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    1. tocInhaltsverzeichnis
      2. Deutscher Bundestag — 84. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Mai 1955 4593 84. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Mai 1955 Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Bausch 4593 C Geschäftliche Mitteilungen 4628 D Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . 4629 A Nächste Fragestunde 4593 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 175 (Drucksachen 1281, 1422) . 4593 C Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1370, Umdruck 372) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Viermächteverhandlungen (Drucksache 1355) 4593 C, 4628 C Wehner, Anfragender und Antragsteller 4593 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 4598 C, 4613 B Ollenhauer (SPD) 4607 B, 4611 D Dr. von Merkatz (DP) . . 4611 D, 4624 C Kiesinger (CDU/CSU) . . 4613 D, 4616 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 4616 B, C Dr. Dehler (FDP) 4619 D Dr. Mocker (GB/BHE) 4622 C Dr. Menzel (SPD) 4628 C Namentliche Abstimmung über den An- trag Umdruck 372 4628 C, 4630 Nächste Sitzung 4628 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4629 A Anlage 2: Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Umdruck 372) 4629 C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Umdruck 372) 4630 Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten ;D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
    2. folderAnlagen
      *) Siehe Anlage 2. *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 4634. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Scheel 2. Juli Dr. Graf Henckel 30. Juni Held 25. Juni Richter 25. Juni Hufnagel 20. Juni Dr. Jentzsch 18. Juni Keuning 18. Juni Frau Ackermann 11. Juni Behrisch 11. Juni Elsner 4. Juni Dr. Lenz (Godesberg) 4. Juni Brockmann (Rinkerode) 31. Mai Peters 31. Mai Rademacher 31. Mai Berendsen 28. Mai Dr. Horlacher 28. Mai Frau Keilhack 28. Mai Kemmer (Bamberg) 28. Mai Frau Korspeter 28. Mai Onnen 28. Mai Pelster 28. Mai Welke 28. Mai Barlage 27. Mai Frau Brauksiepe 27. Mai Frenzel 27. Mai Friese 27. Mai Dr. Graf 27. Mai Dannemann 27. Mai Dr. Höck 27. Mai Leibfried 27. Mai Frau Dr. Kuchtner 27. Mai Kühn (Bonn) 27. Mai Mauk 27. Mai Dr. Miessner 27. Mai Dr. Lindenberg 27. Mai Lotze 27. Mai Dr. Kopf 27. Mai Kriedemann 27. Mai Dr. Pünder 27. Mai Schlick 27. Mai Schneider (Bremerhaven) 27. Mai Schuler 27. Mai Seiboth 27. Mai Seidl (Dorfen) 27. Mai Dr. Atzenroth 27. Mai Dr. Bucerius 27. Mai Brese 27. Mai Neuburger 27. Mai Dr. Schild (Düsseldorf) 27. Mai Frau Dr. Steinbiß 27. Mai Walter 27. Mai Dr. Weber (Koblenz) 27. Mai Dr. Wellhausen 27. Mai Wittmann 27. Mai Wirths 27. Mai Dr. Gleissner (München) 27. Mai Dr. Moerchel 27. Mai b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Onnen 25. Juni Gefeller vom 31. Mai bis 25. Juni Anlage 2 Umdruck 372 (Vgl. S. 4628 C) Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1370): Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. mit Rücksicht darauf, daß während der Vorbereitung und Durchführung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands keine unabänderlichen Tatsachen in der Bundesrepublik geschaffen werden dürfen, durch die aussichtsreiche Verhandlungen erschwert werden könnten, in Gesetzgebung und Verwaltung alle Maßnahmen zurückzustellen, die in den Bereich der militärischen Folgerungen aus den Pariser Verträgen gehören; 2. das Einvernehmen der Vertragspartner in der Nordatlantikvertragsorganisation und der Westeuropäischen Union hierzu herbeizuführen unter Hinweis darauf, daß sie in der Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 und den anschließenden Erklärungen der Regierungen aller Mitgliedstaaten des Nordatlantikvertrages zum Ausdruck brachten, daß „die Schaffung eines völlig freien und geeinten Deutschlands durch friedliche Mittel ein grundlegendes Ziel ihrer Politik bleibt"; 3. in Vorbesprechungen mit den Westmächten darauf hinzuwirken, daß in den Viermächteverhandlungen die in den Pariser Verträgen und im Warschauer Vertrag vorgesehenen einseitigen militärischen Bindungen der beiden Teile Deutschlands ersetzt werden durch die Einbeziehung des wiedervereinigten Deutschland in ein im Rahmen der Satzung der Vereinten Nationen und der Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands in den Vereinten Nationen zu schaffendes System der kollektiven Sicherheit. Bonn, den 27. Mai 1955 Ollenhauer und Fraktion Namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD (Umdruck 372) zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD (Drucksache 1370) betreffend Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Vgl. S. 4628 C, 4629 C) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Frau Ackermann . . . . beurlaubt Fuchs Nein Dr. Adenauer Nein Funk Nein Albers Nein Dr. Furler Nein Arndgen Nein Gedat Nein Barlage beurlaubt Geiger (München) . . . Nein Dr. 'Bartram Nein Frau Geisendörfer . . . beurlaubt Bauer (Wasserburg) . Nein Gengler . Nein Bauereisen Nein Gerns Nein Bauknecht Nein D. Dr. Gerstenmaier . . beurlaubt Bausch — Gibbert Nein Becker (Pirmasens) . . . Nein Giencke . Nein Berendsen beurlaubt Dr. Glasmeyer Nein Dr. Bergmeyer Nein Dr. Gleissner (München) beurlaubt Fürst von Bismarck . . . — Glüsing Nein Blank (Dortmund) . . . Nein Gockeln . — Frau Dr. Bleyler , Dr. Götz Nein (Freiburg) Nein Goldhagen Nein Blöcker Nein Gontrum Nein Bock Nein - Dr. Graf beurlaubt von Bodelschwingh . . . beurlaubt Griem beurlaubt ) Dr. Böhm (Frankfurt) . Nein Günther Nein Brand (Remscheid) . . . Nein Gumrum Nein Frau Brauksiepe . . . . beurlaubt Häussler Nein Dr. von Brentano . . . . Nein Hahn Nein Brese beurlaubt Harnischfeger Nein Frau Dr. Brökelschen . . Nein Heix Nein Dr. Brönner Nein Dr. Hellwig Nein Brookmann (Kiel) Nein Dr. Graf Henckel . . . beurlaubt Brück Nein Dr. Hesberg Nein Dr. Bucerius beurlaubt Heye Nein Dr. von Buchka . . . . Nein Hilbert Nein Dr. Bürkel Nein Höcherl Nein Burgemeister Nein Dr. Höck beurlaubt Caspers Nein Höfler Nein Cillien Nein Holla Nein Dr. Conring Nein Hoogen Nein Dr. Czaja Nein Dr. Horlacher beurlaubt Demmelmeier — Horn Nein Diedrichsen Nein Huth Nein Frau Dietz Nein Illerhaus Nein Dr. Dittrich Nein Dr. Jaeger Nein Dr. Dollinger Nein Jahn (Stuttgart) . . . . Nein Dr. Dresbach Nein Frau Dr. Jochmus . . . Nein Donhauser Nein Josten Nein Eckstein beurlaubt Kahn Nein Ehren Nein Kaiser Nein Engelbrecht-Greve . . . Nein Karpf Nein Dr. Dr. h. c. Erhard . . . — Kemmer (Bamberg) . beurlaubt Etzenbach beurlaubt Kemper (Trier) Nein Even Nein Kiesinger Nein Feldmann Nein Dr. Kihn (Würzburg) . . Nein Finckh Nein Kirchhoff Nein Dr. Franz Nein Klausner beurlaubt Franzen Nein Dr. Kleindinst Nein Friese . . . . . • . . . beurlaubt Dr. Kliesing Nein 1 Abstimmung Name Abstimmung Name Knapp Nein Richarts Nein Knobloch Nein Frhr. Riederer von Paar Nein Dr. Köhler Nein Dr. Rinke Nein Koops Nein Frau Rösch beurlaubt Dr. Kopf Nein Rösing . . . . . . . . Nein Kortmann .. Nein. Rümmele Nein Kramel Nein Ruf Nein Krammig Nein Sabaß Nein Kroll Nein Sabel beurlaubt Frau Dr. Kuchtner . . . beurlaubt Schäffer Nein Kühlthau Nein Scharnberg Nein Kuntscher Nein Scheppmann Nein Kunze (Bethel) Nein Schill (Freiburg) . . . . beurlaubt Lang (München) . . . . Nein Schlick Nein Leibfried Nein Schmücker Nein Dr. Leiske Nein Schneider (Hamburg) . . Nein Lenz (Brühl) Nein Schrader Nein Dr. Lenz (Godesberg) . . beurlaubt Dr. Schröder (Düsseldorf) — Lenze (Attendorn) . . . Nein Dr.-Ing. E. h. Schuberth Nein Leonhard Nein Schüttler Nein Lermer Nein Schütz Nein Leukert Nein Schuler beurlaubt Dr. Leverkuehn . . . . Nein Schulze-Pellengahr . . . Nein Dr. Lindenberg . . . . beurlaubt Schwarz . . . . . . . . Nein Dr. Lindrath Nein Frau Dr. Schwarzhaupt Nein Dr. Löhr Nein . Dr. Seffrin Nein Lotze beurlaubt Seidl (Dorfen) beurlaubt Dr. h. c. Lübke Dr. Serres Nein Lücke beurlaubt Siebel Nein Lücker (München) Nein Dr. Siemer Nein Lulay beurlaubt Solke Nein Maier (Mannheim) . . Nein Spies (Brücken) Nein . . . . Majonica Nein Spies (Emmenhausen) . Nein 3) Dr. Baron Manteuffel- Spörl Nein Szoege Nein Graf von Spreti . . . . Nein Massoth Nein Stauch Nein Maucher Nein Frau Dr. Steinbiß beurlaubt . . Mayer (Birkenfeld) . . Nein Stiller Nein Menke Nein Storch — Mensing Nein Dr. Storm Nein Meyer (Oppertshofen) . Nein Strauß — Meyer-Ronnenberg . . . Nein Struve Nein Miller Nein Stücklen Nein Dr. Moerchel beurlaubt Teriete Nein Morgenthaler — Unertl Nein Muckermann Nein Varelmann Nein Mühlenberg Nein Frau Vietje Nein Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Nein Müller-Hermann . . . . Nein Dr. Vogel Nein Voß beurlaubt Müser Nein Wacher (Hof) Nein Naegel beurlaubt Nellen Nein Wacker (Buchen) Nein Neuburger beurlaubt Dr. Wahl Nein Nein Niederalt Nein Walz Nein Frau Niggemeyer . . Nein Frau Dr. Weber (Aachen) Dr. Oesterle Nein Dr. Weber (Koblenz) . . beurlaubt Oetzel Nein Wehking Nein Dr.Orth Nein Dr. Welskop beurlaubt Orth . Pelster beurlaubt Frau Welter (Aachen) . Nein Dr. Pferdmenges . . . . — Dr. Werber beurlaubt Frau Pitz — Wiedeck Nein Platner Nein Wieninger Nein Dr. Pohle (Düsseldorf) . — Dr. Willeke Nein Frau Praetorius . . . . Nein Winkelheide Nein Frau Dr. Probst . . . . — Wittmann beurlaubt Dr. Dr. h. c. Pünder . . beurlaubt Wolf (Stuttgart) . . . . Nein Raestrup Nein Dr. Wuermeling . . . . Nein Rasner Nein Wullenhaupt Nein Frau Dr. Rehling . . . . Nein Name Abstimmung Name Abstimmung SPD Frau Albertz Ja Keuning beurlaubt Frau Albrecht Ja Kinat Ja Altmaier Ja Frau Kipp-Kaule . . . Ja Dr. Arndt Ja Könen (Düsseldorf) Ja Arnholz Ja Koenen (Lippstadt) . Dr. Baade Ja Frau Korspeter . . . . beurlaubt Dr. Bärsch Ja Dr. Kreyssig Ja Bals Ja Kriedemann beurlaubt Banse Ja Kühn (Köln) Ja Bauer (Würzburg) . . . Ja Kurlbaum Ja Baur (Augsburg) . . . . Ja Ladebeck Ja Bazille Ja Lange (Essen) Ja Behrisch beurlaubt Frau Lockmann . . . Ja Frau Bennemann Ja Ludwig Ja Bergmann Ja Dr. Lütkens Ja Berlin Ja Maier (Freiburg) . . . Ja Bettgenhäuser Ja Marx Ja Frau Beyer (Frankfurt) Ja Matzner Ja Birkelbach Ja Meitmann Ja BLachstein Ja Mellies . . Ja Dr. Bleiß Ja Dr. Menzel . . . Ja Böhm (Düsseldorf) . . . Ja Merten Ja Bruse JA. Metzger Ja Corterier Ja ' Frau Meyer (Dortmund) Ja Dannebom Ja Meyer (Wanne-Eickel) . Ja Daum Ja Frau Meyer-Laule . . . Ja Dr. Deist Ja MiBmahl Ja Dewald Ja Moll Ja Diekmann Ja Dr. Mommer Ja Diel Ja Müller (Erbendorf) . . . Ja Frau Döhring . . . . Ja Müller (Worms) . . . . Ja Erler Ja Frau Nadig Ja Eschmann . . . . . . . Ja Odenthal Ja Faller Ja Ohlig Ja Franke Ja 011enhauer Ja Frehsee Ja Op den Orth Ja Freidhof Ja Paul Ja Frenzel beurlaubt Peters Ja Gefeller Ja Pöhler Ja Geiger (Aalen) Ja Pohle (Eckernförde) . . Ja Geritzmann Ja Dr. Preller Ja Gleisner (Unna) . . . . Ja Priebe Ja Dr. Greve Ja Pusch Ja Dr. Gülich Ja Putzig Ja Hansen (Köln) Ja Rasch Ja Hansing (Bremen) . . . Ja Regling Ja Hauffe Ja Rehs Ja Heide Ja Reitz Ja Heiland Ja Reitzner beurlaubt Heinrich Ja Frau Renger Ja Hellenbrock Ja Richter beurlaubt Hermsdorf . . . . . . . Ja Ritzel Ja Herold Ja Frau Rudoll Ja Höcker Ja Ruhnke Ja Höhne Ja Runge Ja Hörauf Ja Sassnick Ja Frau Dr. Hubert . . . . Ja Frau Schanzenbach . . Ja Hufnagel beurlaubt Scheuren Ja Jacobi Ja Dr. Schmid (Frankfurt) . Ja Jacobs Ja Dr. Schmidt (Gellersen) . Ja Jahn (Frankfurt) . . . . Ja Schmidt (Hamburg) . . Ja Jaksch Ja Schmitt (Vockenhausen) . Ja Kahn-Ackermann . . . Ja Dr. Schöne Ja Kalbitzer Ja Schoettle Ja Frau Keilhack Ja Seidel (Fürth) Ja Frau Kettig Ja Seither Ja Name Abstimmung Name Abstimmung Seuffert Ja Stahl . . . . . . . . — .Stierle Ja Dr. Stammberger . . . Nein Sträter Ja Dr. Starke Nein Frau Strobel Ja Dr. Wellhausen . . . . beurlaubt Stümer Ja Wirths beurlaubt Thieme Ja Traub Ja Trittelvitz Ja Wagner (Deggenau) . Ja Wagner (Ludwigshafen) Ja GB/BHE Wehner Ja Wehr Ja Bender Nein Welke beurlaubt Nein Weltner (Rinteln) . . Ja Dr. Czermak Dr. Dr. Wenzel . . . . Ja Dr. Eckhardt — Elsner beurlaubt Wienand Ja Engell enthalten Wittrock Ja Feller Nein Ziegler Ja Gräfin Finckenstein . . Nein Zühlke Ja Frau Finselberger . . Nein Gemein Nein Dr. Gille Nein Haasler Nein FDP Dr. Kather beurlaubt Dr. Keller Nein Dr. Atzenroth . . . Nein Dr. Klötzer Nein Dr. Becker (Hersfeld) . . Nein Körner Nein Dr. Blank (Oberhausen) . Nein Kraft — — Kunz •(Schwalbach) . • Nein Dr. h. c. Blücher — Kutschera Nein Dr. Bucher beurlaubt Dr. Mocker Nein Dannemann Dr. Dehler Nein Dr. Dr. Oberländer . . . — » Dr.-Ing. Drechsel . . . . Nein Petersen Nein Eberhard Nein Dr. Reichstein Nein Euler Nein Samwer Nein Fassbender Nein Seiboth beurlaubt Frau Friese-Korn . . . Nein Dr. Sornik Nein Srock Frühwald Nein Dr. Strosche Nein Gaul Nein Dr. Hammer Nein Held beurlaubt Hepp Nein Dr. Hoffmann Ja Frau Dr. Ilk Nein DP Dr. Jentzsch beurlaubt Kühn (Bonn) beurlaubt Becker (Hamburg) Nein Lahr Nein Dr. Brühler Nein Lenz (Trossingen) . . . beurlaubt Eickhoff Nein Dr. Dr. h. c. Prinz zu Lö- Dr. Elbrächter Nein wenstein enthalten Hellwege — Dr. Luchtenberg . . Nein Matthes Nein Dr. Maier (Stuttgart) . . — Nein von Manteuffel (Neuß) Nein Dr. von Merkatz .. . . Nein Müller (Wehdel) Margulies Nein Dr. Schild (Düsseldorf) . beurlaubt Mauk beurlaubt Schneider (Bremerhaven) Nein Dr. Mende Nein Dr. Schranz . . . . . . Nein Dr. Miessner beurlaubt Dr.-Ing. Seebohm . . . — Neumayer Nein Walter beurlaubt Onnen beurlaubt Wittenburg Nein Dr. Pfleiderer Nein Dr. Zimmermann Nein beurlaubt Dr. Preiß Dr. Preusker Nein Rademacher beurlaubt Dr. Schäfer Nein Scheel beurlaubt Fraktionslos Schloß — Dr. Schneider (Lollar) Nein Brockmann (Rinkerode) beurlaubt Schwann Ja Stegner Ja Zusammenstellung der Abstimmung Abstimmung Abgegebene Stimmen 391 Davon: Ja 145 Nein 244 Stimmenthaltung . 2 Zusammen wie oben . . 391 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Mattick Ja Dr. Friedensburg . . . . Nein Neubauer — Dr. Krone Nein Neumann Ja Lemmer Nein Dr. Schellenberg . . . . Ja Frau Dr. Maxsein beurlaubt Frau Schroeder (Berlin) . Ja . . Stingl Nein Schröter (Wilmersdorf) . Ja Dr. Tillmanns Nein Frau Wolff (Berlin) . . Ja FDP SPD Dr. Henn beurlaubt Brandt (Berlin) . . . . Ja Hübner Nein Frau Heise Ja Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Nein Klingelhöfer Ja Dr. Reif Nein Dr. Königswarter Ja Dr. Will Nein Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen 19 Davon : Ja 10 Nein 9 Stimmenthaltung . — Zusammen wie oben . . 19
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

