Ja, selbstverständlich, Herr von Merkatz; aber die Sache ist ja. so: Sie kommen ja nicht zu einer gesamtdeutschen Regierung auf der Basis freier Wahlen, wenn Sie nicht vorher bereit sind, unter den Vier Mächten eine Diskussion zu haben über den internationalen Status des wiedervereinigten Deutschlands.
Die Vorstellung — ich wollte das noch sagen, Herr von Merkatz —, die Vorstellung, man könnte eine Übereinstimmung über die Wiedervereinigung über freie Wahlen herbeiführen, und der internationale Status eines wiedervereinigten Deutschlands bleibt ein Vakuum, diese Vorstellung ist absolut irreal!
Sie werden dafür niemals — ich sage: niemals! —
die Zustimmung der Sowjetunion, Sie werden da-
für auch nicht die Zustimmung der Westmächte bekommen, die in dieser Frage ja ebenfalls wissen wollen, wie i h r Sicherheitsbedürfnis gegenüber einem wiedervereinigten Deutschland befriedigt werden kann.
— Bitte, ja; es wird mich freuen! — Das ist also die Frage, und unsere Meinung ist: die Bundesregierung sollte in ihren Vorschlägen für eine solche Wiedervereinigung Deutschlands als deutschen Verhandlungsbeitrag positiv die Linie vertreten, daß die jetzige vertragliche Bindung der Bundesrepublik im Rahmen der Pariser Verträge auch Gegenstand der Diskussion sein muß und sein kann, wenn es darauf ankommt, eine Vereinbarung über den zukünftigen internationalen Status des wiedervereinigten Deutschlands herbeizuführen.
— Ich glaube, ja! Herr Dr. Krone, ich finde, unsere Position ist die: jede denkbare, mit der Sicherheit des deutschen Volkes als Ganzen und mit der Sicherheit der freien Völker vereinbare Lösung des Status zu suchen, die sowohl vom Westen wie vom Osten akzeptiert werden kann.
— Ich habe gesagt: vom Standpunkt des deutschen Volkes, selbstverständlich! Diese Lösung ist de facto in der gegenwärtigen Situation in dem Verhältnis der West- und Ostblockbindungen nicht zu haben!
Die Gefahr — und das ist etwas, was wir in dieser Diskussion auch mit Nachdruck sagen möchten —, die wir sehen, ist, daß man im Laufe der Verhandlungen der Vier Mächte angesichts ihres Bestrebens, zu einer wirklichen umfassenden internationalen Entspannung zu kommen, diese Konferenz mit einem positiven Resultat in dieser Frage enden zu lassen, andere Lösungen als die jetzt in den Pariser Verträgen gegebenen diskutiert und daß die deutsche Bundesregierung dadurch, daß sie einseitig nur an dem Status quo dieser Verträge festhält ohne Bereitschaft zur Diskussion über andere Möglichkeiten, sich aus solchen denkbaren Entwicklungen ausschaltet. Das ist eine Überlegung, die wir in Europa angesichts der internationalen Entwicklung sehr ernst im Auge behalten sollten.
Was uns schließlich veranlaßt, mit unserem Antrag und mit unseren Reden hier so zu drängen, daß die Regierung mit konkreten Vorstellungen in der Richtung aktiv wird, wie ich sie aufgezeigt habe, ist doch folgendes. Es gibt selbstverständlich die Vereinbarungen in der Londoner Schlußakte, in dem Vertrag der Westeuropäischen 'Union, in der Deklaration der Mächte der NATO über ihre Bereitwilligkeit und Entschlossenheit, sich für die deutsche Wiedervereinigung einzusetzen; einverstanden. Aber wenn wir im Laufe einer internationalen Diskussion — in der ja das deutsche Problem nicht das Problem ist, das viele andere so überragend bewegt wie uns, was ganz natürlich ist; wir wollen ja nicht vergessen, daß wir hier als Deutsche nicht im Mittelpunkt der Weltgeschichte stehen —, falls sich die Verhandlungen über eine Lösung der deutschen Frage schwierig gestalten, vor eine Entwicklung kommen, bei der man um den Preis einer Verständigung in Fragen der allgemeinen Entspannung die deutsche Frage, wie man so schön sagt, „zunächst mal ausklammert", so würde das eine Entwicklung bedeuten, die für die Aussichten einer Wiedervereinigung Deutschlands in absehbarer Zeit geradezu verhängnisvoll sein müßte.
Deshalb: wenn wir helfen können, daß sich die Diskussion nicht festfrißt aus der Argumentation der beiden Blöcke, wenn wir eine eigene Vorstellung in der Richtung, wie wir sie bezeichnet haben — Bildung eines regionalen kollektiven Sicherheitssystems —, entwickeln, haben wir vielleicht doch einen größeren Beitrag zu dieser möglichen Lösung geleistet, als wenn wir nur auf der Ebene des Status quo der Pariser Verträge und unserer Eingliederung denken.
Die Sozialdemokratische Partei hat sich diese Sache gar nicht leicht gemacht. Ich muß nur sagen, leider haben mich die heutigen Bemerkungen des Herrn Bundeskanzlers davon überzeugt, daß unsere Anstrengungen, einen Beitrag in dieser Frage zu leisten, jedenfalls bei ihm keine Resonanz gefunden haben.
Es tut mir leid, Herr Bundeskanzler, das sagen zu müssen. Aber ich habe den Eindruck gewonnen, daß Sie in dieser kurzen Zwischenperiode Ihrer Rede, in der Sie sich mit Herbert Wehners Bemerkungen über ein kollektives Sicherheitssystem in Europa auseinandergesetzt haben, völlig bar jeder Information über die Gedanken waren, die ich Ihnen vor drei Wochen im Auftrage der zweitgrößten Fraktion dieses Hauses mit allem Ernst übergeben habe.
Meine Damen und Herren, es tut mir schrecklich leid, wirklich, ich hätte gewünscht, diese Bemerkung nicht machen zu müssen. Aber angesichts der Unmöglichkeit, auch bei der größten sachlichen Anstrengung der Opposition hier ein Gespräch auf der Grundlage mindestens der Information über die Standpunkte der beiden Teile zu bekommen, mußte ich sie machen.