Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin kein Hesse. Ich will mich daher der Kürze befleißigen und zunächst an die Ausführungen anschließen, die der Herr Staatssekretär Dr. Westrick gemacht hat, und dann darauf eingehen, was im Grundton in den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Arndt richtigzustellen ist.
Seit dem 16. Februar dieses Jahres, als Herr Kollege Dr. Arndt mit seinen Freunden den Antrag stellte, hat die Bundesregierung in Ausführung eines Beschlusses des Wirtschaftspolitischen Ausschusses vom 14. Januar dieses Jahres und eines weiteren Beschlusses des Wirtschaftskabinetts vom 21. Januar dieses Jahres im Raume Sontra schon sehr erfolgreiche Arbeit geleistet. Wir in diesem Hohen Hause sollten uns bemühen, diese Arbeit nicht durch abändernde Beschlüsse oder durch Ausführungen, wie sie vorhin gemacht worden sind, zu stören und so das Ergebnis unserer Beschlüsse in Frage zu stellen.
Ich bin daher auch nicht in der Lage, Ihnen zu empfehlen, den Änderungsantrag anzunehmen, den Herr Kollege Euler zu Ziffer 3 des Antrags Bundestagsdrucksache 1212 gemacht hat. Wir müssen doch das erste Interesse daran haben, die Maßnahmen im Raum Sontra-Eschwege in Ruhe abzuwickeln
und nicht durch Beschlüsse weitere Unruhe in die Bevölkerung dieses Gebiets und die Belegschaft der Werke zu bringen.
Der Herr Staatssekretär hat zu der Ziffer 3 des sozialdemokratischen Antrags, zu dem Herr Euler seinen Zusatzantrag gestellt hat, ja schon ausgeführt, daß der Herr Bundesfinanzminister zu den vorher genehmigten 15 Millionen einen weiteren Betrag von 5 Millionen DM zu den gleichen Kreditbedingungen zur Verfügung gestellt hat. Ich kann
ergänzend dazu sagen, daß sehr aussichtsreiche Verhandlungen schweben, um einen dritten Betrieb in Sontra selbst — denn darauf kommt es an! — anzusiedeln, damit der restliche Teil der Belegschaft von Sontra dort wieder Arbeit und Brot findet. Insofern empfiehlt es sich also nicht, diesem Zusatzantrag zu folgen.
Nun hat einleitend der Herr Kollege Dr. Arndt seinen Antrag vom 16. Februar aber in einer Weise begründet, die ich, sehr verehrter Herr Kollege Dr. Arndt, sehr bedaure.
Wenn man die Beratungen des Haushaltsausschusses und des Wirtschaftspolitischen Auschusses mitgemacht hat, so kann man überhaupt nicht bezweifeln, daß das ganze Problem unter dem Gesichtspunkt einer kommenden Stillegung des Betriebs in Sontra angefaßt worden ist. Es ist durchaus richtig — ich bin damals nicht im Bundestag gewesen, aber es wird sicher so gewesen sein —, daß Herr Minister Erhard am 18. Mai 1950 —wir standen damals kurz vor dem Koreaboom—erklärt hat, es werden weitere Bergleute in Sontra angelegt. Aber wer den Bergbau und besonders den Erzbergbau kennt, weiß, daß man eine solche Zusage nicht ad infinitum abgibt. Denn jede Lagerstätte erschöpft sich einmal, die Erzpreise sind von der internationalen Metallbörse abhängig, und die Voraussetzungen können — das haben schon die beiden letzten Generationen erlebt — sich so grundlegend ändern, daß eine solche Zusage praktisch nicht erfüllt werden kann.
Der Bund, in dessen Eigentum nun die Kurhessische Kupferschiefer-Bergbau GmbH in Sontra übergegangen ist, hat sich aber, obwohl nach Aufhören des Koreabooms eine solche Entwicklung eintrat, weiterhin bemüht, den Betrieb durch Zuschüsse aufrechtzuerhalten. Aber diese ewige Subventionierung, die, wie wir eben gehört haben, vom Währungsstichtag bis zum 31. März 1955 35 Millionen DM betragen hat, muß nun einmal — das sagen wir vom Standpunkt des Haushaltsausschusses — ein Ende haben. Man kann doch nicht zu den schon aufgebrachten 26 Millionen des Bundes und den etwa 9 Millionen des Landes Hessen in diesen unwirtschaftlichen Betrieb noch weitere Millionen hineinstecken, ohne je ein Ende abzusehen. Das war der Grund, Herr Kollege Dr. Arndt, weshalb der Haushaltsausschuß bei Beratungen des Haushalts 1954/55 im ersten Vierteljahr des vergangenen Jahres erklärt hat, jetzt sollte einmal der Wirtschaftspolitische Ausschuß prüfen, ob hier nicht entscheidende Änderungen getroffen werden können, die eine Weiterführung der erheblichen Subventionen unnötig machen.