      Die Sitzung ist eröffnet.
      Vor Eintritt in die Tagesordnung, meine Damen und Herren, darf ich dem Herrn Abgeordneten Bausch die herzlichsten Glückwünsche des Hauses zu seinem heutigen 60. Geburtstag aussprechen.

      (Beifall.)

      Durch interfraktionelle Vereinbarung, darf ich noch bekanntgeben, ist die Fragestunde vom 8. Juni auf den 6. Juli verlegt worden. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Freitag, der 1. Juli, 12 Uhr.
      Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
      Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 20. Mai 1955 die Kleine Anfrage 175 der Abgeordneten Stücklen, Wieninger, Bauer (Wasserburg) und Genossen betreffend Schutzimpfung gegen Kinderlähmung — Drucksache 1381 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1422 vervielfältigt.
      Meine Damen und Herren, damit kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe auf den einzigen Punkt der Tagesordnung:
      a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands (Drucksache 1370, Umdruck 172);
      b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Viermächteverhandlungen (Drucksache 1355).
      Nach § 28 der Geschäftsordnung werden die beiden Punkte miteinander verbunden. Ich frage, ob zur Begründung das Wort gewünscht wird. — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Wehner.

      (Unruhe.)

      — Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! — Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas Ruhe, damit wir hier beginnen können.
      Bitte, fangen Sie an, Herr Abgeordneter Wehner.
      Wehner (SPD), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der die Drucksachennummer 1355 trägt, ist von meiner Fraktion im April eingebracht worden. Wenn damals die Mehrheit des Hauses diesem Antrag entsprochen und wenn die Bundesregierung den in diesem Antrag verlangten Bericht über die außenpolitische Entwicklung im Hinblick auf bevorstehende Viermächteverhandlungen gegeben und zur Diskussion gestellt hätte, hätten manche Fragen rechtzeitig geklärt werden können, über die inzwischen Diskussionen entbrannt sind. Wir müssen nun heute, nachdem sich damals die Mehrheit des Hauses unserem Antrag versagte, sozusagen auf dem Umweg über die Große Anfrage, die Ihnen vorliegt, zum Teil nachholen, was damals zweckmäßigerweise in Bericht und Debatte hätte behandelt werden sollen. Daß ein solcher Umweg und eine solche behelfsmäßige Unterrichtung erforderlich sind, gehört zu den Kennzeichen einer bedauerlichen Art der Behandlung von Lebensfragen unseres Volkes.

      (Abg. Dr. Menzel: Sehr gut!)

