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ID0208005400

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    2. Deutscher Bundestag — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1955 4399 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. Mai 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4400 D, 4449 D Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . 4457 Mitteilung über Vorlage eines Berichts des Bundesministers für Wirtschaft über die Bauhilfe für die Stadt Kehl (Drucksache 1371) 4400 D Große Anfrage der Fraktion des GB/BHE u. Gen. betr. Anleihen der Lastenausgleichsbank zugunsten des Ausgleichsfonds (Drucksache 1168) 4401 A Dr. Kather (GB/BHE), Anfragender 4401 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4403 D Ohlig (SPD) 4404 C Unterbrechung der Sitzung . 4407 A Kuntscher (CDU/CSU) . . . 4407 A, 4412 B Dr. Gille (GB/BHE) 4409 D Miller (CDU/CSU) 4411 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Abgabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reiseverkehr (Drucksachen 1073, 217) 4412 B, 4458 Peters (SPD), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 4458 Beschlußfassung 4412 C Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Nachträgliche Mitteilung an den Bundestag von der Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken des ehem. Artillerie-Arsenals und des ehem. Scheibenhofs in Kiel- Friedrichsort (Drucksache 1322) . . . . 4412 C Überweisung an den Haushaltsausschuß . 4412 C Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung von reichseigenen Grundstücken des ehem. Truppenübungsplatzes Harksheide, Kreis Stormarn (Holstein) (Drucksache 1341) . . . 4412 D Überweisung an den Haushaltsausschuß . 4412 D Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung einer Teilfläche der ehem. Leweck-Kaserne in Oldenburg- Kreyenbrück an die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) (Drucksache 1342) 4412 D Überweisung an den Haushaltsausschuß 4412 D Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung von Teilflächen der ehem. Lüttich-Kaserne in Göttingen, Geismarlandstraße 33, an die Gothaer Lebensversicherung a. G. und die Gothaer Allgemeine Versicherung AG (Druck sache 1343) 4412 D Überweisung an den Haushaltsausschuß 4412 D Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung der Halle 15 nebst einer Teilfläche des ehemaligen Heereszeugamts in Wiesbaden-Kastel an die Firma Elster & Co. in Wiesbaden-Kastel (Drucksache 1350) 4413 A Überweisung an den Haushaltsausschuß 4413 A Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung des reichseigenen Grundstücks in Münster, Aegidiikaserne, im Wege des Tausches an die Stadt Münster (Drucksachen 1323, 1113) 4413 A Beschlußfassung 4413 A Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an reichseigenen Grundstücken der ehem. Munitionsanstalt Mölln, Kreis Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein (Drucksachen 1324, 1160) 4413 B Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter 4413 B Beschlußfassung 4413 D Unterbrechung der Sitzung . 4413 D Verkündung eines Schreibens des Bundeskanzlers über Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden des Vertragswerks von London und Paris, über Inkrafttreten der Verträge und über die Beendigung des Besatzungsregimes: Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 4414 A Erklärungen nach § 36 der Geschäftsordnung: Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 4414 B Ollenhauer (SPD) 4415 A Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . . 4415 A Seiboth (GB/BHE) 4415 B Dr. von Merkatz (DP) 4415 C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . 4416 A Unterbrechung der Sitzung . 4416 C Beratung des Entwurfs einer Einunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 1334) 4416 C Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 4146 C Beratung des Entwurfs einer Zweiunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Drucksache 1335) 4416 C Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 4416 D Beratung des Antrags der Abg. Frau Dr. Maxsein, Dr. Krone u. Gen. betr. Ausgelagerte Buchbestände der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek (Drucksache 1353) 4416 D Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU), Antragstellerin 4416 D Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik 4417 D Erste Beratung des von den Abg. Stücklen, Griem, Schmücker u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (Drucksache 1329) 4417 D Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und an den Rechtsausschuß . . 4418 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Drucksache 1274) 4418 A Storch, Bundesminister für Arbeit 4418 A, 4431 C Sabel (CDU/CSU) 4420 C Odenthal (SPD) 4424 A Hübner (FDP) 4432 A Kutschera (GB/BHE) 4433 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 4434 C Frau Dr. Bleyler (Freiburg) (CDU/CSU) 4436 D Scheppmann (CDU/CSU) 4438 C Vizepräsident Dr. Schneider . . . 4439 B Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 4439 C Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung (Gesetz über Krankenversicherung der Rentner — KVdR) (Drucksache 1234) . . . . 4439 C Storch, Bundesminister für Arbeit 4439 C, 4448 B Dr. Franz (CDU/CSU) 4441 A Dr. Schellenberg (SPD) . . 4442 C, 4455 C Dr. Hammer (FDP) 4450 A Frau Finselberger (GB/BHE) . . 4452 B Präsident D. Dr. Gerstenmaier 4449 D, 4454 A Horn (CDU/CSU) 4454 A Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik und an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens . . . 4456 B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes (Drucksache 1340) 4456 C Even (CDU/CSU) 4456 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 4456 D Nächste Sitzung, zur Tagesordnung: Präsident D. Dr. Gerstenmaier 4456 B, C, D Dr. Moerchel (CDU/CSU) 4456 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4457 Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der FDP betr. abgabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reiseverkehr (Drucksache 1073) 4458 Die Sitzung wird um 9 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Graf Henckel 31. Mai Pelster 28. Mai Kemmer (Bamberg) 28. Mai Frau Korspeter 28. Mai Onnen 28. Mai Frau Strobel 23. Mai Josten 20. Mai Berendsen 20. Mai Dr. Jaeger 20. Mai Dr. Kliesing 20. Mai Erler 20. Mai Eschmann 20. Mai Paul 20. Mai von Manteuffel (Neuß) 20. Mai Kalbitzer 16. Mai Hufnagel 15. Mai Dr. Wahl 15. Mai Eberhard 15. Mai Stingl 14. Mai Dr. Greve 14. Mai Arndgen 11. Mai Jahn (Stuttgart) 11. Mai Lang (München) 11. Mai Meyer (Wanne-Eickel) 11. Mai Heide 11. Mai Becker (Hamburg) 11. Mai Feller 10. Mai Dr. Bucher 10. Mai Dr. Furler 10. Mai Dr. Rinke 10. Mai Neumann 10. Mai Heiland 10. Mai Dr. Friedensburg 10. Mai Dr. Lenz (Godesberg) 7. Mai Frühwald 7. Mai Lücke 7. Mai Mißmahl 7. Mai Dr. Orth 7. Mai Baur (Augsburg) 7. Mai Scheuren 7. Mai Frau Welter (Aachen) 7. Mai Frau Ackermann 6. Mai Brandt (Berlin) 6. Mai Dr. Bucerius 6. Mai Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Diel 6. Mai Dr. Löhr 6. Mai Morgenthaler 6. Mai Schrader 6. Mai Schuler 6. Mai Frau Dr. Steinbiß 6. Mai Wagner (Ludwigshafen) 6. Mai Held 6. Mai Frau Dr. Jochmus 6. Mai Neuburger 6. Mai Unertl 6. Mai Dr. Welskop 6. Mai Dr. Wellhausen 6. Mai Dr. Schild (Düsseldorf) 