Rede von
Walter
Kutschera
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle begrüßen wir deshalb, weil sie uns die Möglichkeit gibt, auf bundeseinheitlicher Ebene Fragen aufzugreifen und zu behandeln, die schon sehr, sehr lange zur Behandlung fällig waren und in der Luft lagen. Ich werde aus dieser Novelle nur zwei, drei Punkte herausgreifen, die unseres Erachtens besonders wert sind, angesprochen zu werden.
Ich denke daran — das wurde des öfteren gesagt —, daß die Novelle die Hauptaufgabe hat, Arbeit zu vermitteln und Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Gestatten Sie mir also, gerade diese Punkte aufzugreifen.
Zur Arbeitsvermittlung im allgemeinen: Wir sind der Überzeugung, daß die Arbeitsvermittlung gerade da sehr sorgfältig ansetzen muß, wo es sich um Neulinge auf dem Arbeitsmarkt handelt. Ich denke also an unsere jungen Menschen, die eine sehr sorgfältige Beratung brauchen und bei denen es nicht genügt, daß irgendein Vermittler angesetzt wird. Die Berufsberatung, die einer Vermittlung ja vorausgehen muß, muß also so umfassend sein, daß der junge Mensch einmal von sich aus das Gefühl hat, daß er ordentlich beraten wird, und daß auf der anderen Seite die Berufsberatung von sich aus weiß: der junge Mensch, der auf Grund unserer Ratschläge diesen oder jenen Beruf ergreift, wird diesem Beruf auf die Dauer treu bleiben. Wir haben so oft die Erfahrung machen müssen, daß junge Menschen infolge schlechter Beratung sehr häufig die Berufe wechseln. Das ist die erste Voraussetzung dafür, daß der junge Mensch in den Arbeitsprozeß nicht richtig eingereiht wird und der Arbeitslosigkeit geradezu zuneigt. Wir müssen also darauf achten, daß die Berufsberatung individuell erfolgt, daß man sich dafür Zeit genug nimmt. Eine Berufsberatung kann nicht in wenigen Stunden erledigt werden, sondern man muß die Menschen nahezu ein Jahr lang beobachten, 'um ihre fachliche, körperliche und geistige Eignung kennenzulernen und ihnen dann den richtigen Beruf empfehlen zu können.
Weiter müssen wir dem bevorstehenden großen Mangel .an Facharbeitern steuern. Es ist aber allerhöchste Zeit, dafür zu sorgen, daß wir einen Facharbeiternachwuchs bekommen, der die immer stärker aufklaffende Lücke schließt. Der Facharbeiternachwuchs ist ungeheuer schwer zu bekommen, weil man sich zuviel von Gesichtspunkten leiten läßt, die dem Augenblick entsprechen.
Die Probleme des jungen Menschen, der heute noch ohne Lehrstelle ist, müssen hier sehr deutlich angesprochen werden. Wir brauchen echte Berufsausbildungsstellen, die gut ausgewählt werden müssen, damit ,die Menschen in gute Hände kommen und ihre Berufe einmal voll ausfüllen können.
Eine Berufsberatung ist natürlich nur in engster Zusammenarbeit mit den Eltern möglich. Die Eltern, die das Leben des Kindes kennen, müssen durch ihre Erfahrungen den weiteren beruflichen Weg des jungen Menschen bauen helfen.
Der Arbeitsvermittlung, der Berufsberatung und der Lehrstellenvermittlung der Frauen muß besondere Sorgfalt zugewandt werden. Unsere Frauen und Mädchen müssen die Möglichkeit haben, über ihre zukünftigen Berufe vertraulich mit ihresgleichen zu sprechen, damit sie das Gefühl bekommen, in verständigen Händen zu sein. Wir wissen, daß gerade die Anforderungen an unsere Frauen ungeheuer groß sind. Für die genaue Überprüfung der Schwierigkeiten, die durch Mutterschaft und alle mit der Familie zusammenhängenden Fragen entstehen, können nur Frauen zuständig sein.