      Ich wende mich nun der Begründung der Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion zu. In Punkt 1 fragen wir:


      (Wehner)

      Was hat die Bundesregierung getan, um im Sinne des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 26. Februar 1955 zu erwirken, daß eine ständige Kommission, bestehend aus je einem Vertreter der drei Westmächte und der Bundesrepublik Deutschland, gebildet wird, deren Aufgabe es ist, ,alle zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands sich bietenden Gelegenheiten zu erörtern und Vorschläge auszuarbeiten, um aussichtsreiche Verhandlungen vorzubereiten?
      Entschuldigen Sie, daß ich Sie hier auf einen offenbar durch einen Schreibfehler entstandenen Druckfehler in der Ihnen schriftlich vorliegenden Fassung der Anfrage aufmerksam mache. Ich habe schon korrigiert, daß es sich urn den Beschluß des Plenums vorn 26. Februar 1955 handelt. Wir bedauern, daß man erst gesucht hat, was denn wohl am 27. Februar 1954 für ein Beschluß gefaßt worden sei. Wir wollten Ihre Aufmerksamkeit und auch die der Regierung nicht auf die Zeit unmittelbar nach dem Schluß derBerliner Viermächtekonferenz vom vorigen Jahr zurücklenken, sondern wir wollten an jene Resolution, an jenen Beschluß erinnern, den unser Haus nach der zweiten Lesung der Pariser Verträge gefaßt hat. Ich nehme das zum Anlaß, einiges zu der damaligen Entschließung zu sagen.
      Diese Entschließung war das Ergebnis der Beratung von Anträgen der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Mit diesen Anträgen hatten wir — beginnend mit der Londoner Konferenz vom September/Oktober 1954 über die Pariser Konferenz bis zu der Zeit, in der über die Annahme der Pariser Verträge gestritten wurde — versucht, schon während der Vorbereitung der Pariser Verträge konkrete Bemühungen um gleichzeitige Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands in Gang zu bringen.
      Wir sind damals von Stufe zu Stufe auf die Ablehnung der Mehrheit des Hauses und der Bundesregierung gestoßen. Man hat uns auf die Zeit nach der Ratifikation der Verträge vertröstet und hat gesagt, diese sei unerläßlich, um überhaupt ein Klima für die Behandlung ,der Wiedervereinigung auf dem Viermächtewege zu schaffen. Gleichzeitige konkrete Bemühungen, Viermächteverhandlungen in Gang zubringen, sind an Ihrer ablehnenden Haltung gescheitert.
      Dann hat man gesagt, aber unmittelbar nach der Ratifikation werde man sich — und zwar auf höchster Ebene, auf der Ebene der Regierungschefs oder der Außenminister — in einem ständigen Ausschuß mit den Fragen der Wiedervereinigung befassen. Inzwischen ist von neuen, erst noch zu absolvierenden Fristen und Stadien, Stadien der Durchführung der Verträge, die Rede. Immer neue Bedingungen und Voraussetzungen werden für notwendig gehalten, bevor man an die konkrete Wiedervereinigungsverhandlung herankommen könne. Damals, in dem Beschluß des Bundestages vom 26. Februar, hieß es unter Punkt 1:
      Die Einheit Deutschlands als Staat und seine Freiheit zu wahren und mit friedlichen Mitteln zu vollenden, bleibt die vordringliche Aufgabe der deutschen Politik.
      Es wurde dann im zweiten Punkt dieses Beschlusses auf die Londoner Schlußakte und die Tatsache hingewiesen, daß eine ganze Reihe von
      Regierungen anderer Staaten sich den Satz der Londoner Schlußakte zu eigen gemacht haben: „die Verwirklichung eines völlig freien und geeinten Deutschlands durch friedliche Mittel als ein grundlegendes Ziel ihrer Politik zu behandeln". Es wurde darauf hingewiesen, daß auch im Europarat bei der Behandlung der Frage: Entspannung und europäische Sicherheit in erster Linie die Wiedervereinigung Deutschlands zu erörtern für notwendig bezeichnet wurde. Es wurde damals auch — das war ein Ergebnis langer Diskussionen, sowohl im Plenum als auch im Ausschuß — darauf hingewiesen, daß gewisse Verlautbarungen der vierten Besatzungsmacht, der Sowjet-Regierung, der Untersuchung würdig seien, ob sich hier vielleicht Möglichkeiten und Wege zu Verhandlungen über eine friedliche Wiedervereinigung in Freiheit eröffneten. Schließlich wurde es vom Bundestag, nachdem er in diesem Beschluß Verhandlungen der vier Mächte mit dem Ziel: „Wahl eines gesamtdeutschen Parlaments in allen Zonen auf der Grundlage eines demokratischen, allgemeinen, freien und gleichen Wahlrechts, Schaffung einer gesamtdeutschen Verfassung und Bildung einer gesamtdeutschen Regierung" usw. gefordert hatte, für notwendig erachtet — ich erinnere daran, weil dies der Punkt ist, der unsere Frage kennzeichnet —, daß eine ständige Kommission aus Vertretern der Westmächte und der Bundesrepublik eingesetzt werden sollte, deren Aufgabe es sein müßte, „alle zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands sich bietenden Gelegenheiten zu erörtern und Vorschläge auszuarbeiten, um aussichtsreiche Verhandlungen vorzubereiten". Wir sind unmittelbar nach der Annahme dieses Beschlusses durch das regierungsoffiziöse „Bulletin" darauf hingewiesen worden, daß alle Parteien sich nun künftig an die gemeinsame Entschließung auch weiter gebunden fühlen sollten. Nun, wir fühlen uns wirklich an sie gebunden und machen heute darauf aufmerksam, daß in dem ersten Satz dieser Entschließung die Anstrengungen um die Wiedervereinigung Deutschlands als die vordringliche Aufgabe der deutschen Politik bezeichnet wurde.
      Wir haben feststellen müssen, daß inzwischen — ich denke dabei besonders an das Kommuniqué über die Gespräche, die der Herr Bundeskanzler mit dem französischen Außenminister Monsieur Pinay in Bonn gehabt hat — gerade im Zusammenhang mit diesen Gesprächen ganz andere Töne in bezug auf die Voraussetzungen für Wiedervereinigungsverhandlungen angeschlagen worden sind. Dort nämlich heißt es leider, daß die Verwirklichung der Pariser Verträge das notwendige Gespräch mit dem Osten zu eröffnen erlaube. Man weiß ja auch, es gibt eine Art internes Stichwort in den Regierungskreisen, daß man zunächst einmal einige Jahre brauche, in denen wir durch die Verwirklichung der Verträge unseren westlichen Vertragspartnern unsere Vertragstreue zu beweisen hätten, und es liege auch im Interesse dieser Partner, daß sie bei dann fälligen Verhandlungen nicht nur auf papierne Verträge und nicht nur auf papierne Soldaten zurückgreifen könnten. Es könnte sehr leicht sein — das ist leider so —, daß dann eben auch die Gegenseite ähnliche handfeste Dinge hat, auf die sie zurückgreift, und daß schließlich beide Seiten die Zeit damit verbracht haben, militärische Tatsachen, die sich als Hindernisse für die Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands erweisen werden, zu schaffen. Man sagt heute, es bedürfe langer Verhandlungen; zwei


      (Wehner)

      Jahre und mehr müsse man verhandeln. Das ist nur die Bemäntelung der Tatsache, daß man in diesen Jahren an eine Durchführung der militärischen Folgerungen aus den Pariser Verträgen denkt. Wieweit das aber mit der Wiedervereinigung zu vereinbaren sein wird, das ist nicht nur in der Vergangenheit die Streitfrage gewesen, das wird sich leider auch in der Zukunft, wenn Sie davon nicht ablassen, als die Streitfrage herausstellen.
      Unsere Frage ist also: Was ist mit dieser Kommission? Diese Frage heißt in Wirklichkeit: Wie steht es mit einer gemeinsamen Politik der Bundesregierung und der Westmächte in bezug auf die Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands?

      (Beifall bei der SPD.)

      Denn diese Kommission kann nur interessant sein, wenn sie der Platz und wenn sie ein Mittel dazu ist, eine gemeinsame Politik in Zusammenarbeit der Bundesrepublik und der Westmächte zur Verwirklichung der Wiedervereinigung zu betreiben. Dabei handelt es sich — so wurde es damals gesagt — um alle zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands sich bietenden Gelegenheiten, die erörtert werden sollen, und um Vorschläge zur Vorbereitung aussichtsreicher Verhandlungen.
      Es kann sich doch wohl nicht darum handeln, sozusagen periodisch im Gleichklang zwischen Bundesregierung und Regierungen der Westmächte festzustellen, daß Bundesregierung und Westmächte lediglich in der Ablehnung von Modellen einig seien. Man müßte ja wohl auch einmal hören, welche Einigkeit in der gemeinsamen Vertretung, im gemeinsamen Verfolgen von Möglichkeiten besteht.
      Ich komme dann zum zweiten Punkt unserer Anfrage. Er lautet:
      Hat die von der Bundesregierung zu Vorverhandlungen mit Vertretern der drei Westmächte nach London entsandte Delegation Instruktionen und Vollmachten erhalten, die sich auf den sachlichen Inhalt der angestrebten Viermächteverhandlungen erstrecken?
      Lassen Sie mich Ihnen ganz offen sagen, daß ich es bedauere, eine solche Frage stellen und begründen zu müssen. Es sollte, meine Damen und Herren, die Opposition, und vielleicht darf ich das sogar sagen, ohne Sie zu kränken, es sollte das Parlament selbstverständlich davon unterrichtet sein.

      (Beifall bei der SPD.)

      Soweit wir wissen, sind zu diesen Vorverhandlungen von Regierungen der mitbeteiligten Staaten qualifizierte Beauftragte entsandt worden. Es bieten oder es boten diese Vorbesprechungen zweifellos eine Gelegenheit für die Bundesregierung, durch Vorschläge klarzumachen, was wir, was die Bundesrepublik, was die Deutschen in Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung für möglich halten. Denn nur dadurch, daß wir es klarmachen, können wir das Maximum an Bereitschaft bei den anderen Partnern erzielen. Man erwartet doch, und ich glaube, man erwartet es mit Recht, von u n s , daß wir Vorschläge und Pläne darbieten. Das aber erfordert angesichts der nicht unkomplizierten Lage ein Höchstmaß an Elastizität.

      (Sehr gut! bei der SPD.)

      Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als bestehe das Interesse der Bundesregierung in diesem Stadium der Vorbereitung von Viermächteverhandlungen vorwiegend darin, nicht in den Ruf
      zu geraten, die Pariser Verträge und die mit ihnen
      beschlossene Aufrüstung des geteilten Deutschland
      aufs Spiel setzen zu wollen, und als verhielten wir
      uns so, daß wir auf das warten, was die anderen
      vorzubringen hätten und äußerten. Aber von
      keiner beteiligten Seite können und dürfen wir
      doch mehr Intensität in der Entwicklung einer zur
      Wiedervereinigung Deutschlands führenden Politik
      erwarten, als wir selbst bereit sind zu entwickeln.

      (Beifall bei der SPD.)

      Das heißt, daß es unsere Sache ist, wenn notwendig, eine ganze Skala brauchbarer und annehmbarer Vorschläge zu entwerfen und allen brauchbaren und annehmbaren Anregungen nachzugehen, statt — ich muß auch hier wieder diese Bemerkung machen — sich darauf zu beschränken, festzustellen, was alles nicht in Frage kommt, wenn es zu Viermächteverhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung kommt.
      Ich wende mich damit dem Punkt 3 unserer Anfrage zu. Er lautet:
      Warum hat die Bundesregierung ihre Vorbereitungen zu Viermächteverhandlungen nicht in einem Ausschuß des Deutschen Bundestages zur Diskussion gestellt? Wann gedenkt sie das Parlament an der Ausarbeitung von Vorschlägen zu aussichtsreichen Verhandlungen zu beteiligen?
      Diese Frage kann nicht so abgetan werden, wie sie kürzlich einmal hier in einer Geschäftsordnungsdebatte über den Antrag, den wir früher hier zur Beratung stellen wollten, erledigt wurde, daß man nämlich intensiver im Auswärtigen Ausschuß diskutieren sollte. Selbst wenn die Bundesregierung — das bestreiten wir gar nicht — für Verhandlungen die letzte Verantwortlichkeit hat und wenn sie ein Interesse daran haben muß, daß nicht jede für Verhandlungen wesentliche Einzelheit öffentlich und vielleicht zur Unzeit erörtert wird, muß doch — oder wir geben uns selbst auf — über die Grundlinie, die bei solchen Verhandlungen verfolgt werden soll, und über Alternativmöglichkeiten eine Aussprache möglich und nicht nur möglich, sondern dringend erwünscht sein,