6. Mai Mensing 6. Mai Lulay 6. Mai Bals 5. Mai Blachstein 5. Mai Cillien 5. Mai Dr. Hellwig 5. Mai Koenen (Lippstadt) 5. Mai Kühlthau 5. Mai Leibfried 5. Mai Dr. Lindrath 5. Mai Frau Meyer-Laule 5. Mai Meyer-Ronnenberg 5. Mai Dr. Miessner 5. Mai Dr. Mocker 5. Mai Schloß 5. Mai Dr. Schmid (Frankfurt) 5. Mai Schwann 5. Mai Scheel 5. Mai Graf von Spreti 5. Mai b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Blank (Oberhausen) 18. Mai Dr. Deist 18. Mai Dr. Eckardt 18. Mai Dr. Kopf 18. Mai Dr. Kreyssig 18. Mai Lenz (Brühl) 18. Mai Dr. Oesterle 18. Mai 011enhauer 18. Mai Dr. Pohle (Düsseldorf) 18. Mai Dr. Dr. h. c. Pünder 18. Mai Sabaß 18. Mai Anlage 2 Drucksache 1073 (Vgl. S. 4412) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Abgabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reiseverkehr (Drucksache 217) Berichterstatter: Abgeordneter Peters Der Antrag der Fraktion der FDP — Drucksache 217 — zielt auf eine Erhöhung der Freigrenze für Tabakwaren für die von Auslandsreisen zurückkehrenden Deutschen im Rahmen des Reisebedarfs von bisher 25 Zigaretten, 10 Zigarren, 50 g Feinschnitt und 50 g Pfeifentabak auf 100 Zigaretten, 25 Zigarren, 100 g Feinschnitt und 100 g Pfeifentabak. Dieser Antrag wurde in der 14. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 11. Februar 1954 dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zur Bearbeitung überwiesen. Durch eine am 9. März 1954 im Ältestenrat erzielte Übereinstimmung wurde jedoch festgelegt, daß der Antrag federführend im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, mitberatend im Ausschuß für Außenhandelsfragen zu bearbeiten sei. Demgemäß wurde verfahren. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen stimmte dem Antrag in seiner Sitzung am 11. März 1954 einstimmig zu. Dabei ging man von der Tatsache aus, daß die anderen europäischen Nationen bei Grenzübertritten sich weit großzügiger bei der abgabefreien Einfuhr von Tabakwaren verhalten. Eine solche großzügigere Handhabung liege im Interesse des Fremdenverkehrs, zudem würden Außenhandelsinteressen nicht geschädigt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen kam im Gegensatz dazu am 16. März 1954 zu einer ablehnenden Stellungnahme. Diese gegensätzliche Beschlußfassung der beiden beteiligten Ausschüsse gab Veranlassung, daß das Plenum des Deutschen Bundestages am 28. Mai 1954 den Mündlichen Bericht (Drucksache 335) ablehnte und den Antrag (Drucksache 217) erneut an die Ausschüsse verwies. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen kam bei der erneuten Beratung wieder zu einer Befürwortung des Antrages, während der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bei seiner Ablehnung verblieb. Diese Ablehnung fußt auf folgender Überlegung: Zur Zeit können deutschen Reisenden bei der Wiedereinreise aus dem Ausland die vorgesehenen Höchstmengen an Tabakwaren in den meisten Fällen unbedenklich als Reisebedarf freigelassen werden. Dagegen würden die beantragten größeren Mengen für aus dem Ausland zurückkehrende Deutsche kaum je als Reisebedarf anerkannt werden können. Wenn es nicht immer wieder zu unerfreulichen Auseinandersetzungen an der Grenze über den Bedarf an Tabakwaren für die weitere Reise kommen soll, müßten wohl auch die beantragten erhöhten Freimengen abgabefrei hereingelassen werden. Damit würde aber den Bevölkerungskreisen, die Auslandsreisen zu machen in der Lage sind, bei der Versorgung mit billigen Auslandstabakwaren ungerechtfertigte Vorteile gegenüber denjenigen gewährt werden, die ihre Tabakwaren versteuert im Bundesgebiet kaufen müssen. Eine solche Bevorzugung erscheint nicht gerechtfertigt. Zum Vergleich können auch nicht die höheren Freimengen herangezogen werden, die ausländischen Reisenden auf Grund eines OEEC-Beschlusses zustehen. Ihre Reisen enden in der Regel nicht wie die der deutschen Reisenden an einem bestimmten Ort im Inland. Sie sollen durch die höheren Freimengen in die Lage versetzt werden, für ihre Aufenthalte im Inland Tabakwaren abgabe frei mitzubringen, die sie geschmacklich gewöhrt sind. Von Bedeutung ist auch der Ausfall an Tabaksteuer, der durch die mit dem Antrag erstrebte Rechtsänderung eintreten würde. Nach den Angaben des Bundesfinanzministeriums sind im großen Reiseverkehr — außer dem kleinen Grenzverkehr — im Laufe eines Jahres über 14 Millionen deutsche Reisende von Auslandsreisen zurückgekommen. Würde ihnen statt der bisherigen Freimenge von 25 Zigaretten eine Freimenge von 100 Zigaretten gewährt werden, so würde dies theoretisch eine zusätzliche Einfuhr von 75 mal 14 Millionen über 1 Milliarde Zigaretten zur Folge haben können, die dem inländischen Zigarettenabsatz verlorengehen würde. Diese Menge würde einen Ausfall von über 51 Millionen DM Tabaksteuer nach sich ziehen. Nach Ansicht des Finanzausschusses würde ein solcher Steuerausfall die beantragte Vergünstigung der deutschen Reisenden als zur Zeit nicht tragbar erscheinen lassen. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Auswirkungen auf den inländischen Absatz von Tabakwaren nicht nur fiskalischer Art sind, vielmehr würden vor allem auch die kleinen und mittleren Tabakwarenhersteller hierdurch fühlbar getroffen. Die Lage dieser Hersteller ist zur Zeit schon verzweifelt. Darüber hinaus besteht die Gefahr der handelspolitisch nicht erwünschten Zurückgewöhnung deutscher Raucher auf Virginia-sorten. Bonn, den 13. Dezember 1954 Peters Berichterstatter
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    Rede von Dr. Ernst Schellenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion verkennt nicht, daß der Gesetzentwurf für die Krankenversicherung der Rentner in einigen Punkten Nachteile beseitigt. So ist es auch nach Ansicht meiner Fraktion — darin stimmen wir dem Herrn Minister zu — zu begrüßen, daß dem Rentner die Möglichkeit gegeben wird, bei seiner früheren Kasse, Betriebs- oder Ersatzkasse, zu bleiben. Wir halten das im Rahmen des Systems der sozialen Krankenversicherung, wie es hier besteht, für sinnvoll, wenn wir uns auch darüber klar sind, daß sich durch das neue System, das geschaffen werden soll, möglicherweise eine Komplizierung des Verwaltungsapparats ergibt.
    Wir sind weiter mit der Bundesregierung und dem Sprecher der CDU der Ansicht, daß es zu begrüßen ist, wenn durch diesen Gesetzentwurf der Mißstand, auf den wir schon bei früherer Gelegenheit hingewiesen haben, daß die Leistung der Rentnerkrankenversicherung bisher erst mit Erteilung des Rentenbescheids einsetzte, beseitigt wird. Wir haben in anderem Zusammenhang hier im Hause, zuletzt in einer Fragestunde, darauf hinweisen müssen, daß leider zwischen Antragstellung und Bewilligung der Rente viele Monate vergehen. Der Herr Minister hat in Aussicht gestellt, daß der Zeitraum kürzer werden soll. Wir hoffen sehr, daß das bald Wirklichkeit werden wird.
    Wir sind sehr froh, daß die große soziale Belastung der Menschen, die nicht mehr arbeiten, einen Rentenantrag stellten und bisher ohne Leistungen der Krankenhilfe waren, nun durch diesen Gesetzentwurf beseitigt werden soll, indem keine Unterbrechung des Krankenversicherungsschutzes mehr eintritt.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt auch mit der Regierung darin überein, daß nun in bezug auf die Gewährung der Leistungen