Die Lehrstellenvermittlung bedarf außerdem —das ist hier in der Novelle sehr deutlich aufgezeigt, und darüber sind wir froh — nicht nur der vorbereitenden, sondern auch der begleitenden und nachgehenden Förderung des beruflichen Nachwuchses. Das ist ein Aufgabengebiet, ,das in .dieser Deutlichkeit das erstemal angesprochen wurde, aber besonders wichtig ist, einmal wieder für den jungen Menschen, aber auch für den, der nach langer Arbeitslosigkeit endlich wieder in den Beruf kommen kann. Ich denke an die Vertriebenen, ich denke besonders an die Sowjetzonenflüchtlinge, die zum großen Teil lange in der Luft hingen und nun wieder an den Beruf herangeführt, auf ihn vorbereitet werden müssen. Aber auch in der nachfolgenden Betreuung müssen sie beobachtet wer-
den, muß ihnen geholfen werden, solange die Gefahr besteht, daß sie ihren Beruf wieder verlieren könnten.
Besonders zur Ausbildungsbeihilfe ist ein Wort zu sagen. Wir begrüßen dabei, daß in der Novelle besonders festgelegt ist, daß man einen Anspruch auf Vergütung der Kosten hat, die mit einer Berufswahl oder Berufsfindung verbunden sind und die sich zusammensetzen aus Reisekosten, der Trennungsbeihilfe und anderen Spesen.
Sehr erfreut sind wir darüber, daß unser Gesetzesvorschlag zur Unterbringung älterer Angestellter mit dazu beigetragen hat, daß die Vergütung und Bezuschussung bei langfristiger ,Arbeitslosigkeit in der Novelle verankert sind. Die Überbrückung zur Einarbeitung ist gerade für unsere älteren Angestellten von entscheidender Wichtigkeit. Es ist einfach nicht möglich, nach jahrelanger Arbeitslosigkeit so ohne weiteres und ohne Schwierigkeit in einen neuen Beruf einzusteigen, auch wenn er in 'dem erlernten Fachgebiet liegt. Hier muß man durch Zuschüsse die Einarbeitung in den neuen Beruf möglich machen. Ob man bereits nach 26 Wochen die Zahlung des Überbrückungsgeldes einstellen soll, ist eine Frage, die man natürlich noch im Ausschuß behandeln muß und die einer ernstlichen Diskussion bedarf.
Zum Arbeitslosengeld nur folgendes. Die Bezeichnung „Arbeitslosengeld" ist deswegen für uns so wichtig, weil man daraus sehr deutlich erkennt, daß es sich dabei nicht um Beträge handelt, die irgendwer spendet oder zur Verfügung stellt, sondern daß der Anspruch auf das Arbeitslosengeld ein gesetzlicher Anspruch ist, der aus der Versicherung entsteht. Das ist gerade für die Menschen, die ohne Arbeit sind und gezwungen sind, aufs Arbeitsamt zu gehen, auch rein psychisch sehr wertvoll. Sie sind damit endlich einmal das Gefühl los, sie müßten irgendwo Almosen empfangen und man spende ihnen etwas. Gerade aus dem Wort „Arbeitslosengeld" ergibt sich, daß sie einen echten Anspruch haben, um den sie nicht zu bitten und zu betteln brauchen, sondern der ihnen zusteht.
Zur Gemeinschaftsarbeit wäre noch einiges zu sagen. Der Begriff „Gemeinschaftsarbeit" soll nach unserer Vorstellung die Maßnahmen umfassen, die dazu dienen, den Menschen für den weiteren Beruf vorzubereiten, ihn also berufsfähig zu machen. Anders soll dieser Begriff „Gemeinschaftsarbeit" sicherlich nicht verstanden werden. Wir möchten, daß durch die Gemeinschaftsarbeit jene Menschen, die aus irgendwelchen Gründen vielleicht auch in der Arbeitsmoral nachgelassen haben, wieder zur Arbeit angeregt werden und damit — auch zu ihrem eigenen Wohl — leichter wieder in den Beruf zurückfinden.
Ich möchte abschließen mit dem Wunsche, daß es durch die vorliegende Novelle gelingt, zur Entrümpelung der Gesetzgebung auf dem Gebiet beizutragen, das wir heute behandeln. Es muß gelingen, gerade dem Arbeitnehmer, der in Gefahr kommt, arbeitslos zu werden, einen Gesetzestext in die Hand zu geben, den er selbst mühelos und ohne große Auslegung versteht, mit dem er etwas anzufangen weiß und für dessen Auslegung er nicht erst einen Sachverständigen braucht. Wir glauben durch Klarheit und Übersichtlichkeit allein dazu beitragen zu können, daß diese Novelle für die Menschen, die es angeht, also für die Arbeitenden und diejenigen, die in Gefahr sind, einmal ihre Arbeitsstelle zu verlieren, eine echte Hilfe darstellt.