      (Beifall bei der SPD)

      doch auch zu dem Zweck, die deutsche Position, die ja schwierig genug ist, anderen, die an dieser Frage wieder mit anderen Interessen beteiligt sind, klarzumachen. Jetzt haben wir es mit einem Maß öffentlicher Erörterung von zum Teil durchaus taktischen Einzelfragen zu tun, daß man mit Recht fragen kann, ob durch ein normales Verfahren, d. h. durch die Beteiligung des Bundestages an den deutschen Vorbereitungen von Viermächteverhandlungen, nicht viel mehr hätte gewonnen und mancher Schaden hätte verhütet werden können. Aber die Frage bleibt, wann denn die Bundesregierung gedenkt, dieses Haus und die dafür zuständigen Ausschüsse oder einen dafür zuständigen Ausschuß mit diesen Fragen zu befassen.
      Ich komme damit zu Punkt 4 unserer Anfrage:
      Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu verhindern, daß eine Viermächtekonferenz faktisch zur Festlegung der beteiligten Mächte auf die Fortdauer der Spaltung Deutschlands führt, weil beide Seiten daran festhalten, der militärischen Blockbildung und der Einbezie-


      (Wehner)

      hung der Teile Deutschlands in die Blöcke den Vorrang vor einer Übereinkunft über die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zu geben?
      Man darf es heute, ohne voreilig zu sein, wohl als gegeben ansehen, daß Viermächteverhandlungen zustande kommen. Eine ganz andere Frage ist es, womit sich Viermächteverhandlungen befassen werden oder hauptsächlich befassen werden. Viermächteverhandlungen werden zustande kommen, weil die Großmächte aus sehr verständlichen Gründen eine Entspannung der zwischen ihnen bestehenden Gegensätze anstreben. Vor allem ist es die Entwicklung der modernen Massenvernichtungswaffen, die es ihnen nahezu unausweichlich erscheinen läßt, den Versuch einer Politik des friedlichen Nebeneinanderbestehens und der friedlichen Regelung der Streitfragen zu machen.
      Dabei möchte ich nicht versäumen, auch Ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß heute schon in sehr wesentlichen Teilen der Welt die Völker und auch die Regierungen sich an ganz anderen Maßstäben orientieren als den Maßstäben der Periode des Kalten Krieges. Ich denke dabei vor allem an ein Ereignis, das uns räumlich ferner liegt, das aber von eminenter politischer Bedeutung auch für unsere Breitengrade ist, an das Ereignis der Asiatisch-Afrikanischen Konferenz von Bandung. Es ist meine persönliche Überzeugung, daß die fünf Prinzipien, die schon im vorigen Jahre von maßgebenden Staatsmännern asiatischer Länder postuliert wurden, Grundsätze sind, die auch für die Gestaltung der Dinge in den übrigen Teilen der Welt die entscheidenden Maßstäbe abgeben werden: der Grundsatz der gegenseitigen Achtung der territorialen Integrität und Souveränität des andern, der Grundsatz der gegenseitigen Nichtangriffshandlungen, der Grundsatz der gegenseitigen Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten des andern, der Grundsatz der Gleichberechtigung und des gegenseitigen wirtschaftlichen Nutzens und schließlich der Grundsatz des friedlichen Zusammenlebens. Die zehn Punkte, die die Vertreter von etwas mehr als der Hälfte der Menschheit — wenn man einmal zahlenmäßig sprechen darf — in Bandung postuliert haben, entsprechen diesen fünf Prinzipien.
      Auch wir Deutschen müssen — das ist ein vitales Interesse — für die Entspannung der internationalen Gegensätze sein. Auch wir müssen für das friedliche Nebeneinanderleben der Völker und Staaten sein. Auch wir dürfen die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß dies keine Lämmerweide sein wird, sondern der Austrag eines sehr scharfen Wettbewerbs verschiedener sozialer Systeme. Wenn man heute mit annähernder Sicherheit sagen darf, daß es zu Viermächteverhandlungen kommen wird, weil die Großmächte auf Grund der Entwicklung und auch gedrängt durch die Bewegungen in den Völkern, wie ich sie jetzt eben erwähnt habe, in eine Periode der Ordnung des friedlichen Nebeneinanderbestehens eintreten, so ist es für uns, die wir noch im Zustand der Teilung unseres Landes leben müssen, von wesentlicher Bedeutung, ob diese Periode beginnt mit Bemühungen um die Wiedervereinigung Deutschlands oder ob beide Seiten, vielleicht auch mit der Bemerkung „zunächst, bis auf weiteres, bis die Dinge sich anders ordnen lassen", je einen Teil Deutschlands in ihrem Block behalten. Das ist nicht nur für unser Volk lebenswichtig, sondern auch — so möchten wir ohne Anmaßung sagen — für den europäischen Frieden. Es ist lebenswichtig für die Existenz der 18 Millionen, die in der sowjetisch besetzten Zone leben müssen. Ich sage noch einmal: Es ist für das europäische Zusammenleben lebenswichtig, ob es sich weiter in der Verkrampfung der Mächteblocks abspielen soll oder ob man den Weg zu einer Ordnung gutnachbarlicher Verhältnisse findet. Wir können zwar nicht annehmen, daß in dieser Beziehung alles von unserem Verhalten abhängt, aber für eine positive Entwicklung in dieser Richtung hängt sehr vieles von unserem eigenen Verhalten ab. Es hat schon sein Gewicht und es hat auch seine Folgen, auf welcher Grundlinie wir selbst argumentieren und vorgehen.
      Wir möchten und wir fordern, daß die Bundesregierung als ihr Ziel für Viermächteverhandlungen eine Vereinbarung der Vier über ein regionales europäisches Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen anstrebt, in dem das wiedervereinigte Deutschland Rechte und Pflichten ausüben kann. Selbst wenn dieses Ziel angesichts der schon vorhandenen Verhärtung der in Gegensatz zueinander stehenden Mächteblöcke nicht ohne Zwischenstadien erreichbar sein sollte, so müßte die Bundesregierung es als ihr Ziel bezeichnen und anstreben, um klarzumachen, daß sie nicht die Absicht hat, das wiedervereinigte Deutschland Mitglied des einen oder des anderen Militärblocks werden zu lassen oder es aus allen Bindungen auszuklammern, wobei ich hier unter Bindungen verstehe: die Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit im Rahmen der Bestimmungen der Vereinten Nationen. Wir wollen auch bei dieser schweren Aufgabe Rechte und Pflichten übernehmen.
      . Angesichts der offenkundigen Schwierigkeiten, sozusagen mit einem Schlag aus der Verhärtung der Blöcke zu einer Auflösung der militärischen Blockbildungen zugunsten eines regionalen Sicherheitsabkommens im Rahmen der Vereinten Nationen zu gelangen, sollte die Bundesregierung — das ist unsere nächste Erwartung — als Etappenziel eine Garantieabmachung der Vier mit der Regierung des wiedervereinigten Deutschlands im Auge behalten, an der dann eventuell auch andere Staaten teilnehmen könnten, über die Unverletzbarkeit der Territorien, die Verhütung bewaffneter Austragung von Konflikten und die Anerkennung der Bestimmungen der Vereinten Nationen für die Regelung von Konflikten. Auch in diesem Fall sollte die Bundesregierung es als ihre erklärte Absicht bezeichnen, daran mitzuwirken, daß an die Stelle der militärischen Blockbildungen, die einer vergangenen Periode angehören sollten, regionale Sicherheitsabkommen treten. Deutschland will nicht Mitglied des einen oder anderen Militärblocks sein. Es soll aber berechtigt sein zur Aufstellung von Truppen in zu vereinbarender Stärke und verpflichtet zur Mitarbeit an Sicherheitsaufgaben regionaler Art. Dementsprechend sollte es die erklärte Politik der Bundesregierung im Hinblick auf die Verwirklichung der Einheit Deutschlands sein, sich für die Verpflichtung eines wiedervereinigten Deutschlands einzusetzen, auf seinem Boden nicht andere Militärstützpunkte und Basen zuzulassen als solche, die sich aus den Verpflichtungen des regionalen Sicherheitssystems ergeben könnten.
      Das ist eine Richtung für den Versuch, auf die Viermächteverhandlungen einzuwirken, die für die Entwicklung jeder Art von Verhandlungen entscheidend ist. Gegebenenfalls muß die Bundes-


      (Wehner)

      regierung auf der Linie operieren, ein länger befristetes Zwischenstadium von der Wiedervereinigung bis zum Abschluß des Friedensvertrags zu erwirken. Das wäre ja nicht so furchtbar umstürzend; denn der Eden-Plan, gegen den wir mancherlei Einwände hatten und haben, wenn er heute wieder zur Debatte stünde, sah ja eine solche Regelung für ein Zwischenstadium vom Moment der Wiedervereinigung bis zum Abschluß des Friedensvertrags vor, ein Stadium, in dem alle fünf Beteiligten — denn dann wären es nicht mehr nur vier, sondern fünf — darauf bauen könnten, daß keine der fünf durch vollendete Tatsachen außer Spiel gesetzt werden könnte, die andere allein oder miteinander schaffen; denn jede von ihnen hätte bis zum Abschluß des Friedensvertrages — das hat seine Schattenseiten, das hat auch seine positiven Seiten — ein Vetorecht.
      Entscheidend für unsere Grundhaltung in solchen Verhandlungen, die ja schwierig genug sein werden, muß es sein, alles daranzusetzen, eine Vereinbarung der Vier zu erreichen, durch die Deutschland wiedervereinigt wird und wodurch die in der sowjetischen Besatzungszone lebenden Deutschen in den Stand gesetzt werden, in voller persönlicher und staatsbürgerlicher Freiheit zusammen mit uns zu leben. Das muß das Nächste sein, worauf wir bei Viermächteverhandlungen hinstreben.

      (Beifall bei der SPD.)

      Kommen wir zu der so viele Schwierigkeiten hervorrufenden Frage: Wie sollen die Pariser Verträge, die ja ratifiziert sind, bei solchen Verhandlungen gehandhabt werden? Sollen sie sozusagen Selbstzweck sein, sollen sie unberührbar sein? Wenn das der Fall sein sollte, wenn das die Auffassung der Bundesregierung sein sollte, dann müßte sie sich darüber klar sein, daß damit automatisch auch das durch den Warschauer Vertrag errichtete Militärblockgebäude unberührbar sein wird.

      (Abg. Euler: Der Ostblock bestand doch längst!)

      — Ja, auf diesen Zwischenruf, Herr Euler, habe ich auch längst gewartet. Das ist der einzige, der von dieser Seite kommt: das sei längst alles so gewesen. Es ist ein falscher Trost, dies sei nur das Offenkundigwerden eines bestehenden Zustandes. Je mehr militärische Hindernisse auf der einen und auf der anderen Seite in den Teilen Deutschlands errichtet werden, um so schwieriger wird es werden, sie einmal wieder abzutragen.

      (Zustimmung bei der SPD.)

      Wir werden dann unendlich mühsame Verhandlungen über den Abbau der Vorgebirge haben, statt daß man an die Kernfrage vorstoßen kann.

      (Zustimmung bei der SPD.)

      Es ist ein Unterschied, ob die Zone, • wenn auch vielleicht nur theoretisch, noch Verhandlungsgegenstand ist oder ob sie es nicht mehr ist. Vielleicht müssen wir darüber später wieder reden, weil Sie sich das in den Kopf gesetzt haben. Aber ich warne Sie davor.

      (Beifall bei der SPD.)

      Wenn Sie heute einer Lage gegenüberstehen, in der es — darüber will ich mich nicht verbreiten, aber das ist ja in die Debatte geworfen worden — unmöglich ist, über das Schicksal bestimmter im Laufe der letzten zehn oder fünfzehn Jahre kommunistisch gewordener Teile Europas bei Verhandlungen zu beginnen, so könnte es uns in bezug auf die Zone ähnlich ergehen, wie es heute mit gewissen Satellitenstaaten der Fall ist; und davor möchten wir unser Volk und die Bewohner der Zone bewahren. Das ist unsere Sorge.