    (Dr. Schellenberg)

    im Rahmen der Rentnerkrankenversicherung grundsätzlich der Rentner dem sonstigen Versicherten gleichgestellt werden soll. Wir haben das, meine Damen und Herren, darauf darf ich aufmerksam machen, hier im Hause am 18. März 1953 beantragt. Seinerzeit wurde dieser unser Antrag auf Umdruck Nr. 802 insgesamt abgelehnt. Um so mehr erfreut sind wir heute, daß die Bundesregierung im Grundsatz der vollen Leistungsanpassung zwischen Rentner und Pflichtversichertem zustimmt. „Vollen" ist leider nicht ganz richtig — ich muß da eine Einschränkung machen —, denn leider enthält der Gesetzentwurf — darauf werde ich noch zu sprechen kommen — auch in bezug auf die Gleichstellung der Leistung in zwei sehr wichtigen Punkten ein für den Rentner nachteiliges Recht.
    Mit diesen von mir erwähnten Verbesserungen, die wir, wie gesagt, anerkennen, erschöpfen sich aber die Punkte, die wir begrüßen können. Hätte die Bundesregierung in ihrer Gesetzesvorlage diese Dinge, diese bisherigen Mißstände geregelt, so hätte sie die Zustimmung aller Rentner und auch die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gefunden. Das hat aber die Bundesregierung leider nicht getan, sondern sie nimmt die Beseitigung von Mißständen in der Rentnerkrankenversicherung, diesen Gesetzentwurf, zum Anlaß, eine strukturelle Veränderung im Bereich der Rentnerkrankenversicherung durchzuführen. Nicht nur das, sondern auch der gesamte Leistungsbereich in der Krankenversicherung auch für die Versicherten wird beschnitten. Die Presse hat mit Recht schon vor Monaten darauf hingewiesen, daß es sich um einen Modellversuch für die Sozialreform handle, und Herr Kollege Dr. Franz hat das noch konkretisiert. Sie haben das, was uns hier vorliegt, sogar als einen konstruktiven Beginn für die Sozialreform bezeichnet; ich werde darauf noch zu sprechen kommen, Herr Kollege Dr. Franz. Das erfüllt uns mit sehr großer Sorge; das darf ich jetzt schon sagen.
    Nun hat der Herr Bundesarbeitsminister in seiner Begründung darauf hingewiesen, daß diese strukturelle Änderung gegenüber dem geltenden Recht wegen der Systematik der Sozialversicherung und der Versicherungszweige, wenn ich ihn recht verstanden habe, notwendig sei. Damit kommen wir zu einer prinzipiellen Frage, nämlich: was ist die Aufgabe der Rentenversicherung? In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns von dem Herrn Bundesarbeitsminister. Wir stehen nämlich auf dem Standpunkt, daß zur Sicherung des Alters des Menschen auch seine volle gesundheitliche Sicherung gehört.

    (Beifall bei der SPD.)

    Von uns wird die Frage, wer diese Aufgabe zu übernehmen hat — Träger der Rentenversicherung oder Träger der Krankenversicherung —, in dieser Hinsicht nicht so sehr theoretisch, sondern unter dem Gesichtspunkt einer sozialpolitischen Zweckmäßigkeit gesehen. Es ist aber ein Irrtum, Herr Kollege Dr. Franz, wenn Sie der Meinung sind, daß das, was heute in der Krankenversicherung der Rentner geltendes Recht ist, Staatsbürgerversorgung sei. Davon kann gar keine Rede sein, denn die Leistung der Rentnerkrankenversicherung erhält nur der Rentner, nicht jeder Staatsbürger, nur derjenige, der einen Rechtsanspruch auf Rente durch Beiträge erworben hat.
    Das ist auch eine versicherungsmäßige Leistung; darüber muß man sich im klaren sein.
    Nun kommt die Strukturveränderung, die die Bundesregierung vollziehen will, gesetzestechnisch darin zum Ausdruck, daß die Rentnerkrankenversicherung nicht im Vierten Buch der Reichversicherungsordnung — Rentenversicherung —, sondern im Zweiten Buch — Krankenversicherung — geregelt werden soll und damit, wie der Herr Bundesarbeitsminister hier ausgeführt hat und wie wir auch in der Begründung zur Regierungsvorlage nachlesen können, zu einer Aufgabe der Krankenversicherung werden soll. Der Herr Bundesarbeitsminister hat sowohl hier wie in der Regierungsbegründung darauf hingewiesen, daß das den Funktionen der Krankenversicherung entspringe, und gesagt — ich darf aus der Begründung der Regierungsvorlage vorlesen —:
    Dies entspricht dem die Sozialversicherung beherrschenden Grundsatz der Solidarität, von der die Rentner nicht ausgeschlossen sein dürfen.
    Das ist die Regierungsbegründung.
    Herr Bundesarbeitsminister, dieser Ausdruck „Solidarität", von der die Rentner nicht ausgeschlossen werden dürfen, ist ein imposantes Wort. Aber wie sieht — und damit habe ich mich auseinanderzusetzen — die sozialpolitische Realität nach diesem Gesetzentwurf aus? Ich muß dazu einige ganz wenige Bemerkungen über den Unterschied zwischen den Aufgaben von Krankenversicherung und Rentenversicherung machen, weil der Herr Bundesarbeitsminister darauf so großen Wert legt.
    Die Krankenversicherung deckt ihrem Wesen nach heute ein kurzfristiges Risiko: Krankheit; darauf ist sie in ihrer gesamten Technik eingestellt. Dagegen hat die Rentenversicherung — das ist ihre Aufgabe und Technik — ein langfristiges Risiko zu decken. Jetzt soll durch diesen Gesetzentwurf die Krankenversicherung der Rentner aus dem Zweig der langfristigen Versicherung dem Versicherungszweig, der ein typisch kurzfristiges Risiko deckt, zugeführt werden. Das ist der eine Tatbestand.
    Zweitens kommt der Unterschied in der Struktur zwischen Krankenversicherung und Rentenversicherung heute darin zum Ausdruck, daß in der Rentenversicherung der einzelne Versicherte im Grundsatz sein ganzes Arbeitsleben bei dem gleichen Träger verbleibt; im Grundsatz, abgesehen von den Fällen der Wanderversicherung, in denen jemand vom Arbeiter zum Angestellten wird. Das ist aber bei der Krankenversicherung, der nun das Altersrisiko des alten Menschen durch dieses Gesetz auferlegt werden soll, keineswegs der Fall. Es besteht hier eine außerordentlich starke, wie man technisch sagt: Fluktuation der Versicherten. Fast mit jedem Arbeitsplatzwechsel tritt ein Wandel ein. Ein Versicherter arbeitet in einem Betrieb, bei dem er in einer Betriebskrankenkasse versichert ist, und dann kommt er in einen anderen Betrieb, bei dem er in der Allgemeinen Ortskrankenkasse versichert sein muß. Wir haben also in der Krankenversicherung eine viel stärkere Fluktuation als in der Rentenversicherung. Nun wird durch diesen Gesetzentwurf die altersmäßige Belastung des Rentners der Krankenkasse auferlegt, bei der er mehr oder weniger zufällig in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Ren-


    (Dr. Schellenberg)

