Rede von
Adolf Franz
Samwer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß die
Wirtschaftssachverständigen der einzelnen Fraktionen Stellung nehmen müssen, nachdem der Herr Kollege Dr. Arndt vor allem auf die Entscheidungen und Beschlüsse des Wirtschaftspolitischen Ausschusses abgehoben hat. So müssen wir uns schon leider mit diesen Dingen näher befassen, als es vielleicht einigen der Zeit wegen erwünscht ist.
Meine Damen und Herren, es ist interessant, daß in der Öffentlichkeit, gerade in dem hessischen Raum, sehr viel davon gesprochen worden ist, daß es doch eigentlich unglaublich sei, Sontra stillzulegen, nur weil die „Rentabilität maßgeblich" sei. Wenn Sie die Ziffern, die bereits vorgetragen worden sind — ich sehe den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, der diese Ziffern dem Gewicht nach genau kennt —, gehört haben, wenn Sie erkannt haben, was hier schon von Staats wegen, und zwar nicht nur vom Bunde, auch vom Lande Hessen, geleistet worden ist, dann kann doch jeder nur froh sein, wenn man diese Sache nicht etwa weitermacht, sondern eine vernünftige wirtschaftliche und gleichwertig soziale Lösung herbeiführt.
Meine Damen und Herren, es ist doch so, daß bei einer Belastung der Tonne des dort gewonnenen Kupfers mit Produktionskosten von 9000 DM nicht weniger als 7700 DM Zuschußbedarf sind. Das sind ja über 85 % der Produktionskosten! Wer so arbeiten will und glaubt, das auf die Dauer dem Volk und der Volkswirtschaft gegenüber verantworten zu können, der ist entweder ein Dilettant, oder er ist ein Mann, der wirklich nur noch in Demagogie machen kann.
Meine Damen und Herren, es ist Herrn Kollegen Dr. Arndt seit dem 1. April 1954 aus der Sitzung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses bekannt, daß im Zuge der Stillegung des Bergwerks an Mitteln für produktive Ansiedlungen im Gebiet von Sontra, nicht in der Stadt Sontra allein, verbilligte Kredite bis zu 15 Millionen bereitgestellt werden sollten. Ich darf aus dem Kurzprotokoll Nr. 9 des Wirtschaftspolitischen Ausschusses vom 1. April 1954 zitieren. Dort heißt es u. a.:
Abg. Dr. Arndt teilt ergänzend mit, nach Ausführungen von Ministerialrat Dr. Vialon (Bundesfinanzministerium) im Haushaltsausschuß sei der Bundesfinanzminister bereit, für produktive Ansiedlungen im Gebiet von Sontra verbilligte Kredite bis zu 15 Millionen DM bereitzustellen.
Daraufhin, Herr Kollege Arndt, ist in Ihrer Gegenwart im Wirtschaftspolitischen Ausschuß einstimmig beschlossen worden — ich betone nochmals: einstimmig —, daß in den Erläuterungen, die zu dem Haushalt notwendig waren, nach den Worten „zur Deckung des Fehlbetrags" folgende Worte einzufügen sind: „und für die wirtschaftliche Aufschließung des Gebietes und zur Ansiedlung von neuen gewerblichen und industriellen Unternehmungen". Dann geht es weiter in dem Protokoll:
Auf diese Weise soll zum Ausdruck kommen, daß der Zuschußbedarf nur insoweit für das Werk Sontra verwandt werden darf, als es für die Fortführung des Betriebes ohne Planung weiterer Aufschließung notwendig ist.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist außerdem durch den Beschluß des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ersucht worden, innerhalb von 4 Wochen über die bisherigen Maßnahmen zur Ansiedlung neuer Industrien und innerhalb von 3 Monaten über die Planung für die Ansiedlung neuer Industrien zu berichten.