      (Beifall bei der SPD.)

      Meine Damen und Herren! Über die Frage, wie die Pariser Verträge behandelt werden, ist in einem Stadium, in dem durch sie und durch das, was als Gegenbild auf der anderen Seite errichtet worden ist, noch nicht unabänderliche Tatsachen in die Welt gesetzt worden sind, zweckmäßiger zu reden, als vielleicht nach Verlauf einer längeren Zeit. Wir meinen, daß die der Bundesrepublik auferlegten Verpflichtungen militärischer Art — das sollte ein Verhandlungsziel sein — zugunsten einer zwischen den Vier Mächten und Deutschland zu vereinbarenden Lösung im Rahmen eines regionalen europäischen Sicherheitsabkommens aufgehoben — oder, wenn Sie das Wort lieber hören: ersetzt — werden sollten, und wir finden — und wir haben diesen Vorschlag ja auch zur Debatte gestellt —, daß man z. B. den Versuch machen sollte, die Westeuropäische Union aus ihrer jetzigen Gestalt zu einer allen europäischen Staaten offenstehenden Union auszubauen oder zu verwandeln, mit entsprechenden Verpflichtungen für das wiedervereinigte Deutschland.
      Ich will hier nicht im einzelnen über Modifikationsmöglichkeiten sprechen. Es ist mir peinlich, solche Einzelheiten nicht an einer Stelle erörtern zu können und erörtern zu dürfen, an der es mit Sinn und Zweck geschehen müßte, wenn wir nicht in Verhandlungen hineinschlittern sollen, die noch dadurch erschwert sind, idaß wir selbst gar kein unmittelbar 'beteiligter Partner sind, in Verhandlungen, die an dem Kern der Dinge vorbeigehen. Wir meinen, das Inkrafttreten der militärischen Folgerungen aus den Verträgen, die die Bundesrepublik betreffen, müßte für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden, um den Versuch der Wiedervereinigung zu ermöglichen. Die Westeuropäische Union hat es in der Hand, durch die Festlegung z. B. neuer Höchstzahlen für die Truppenstärken der ihr angeschlossenen Länder eine Situation zu schaffen, die es ganz klarmacht, daß hier eine Pause zur Durchführung des Versuchs der Wiedervereinigung Deutschlands gemeint ist, daß man sozusagen ein Stillhalteabkommen hat. Schließlich würden wir in dem Zusammenhang von den Revisionsbestimmungen Gebrauch zu machen für notwendig halten.
      Das also sind Dinge, die im Zusammenhang mit dieser Frage zu erörtern wären, die wir besonders deswegen für erörterungswert halten, weil der Herr Bundeskanzler in einem seiner Interviews — ich habe eines vorn 1. April 1955 vor mir — im Hinblick auf bevorstehende Viermächteverhandlungen den Gedanken entwickelt hat — ich zitiere den Herrn Bundeskanzler —,
      man könnte also an ein umfassendes Übereinkommen der beiden Mächteblocks denken, das sich auf militärische, wirtschaftliche und politische Fragen erstrecken würde.
      Beim Bundeskanzler ist also offenbar auch der Gedanke an Übereinkommen. Das, was manchem noch vor eineinviertel Jahren völlig undiskutabel erschien, die Frage, ob man ein Sicherheitsabkommen oder Sicherheitsabmachungen, an denen auch die


      (Wehner)

      Sowjetregierungbeteiligt sein müßte und sein würde, für denkbar halten könnte oder nicht, das ist heute längst hoffähig geworden. A 11e reden vom Sicherheitsabkommen, nur meinen die einen damit Abkommen von Block zu Block bei Fortexistenz der Blöcke. Da haben wir unsere berechtigten Einwände und mehr als Zweifel, ob das gutgehen kann, vor allen Dingen auch deswegen, weil es für uns bedeutet, daß wir den schrecklichen Vorzug genießen würden, als einziges Volk in getrenntem Zustandbeiden Blöcken angehören zu müssen.

      (Beifall bei der SPD.)

      Das ist etwas, was kein Vorzug, sondern eine furchtbare Geißel wäre,

      (erneuter Beifall bei der SPD)

      und deswegen möchten wir herunter und der Bundesregierung helfen, herunterzukommen von diesen Vorstellungen, Abmachungen zwischen Block und Block, zwischen den Mächteblocks zu wollen; denn das ist eine Form, in der es wohl kaum zur Verwirklichung der Wiedervereinigung Deutschlands kommen könnte. Wir sehen die Gefahr, daß unser Anliegen, die Wiedervereinigung, endgültig der Strategie der Mächteblocks untergeordnet wird. Davor warnen wir, und wir bemühen uns, mitzuhelfen, daß man diesen folgenschweren Schritt nicht tut.
      Ich komme damit zum Punkt 5 unserer Anfrage, in der die Bundesregierung gefragt wird, ob sie die vom Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung in einem Rundfunkvortrag am 20. April 1955 genannten Bedingungen für die Wiedervereinigung Deutschlands billigt, daß nämlich unmöglich auf Militärstützpunkte anderer Mächte in Deutschland und auf Militärallianzen verzichtet werden könne. Ich bedaure, daß ich hier einen Beamten — dazu noch in seiner Abwesenheit — in die Debatte ziehen muß, aber die Bemerkung richtet sich ja nicht — so jedenfalls soll sie verstanden werden — gegen seine Person; ,denn hier ist von ihm in seiner amtlichen Eigenschaft offenbar der Versuch gemacht worden, die Ansicht der Bundesregierung zu interpretieren. Es ist dies der kritischste Punkt der Auffassungen der Bundesregierung über Möglichkeiten einer deutschen Wiedervereinigungspolitik. Es sieht so aus, als wollten wir die Wiedervereinigung nicht, wenn man uns nicht Militärstützpunkte und Allianzen erlaubte. Das ist eine gefährliche Umdrehung dessen, was uns nützlich und notwendig sein könnte. Da haben wir wieder dieses Stichwort: Wiedervereinigung wäre inakzeptabel, wenn sie um den Preis des Verzichts der Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt erkauft werden müßte. Wir alber meinen: wir müssen die Wiedervereinigung wollen. Wir wollen auch den Abbau der Blocks, und darin sehen wir den deutschen Beitrag zur Entspannung der internationalen Gegensätze.
      Heute geht mitten durch unser Volk ein Riß. Alle wünschen die Einheit Deutschlands, aber viele sind in steigender Sorge, weil sie sehen, daß der Weg der militärischen Aufrüstung des geteilten Deutschlands die Einheit in unbestimmte Ferne zu rücken droht. Noch ist es Zeit, die Anstrengungen aller zusammenzufassen. Noch kann der Wille aller Deutschen zur Wiedervereinigung in die Waagschale der Viermächteverhandlungen gelegt werden. Wir wünschen und fordern, daß sich die
      Bundesregierung mit höchster Elastizität und mit unermüdlicher Zähigkeit

      (Sehr gut! bei der SPD)

      der Einwirkung auf die Viermächteverhandlungen widmet.

      (Beifall Wir sind der Meinung, nichts könnte wichtiger oder dringlicher sein als das Aufspüren jedes Ansatzpunktes zuaussichtsreichen Verhandlungen für die Wiedervereinigung. Denken Sie, meine Damen und Herren, an unser aller große Verantwortung. Jedes Versagen hätte tragische Folgen. Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Großen Anfrage, verbunden mit der Begründung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Viermächteverhandlungen, gehört. Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundeskanzler. Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Begründer der gestellten Anfragen hat bei der Begründung eine ganze Reihe von Gedanken mit hineingeflochten, die mich zwingen, im Laufe meiner Ausführungen auch über den Rahmen dieser Anfragen hinauszugehen. Mit Recht hat er gesagt, daß es sich nicht um einen Beschluß des Bundestags vom 27. Februar 1954, sondern vom 26. Februar 1955 handele. Wie der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes bereits in der 79. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 4. Mai 1955 auf eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Lütkens mitgeteilt hatte, hat die Bundesregierung bei den Regierungen der drei Westmächte die Bildung einer Kommission im Sinne von Nr. 7 des Beschlusses des Bundestages vom 26. Februar 1955 angeregt. Die drei Westmächte haben in der Tat eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung einer Viererkonferenz gebildet, zu deren Aufgabe es auch gehörte, alle Möglichkeiten, die zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands führen können, zu prüfen. In dieser Arbeitsgruppe war die Bundesregierung durch eine Delegation vertreten. Die Arbeitsgruppe hat vom 27. April bis zum 5. Mai 1955 in London getagt. Der von ihr ausgearbeitete Bericht ist den Regierungen Frankreichs, der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der Bundesrepublik vorgelegt worden. Ich habe den Regierungen der drei Westmächte vorgeschlagen, daß die Arbeitsgruppe jederzeit wieder zusammentritt, wenn die politische Entwicklung dies als zweckmäßig erscheinen läßt, damit ein ständiger Gedankenaustausch und eine fortlaufende Abstimmung der vier Regierungen sichergestellt wird. Die Außenminister der drei Westmächte haben diesen Vorschlägen zugestimmt. Zu Frage 2: Die unter Ziffer 1 der Anfrage erwähnte deutsche Delegation zu der in London tagenden Arbeitsgruppe hat von der Bundesregierung Instruktionen erhalten, die sich auf den Zusammentritt einer Viererkonferenz — hauptsächlich wegen der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit — bezogen. Zu der Frage 3: Die Bundesregierung hat es für verfrüht gehalten, schon die vorbereitenden Arbeiten bereits vor dem Zusammentreten der Londoner Arbeitsgruppe in einem Ausschuß des Bundestages zur Diskussion zu stellen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier eine allgemeine Ausführung über internationale Verhandlungen diffiziler Art einfügen. Es ist völlig unmöglich, in einem so großen Gremium, wie es der Deutsche Bundestag ist, Vorbereitungen für internationale Verhandlungen zu besprechen. (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD. — Zuruf von der SPD: In einem Ausschuß!)


      (Lebhafter Beifall bei der SPD.)


    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Konrad Adenauer


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      Man muß sich doch darüber klar sein, daß auch in
      Ausschüssen — auf das Wort „Ausschuß" komme
      ich hiermit zurück —, bei denen in der Regel einschließlich der Vertreter der Ministerien 40 bis 50
      und mehr Personen versammelt sind, so schwierige
      Angelegenheiten sich einfach nicht erörtern lassen.

      (Beifall bei der CDU/CSU. — Anhaltende Unruhe bei der SPD. — Glocke des Präsidenten. — Zuruf von der SPD: Dann schaffen Sie doch das Parlament ab!)

      — Also, meine Damen und Herren, ich bin ja gar nicht aufgelegt, mit Ihnen Streit anzufangen; warten Sie doch mal ruhig ab!

      (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

      Dafür ist diese ganze Sache zu ernst.

      (Zurufe von der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU.)

      Ich glaube, wir müssen — ähnlich wie wir das in einem früheren Stadium einer anderen Angelegenheit getan haben — gemeinsam einen Weg suchen, eine Verbindung zwischen dem Parlament und der Bundesregierung herzustellen.

      (Zurufe von der SPD. — Abg. Mellies: Dazu wäre lange Zeit gewesen!)