    tenantrags versichert war. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Systematik, auf den der Herr Bundesarbeitsminister solchen Wert gelegt hat, zu erörtern und zu prüfen.
    Wirtschaftlich — darauf haben sowohl der Herr Bundesarbeitsminister wie der Herr Kollege von der CDU Wert gelegt — stellt sich die Lage so dar, daß die Krankenversicherung entsprechend ihren Aufgaben nur verhältnismäßig geringe Rücklagen für kürzere saisonbedingte Schwankungen bildet, während — jedenfalls nach Ihrer Konzeption ist das so; ich will hier nicht über Deckungspolitik der Rentenversicherung sprechen — nach der Konzeption der Mehrheit dieses Hauses die Rentenversicherung Reserven für längere Zeiträume bereitzuhalten hat. Wenn Sie der Krankenversicherung als einer Institution mit einem sehr schnellen Umschlag die Alterslast für einen Rentner auferlegen wollen, der zufälligerweise bei dieser Krankenkasse versichert war, dann begründen Sie finanzwirtschaftlich die Notwendigkeit, Altersreserven in der Krankenversicherung zu bilden. Wir können das im einzelnen noch erörtern, Herr Minister. Sie haben sich jedenfalls in anderem Zusammenhang — ich möchte das hier nicht im einzelnen zitieren — nachdrücklich gegen gewisse Versuche gewandt, nach dem bisher geltenden Recht Altersreserven in der Krankenversicherung zu bilden. Ungeachtet dieser Tatbestände sagt der Gesetzentwurf, die Rentnerkrankenversicherung soll in Zukunft eine Angelegenheit der Krankenversicherung werden. Damit wird — und das ist der Sinn; Sie haben sogar gesagt, das sei im Interesse des Versicherungsgedankens außerordentlich wichtig — einem Bereich, der auf kurzfristige Dinge eingestellt ist, der keine Rücklagen bildet, dieses Altersrisiko auferlegt.
    Nun kommt das für uns Entscheidende, die Folgerung daraus: Man nimmt die Rentnerkrankenversicherung von dem Bereich der Rentenversicherung fort, der finanziell verhältnismäßig der stärkste ist und der ein Ausgleichsverfahren hat. Da nimmt man diese Alterslast unserer Rentner fort und überträgt sie auf eine große Anzahl von Institutionen der Krankenversicherung, auf über 1000, fast 2000 einzelne Krankenkassen, die untereinander keinen Finanzausgleich haben. Wirtschaftlich ist die Sache so, daß man die Rentnerkrankenversicherung aus all den Gründen, die wir noch zu erörtern haben, auf das finanziell schwächste Glied der deutschen Sozialversicherung überträgt. Das scheint uns keine sehr glückliche Sache zu sein.
    Es kommt noch etwas anderes hinzu. In der Rentenversicherung ist gesetzlich der Staatszuschuß, die Staatsgarantie verankert. Für die Rentner hat letztlich der Bund die Sicherung zu tragen. Wir haben uns darüber in anderem Zusammenhang schon oft unterhalten. Jetzt wird durch dieses Gesetz von einem Bereich mit Staatszuschüssen, mit Staatsgarantie der Rentenversicherung die Aufgabe der altersmäßigen Sicherung bei Krankheit, die im Alter, wie wir wissen, einen erhöhten Bedarf nach sich zieht, von den Einrichtungen mit Staatsgarantie und mit Bundesmitteln wegverlegt. Wir sehen da Hintergründe, Herr Bundesarbeitsminister,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    von einem anderen Ministerium her, die Tendenz
    — das kann man nicht bestreiten, und jeder, der
    die Dinge intern kennt, weiß das —, den Versuch,
    den Staatszuschuß und die Staatsgarantie für die Rentenversicherung zu entlasten. Das scheint uns eine sozialpolitisch und finanzwirtschaftlich schlechte Sache zu sein. Dafür, Herr Bundesarbeitsminister, sollte man nicht das Wort „Solidarität" verwenden,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    um das ganz klar und deutlich zu sagen.
    Nun hat aber die grundsätzliche Veränderung, die in Aussicht genommen werden soll, vielfältige sozialpolitische Auswirkungen: einmal die Einschränkung des leistungsberechtigten Personenkreises.

    (Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Wir haben uns in diesem Hause in den Jahren 1952 und 1953, als wir die Fragen der Neuordnung der Krankenversicherung der Rentner besprochen haben, darüber sehr eingehend unterhalten. Damals kam von den Regierungsparteien ein Antrag, der uns sehr in Erstaunen versetzte, durch den der Begriff der Schutzbedürftigkeit, dieser fragwürdige Begriff, in die Rentnerkrankenversicherung eingebaut werden sollte. Wir haben darüber sehr ernste Auseinandersetzungen gehabt, und, Herr Kollege Horn, Sie selbst haben dabei gesagt — und haben dadurch unsere Sorgen vermindern wollen —, es sei doch nicht zu vertreten, daß Menschen, die heute die Rente als eine angenehme Zugabe zu ihrem sonstigen Einkommen bezeichnen, die also nicht schutzbedürftig sind, die Leistung der Rentnerkrankenversicherung bekommen. Wir haben damals Bedenken dagegen geäußert, und auch Herr Minister Dr. Schäfer hat seinerzeit gegen den Begriff „Schutzbedürftigkeit" vom Standpunkt seiner Fraktion Bedenken erhoben. Aber was hier in dem Regierungsentwurf steht, Herr Minister — muß ich jetzt sagen —, ist noch viel weitergehend und sozialpolitisch viel unerfreulicher als das, was mit „Schutzbedürftigkeit" umrissen war.
    Gegen unsere Stimmen wurde seinerzeit beschlossen, die Regierung zu beauftragen, einen Gesetzentwurf über die Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung vorzulegen, in den der Begriff der Schutzbedürftigkeit der Rentner aufgenommen wurde. Offenbar in Ausführung dieses Beschlusses des Bundestags vom Februar 1953 hat nun die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf den Kreis der anspruchsberechtigten Rentner eingeschränkt, und zwar nicht nach dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit, sondern nach anderen Merkmalen, die uns sehr schwer verständlich sind. Künftig soll Leistungen der Rentnerkrankenversicherung nur der erhalten, der in den letzten fünf Jahren ein Jahr krankenversichert war. Was bedeutet das praktisch? — und das ist unser sozialpolitisches Anliegen —: es bedeutet erstens, daß alle die, die eine Rente auf Grund freiwillig entrichteter Beiträge erhalten — das ist beispielsweise die große Masse der Hausfrauen, die, wie wir sagen, freiwillig weiterkleben, die in der Regel selbst nicht Mitglieder eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung sind —, primär keinen Anspruch auf Rentnerkrankenversicherung erwerben. Das bedeutet zweitens, daß die Angestellten — Herr Kollege Schneider, ich hoffe, Sie haben sich damit auseinandergesetzt —, die wegen Überschreitens der Einkommensgrenze zwar rentenversichert, aber nicht mehr krankenversichert


    (Dr. Schellenberg)