Wenn man diesen ganzen Tatbestand, der protokollarisch festliegt, kennt, Herr Dr. Arndt, dann ist doch jeder hier im Hause geradezu bestürzt, wie Sie hier so tun können, als ob diese Frage der Stillegung von Sontra mit der Ansiedlung neuer Industrien im Gebiet Sontra gar nichts zu tun habe. So geht es doch nicht, meine Damen und Herren!
— Nein, aber die Wahrheit muß man schon sagen, und man muß sie dann auch ertragen können.
— Entschuldigen Sie, ich habe ganz deutlich gesagt, daß ich hier lediglich das Protokoll des Wirtschaftspolitischen Ausschusses verlese. Sie haben vorhin Behauptungen aufgestellt, die der Wahrheit widersprechen.
— Natürlich, daß Sie das nicht gern hören und tarnen wollen, kann ich gut verstehen.
Es sind sicher erst seit einem Jahre ernsthafte Versuche gemacht worden, dieses Problem zu lösen. Daß innerhalb dieses einen Jahres ein Abschluß mit der kanadischen Firma für Landwirtschaftsmaschinen und mit einer anderen Firma für elektrische Hausartikel schon geglückt ist, im Raum Eschwege wenigstens, ist erfreulich. Wir wissen aber, daß auch noch weitere Planungen vorliegen, um deren Durchführung ich doch dringend bitten möchte. Da kann ich nicht mit dem Herrn Kollegen Sabaß übereinstimmen. Denn sicher sind in Sontra auch dann noch Arbeitskräfte anzusetzen, wenn diese beiden Firmen richtig zur Wirkung gekommen sind, und zwar ganz einfach deshalb, weil z. B. die zweite Firma, die einen Bedarf von 500 Arbeitskräften hat, darunter allein 400 Frauen benötigt, und das sind doch keine Bergarbeiter.
Ichbitte also, nicht jetzt wieder vorzeitig aufzuhören in dem falschen Optimismus, die Lage sei bereits gemeistert, sondern nun gerade das durchzuführen, was mit viel Mühe nun — Gott sei Dank — in Bewegung gekommen ist. Vielleicht sollte man auch überlegen, ob man noch den einen oder anderen mittleren Betrieb dort mit ansetzen sollte. Erstens ist dadurch die Verteilung des Risikos besser, und zweitens meine ich, daß man auch mit bescheideneren Mitteln doch recht viel leisten könnte.
Ich komme zum Schluß.
— Ich wünschte, wir wären schon mit Sontra am Schluß, nämlich daß dort alles sozial mustergültig geregelt wäre. Solange das nicht der Fall ist, müssen wir uns im Bundestag schon damit befassen.
Die soziale Sicherung war ,das erste, was auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gefordert wurde und in allen Beschlüssen zum Ausdruck gekommen
ist. Es wäre jetzt falsch, das Rad etwa wieder herumzudrehen und durch die Annahme des Antrags Drucksache 1212 des Herrn Kollegen Dr. Arndt und Genossen wieder von vorn anzufangen. Wir sind der Ansicht, daß die Bundesregierung auf Grund der Beschlüsse des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ihre Pflicht getan hat und die Dinge schon weitestmöglich gefördert hat, so daß wir gar keinen Grund haben, in diesem Augenblick einzugreifen. Erst sollten wir die eingeleiteten Maßnahmen einmal richtig auslaufen lassen. Wenn uns die Situation dann noch nicht voll befriedigen sollte, haben wir die Möglichkeit, aufs neue zu handeln.
Es ist kein Zweifel, daß, wenn so gehandelt wird, wie ich es nochmals dargestellt habe — da befinde ich mich mit den Herren Vorrednern der Regierungskoalition durchaus im Einvernehmen —, dann sowohl die Arbeiter als auch die Stadt Sontra und die anderen Gemeinden des Gebietes und, was auch noch wichtig ist, der Einzelhandel und der Mittelstand dort durchaus wieder in Ordnung kommen und damit eine große Sorge von uns allen hier im Bundestag genommen sein wird.