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 1. April 1954 mit dieser Frage nach dem Auftrag des Haushaltsausschusses dann beschäftigt, hat aber damals noch keine Entschließung gefaßt. Erst am 18. Juni 1954 hat dieser Ausschuß, an dessen Sitzung Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, teilgenommen haben, erklärt, daß man durch Errichtung von Ersatzbetrieben erst die Voraussetzung schaffen müßte, um dem Gedanken der Stillegung von Sontra nähertreten zu können. Es ist ganz bestimmt nicht so gewesen, wie Sie, Herr Kollege, eben ausgeführt haben, daß eine Koppelung nicht beabsichtigt war. Im Gegenteil: man muß sagen, die Ansetzung von Ersatzbetrieben sollte die Voraussetzung für die Stillegung von
Sontra sein. Nachdem die Bundesregierung mit Unterstützung der hessischen Landesregierung Ersatzbetriebe gefunden hatte — Herr Ministerpräsident Zinn und Herr Finanzminister Traeger haben sich dabei außerordentliche Verdienste erworben —, hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß in seiner Sitzung vom 14. Januar dieses Jahres seinen Grundsatzbeschluß vom 18. Januar 1954 bestätigt und — das war der Zeitpunkt, wo er zum erstenmal weitere Kredite gefordert hat — darüber hinaus festgestellt, daß die neu angesiedelten Betriebe in Eschwege die Erwartungen nicht hundertprozentig erfüllen. Herr Kollege Dr. Arndt, wir haben in dieser Sitzung beide — Sie haben es getan, und ich habe mir erlaubt, den gleichen Standpunkt zu vertreten — darauf hingewiesen, daß sich für die Belegschaft von Sontra eine Verlängerung des Arbeitswegs in den Raum Eschwege ergeben wird, weil der größte Teil der Sontrabelegschaft südlich von Sontra in ungefähr 50 Gemeinden ansässig ist und Eschwege bekanntlich 20 km nördlich von Sontra liegt.
Der längere Weg zum Arbeitsplatz und zurück sollte aber und muß ja auch in Kauf genommen werden. Der Aufsichtsrat von Sontra hat inzwischen beschlossen, daß wenigstens für das erste Jahr die Mehrkosten für die An- und Abfahrt noch von Sontra getragen werden. Das ist wirtschaftlich eine ganz verständliche Übergangsmaßnahme, aber man soll nicht annehmen, daß sie in den folgenden Jahren fortgeführt wird. Die Belegschaft, die jetzt neu bei Massey-Harris ist und aus dem Raume südlich von Sontra kommt, ist ja noch nichteingearbeitet und beim endgültigen Lohn angekommen, so daß sie die zusätzlichen Kosten der Fahrt zum Arbeitsplatz tragen könnte. Wenn sie in den endgültigen Lohn eingestuft sein wird, wird man diese Zuschüsse abbauen können.
Nun haben Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, noch betont und erklärt, Sie legten auf diese Feststellung Wert, daß im Bergwerk Sontra keine einzige Kündigung ausgesprochen worden ist. Ich verstehe dann nicht, wie Sie in dem Antrag vom 16. Februar dieses Jahres von einer Stillegungs- und Kündigungsaktion sprechen können. Eine solche ist niemals vorgenommen worden, sondern die Hauptversammlung von Sontra hat Ende Januar 1955 die Liquidation beschlossen. Das ist bekanntgeworden. Auf das Angebot von Massey-Harris und von Voigt und Haeffner bzw. Prometheus sind eben die schon mehrmals genannten 540 Belegschaftsmitglieder von Sontra in diese Betriebe abgewandert. Die Behauptung ist völlig abwegig, daß dabei Kopfprämien gezahlt. worden sind. So wird heute nirgends mehr ein Arbeitsplatzwechsel vorgenommen.