    sind und die vielleicht eine private Krankenversicherung wählen, nicht mehr leistungsberechtigt sind. Das ist wichtig, weil uns eine Vorlage zur Änderung von § 178 RVO vorliegt, nach der die Möglichkeit, freiwillige Versicherung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu wählen, eingeschränkt werden soll. Sie nehmen also den Menschen die Möglichkeit, in der gesetzlichen Krankenversicherung zu bleiben, und dann sagen Sie durch diesen Gesetzentwurf: Derjenige erhält auch später keine Leistungen der Rentnerkrankenversicherung. Das ist außerordentlich bedenklich.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Drittens möchte ich hier einmal die Vertreter des Handwerks ansprechen. Wir haben eine Handwerkerpflichtversicherung. Darüber muß noch vieles gesagt werden, und dazu wird in diesem Hause bei anderer Gelegenheit etwas gesagt werden müssen. Diejenigen, die die Handwerkerpflichtversicherung gewählt und nicht eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, sind also rentenversichert. Die überwiegende Mehrzahl dieser Personen ist aber nicht gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Handwerker verlieren durch diesen Gesetzentwurf, wenn er Wirklichkeit wird, den Leistungsanspruch auf die Rentnerkrankenversicherung. Heute erhalten alle Rentner die Leistung der Rentnerkrankenversicherung.
    Durch diesen Gesetzentwurf wird also für drei nicht unwichtige Personengruppen diese Leistungsgewährung in Frage gestellt, nämlich dann, wenn sie nicht zufälligerweise in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind. Das ist um so merkwürdiger — das bitte ich auch zu überlegen —, als für denselben Personenkreis, nämlich die sogenannten Markenkleber, vom 1. April dieses Jahres an der Beitrag zur Rentenversicherung tatsächlich um 10 % erhöht worden ist. Das sind diejenigen, die nicht gleichzeitig arbeitslosenversichert sind. Die Personen zahlen also mehr, und was wollen Sie tun? Sie beschränken auf der andern Seite die Leistungsberechtigung dieser Menschen, indem Sie sie von der Leistungsberechtigung in der Rentnerkrankenversicherung, die sie jetzt haben, ausschließen wollen. Wir halten das also für keine glückliche Lösung und sind der Meinung, daß die „Schutzbedürftigkeit", gegen die wir schon vor Jahren gekämpft haben, hier eine Konkretisierung, findet, die noch viel verhängnisvoller ist, als wir jemals geahnt haben. Denn das sind keine sozialen Maßstäbe nach Einkommen, sondern hiervon kann auch die Frau betroffen werden, die freiwillig weitergeklebt hat und die Mindestrente erhält, die vielleicht Zimmer vermietet hat usw., die also sozial in hohem Maße schutzbedürftig ist. Und diesen Frauen wird der Leistungsanspruch auf die Rentnerkrankenversicherung durch diesen Gesetzentwurf genommen.
    Wir sind der Überzeugung, daß diese Vorschriften, die theoretisch mit einer Leistungsabgrenzung zwischen Kranken- und Rentenversicherung begründet werden, im sozialpolitischen Ergebnis — und darauf kommt es uns an — sehr bedenklich sind.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Es ist ein sehr schwacher Trost, meine Damen und Herren, wenn Sie in den Übergangsvorschriften die Möglichkeit vorsehen, daß sich derjenige, der bei Inkrafttreten des Gesetzes Rentner ist, freiwillig
    weiterversichern kann, auf seine eigenen Kosten, von seiner Rente, mit dem vollen Beitrag. Für denjenigen, der arbeitet, wird über den Betrieb in der Regel immerhin die Hälfte gezahlt; ob aus seinem eigenen Arbeitsergebnis oder nicht, wollen wir nicht untersuchen. Also dieser Mensch, der Rentner ist und diese technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, kann sich seinen Krankenversicherungsschutz, den er als alter Mensch dringend benötigt, nur dadurch weiter erhalten, daß er von seiner vielleicht sehr bescheidenen Rente einen Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung leistet. Das halten wir für außerordentlich bedenklich. Wir sehen darin — das müssen wir Ihnen, meine Damen und Herren, mit allem Nachdruck sagen — eine Beeinträchtigung der Lebenshaltung sehr vieler alter Menschen. Die Regierung wird uns nicht sagen, wie groß der Personenkreis ist. Dazu ist die Regierung nicht in der Lage. Wir werden im Ausschuß natürlich versuchen, genauer festzustellen, wie groß der Personenkreis ist. Nach all dem, was ich weiß, muß ich befürchten, daß der Personenkreis erheblich ist.
    Nun kommt etwas, was mir unter den Prinzipien, die der Herr Minister als Versicherungsprinzipien bezeichnet hat, völlig unverständlich ist. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Träger der Rentenversicherung an die Krankenkassen für die Aufgaben der Rentnerkrankenversicherung einen bestimmten Beitrag, wenn er auch unzureichend ist — darüber werden wir uns auch noch zu unterhalten haben —, leisten. Aus dem Beitragsaufkommen der Rentenversicherten, aller Rentenversicherten, wird nicht für alle Rentenversicherten, nicht für alle, die die Beiträge zahlen, ein Teil für Beiträge der Rentnerkrankenversicherung abgezweigt. Diese Leistung — denn was die Rentenversicherung an Beitrag zahlt, ist eine Leistung aus dem Beitragsaufkommen der Rentenversicherung; ob sie nun 5 DM oder 6 DM monatlich beträgt, das ist eine technische Frage — erhält nur ein Teil der Rentner, und zwar nach Merkmalen, die mit der Rentenversicherung nicht das geringste zu tun haben, nämlich damit, ob er zufällig — unter dem Gesichtspunkt der Rentenversicherung zufällig — in den letzten fünf Jahren vor dem Rentenantrag ein Jahr bei irgendeiner Krankenkasse versichert war. Das schlägt doch den Grundsätzen der versicherungstechnischen Gerechtigkeit, für die Sie in diesem Hause immer mit besonderem Nachdruck eintreten, geradezu ins Gesicht. Es ist doch unmöglich, daß die Rentenversicherung einem Teil ihrer Versicherten bestimmte Leistungen nicht gewährt. Ich weiß nicht, was da herauskommen soll, wenn das einmal zu einer Klage vor den höchsten Gerichten führt. Das scheint mir — um es mal deutlich zu sagen — in der Konsequenz nicht gründlich genug überlegt worden zu sein, obwohl der Auftrag zu dem Gesetzentwurf schon 1953 an die Regierung gegeben worden ist.
    In Auswirkung der Prinzipien dieses Gesetzes werden aber auch noch unmittelbar Leistungseinschränkungen vorgenommen; Herr Kollege Dr. Franz hat das als sehr sinnvoll bezeichnet. Bisher hatte der Rentner unbedingt einen eigenen Leistungsanspruch. Jetzt wird dieser Leistungsanspruch mit einer Rangfolge 1 zu einem Anspruch, der gegenüber dem Anspruch auf Familienhilfe zurücktritt. Wer nämlich einen Anspruch auf Familienhilfe hat, erhält die Leistung der Rentnerkrankenversicherung nicht mehr. Meine Damen und


    (Dr. Schellenberg)

