geistiges Band zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark bestanden hat. Jahrhundertelang haben Schleswig-Holstein und Dänemark in einem gegenseitigen Austausch geistiger und wissenschaftlicher Erkenntnisse gestanden. Schleswig-Holstein und Dänemark haben sich in wirtschaftlicher Hinsicht ausgezeichnet ergänzt.
Ich will hoffen, daß die jetzige Erklärung, die von uns gemeinsam akzeptiert werden wird, ein weiterer Schritt ist in der gemeinsamen Zusammenarbeit Deutschlands und Dänemarks und daß diese Erklärung zur weiteren Befriedung Europas beitragen wird. Die sozialdemokratische Fraktion wird der Erklärung ihre Zustimmung geben.