      Auf Frage 4 habe ich zu antworten: Die Bundesrepublik Deutschland hat die Pariser Verträge ratifiziert und ist Mitglied der Westeuropäischen Union geworden. Damit ist gemäß dem Londoner Protokoll vom 3. Oktober 1954 die vertragliche Verpflichtung der drei Westmächte in Kraft getreten, derzufolge „die Schaffung eines völlig freien und vereinten Deutschlands durch friedliche Mittel ein grundsätzliches Ziel ihrer Politik bleibt". Dieser Erklärung haben sich die übrigen Mitglieder des Nordatlantikpaktes angeschlossen. Daraus ergibt sich die vertragliche Verpflichtung dieser Mächte, keiner Regelung zuzustimmen, die die Beibehaltung der Spaltung Deutschlands festlegt oder voraussetzt. Die amerikanische, die britische und die französische Regierung haben sich in letzter Zeit wiederholt zu diesem Grundsatz bekannt. Auch die Bundesregierung hat diesen Standpunkt bei jeder sich bietenden Gelegenheit vertreten.
      Zu Frage Nr. 5: Der Bundesregierung ist bekannt, daß Herr von Eckardt in seiner Rundfunkrede vom 20. April 1955 sich unter anderem wie folgt geäußert hat:
      Welche Forderungen Sowjetrußlands sind aber wirklich unmöglich anzunehmen? Erstens: Weder die Bundesrepublik noch Gesamtdeutschland können die Wiedervereinigung mit der Herauslösung aus der Gemeinschaft der freien Völker bezahlen. Zweitens: Es geht dabei keineswegs nur um die 12 deutschen Divisionen, sondern genau wie im Falle Österreich sollen die Westmächte alle Stützpunkte in Deutschland aufgeben. Und drittens: Es dürfen keine militärischen Schutzverbindungen, deutlicher gesagt Schutzverträge oder Allianzen zwischen Deutschland und dem Westen bestehen.
      Die Äußerung des Herrn von Eckardt steht im Einklang mit den Pariser Verträgen und mit der von der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hohen Hauses verfolgten Politik. Sie wird deshalb auch von uns gebilligt. Aber ich werde auf diesen Punkt noch im Laufe meiner Ausführungen zurückkommen.
      Ich glaube, daß der Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit ein Recht auf die Darlegung des weiteren Verlaufs der außenpolitischen Verhandlungen und der außenpolitischen Lage im Hinblick auf die bevorstehende Viermächtekonferenz haben. Durch die Hinterlegung des Deutschlandvertrags seitens der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs erhielt die Bundesrepublik am
      5. Mai ihre volle Souveränität wieder. Diese Souveränität — das lassen Sie mich hier nachdrücklich bemerken — ist nur so weit eingeschränkt, wie wir es im Hinblick auf Berlin und die Teilung Deutschlands im Einvernehmen mit unseren nunmehrigen westlichen Verbündeten für notwendig hielten und wie sie ferner bei den übrigen NATO-Staaten eingeschränkt ist. Bei der Überstürzung der Ereignisse ist es vielleicht nicht allen Deutschen klargeworden, was die Wiederherstellung der Souveränität für uns bedeutet.

      (Sehr richtig! in der Mitte!)

      Sie bedeutet für uns Freiheit der Gesetzgebung und der Verwaltung, die ja bis dahin durch das Besatzungsstatut beschränkt war,

      (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : Und das Postgeheimnis?)

      und sie bedeutet für uns Freiheit in der außenpolitischen Betätigung. Ich bin überzeugt, daß die zukünftige Geschichtsschreibung der Nachkriegszeit diesen Tag als einen Markstein in der Entwicklung Deutschlands nach dem Krieg bezeichnen wird.

      (Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Mellies: Vorschußlorbeeren!)

      Das wesentliche Kennzeichen der Pariser Konferenzen war, daß die Mächte, die in Paris zusammenkamen, diesmal aus der Phase der Planung in die Phase der Verwirklichung einer auf gemeinsamen Interessen und Idealen gegründeten Politik eintraten.
      Ähnlich wie bei der Unterzeichnung des deutschalliierten Vertragswerkes in Paris in der Zeit vom 19. bis 23. Oktober 1954 haben auch diesmal in Paris mehrere Konferenzen mit verschiedenen Teilnehmerkreisen stattgefunden, die ich in dieser Reihenfolge behandeln möchte:
      1. Die Gründung der Westeuropäischen Union in ihrer neuen Form, d. h. unter Mitgliedschaft Italiens und der Bundesrepublik Deutschland;
      2. die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden deutsch-französischen Besprechungen über die Anwendung des Saarabkommens;
      3. die Sitzung des Nordatlantikrats, auf der eingangs die Bundesrepublik feierlich in öffentlicher Sitzung in die NATO aufgenommen und sodann eine umfassende Prüfung der gegenwärtigen politischen Lage vorgenommen wurde.
      4. Im engen sachlichen Zusammenhang mit den vom Nordatlantikrat erörterten Fragen fanden schließlich Besprechungen der Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs


      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      und der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung einer Konferenz mit der Sowjetunion statt. Dazu gehörte sachlich ein Bericht über die Tätigkeit der Londoner Arbeitsgruppe.
      Lassen Sie mich zunächst einige Worte über die Westeuropäische Union sagen. Die Pariser Verhandlungen begannen mit der konstituierenden Sitzung des Rats der Westeuropäischen Union am 7. Mai 1955. Die Sitzung wurde eingeleitet durch herzliche Worte der Begrüßung, mit denen die Vertreter der bisherigen Brüsseler Paktstaaten

      (Unruhe bei der SPD)

      die beiden neuen Teilnehmerstaaten Italien und die Bundesrepublik Deutschland willkommen hießen. Alsdann erledigte der Rat sogleich eine Reihe von praktischen Fragen. Ich erwähne die Bildung eines Ständigen Rüstungsausschusses mit Sitz in Paris. Ferner wurden einige wichtige Personalbesetzungen vorgenommen. Zum Generalsekretär der Westeuropäischen Union wurde der Belgier Louis Goffin ernannt. Ihm beigeordnet wurden drei stellvertretende Generalsekretäre, und zwar der deutsche Gesandte von Etzdorf, der Engländer Fraser und der Franzose Christofini, der mit der Leitung des Sekretariats des Ständigen Rüstungsausschusses in Paris beauftragt wurde. Zum Direktor des Rüstungskontrollamtes der Westeuropäischen Union wurde der Italiener Admiral Ferreri ernannt.

      (Anhaltende Unruhe bei der SPD.)

      — Meine Herren, ich würde Ihnen empfehlen, auch den Einzelheiten dieser Konstituierung der Westeuropäischen Union wenigstens eine gewisse Aufmerksamkeit zu widmen.

      (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Nicht in der Form von Schulunterricht!)

      — Meine Damen und Herren, „Form von Schulunterricht" — ich fühle mich nicht als Lehrer.

      (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Das wollen wir lieber nicht genauer untersuchen, Herr Bundeskanzler!)

      — Meine Damen und Herren, in der Schule werden keine Zwischenrufe gemacht.

      (Erneute Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Schließlich — und das wird sicher auch Ihr Interesse finden — wurde beschlossen, die Versammlung der Westeuropäischen Union in Straßburg unmittelbar vor der nächsten Sitzung der Beratenden Versammlung des Europarats zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung einzuberufen.
      Im Rahmen der Sitzung des Rats der Westeuropäischen Union in Paris konnten auch aktuelle Saarfragen geregelt werden. Der Rat der Westeuropäischen Union hat einstimmig diejenigen Bestimmungen des Saarabkommens, die seiner Zustimmung bedurften, gebilligt und die in dem Abkommen für ihn vorgesehenen Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Pflichten übernommen. Damit ist das Statut, wie es im Abkommen vorgesehen ist, „in den Rahmen der Westeuropäischen Union gestellt" worden.
      Dann wurden gewisse Lücken des. Saarstatuts ausgefüllt, die den Zeitraum bis zur Durchführung der Volksabstimmung und die Festsetzung der Aufgaben und Befugnisse des Europäischen Kommissars an der Saar betreffen. In diesen Fragen konnten die Bundesregierung und die französische Regierung auf Grund der Verhandlungen in Baden-Baden und Bonn dem Rat der Westeuropäischen Union in fast allen Punkten übereinstimmende Vorschläge unterbreiten.
      Durch den vom Rat der Westeuropäischen Union gefaßten Beschluß werden die Vorbereitung und die Durchführung der Volksabstimmung an der Saar unter internationale Kontrolle gestellt. Unter der Verantwortlichkeit des Rates wird eine Fünfmächtekommission darüber wachen, daß die vorn Rat aufgestellten Grundsätze für die Durchführung eingehalten werden. Insbesondere ist von der Saarregierung die volle Freiheit der politischen Betätigung zu gewährleisten, alle Parteien müssen gleiche Rechte und Einwirkungsmöglichkeiten erhalten, und niemand darf wegen seines Verhaltens bei der Vorbereitung und Durchführung der Volksabstimmung schlechter gestellt werden.
      Der Rat der Westeuropäischen Union wird dann auf Grund des zahlenmäßigen Ergebnisses und unter Berücksichtigung und Wertung des gesamten Verlaufs der Volksabstimmung feststellen, ob die Saarbevölkerung das Statut im Wege der Volksabstimmung gebilligt hat oder nicht.
      Gewisse Schwierigkeiten bereitete die Frage der Abstimmungsberechtigung insbesondere der Ausgewiesenen. Über diesen Punkt war zwischen Deutschland und Frankreich keine Einigung erzielt worden. Vor allem die Saarregierung widersetzte sich der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelung. Der Rat der Westeuropäischen Union hat entschieden, daß grundsätzlich alle Personen, die aus politischen Gründen nach dem 8. Mai 1945 aus dem Saargebiet ausgewiesen worden sind, abstimmungsberechtigt sein sollen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann die Fünfmächtekommission eine andere Entscheidung treffen.
      In einem weiteren Beschluß hat der Rat die Aufgaben und Befugnisse des Kommissars festgelegt. Auch hier lagen im wesentlichen gemeinsame deutsch-französische Vorschläge vor, die insbesondere die Einrichtung eines gerichtlichen Rechtszuges gegenüber Verletzung der Grundrechte vorsehen. Nachträglich war jedoch auf die Vorstellungen der Saarregierung hin die Frage zwischen Frankreich und Deutschland strittig geworden, ob der Kommissar ein vorläufiges Eingriffsrecht gegenüber der Saarregierung erhalten solle. Der Rat hat dahin entschieden, daß der Kommissar in dringenden und schwerwiegenden Fällen die Saarregierung anweisen kann, sofort die Durchführung der angefochtenen Maßnahmen, auch von Gesetzen, auszusetzen; die letzte Entscheidung, ob die Aussetzung aufrechterhalten bleibt oder nicht, liegt dann beim Rat der Westeuropäischen Union. Darüber hinaus wurden die zwischen Herrn Außenminister Pinay und mir verabredeten Formulierungen über die politische Meinungsfreiheit übernommen.
      Alle diese Fragen wurden in Paris im Geiste verständnisvollen Ausgleichs geklärt. Weitere Probleme der deutsch-französischen Verständigung und Zusammenarbeit, wie z. B. die Frage der Moselkanalisierung, wurden dabei nicht berührt.

      (Zurufe von der SPD.)