    Herren, das ist keine theoretische Sache. Herr Kollege Schneider, Sie werden es mir bestätigen: die Leistungen der Familienhilfe sind Leistungen nicht nur minderen Rechtes, sondern auch minderer Güte in der Krankenversicherung. Anspruch auf Familienhilfe besteht, wenn die Ehefrau, die früher gearbeitet hat, weiterklebt. Sie erhält keine Leistungen der Rentnerkrankenversicherung nach diesem Gesetzentwurf, sondern sie wird verwiesen auf die Leistungen der Familienhilfe mit all den Kann-Vorschriften, Kostenbeteiligungen, Beschränkungen bezüglich der Krankenhauspflege usw., die wir dort leider haben. Das scheint uns auch eine empfindliche Leistungsbeschränkung zu sein, die sachlich in keiner Weise vertreten werden kann.
    Dabei bin ich erst am Anfang der Leistungseinschränkungen. Jetzt kommt das ganze Register, über das die sozialpolitische Diskussion geht. Wie es in der Begründung knapp heißt, wird im gesamten Bundesgebiet eine Krankenscheingebühr eingeführt, die in Angleichung an die veränderten Lohn- und Preisverhältnisse auf 50 Pfennig erhöht werden soll, während heute überwiegend keine Krankenscheingebühr erhoben wird. Der Sinn — das hat sowohl der Herr Minister gesagt wie Herr Kollege Dr. Franz von der CDU — der Einführung der Krankenscheingebühr ist, Bagatellfällen .zu begegnen.
    Meine Damen und Herren, wir von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion verkennen gar nicht, daß in einer vielleicht nicht unerheblichen Zahl von Fällen ein Krankenschein unnütz genommen wird und damit auch der Arzt vielleicht unnütz in Anspruch genommen wird. Man kann das statistisch nicht genau feststellen, aber die anwesenden Damen und Herren Ärzte werden das aus ihrer Berufserfahrung bestätigen. Nun entsteht aber folgende Frage. Wenn also Versicherte — wenige oder viele, ich kann es nicht untersuchen — es am Verantwortungsbewußtsein mangeln lassen, vielleicht auch veranlaßt durch gewisse Praktiken, die man als Krankenscheinmacherei bezeichnet — ich will das gar nicht hier anrühren —, wenn dem so ist, soll dann die Gesamtheit der Versicherten einschließlich der Rentner — also auch die sozial Schwachen — für die Verantwortungslosigkeit eines Teils der Versicherten in dieser Weise belastet werden? Herr Dr. Franz hat gesagt, diese Regelung im Hinblick auf die Bagatellfälle sei sehr sinnvoll, und er habe keine Sorge, daß dadurch — so haben Sie wörtlich ausgeführt — die Früherfassung von schweren Krankheiten unterbleibe. Herr Dr. Franz, das ist sehr theoretisch gesprochen. Ob eine Krankheit eine leichte oder eine schwere wird, das weiß man erst, wenn sie zu Ende ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das ist doch das entscheidende Merkmal: niemand weiß, ob gewisse Krankheitsbeschwerden, die den einzelnen veranlassen, zum Arzt zu gehen, zu einer schweren oder leichten Krankheit führen. Wir Sozialdemokraten stehen auf dem Standpunkt, daß es der Früherfassung von Krankheiten und damit der vorbeugenden Gesundheitsfürsorge dient, die bei uns — ich glaube, das ist einheitliche Meinung im Hause — noch sehr zurückgeblieben ist, wenn Krankenscheine auch in leichten Fällen in Anspruch genommen werden. Wir haben uns im Ausschuß in anderem Zusammenhang damit beschäftigt. Ich möchte Ihnen die Dinge ganz klar und unmißverständlich sagen. Wir meinen, daß es besser ist, wenn Ärzte vielleicht hundertmal voreilig
    aufgesucht werden, als daß nur einmal der Arzt zu spät aufgesucht wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist für uns eine sehr wichtige Angelegenheit.
    Durch die Einführung dieser Krankenscheingebühr wird die Früherfassung von Krankheiten bei den sozial Schwachen beeinträchtigt. Darauf kommt es an. Denn 50 Pfennig spielen bei einer Familie mit geringerem Einkommen, vielleicht mit mehreren Kindern, insbesondere am Tage vor der Lohnzahlung und bei den Rentnern am Monatsende eine beachtliche Rolle.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich glaube, das ist eine Lebenserfahrung. Wir wollen die Dinge doch einmal ganz praktisch sehen. Familie mit einigen Kindern! Wer mehrere Kinder hat, weiß, daß, wie wir Berliner sagen, alle Nase lang ein Kind krank ist. Es hat Fieber, erhöhte Temperatur. Die Methode der Krankenscheingebühr verhindert die frühzeitige Inanspruchnahme des Arztes. Dann besteht gerade in sozial schwachen Bevölkerungskreisen die Gefahr, daß man denkt: Ach, das Fieber geht schon wieder weg, das war x-mal so, wir warten! — Und das wollen wir gerade nicht. Ich wäre sehr dankbar dafür, wenn die Damen und Herren Ärzte, mit denen wir uns bei einem anderen Gesetz sehr ernsthaft unterhalten haben, hier von der Tribüne des Hauses zu dieser Frage der Früherfassung von Krankheiten ihre Meinung sagten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir halten die Krankenscheingebühr für eine bedenkliche Sache, und zwar nicht nur wegen der zusätzlichen Belastung der versicherten Rentner — deswegen auch —, sondern gerade unter dem Gesichtspunkt einer aktiven Gesundheitspolitik. Ich hoffe, daß wir uns in diesem Hause wenigstens in dieser Hinsicht einig sind. Wir halten den Regierungsentwurf deshalb für verhängnisvoll.
    Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben auf ausländische Beispiele hingewiesen. Da sind sorgfältig die Fälle zusammengestellt worden, in denen es eine Krankenscheingebühr gibt. Diese Fälle sind auch im Ausland selten, und das Material, das wir im Ausschuß sehr gern im einzelnen diskutieren werden, ist, wenn ich so sagen darf, ein bißchen einseitig zusammengestellt.
    In dem Gesetzentwurf ist weiter vorgesehen, daß die Versicherten an den Kosten für Arzneien beteiligt werden sollen. Es wird gesagt, daß dadurch dem steigenden Arzneimittelverbrauch begegnet werden soll. Die Höhe der Kostenbeteiligung ist klar. Der Herr Minister hat das ausgeführt. Aber was bedeutet das wirtschaftlich gesehen? Die Mindestgebühr von 50 Pfennig bedeutet, daß praktisch jeder Versicherte, der vor der Entscheidung steht, ob er zum Arzt gehen soll, nicht nur mit 50 Pfennig, sondern praktisch mit einer Mark zu rechnen hat; denn der Normalfall ist, daß der Onkel Doktor etwas verschreibt. Folglich muß der Versicherte schon von vornherein mindestens mit einer Mark und der Rentner mit mindestens 75 Pfennig rechnen, abgesehen davon, daß bei lange dauernder Krankheit die Arzneiverordnungsgebühren sehr ansteigen. Wenn wir auch zugestehen, daß die Verhältnisse hinsichtlich des Verbrauchs von Arzneien keineswegs immer voll befriedigend sind, so sind wir doch der Meinung, daß durch eine Arzneiver-


    (Dr. Schellenberg)

    ordnungsgebühr von 50 Pf bis 3 DM, für die Rentner von 25 Pf bis 1,50 DM — und das ist für uns das Entscheidende — die sozial Schwachen und die Menschen, die laufend ärztliche Hilfe und Arzneien benötigen, am schwersten betroffen werden. Das halten wir für ein sehr unglückliches und sehr unerfreuliches System.
    Jetzt zu der anderen Leistungseinschränkung: Kostenbeteiligung an der Krankenhauspflege der Rentner. Ich bin sehr froh, daß Herr Dr. Franz hier offen zum Ausdruck gebracht hat, daß also auch innerhalb der CDU-Fraktion dagegen Bedenken bestehen. Ich habe dann aber zu sagen: Offenbar waren doch die Bedenken nicht so stark, daß es Ihnen gelungen ist, Ihren Herrn Minister, der dieses Gesetz vorgelegt hat, zu veranlassen, hier zu sagen, daß er die Bedenken seiner Fraktion teilt. In dieser Hinsicht sind die Dinge sozialpolitisch katastrophal. Es handelt sich um eine Sondervorschrift gegen Rentner. Wie wir wissen, wird praktisch jeder Rentner bei Krankenhausaufenthalt davon betroffen, denn der Krankenhausaufenthalt eines Rentners dauert immer mehr als 10 Tage.

    (Abg. Mellies: Sehr richtig!)

    Nach Auffassung der Regierung — der Herr Minister hat das hier von der Tribüne verteidigt — und nach der Begründung der Regierungsvorlage — so steht es dort wörtlich — ist die Heranziehung des Rentners zu diesen Kosten unerläßlich, „da der Rentner erfahrungsgemäß das Krankenhaus nicht nur zur Heilung akuter Krankheiten, sondern auch zur Gewährleistung etwa erforderlicher Pflege aufsucht".

    (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Begründung der Regierung wird der Notlage unserer Alten nicht gerecht. Die Aufgabe der Regierung — darüber habe ich hier sehr ihr Wort vermißt — müßte darauf gerichtet sein, in Verbindung mit den Ländern und mit allen Stellen, die dafür Verantwortung mittragen, dafür zu sorgen, daß mehr Altersheime und Pflegeheime für die Alten geschaffen werden, um etwas Positives für die Alten zu tun, und nicht hier mit einem wirtschaftlichen Druck an diese Probleme heranzugehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Minister, solange die Renten so niedrig sind, wie sie jetzt sind, ziehen Ihre Argumente nicht. Wenn wir eine Rente von 75 % des Arbeitsverdienstes hätten, dann sähe die Sache anders aus. Wir haben aber von den harten Tatsachen des Lebens der Rentner von heute auszugehen. Was ist die Wirkung von dem, was Sie, Herr Minister, sagen? Die Wirkung davon ist, daß der Rentner, der ins Krankenhaus muß, in einen Konflikt gerät: Wenn ich ins Krankenhaus gehe, dann ist das Geld für die Miete nicht da, oder wie kann ich dann dieses oder jenes wirtschaftliche Problem lösen? — Von diesem Stand der Lebenshaltung, der heute leider noch besteht, haben wir auszugehen und nicht von den Idealen, denen wir vielleicht gemeinsam zustreben.
    Nun wird in dem Gesetz gesagt – und das bezeichne ich, um es mal deutlich zu sagen, als ein Bonbon —: die Regelung soll der Selbstverwaltung der Kasse überlassen bleiben, die einen Höchstbetrag für die Kostenbeteiligung — die bis zu 40 % der Rente ausmacht — festsetzen kann. Es steht auch im Entwurf, daß das nach dem Familienstand und nach den sozialen Verhältnissen gestaffelt werden soll und daß bestimmte Krankheiten von der Beteiligung ausgenommen werden sollen. Um es einmal ganz deutlich auszusprechen: Ich habe den Eindruck, daß hier die Bundesregierung die Verantwortung auf die Organe der Selbstverwaltung verlagert.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD. — Abg. Horn: Sie wollen doch sonst immer die Selbstverwaltung!)