Sie haben dann aber auch von einer sozialen Schlechterstellung der umgesiedelten Belegschaft gesprochen und Zahlen genannt. Herr Kollege Dr. Arndt, mit der Statistik kann man bekanntlich alles beweisen. Wenn man hier Zahlen nennt, muß man aber auch die entsprechenden Ziffern in dien anderen Betrieben nennen. Es geht nicht an, daß Sie den Spitzenlohn in Sontra unter Tage, der etwa bei 16 Mark je Schicht liegt, mit dem Durchschnittslohn des Anlernlings bzw. des angelernten Arbeiters bei Massey-Harris bzw. Prometheus von 12 bis 13 Mark je Schicht ins Verhältnis setzen. Sie müssen so sagen: Der Spitzenlohn des Erzbergmanns unter Tage in Sontra hat 16 Mark betragen. Diesen Spitzenlohn haben im günstigsten Falle 50 bis 60 von 1300 Belegschaftsmitgliedern erreicht. Und von den jetzt 560 umgesiedelten Arbeitern
von Sontra sind, wie wir gehört haben, mehr als die Hälfte nach Aachen, an die Ruhr und nach Salzgitter gegangen, wo überall viel höhere Löhne gezahlt werden. Der korrespondierende Spitzenlohn des Erzbergmanns rin Sontra zu dem im Ruhrgebiet liegt daher jetzt etwa wie 16 Mark zu — nach der 9,5%igen Lohnerhöhung — reichlich 20 Mark pro Schicht. Da von den 540 etwa 250 an die Ruhr und nach Aachen abgewandert sind, haben sich diese bestimmt nicht verschlechtert. Sie werden sich verbessert haben. Die übrigen sind meist Belegschaftsmitglieder, die in irgendeiner Form, durch ein eigenes Haus oder sonst ein kleines Grundstück, an den Raum Sontra gebunden sind und eine etwaige anfängliche Verschlechterung — nicht auf die Dauer — gern in Kauf nehmen.
Ich will dann noch folgendes sagen. Ich habe eben im Laufe dieser Sitzung gehört, daß sich um die in Sontra verbleibenden 760 Belegschaftsmitglieder schon so viele Betriebe bemühen, daß diese praktisch wählen können. Der Aachener Bergbau ist bereit, die gesamte Restbelegschaft von Sontra, die also bis auf die Belegschaft, die die stillgelegte Anlage betreuen wird, etwa 660 Personen beträgt, zu übernehmen, auch Massey-Harris ist bereit — Herr Euler hat vorhin Einzelzahlen genannt —, etwa 500 Mann Belegschaft bis Herbst 1956 zu übernehmen. Wenn man das weiß, könnte man glauben, daß die Ansetzung eines dritten Betriebs im Raum Sontra mangels Arbeitskräften nicht ganz durchführbar sein wird. Ich möchte das aber nicht annehmen, weil ja der Zustrom der Flüchtlinge aus dem Mansfeldischen über die Zonengrenze auch in Sontra wieder zusätzliche Arbeitkräfte schafft.
— Ja, das ist bekannt.
Wenn wir den Betrieb in Sontra als dritten Ansiedlungsbetrieb haben, haben wir die dortige Bevölkerung vermutlich wieder vollkommen untergebracht.
Der Herr Kollege Euler hat schon gesagt, daß mit einer Darstellung, wie sie Herr Kollege Dr. Arndt hier gegeben hat, und mit der unrichtigen Anführung der Reden, die zwei Fraktionsfreunde von mir im Raum Sontra-Eschwege gehalten haben, sicher nicht dem demokratischen Gedanken gedient ist. Ich möchte das nur unterstreichen. Ich glaube, wir dienen dem demokratischen Gedanken auch im Raum Eschwege-Sontra am allerbesten, wenn wir Ruhe halten und die Maßnahmen, die Bundesregierung und Bundestag beschlossen haben, weiterlaufen lassen, da sie bisher erfolgreich waren und in Kürze zum vollen Erfolg führen werden. Ich bitte daher, den Antrag, den Herr Kollege Dr. Arndt auf Drucksache 1212 gestellt hat, für erledigt zu erklären und demgemäß abzulehnen.
Ich bitte das Hohe Haus aus den gleichen Gründen, auch den Ergänzungsantrag des Herrn Kollegen Euler abzulehnen, weil seine Bearbeitung und Bekanntgabe im Raum Sontra uns sicher unsere Maßnahmen nicht erleichtern wird.