Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Frauenberufsarbeit ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Es hat mich aufrichtig
gefreut, daß doch offensichtlich von allen Seiten ihre Bedeutung eindeutig betont und damit auch der Vorschlag des Bundesrates zurückgewiesen wurde. Sie wissen, daß der Bundesrat vorgeschlagen hat, den Paragraphen, der festlegt, daß die Berufsberatung, die Lehrstellenvermittlung und die Arbeitsvermittlung für Frauen grundsätzlich nur von Frauen durchgeführt und daß nach Möglichkeit auch eigene Abteilungen unter weiblicher Leitung geschaffen werden sollen, zu streichen. Der Bundesrat hat sich dahin ausgesprochen, daß hier eine rein organisatorische Frage vorliege. Ich bin nicht der Ansicht, daß es hier nur um eine organisatorische Frage geht. Es handelt sich hier um eine Frage, die aus dem inneren Gefüge des Aufgabengebiets heraus gewachsen ist.
Nicht nur die Tatsache, daß die Frauenarbeit heute eine wachsende Bedeutung hat und daß die weiblichen Beschäftigten heute ungefähr ein Drittel aller Berufstätigen ausmachen, also nicht allein der Umfang der Frauenarbeit ist das Entscheidende, sondern die Eigenart der Frauenarbeit. Gerade um dieser Eigenart willen brauchen wir auch die eigene weibliche Vermittlung und Berufsberatung, besonders aber auch die weiblichen Führungskräfte.
Ich darf vielleicht aus der Statistik von 1950 eine Zahl herausgreifen, die Ihnen schlagartig beleuchtet, was es heißt, daß die Frauenarbeit ihre eigenen Wege geht. Nach der Statistik von 1950 sind 42 % aller Arbeitnehmerinnen bis zu 25 Jahren, weitere 42 % sind 25 bis 45 Jahre alt, und nur noch 16 % sind im Alter von über 45 Jahren berufstätig, davon sogar nur 6 %, die verheiratet sind. In einem Alter von 45 Jahren, in dem der Mann oft genug die beste Leistung seines Berufslebens zeigt, sind 84 % aller Frauen schon aus dem Berufsleben ausgeschieden.
Das persönliche Lebensschicksal der Frauen beeinflußt eben den Berufsweg grundlegend. Ob die Frauen verheiratet sind, wie sie verheiratet sind, ob sie Kinder haben, wie lange die Ehe dauert, das alles ist entscheidend für den Berufsweg der Frau. Daher ist die Aufgabe der Berufsberaterin eine ganz andere als die des Berufsberaters, die Aufgabe der Vermittlerin eine ganz andere als die des Vermittlers. Sie hat mit anderen Problemen und Schwierigkeiten zu rechnen. Die Berufsberaterin hat das Mädchen vor sich, das sich auf einen doppelten Beruf vorbereiten muß, das einmal Ehefrau und Mutter werden will, auf der anderen Seite aber gleichzeitig einen außerhäuslichen Beruf sucht. Daher sind auch die Berufswünsche der Jugendlichen schwankend, die Berufsziele oft unsicher. Es ist nun die Aufgabe, hier eine gewisse Festigung, eine Hinführung zum Beruf zu erzielen, im jungen Menschen den Aufstiegswillen zu stärken, dafür zu sorgen, daß das Mädchen auch wirklich eine Berufsausbildung durchmacht, die seinen Fähigkeiten entspricht, manchmal auch dafür, das Unverständnis der Eltern, die nicht bereit sind, Geld für eine Berufsausbildung auszugeben, zu besiegen.