    — Herr Kollege Horn, man verlagert zwar die Verantwortung auf die Organe der Selbstverwaltung; aber dieses Gesetz bringt die Selbstverwaltung in eine wirtschaftliche Zwangslage in bezug auf die Rentnerkrankenversicherung, so daß Situationen entstehen, die der Selbstverwaltung einen Zwang auflegen. Denn wie ist die praktische Finanzierung? Es gibt einen Beitrag, den zahlt die Rentenversicherung. Der Beitrag beträgt zwei Drittel des sonstigen Beitrags unter Zugrundelegung von 60 % des durchschnittlichen Grundlohns, also im wirtschaftlichen Ergebnis — auf das kommt es ja an — 40 % des Beitrags, den sonstige Versicherte zahlen. Meine Damen und Herren, ich nehme an, auch Sie von der Regierungskoalition werden detaillierte Berechnungen von Trägern der sozialen. Krankenversicherung erhalten haben, in denen Ihnen die Fehlbeträge dargelegt wurden. Ich nehme an, daß einige von Ihnen selbst als Vertreter der Arbeitgeber oder der Versicherten in den Organen mitarbeiten und die Dinge aus eigenster Erfahrung kennen. Überall, wo solche Berechnungen angestellt werden — ob sie auf den Pfennigbetrag richtig sind, will ich gar nicht untersuchen —, zeigen sie, daß im wirtschaftlichen Ergebnis die Träger der Krankenversicherung für die Zukunft stärker belastet werden, als sie es bisher sind. Dias ist doch die gesamte Tendenz. Die wirtschaftliche Belastung der Rentnerkrankenversicherung, die jetzt im Grundsatz auf der Rentenversicherung liegt, wird stärker auf ,die Krankenversicherung verlagert. Deshalb werden die Organe der Krankenkassen einfach vor eine Zwangslage gestellt. Formal gesehen, Herr Kollege Horn, sind sie zwar frei; aber sie haben die Verpflichtung, mit den Mitteln nach Gesetz und Satzung zu wirtschaften, und kommen deshalb in diese Zwangslage. Darum meine ich: es ist nicht gut, in dieser Weise die Dinge zu verlagern, wenn wir sehen, daß solche Situationen entstehen, in denen eine erhebliche Zahl von Kassen die vollen, wie ich sagen muß, unsozialen Möglichkeiten, die hier geschaffen werden sollen — Rentenkürzungen —, ausschöpfen müssen.
    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß eine grundsätzliche Bemerkung. Alle diese Dinge betreffend Krankenscheingebühr, Kostenbeteiligung bei Arzneien, Kostenbeteiligung bei Krankenhausaufenthalt, stehen unter dem Motto: Stärkung der Selbstverantwortung. Man hört im Gespräch oder liest in der Zeitung, wir müßten die Selbstverantwortung stärken. Herr Kollege Franz hat es :auch erwähnt. Da wird immer das Beispiel gebraucht, der Mensch solle doch mal daran gewöhnt werden, im Interesse seiner Gesundheit auf eine Schachtel Zigaretten oder auf einen Kinobesuch zu verzichten. Das ist das übliche Beispiel, das wir alle kennen. Meine Damen und Herren, dazu. ein ernstes Wort. Ich glaube, eine


    (Dr. Schellenberg)

    solche Betrachtungsweise verkennt die Lage der sozial schwachen Bevölkerungskreise und der überwiegenden Mehrzahl der Rentner. Für diese Menschen, insbesondere die Rentner, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl jeden Pfennig umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben,

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    lautet die Fragestellung eben leider heute nicht so: „Kinobesuch oder ärztliche Behandlung?", sondern sie lautet: „Dringendster Lebensbedarf oder Zahlung von 50 Pfennig plus 25 Pfennig für die ärztliche Behandlung?"

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das ist die Fragestellung im Leben der sozial schwachen Kreise unseres Volkes; und für die tragen wir in erster Linie die Verantwortung.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich muß es ganz deutlich sagen: die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält es für einen verhängnisvollen Schritt, bei der Stärkung des sozialen Verantwortungsbewußtseins gerade mit den sozial Schwächsten, den Rentnern, dazu noch den Rentnern, die Krankenhauspflege benötigen, zu beginnen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir wollen uns über Stärkung des sozialen Verantwortungsbewußtseins in jedem Bereich gerne unterhalten, aber wir glauben, es ist ein schlechtes Ding, hiermit bei den sozial Schwächsten zu beginnen.
    Herr Kollege Dr. Franz hat die Dinge als einen konstruktiven Beginn für die Sozialreform bezeichnet. Die Bevölkerung hat von Sozialreform andere Vorstellungen; sie hat die Vorstellung einer Verbesserung der Leistungen, zumal für die sozial Schwächsten. Mindestens das! Aber dias, was hier vorgelegt wird, ist im entscheidenden Teil — ich habe die positiven Seiten des Gesetzentwurfs gewürdigt — keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung der sozialen Leistungen. Deshalb halten wir das für einen schlechten Beginn einer Sozialreform. Wir glauben nicht, daß dieser Gesetzentwurf mit den Vorstellungen, die wir, so hoffe ich, gemeinsam von sozialer Gerechtigkeit haben, vereinbar ist.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wenn die sozialdemokratische Bundestagsfraktion trotz ihrer sehr starken Bedenken gegen den Gesetzentwurf mit der Überweisung an den Ausschuß einvenstanden ist, so deshalb, weil wir die Hoffnung haben, Sie bei den Ausschußberatungen überzeugen zu können. Herr Kollege Franz hat gewisse Schwierigkeiten in seiner eigenen Fraktiondargelegt. Daran werden wir also sehr intensiv anknüpfen. Wir haben die Hoffnung, daß dann ein Gesetz beschlossen wird, das die jetzigen Nachteile der Rentnerkrankenversicherung beseitigt und somit Verbesserungen, aber keine Verschlechterungen für die Rentner und für alle Versicherten schafft.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg hat gesagt, bei meinen Darlegungen über die Beteiligung der Versicherten an den Krankenkosten sei ich sehr vorsichtig vorgegangen. Nun möchte ich ihn bitten, sich auf Grund seiner geographischen Kenntnisse von der freien Welt die Länder in Europa zu vergegenwärtigen, die ich genannt habe. Wenn ich unten anfange, dann ist das erste die Schweiz, danach kommt Frankreich, dann kommen Belgien und Luxemburg, und oben als unser Nachbar kommt Dänemark. Es fehlen also von unseren direkten Nachbarn, soweit ich sehe, nur Holland und Österreich.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich immer, wenn der Herr Kollege Schellenberg in sehr temperamentvoller Art hier seine Ausführungen macht; aber heute ist er doch an dem eigentlichen Grundproblem vorbeigegangen. Ich habe in meinen Darlegungen gesagt, daß das, was wir auf dem Gebiete der Krankenversicherung der Rentner haben, die Gesetzgebung eines totalitären Staates ist, der eben das Geld für seine Kriegsausgaben dort genommen hat, wo er es vorfand. Jedes verantwortliche Parlament hätte, wenn es eine derartige Gesetzesvorlage, wie sie 1941 verabschiedet worden ist, bekommen hätte, zumindest die Frage gestellt: Wer sorgt für die Deckung, wer gibt hierfür die Geldmittel? Man kann doch nicht hingehen, Herr Professor Schellenberg, und draußen den Rentnern sagen: Eure Rente ist zu niedrig, wenn man auf der anderen Seite sagt: die Mittel, die für eure Rente zusammengetragen werden, werden für versicherungsfremde Aufgaben verausgabt! Das ist doch die ganze Geschichte.