      Meine Damen und Herren! Ich komme zur Tagung des Nordatlantikrates. Es ist keineswegs eine


      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      Übertreibung, wenn ich hier feststelle, daß seine Sitzung ihr Gepräge durch die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Nordatlantikpaktorganisation erhielt. Die erste öffentliche Sitzung des Ministerrats, in der die Aufnahme vollzogen wurde, zeigte in eindrucksvoller Weise, welche Bedeutung die im Nordatlantikpakt zusammengeschlossenen Mächte dieser Tatsache beimessen. Zunächst der derzeitige Präsident des Rats, der griechische Außenminister Stephanopoulos, und hierauf die Vertreter aller Mächte sprachen übereinstimmend ihre Genugtuung darüber aus, daß die Bundesrepublik Deutschland nunmehr ihre volle Souveränität erlangt hat und jetzt auch formell in die Gemeinschaft der freien Völker des Westens eingetreten ist, daß nunmehr auch die Bundesrepublik Streitkräfte zu ihrer eigenen Verteidigung und zur gemeinsamen Verteidigung Europas aufstellen wird und daß damit die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, daß in. Europa ein Gleichgewicht der militärischen Kräfte des Westens und des Ostens entstehen kann.
      Ich habe meinerseits darauf hingewiesen, daß die rein defensiven Ziele der Nordatlantikpaktorganisation den natürlichen Interessen des deutschen Volkes entsprechen, das sich, wie kaum ein anderes Volk, nach Sicherheit und Frieden sehnt. Andererseits habe ich festgestellt, daß Deutschland in der Gemeinschaft der freien Völker ein zuverlässiger Partner sein werde, und ich habe in den weiteren Sitzungen des Nordatlantischen Rates keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Bundesregierung den Gedanken der Neutralisierung Deutschlands ablehnt.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Außer der Eröffnungssitzung waren alle Sitzungen des Atlantikrates geheim. Den Hauptgegenstand seiner Beratung bildete die Spannung zwischen Ost und West. Alle wichtigen Aspekte der politischen Lage innerhalb und außerhalb des Ver-. tragsgebietes des Paktes wurden eingehend geprüft. Diese Prüfung erstreckte sich unter anderem auf die Tendenzen der sowjetischen Politik, auf die Lage im Mittleren und Fernen Osten und auf den Verlauf der Konferenz von Bandung. In allen wesentlichen Fragen bestand zwischen den Vertretern der fünfzehn Regierungen völlige Einigkeit. Sie sind, wie das Schlußkommuniqué besagt, entschlossen, ihre bisherige Politik des Aufbaus und der Festigung der Kraft und der Einheit des Westens fortzusetzen..
      Der Atlantische Rat hat sich schließlich auch eingehend mit den bevorstehenden Verhandlungen der Westmächte mit der Sowjetunion befaßt. Er hat einen Bericht über die bisherigen Beratungen der Regierungen der drei Westmächte und der Bundesregierung über dieses Thema entgegengenommen und die Initiative der drei Westmächte allgemein begrüßt.
      Ich komme nunmehr zu den Ministerbesprechungen zur Vorbereitung der Viererkonferenz. Ich komme damit zu dem Thema, das unsere Interessen und unsere Gefühle stärker als jedes andere berührt, zu der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit.
      Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier mit einigen Worten auf Ausführungen des Herrn Kollegen Wehner eingehen. Ich weiß nicht, ob Sie aus allen seinen Ausführungen den Eindruck gewonnen haben, daß alle Parteien dieses Hauses gleichmäßig von dem Gefühl der Verantwortung dafür beseelt sind, so schnell wie möglich die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit herbeizuführen.

      (Zustimmung in der Mitte und rechts. — Zurufe links: Was soll das? — Was soll das heißen?)

      Aber ich freue mich doch, daß Herr Kollege Wehner im weiteren Verlauf seiner Ausführungen festgestellt hat, daß sich das ganze deutsche Volk in diesem Bestreben einig ist. Und das sind wir auch, meine Damen und Herren. Wir sind uns alle einig darin, daß wir die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit so schnell wie möglich herbeiführen müssen.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Ich bin erfreut, Ihnen sagen zu können, daß die vierzehn anderen Teilnehmer des Nordatlantikpakts und insbesondere die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich die Berechtigung und die Stärke dieses unseres Wunsches in vollem Maße erkennen und billigen.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Demzufolge hat diese Frage die in Paris anwesenden Außenminister stark beschäftigt. Sie bildete vor allem den Gegenstand von Besprechungen des amerikanischen, britischen, französischen und des deutschen Außenministers. Um die Pariser Besprechungen in den richtigen Zusammenhang zu stellen, darf ich die wichtigsten Vorgänge noch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen.
      Zwischen der amerikanischen, britischen, französischen und der deutschen Bundesregierung bestand seit langem Einverständnis darüber, daß alle nur irgendwie erfolgversprechenden Schritte unternommen werden müssen, um zu einer Entspannung zwischen Ost und West, zu einer Befriedung und Sicherung Europas und zur Lösung des wichtigsten europäischen Problems, der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit, zu gelangen. Es bestand gleichfalls Übereinstimmung darüber, daß erfolgversprechende Verhandlungen erst dann möglich seien, wenn die Pariser Verträge in Kraft getreten sind. Meine Damen und Herren, ich darf Sie an alle die Ausführungen erinnnern, die wir vom Osten her gehört haben, ehe die Pariser Verträge in Kraft getreten sind. Damals ist uns gesagt worden, dann würde überhaupt nicht mehr über die Frage Deutschland zu sprechen sein.

      (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

      Ich bin der Auffassung und bleibe bei der Auffassung, daß man all diesen Reden, die vom Osten her kommen, nicht eine solch entscheidende Bedeutung beilegen sollte, wie das manchmal in Deutschland geschieht.

      (Beifall 'bei den Regierungsparteien.)

      Wie kann man, meine Damen und Herren, wichtige und diffizile Verhandlungen mit Sowjetrußland führen, wenn man von vornherein auf jedes Wort, das in der „Prawda" steht, einen Eid leistet!

      (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Ollenhauer: Wer tut denn das, Herr Bundeskanzler? Ich habe Sie das wiederholt schon zitieren hören!)

      — Wer das tut? Meine Damen und Herren, das will ich hier nicht weiter ausführen.

      (Abg. Ollenhauer: Das ist auch besser!)



      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      Aber ich muß noch folgendes hier feststellen: daß die jetzige Viererkonferenz nach meiner Oberzeugung — und immerhin habe ich einen gewissen Einblick in die Dinge — niemals zustande gekommen wäre, wenn die Pariser Verträge nicht vorher in Kraft getreten wären.

      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Daher glaube ich, daß der erste Schritt, ein entscheidender Schritt auf dem vielleicht langen Wege, zur Wiedervereinigung Deutschlands zu kommen, durch das Inkrafttreten der Pariser Verträge getan worden ist.

      (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

      Ich glaube, wenn die Wiedervereinigung dasein
      wird — und sie wird eines Tages dasein —, dann
      werden diejenigen, die den Pariser Verträgen zugestimmt haben, mit Recht darauf hinweisen, daß
      sie diejenigen gewesen sind, die zuerst etwas
      Wirkliches für die Wiedervereinigung getan haben.

      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, nochmals auf den Sachverständigenausschuß zurückzukommen, von dem ja auch in der Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion die Rede war. Dieser Sachverständigenausschuß tagte von der zweiten Sitzung an unter Teilnahme der deutschen Delegation, die unter dem Vorsitz des Botschafters Blankenhorn stand. Sie hat in vollem Umfange an allen Beratungen dieses Sachverständigenausschusses teilgenommen. Der Sachverständigenausschuß hat vorzügliche Arbeit geleistet. Es ist deshalb — ich unterstreiche das nochmals — vorgesehen, daß er jederzeit wieder zusammentritt, wenn die politische Entwicklung das als zweckmäßig erscheinen läßt. Es war natürlich nicht die Aufgabe des Sachverständigenausschusses, den Außenministern fertige Vorschläge und ausgearbeitete Pläne zur Lösung der verschiedenen Probleme vorzulegen. Vielmehr sollte er alle Fragen, die möglicherweise den Gegenstand von Viererverhandlungen bilden können, zusammenstellen und analysieren. Er sollte damit eine Grundlage für die Entscheidung der Außenminister schaffen.
      Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt wieder auf eine Ausführung des Herrn Kollegen Wehner eingehen. Herr Kollege Wehner hat von der Bundesregierung verlangt, sie solle in Zusammenarbeit mit dem Bundestag eine ganze Skala — er hat wörtlich diesen Ausdruck gebraucht —, eine ganze Skala von Vorschlägen zur Wiedervereinigung Deutschlands aufstellen. Meine Damen und Herren, ich kann nicht zugeben, daß ein solcher Vorschlag irgendwie richtig ist.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Wenn ich in Verhandlungen eintrete mit einem verhandlungsgewandten und sehr ernst zu nehmenden Gegner, dann kann ich doch unmöglich vorher eine Skala aufstellen. Skala, meine Herren, bedeutet eine Leiter, bei der offenbleibt, ob ich von der obersten Sprosse immer weiter heruntergehen will. Das ist doch völlig unmöglich! Wer von Ihnen einmal einer solchen Konferenz gefolgt ist, wenn auch nur am Radio oder an Hand der Zeitung, der weiß ganz genau, daß das letzte Wort von allen Beteiligten in der letzten Sitzung gesprochen wird, daß aber nicht vorher urbi et orbi mitgeteilt wird: „Das ist die Skala unserer Vorschläge."

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Meine Damen und Herren, auf Grund des Berichts der Sachverständigen hatten die drei Westmächte in Paris über die Frage einer Viermächtekonferenz zunächst allein, dann unter Hinzuziehung des Vertreters der Bundesrepublik eingehend beraten. Als Ergebnis dieser Beratungen wurde, wie Ihnen bekannt ist, die Sowjetregierung zu einer Konferenz der Regierungschefs der Vier Mächte eingeladen.
      Die Einladung an Sowjetrußland gibt kein bestimmtes Konferenzthema an. Die Konferenz soll der Lösung der großen offenstehenden Probleme dienen. Sie soll sich um die Beseitigung der noch bestehenden Konfliktsherde bemühen. Wie die Note der Westmächte ausführte, erfordert die Lösung dieser Probleme Zeit und Geduld; sie werden nicht auf einem kurzen Treffen gelöst werden können.
      Auch hier möchte ich auf eine Ausführung des Herrn Kollegen Wehner eingehen, die ich, wie ich glaube, richtig verstanden habe. Ich glaube, er hat gesagt: Wenn man von einer Konferenzdauer von zwei Jahren spricht, dann heißt das einen Schleier darüber decken, daß man es in Wirklichkeit mit der Wiedervereinigung gar nicht eilig hat. Verehrter Herr Kollege Wehner, die Welt ist in wenigen Jahren kurz und klein geschlagen worden. Wenn es gelingt, in einer langen Konferenz von ein bis zwei Jahren die Welt wieder aufzubauen, dann werden unsere und die folgende Generation dankbar und glücklich darüber sein.