Sie wissen, daß der Berufsraum der Frau wesentlich eingeengter ist als der des Mannes. Wir haben eine große Streuung von Lehrstellen für männliche Jugendliche und eigentlich nur relativ wenige Möglichkeiten für die Frauen. Wenn sie an die spezifischen Frauenberufe, wie wir sie manchmal nennen, denken, so spüren Sie sofort, welche Schwierigkeiten dahinterstecken, hier eine gute Vermittlung durchzuführen. Die Frauenberufe in der Land_ und Hauswirtschaft, die spezifischen Frauenberufe im Krankenhaus, im Kindergarten, im Heim erfordern ja ein ganz anderes Einfühlen, verlangen ein Eingehen auf persönliche Verhältnisse, charakterliche Eigenart und Kontaktfähigkeit mit anderen Menschen. Darum muß die Arbeitsvermittlung für die Frauen auch besonders individuell ausgerichtet sein. Sie erfordert fast in jedem Fall besonderes Verständnis für die persönlichen, familiären Verhältnisse und setzt häufig genug eine ausgesprochene Arbeitsberatung voraus. Denken Sie an die vielen berufsungewohnten und berufsentwöhnten Frauen, die Witwen oder die geschiedenen oder in Scheidung lebenden Frauen, die zum Arbeitsamt kommen und nun eine Hilfe, einen Rat brauchen, wo und wie sie ihre Arbeitskraft am besten einsetzen können. Neben dem großen Heer der ungelernten Frauen gibt es viel zu wenig Facharbeiterinnen und voll ausgebildete Kräfte der gehobenen Berufe, viel zu wenig Aufstiegsmöglichkeiten, aber auch Aufstiegswillen. Überlegen Sie auch einmal, was gerade die verheirateten Frauen der Vermittlerin an Sonderaufgaben stellen!
Das ganze Problem der Halbtagsarbeit für die verheirateten Frauen taucht hier auf, die Aufgabe, in einem 'erhöhten Maße Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, ohne den Bestand der Familie anzutasten und die körperliche und seelische Leistungsfähigkeit der Frau zu überfordern.
Oder denken Sie an das Problem der arbeitslosen Frau. Die arbeitslose Frau hat sich vielleicht leichter daran gewöhnt, sich dem Beruf zu entziehen,
wenn sie ihr Arbeitslosengeld oder ihre Arbeitslosenunterstützung erhält. Welche Arbeiten kann man ihr zumuten? Wie soll man ihren Arbeitswillen prüfen? Wann kann man eine Sperrfrist androhen? Es ist für eine Vermittlerin gar nicht immer so einfach, sich dazu durchzuringen, eine Sperrfrist, die sie für gerechtfertigt und nötig hält, zu verhängen. Dann kann es passieren, daß die Frau zu ihrem Vorgesetzten geht und die Vermittlerin feststellen muß: Tränen einer Frau rühren das Männerherz sehr viel mehr als ein Frauenherz. Auch in der sachlichen Welt der Arbeit spielt nämlich das Individuelle der Frau eine besondere Rolle. Es kommt gar nicht immer entscheidend darauf an, ob eine weibliche Arbeitskraft besonders tüchtig ist und sehr viele Berufskenntnisse hat, sondern manchmal sehr viel mehr darauf, wie sie dem Mann gefällt. Wir können das ganz offen sagen: es kann so weit gehen, daß in Einzelfällen daraus sogar eine Gefährdung des jungen Mädchens erwächst. Es ist auch eine Aufgabe der Berufsberaterin, der Jugendlichenvermittlerin, zu verhüten, daß ein Mädchen in eine solche Lehrstelle oder auf einen solchen Arbeitsplatz vermittelt wird, wo ihm diese Gefahren drohen können.
Es ist darum eine Selbstverständlichkeit, die gar nicht bestritten werden kann, daß die weiblichen Jugendlichen, auch die Schulabgängerinnen der höheren Schulen, die Abiturientinnen, in erster Linie von Frauen beraten werden und daß Frauen, die Arbeit suchen, von Frauen vermittelt werden müssen.