    (Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Schellenberg meldet sich zum Wort.)

    — Herr Professor Schellenberg, Sie wollten mir eine Frage stellen? — Ich habe in meinen Ausführungen vorhin gesagt: wir haben früher in unseren Rentenversicherungen, bewußt vom Gesetzgeber, nur eine Zuschußrente für den alten Mann festgelegt, der in seiner Familiengemeinschaft blieb und in diese Familiengemeinschaft einen kleinen Zuschuß in Gestalt der Rente hineingebracht hat. Wir stehen heute auf Grund der ganz anderen Verhältnisse bei uns und in der Welt vor der Aufgabe, dem Rentner eine Rente zu geben, mit der er letzten Endes auch seinen Lebensunterhalt decken kann.

    (Abg. Dr. Preller: Und seine Krankheit! Das gehört doch in die Rentenversicherung!)

    — Herr Professor, Sie sagen, das gehört in die Rentenversicherung. Früher, als Ihre Partei und die Partei, zu der ich gehört habe, im wesentlichen die soziale Gesetzgebung getragen haben, hat niemand an eine derartige Regelung gedacht, niemand, weil man sich vor allen Dingen dessen bewußt war, daß man durch die Rentenversicherung eine Rente für die Invaliden und Alten sichern wollte. Man wollte nicht den Staat, die Gemeinden und alle diejenigen, die die Fürsorgeleistungen zu erbringen haben, entlasten. Das ist doch hier eingetreten. Wenn der Mann früher seine Invalidenrente bekam — ich weiß das, weil ich letzten Endes unter den Arbeitern gelebt habe —, ging er hin und meldete sich bei der Krankenkasse als freiwilliges Mitglied an und bezahlte seinen Beitrag im Verhältnis zu seiner Rente, die damals


    (Bundesminister Storch)

    kaum 40 Mark ausmachte. Das war der praktische Zustand. Wenn der Mann sich nicht versichern konnte, hatte die Fürsorge für ihn einzutreten. Wenn man diese Rentnerkrankenversicherung auf Kosten der Fürsorgeträger im Jahre 1941 zwangsweise eingeführt hätte, würde ich sie als einen Fortschritt angesehen haben.
    Nun hat Herr Professor Schellenberg — darüber habe ich mich sehr gefreut — selbst davon gesprochen, daß es sich bei dem Krankenhausaufenthalt der Rentner in vielen Fällen um Fälle handelt, die mit einem akuten Krankheitszustand gar nichts zu tun haben. Es handelt sich hier nach dem, was mir die Ärzte und die Leute aus den Krankenhäusern sagen, um einen Kreis von Menschen, die eigentlich in ein Siechenhaus oder in ein Altersheim gehören. Sollen wir denn nun aus den Mitteln der zwangsweise Sozialversicherten auch noch diese Aufgabe übernehmen? Hätten wir nicht allen Grund, die Forderung zu stellen, daß der Gesundheitsdienst in erster Linie eine Aufgabe der Gemeinschaft, d. h. des gesamten Volkes ist? Früher haben wir die soziale Gesetzgebung auf allen Gebieten doch gemacht, dem arbeitenden Menschen eine Sicherung für die Wechselfälle des Lebens zu geben. Gehen Sie doch her und sehen Sie sich unsere gesamten Sozialleistungen an! Die Fürsorge ist heute noch mit 640 Millionen DM beteiligt, bei einem Gesamtbetrag von 21 1/2 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Wir haben in die Sozialversicherung mehr und mehr die Leistungen der Fürsorge übernommen. Was Sie hier fordern, ist ein weiterer Schritt auf diesem falschen Wege. Wenn Sie mir sagen, daß Sie das notwendige Geld, nämlich diese 540 Millionen DM, die die Rentnerkrankenversicherung heute tatsächlich kostet, in irgendeiner Form als Einnahme für die Rentenversicherungsträger sicherstellen wollen, dann kann ich einen ganz großen Weg mit Ihnen gehen. Aber wir haben es ja vorhin gehört. Der Herr Professor Schellenberg hat sich in einer wirklich netten Geste an die Vertreter des Handwerks gewandt und hat gesagt: Ihr armen Luder, ihr seid ja nicht krankenversicherungspflichtig. Herr Professor Schellenberg, wie stellen Sie sich denn die Lösung dieser Dinge vor? Wenn man in der Altersversorgung des Handwerks die Halbversicherung eingerichtet hat, bekommt der Mann nachher auf Grund eines halben Beitrags eine Rente. Die Privatversicherung, die die Hälfte seines Altersversorgungsrisikos mit einer Verdienstchance gehabt hat, braucht für die Krankenversicherung des Rentners keinen Pfennig aufzubringen. Aber die anderen, die pflichtversichert waren, müssen das Geld aufbringen, um auch an diese Halbversicherten die Leistungen der Rentnerkrankenversicherung zu zahlen.
    Das sind alles Dinge, Herr Professor, an denen wir nicht vorbeigehen können. Wir wissen doch, daß wir unter den freiwillig Weiterversicherten Leute haben, die in Wirklichkeit gar nicht das Schutzbedürfnis in der Sozialversicherung haben.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist richtig!)

    Wir haben immer auf dem Standpunkt gestanden, Herr Professor, daß 'das, was in einer Rentenversicherung durch Beitragsleistung erworben wird, ein Rechtsanspruch ist. Sollen wir jemandem, der 15 Jahre in der Volkswirtschaft in einem versicherungspflichtigen Verhältnis gestanden hat, dann 25 Jahre als Selbständiger in der Wirtschaft tätig war und dort gut verdient hat, so daß er die Krankenversicherung nicht nötig hatte, nachher, wenn er die Rente bekommt, die im Verhältnis zu seinem Einkommen vielleicht gar nicht allzu viel ausmacht, nun den ganzen Gesundheitsdienst für seinen Lebensabend zusätzlich geben? Wenn Sie so sehr auf die Tränendrüsen gedrückt haben mit dem armen, armen Rentner, der nachher, wenn er ins Krankenhaus kommt, 40 % seiner Rente eventuell aufgeben muß, dann muß ich fragen: Wer bekommt denn die Rente, wenn der Rentner im Krankenhaus ist? Das sind doch in .den meisten Fällen diejenigen, die die alten Leute vor allem im Winter nicht zu Hause haben wollen.
    Wir werden ja im Ausschuß die Möglichkeit haben, uns mit den Menschen, die in den Rentenversicherungsträgern, entweder in der Geschäftsführung oder in ,der Selbstverwaltung, tätig sind, zu unterhalten. Ich glaube, Herr Professor, bei dieser Aussprache wird Ihnen ein großer Teil ihrer ,eigenen Parteifreunde, die sich in der Sozialversicherung durch jahrzehntelange Tätigkeit einen Namen erworben haben, etwas ganz anderes sagen als das, was man sagt, wenn man die Dinge nur theoretisch nimmt.

    (Widerspruch bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Unmöglich, was Sie da sagen!)

    Herr Professor Schellenberg, lassen Sie mich zum Schluß — (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Er hat doch
    wirklich aus der Praxis gesprochen!)
    — Ja, das wollte ich eben gerade noch sagen: Wenn Ihr Parteifreund, der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Herr Professor Reuter nicht das Ende aufgefangen hätte, dann hätten Sie den kompletten Bankrott des Berliner Experiments erlebt.

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Widerspruch bei der SPD. — Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Auch Idas muß noch herhalten! Aber Herr Minister, das hatten Sie doch eigentlich nicht nötig! — Bundesarbeitsminister Storch: Man soll die Dinge nicht überspitzen! — Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Es fing so harmlos an! — Bundesarbeitsminister Storch: Dann darf man es eben nicht so überspitzen!)