      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Ich möchte hier einschieben, daß ich ausdrücklich gefragt worden bin: Will die Bundesrepublik an der Beratung der die Wiedervereinigung Deutschlands betreffenden Fragen teilnehmen oder nicht? Ich habe die letzte Entscheidung zunächst zurückgestellt — und zwar aus wohlerwogenen Gründen, die Sie alle verstehen werden —, denn selbstverständlich würde Sowjetrußland sofort mit der Gegenforderung geantwortet haben, daß dann auch die Regierung in Pankow hieran teilnehmen müsse. Wir wollen die Entwicklung aller dieser Dinge abwarten. Aber das eine ist sichergestellt: Die deutsche Delegation wird nicht nur wie bei der Berliner Konferenz nach , sondern auch vor jeder Sitzung hinzugezogen, und es werden dann die auf der Sitzung zu erledigenden oder zu besprechenden Fragen, soweit sie das deutsche Interesse betreffen, mit ihr besprochen werden. Ich glaube, wir können davon überzeugt sein, daß das deutsche Interesse bei dieser Viererkonferenz auf jede Weise gewahrt werden wird.
      Nun ist in der Zwischenzeit, wie Sie wissen, die Antwortnote Sowjetrußlands eingetroffen. Ich enthalte mich hier eines näheren Eingehens auf die Antwortnote, die mehrere Seiten umfaßt. Die Hauptsache ist: die Viererkonferenz, bei der die Frage Deutschland den Auftakt, den Anfang bilden wird, wird im Laufe dieses Sommers zusammentreten. Aber wenn sie auch in Anwesenheit der vier Regierungschefs zusammentritt, so wird sie doch, nachdem diese die Grundlagen festgestellt haben, in die Hände der Außenminister übergehen, und es werden Sachverständige zugezogen werden. Da doch nun einmal das ganze Gebiet angepackt und da doch einmal an die Frage herangegangen


      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      werden muß, ob es denn nicht möglich ist, wieder Frieden auf der Welt herzustellen, wird dazu Geduld notwendig sein. Das kann ich nur immer wieder dem deutschen Volke sagen: Derartige Dinge, die für alle Beteiligten so schwerwiegend sind, lassen sich eben nicht im Handumdrehen erledigen, auch nicht durch mehr oder weniger schöne Reden,

      (Sehr richtig! rechts)

      sondern sie verlangen eine hingebende, gewissenhafte, sorgfältige Arbeit und Prüfung.

      (Beifall in der Mitte und rechts.)

      Aber, meine Damen und Herren, schon jetzt besteht zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Westmächte in einer Reihe von Fragen grundsätzlicher Art Übereinstimmung. Die drei Westmächte und wir sind darüber einig, daß die Wiedervereinigung Deutschlands einer der entscheidenden Schritte auf dem Wege der Befriedung und Sicherung Europas und der Welt ist. Die Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen bleibt nach wie vor der einzige Weg zur deutschen Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Vor der Bildung einer legitimen gesamtdeutschen Regierung können keine Verhandlungen über den Inhalt eines Friedensvertrages stattfinden. Eine Neutralisierung Deutschlands als Voraussetzung für die Wiedervereinigung ist nicht annehmbar. Weder kann Deutschland sich freiwillig oder besser: mehr oder weniger unfreiwillig den Status der Neutralität, wenn auch der bewaffneten, auferlegen noch sich neutralisieren lassen. Diese Frage ist hier im Hause so oft behandelt worden, daß ich mich sehr kurz hierzu fassen kann. Deutschland ist zu schwach, sich selbst wirksam zu verteidigen. Neutralisierung — oder, wie Herr Kollege Wehner gesagt hat: Gestattung einer Wehrkraft in bestimmtem Ausmaße — bedeutet dauernde Kontrolle Deutschlands und damit dauernde Unfreiheit.

      (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Menzel: Und wie ist es mit der Kontrolle der Pariser Verträge! — Weitere Zurufe von der SPD.)

      Meine Damen und Herren, im Falle eines heißen Krieges zwischen den beiden Blocks wären wir Schlachtfeld.

      (Erneute Zurufe von der SPD.)

      — Also, meine Damen und Herren, durch Zwischenrufe schaffen Sie das nicht aus der Welt. Die Integration Europas wäre erledigt, und ebenso wäre der Atlantikpakt erledigt. Nach den immer wiederholten Erklärungen des jetzigen und der früheren Oberbefehlshaber von SHAPE wäre dann eine Verteidigung von Europa nicht mehr möglich. Welche Folgen die Ausdehnung der russischen Einflußsphäre auf Europa auf die ganze Weltlage, insbesondere auch auf die Vereinigten Staaten, haben würde, darauf komme ich im Laufe meiner Ausführungen noch zurück.
      In den letzten Wochen, meine Damen und Herren, ist in der öffentlichen Meinung der Welt vielfach die Frage behandelt worden, ob man dadurch, daß man in Nord-, Ost- und Südeuropa einen Gürtel neutraler, bewaffneter Staaten schafft, eine Milderung der Gegensätze zwischen Ost und West herbeiführen könne, die dann im Laufe der Entwicklung weitere Entspannungen bringen würde. Der Gedanke ist von einem wenn auch kleinen
      Teil der amerikanischen Öffentlichkeit begrüßt worden im Anschluß an eine, wie ich mit Nachdruck sagen kann, mißverstandene Äußerung des Präsidenten Eisenhower auf einer Pressekonferenz. Man wollte in diesen Gürtel einige Satellitenstaaten einbezogen wissen. Wenn auch die Erörterung über diesen Plan zur Zeit wieder abgeebbt ist, so scheint es mir doch notwendig, den Standpunkt der Bundesregierung zu diesen Gedanken vor dem Hohen Hause darzulegen.
      In der französischen und in der italienischen Presse und Öffentlichkeit und in der Öffentlichkeit der Benelux-Staaten und Großbritanniens wurde der Gedanke von vornherein allgemein abgelehnt.
      In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Schaffung eines solchen Gürtels ebenfalls von allen Fraktionssprechern abgelehnt. Ich schätze mich glücklich, feststellen zu können, daß alle mit der Bundesregierung in dieser Ablehnung übereinstimmen. Die Gründe der Fraktionen sind in einzelnen Punkten verschieden; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß sie sich in der Ablehnung des Gedankens einig sind.
      Der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion hat die ablehnende Haltung damit begründet, daß dadurch eine Versteinerung der beiden Machtblocks herbeigeführt würde. Der Grundgedanke, daß die Bildung eines solchen Streifens jedenfalls einen Abbau der beiden einander gegenüberstehenden Blocks nicht begünstigt, ist richtig und bildet auch einen der Gründe für die Stellungnahme der Bundesregierung.
      Man muß damit rechnen, daß der Gedanke in der Folge von neuem auftaucht. Vor einer so umfassenden Konferenz wie der Konferenz oder den Konferenzen, vor denen wir stehen, werden alle möglichen Projekte immer wieder in der Öffentlichkeit aufgeworfen werden. Ich möchte daher die Gründe darlegen, warum dieser Gedanke nicht zu dem gewünschten Ziele führen kann, sondern im Gegenteil Europa der Gefahr aussetzt, kommunistisch zu werden. Ich gehe in meinen Darlegungen davon aus, daß dieser neutrale Gürtel auch Länder jenseits des Eisernen Vorhangs umfassen soll, obgleich die „Prawda" und jetzt die Antwortnote Sowjetrußlands sich ja mit Empörung gegen den Gedanken gewendet haben, daß ein Land, das unter russischem Einfluß steht, in einen solchen neutralen Gürtel hineingebracht werden soll. Das Ergebnis der Gedanken, die da lautgeworden sind, würde sein, daß innerhalb dieses Gürtels, von Norden angefangen, Norwegen, Dänemark, Deutschland, die Benelux-Länder, eventuell auch Griechenland oder einige der kommunistisch regierten Satellitenstaaten liegen. Auf der westlichen Seite des Gürtels blieben von Europa übrig Italien, Frankreich, Spanien und England, während auf seiner östlichen Seite der sowjetrussisch-kommunistische Koloß liegen würde. Ich glaube, man braucht sich diese Situation nur auf dem Atlas anzusehen, man braucht sich nur dabei vor Augen zu halten, daß in Italien und Frankreich starke kommunistische Parteien sind. Man braucht sich nur vor Augen zu halten, daß die in dem Gürtel liegenden kommunistischen Staaten Gebilde sind, die ihren Bewohnern von Sowjetrußland mit Gewalt und Terror aufgepreßt worden sind, und daß Sowjetrußland seine Beauftragten in diesen Staaten nicht im Stich lassen wird und lassen kann, -um sich darüber klarzuwerden, daß bei Schaffung eines


      (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

      solchen Gürtels in kurzer Zeit ganz oder fast ganz Europa in kommunistischer Hand sein würde.

      (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

      — Ich, nehme doch an, Sie sind auch dagegen!

      (Abg. Blachstein: Das glaubt Ihnen doch keiner!)

      — Was glaubt keiner?

      (Abg. Blachstein: Das, was Sie uns hier erzählen! — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

      — Meine Damen und Herren, das ist ein sehr hartes Urteil — ich muß das zugeben —;

      (Heiterkeit — Zuruf von der SPD: Verdient!)

      aber ich weiß nicht, ob das Urteil so vollkommen
      richtig ist. Ich glaube, man glaubt mir doch etwas!

      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

      Nun, meine Damen und Herren, einen Schutz gegen einen heißen Krieg, wenn er kommen sollte, bildet ein solcher Gürtel bei dem Fortschritt der Technik der Kriegswaffen überhaupt nicht.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Keiner dieser neutralen Staaten wäre in der Lage, einem vom Osten her unter Verwendung von modernen Waffen vorgetragenen Angriff zu widerstehen.

      (Zuruf von der SPD: Was bietet denn überhaupt noch Schutz?)

      — Folgen Sie meiner Politik, dann gehen Sie richtig!

      (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Zurufe von. der SPD.)

      Ganz offenbar handelt es sich bei diesem Gedanken um die Verwirklichung von zwei Zielen der sowjetrussischen Politik: Erstens sollen die amerikanischen Stützpunkte aus Europa entfernt werden, und zweitens handelt es sich um ein ähnliches Manöver, wie es Sowjetrußland im mittleren Osten vorhat: Schaffung schwacher Staaten, die sich dem russischen Einfluß einfach nicht entziehen können und somit die Einflußsphäre Sowjetrußlands vergrößern.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Ich möchte nochmals betonen, daß die Westeuropäische Union, daß jeder Zusammenschluß Europas und der Nordatlantikpakt' durch die Schaffung eines solchen Gürtels erledigt wären und daß dann das zur Zeit bestehende Gleichgewicht der Kräfte in der Welt zugunsten Sowjetrußlands zerstört wäre.
      Meine Damen und Herren, ich bin nicht dazu berufen, der Bevölkerung der Vereinigten Staaten zu sagen, welche Gefahren ihr drohen würden; aber einige Bemerkungen möchte ich mir dazu doch erlauben.

      (Zuruf von der SPD: Lieber nicht!)

      Die Vereinigten Staaten wären infolge der Vermehrung des Kräftepotentials Sowjetrußlands in äußerster Gefahr, der sie vielleicht nur durch Aufwendung ihrer ganzen Kraft entgehen. könnten. Bei der Erörterung in dem — ich wiederhole — wenn auch kleinen Teil der öffentlichen Meinung
      der Vereinigten Staaten hat vielleicht der Gedanke eine Rolle gespielt, daß die Vereinigten Staaten nicht nur eine atlantische Macht sind, sondern auch eine Macht sind, deren Gesicht nach dem Pazifik zu gerichtet ist. Das ist natürlich richtig. Aber ich glaube, auch die Vereinigten Staaten würden im Atlantik keine größere Sicherheit bekommen, wenn Sowjetrußland durch einen solchen neutralen Gürtel den Rücken in Europa frei bekäme.
      Meine Damen und Herren, ich werde die Rede des Herrn Kollegen Wehner noch einmal nachlesen, insbesondere wegen eines Satzes, der darin enthalten ist. Er hat von einem europäischen Sicherheitssystem gesprochen. Es ist mir nicht klargeworden, ob er in dieses europäische Sicherheitssystem die Vereinigten Staaten mit einschließen will.

      (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] und Abg. Erler: Natürlich!)

      — Ja, ich habe doch Herrn Wehner gefragt, nicht Sie, Herr Schmid!

      (Abg. Schoettle: Das könnten Sie wissen! Das steht schwarz auf weiß da, Herr Bundeskanzler! — Weitere Zurufe von der SPD.)