Es geht nicht allein darum, daß wir weibliche Fachkräfte haben, sondern es geht auch darum,
daß diese weiblichen Fachkräfte durch weibliche Abteilungsleiterinnen und weibliche Führungskräfte bis in die höchsten Stellen hinein gestützt und gefördert werden. Ich darf vielleicht hier eine Zahl anführen, um zu zeigen, wieviel hier noch zu tun ist. In der Bundesanstalt gibt es zur Zeit 2591 Beamte; davon sind 81 weibliche Beamte. Sie können sich selbst ausrechnen, was das bedeutet, wie schwer sich der kleine Prozentsatz der weiblichen Führungskräfte .durchsetzen kann. Im höheren Dienst sind es nur 13 Beamtinnen. Es ist also wirklich ein Anliegen von uns Frauen, daß die Aufstiegsmöglichkeiten der weiblichen Fachkräfte innerhalb der Arbeitsverwaltung wesentlich ausgebaut und daß die Führungskräfte der Frauen wesentlich verstärkt werden, und zwar nicht um dieser Arbeitskräfte willen, sondern weil es das Anliegen von Millionen Frauen ist, die hier Rat, Hilfe und Zuflucht suchen.
Darüber hinaus darf ich noch ein Wort über die Frage sagen, wie die Fachkräfte innerhalb der Berufsberatung und -vermittlung von der Bundesanstalt betreut werden. Wir hoffen, daß diese immerhin doch junge und neu errichtete Anstalt in dieser Beziehung manches nachholt, was, wie mir scheint, noch nicht vollendet da ist. Wir brauchen einen Stamm von gut en Berufsberatern, männlichen und weiblichen. Wir brauchen einen Stamm von gut en Vermittlern.
Das Schicksal vieler Menschen ist ihnen anvertraut. Denken Sie daran, welche entscheidende Bedeutung heute die Berufsberatung vielleicht für das ganze Leben eines Menschen hat. Deshalb müssen wir fordern, daß sowohl die Berufsberatung wie die Arbeitsvermittlung möglichst gute Fachkräfte haben, daß eine möglichst gute Auswahl erfolgt, daß man ihnen aber .auch Raum läßt, richtig und gut zu arbeiten. Es wurde vorhin schon darauf hingewiesen, daß die Berufsberater Zeit haben müssen. Die Berufsberatung, die eine so entscheidende Bedeutung in der heutigen Zeit hat, muß doch die Fähigkeit, die Zeit und ,die Möglichkeit haben, den jungen Menschen in seinen Fähigkeiten, seinen Neigungen, seiner sozialen Lage kennenzulernen, um ihm gut raten zu können, um ihm helfen zu können. Es freut mich, daß ,der neue Entwurf nach dieser Richtung hin eine wertvolle Ausweitung der Aufgaben der Berufsberatung bringt, besagt doch der § 59, daß .auch die Förderung, die vorbereitende, begleitende und nachgehende Betreuung des beruflichen Nachwuchses ein Ziel ist. Die Berufsberatung ist zwar in dem ganzen Gesetz nur in vier Paragraphen erwähnt.
Ich möchte nicht annehmen, daß jemand daraus den Schluß zieht, ,daß sie nur eine geringe Bedeutung habe. Wir brauchen die Berufsberatung ja nicht nur für den jugendlichen Nachwuchs, der uns in den kommenden Jahren viel Sorge bereiten wird, sondern wir brauchen sie auch für alle Älteren, die umgeschult werden, für alle Beschädigten, die sich umstellen müssen, für alle Heimkehrer, die einen neuen Arbeitsplatz brauchen, auch für alle Frauen, die in späteren Jahren vielleicht an das Arbeitsamt kommen und erstmalig oder wieder einen Beruf suchen und einen guten Rat benötigen.
Wir brauchen wahrscheinlich auch eine Verstärkung des Personals, eine besondere Auslese und Betreuung der Fachkräfte. Die Bundesanstalt, die die Sorge für die Arbeitskraft der deutschen Bevölkerung zur Aufgabe hat, müßte auch in vorbildlicher Weise dafür Sorge tragen, daß die Auswahl von Fachkräften vorhanden ist, der man sich wirklich anvertrauen kann, damit sie in den kommenden Jahren die großen Aufgaben, die ihr gestellt sind, auch gut erfüllen kann.