Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 1. Oktober vergangenen Jahres hat die Juristenschaft Deutschlands des 75jährigen Bestehens der Reichsjustizgesetze gedacht. Das Bundesjustizministerium hat aus diesem Anlaß drüben im Bundesratssaal eine Feierstunde abgehalten, in der die Bedeutung der Reichsjustizgesetze für unseren Rechtsstaat von hervorragenden Sachkennern behandelt und dargelegt wurde. Bei dieser Feierstunde wurde auch das Bedauern darüber ausgesprochen, daß auf einem Gebiet, das für die Rechtspflege von großer Bedeutung sei, eine Reform, die Überholung der alten Gesetze noch nicht durchgeführt sei: auf dem Gebiet des Anwaltsrechts.
Es ist schon mehrfach, auch vom Herrn Bundesjustizminister selbst, hervorgehoben worden, daß der erste Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung im 1. Bundestag nicht gerade eine freundliche Aufnahme gefunden hat. Wer die Darlegungen des Herrn Kollegen Wagner soeben gehört hat, konnte den Eindruck gewinnen, daß auch der zweite Entwurf — wenn auch einige Fortschritte, die er enthält, anerkannt worden sind — keine besonders freundliche Aufnahme gefunden hat, daß vielmehr einige, und zwar nicht ganz unwichtige Vorschriften einer erheblichen Kritik ausgesetzt sind.
Nun muß ich doch in diesem Zusammenhang eins betonen: Bevor dieser zweite Entwurf vorgelegt wurde, hat der Herr Bundesjustizminister Wert darauf gelegt - ich glaube, das sollten wir anerkennen —, daß die beteiligten Fachkreise, insbesondere die Anwälte und die Landesjustizverwaltungen, zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs gehört wurden. Es haben Zusammenkünfte mit den Präsidenten sämtlicher Anwaltskammern des Bundesgebiets und Besprechungen mit ihnen im Bundesjustizministerium stattgefunden. Man hat sich dann entschlossen, eine gemeinsame Kommission, bestehend aus Vertretern des Ministeriums, Vertretern der Anwaltschaft und Vertretern der Länderjustizministerien, einzusetzen. Ich bin Mitglied dieser Kommission gewesen und darf sagen, daß wir dort sehr einträchtig und gut zusammengearbeitet haben. Ich glaube, diese Anerkennung muß man dem Bundesjustizministerium und den Sachbearbeitern des Bundesjustizministeriums aussprechen.
Man darf weiter sagen, daß der Entwurf — wenn man einmal von einzelnen Beanstandungen absieht, auf die ich noch zu sprechen komme — schon in seiner äußeren Form geradezu das Muster eines Gesetzentwurfs darstellt. Er ist eine außerordentlich sorgfältige Arbeit, sowohl hinsichtlich der Formulierung der Gesetzesbestimmungen selbst wie auch insbesondere hinsichtlich der ganz ausgezeichneten, sehr umfassenden Begründung, die für die Praktikabilität, für die Durchführung dieses Gesetzes von großer Bedeutung ist. Ichglaube, es ist unser Anliegen, auch dafür den Sachbearbeitern des Justizministeriums unseren Dank und unsere Anerkennung auszusprechen.
Das darf uns allerdings nicht hindern, völlig unbeeinflußt aus der Sache heraus zu den einzelnen Bestimmungen Stellung zu nehmen, wie das von meinen Vorrednern bereits geschehen ist. Da schon sehr vieles von dem, was auch ich dazu zu sagen hätte, behandelt worden ist und die erste Lesung nur dazu dienen soll, die Grundprobleme anzusprechen und zu klären, werden Sie Verständnis dafür haben, daß ich meine Darlegungen erheblich abkürze.
Auch ich bedaure, daß der Entwurf so lang geworden ist. Aber der Herr Justizminister hat bereits hervorgehoben, daß eine Reihe von Problemen neu angesprochen, neu behandelt worden sind, die die alte Anwaltsordnung nicht hatte. Der Anwärterdienst, das sehr wichtige Berufsverbot und ähnliche Bestimmungen sind Neuerungen, die in Paragraphen gefaßt werden müssen. Ich erkenne gern an, daß in ganz wesentlichen Punkten die Bedenken beseitigt worden sind, die ich im Jahre 1952 in der ersten Lesung auch namens meiner Fraktion gegen den damaligen Entwurf der
Bundesrechtsanwaltsordnung vorbringen mußte. Ich mußte damals feststellen, daß der Entwurf keinen wirklichen Fortschritt, keinen Geist, einen Neubau zu schaffen, erkennen lasse, sondern daß — man behauptete damals wie heute: durch Bestimmungen des Grundgesetzes gezwungen — der Anwaltschaft in einer Reihe von wesentlichen Punkten Rechte genommen oder beschnitten werden sollten, von denen sie - das wird allgemein anerkannt — einen guten und angemessenen Gebrauch gemacht hat, insbesondere in der Gestaltung der Ehrengerichtsbarkeit, Rechte, die sie ein halbes Jahrhundert und noch länger, insgesamt 75 Jahre, hatte.
Ich stimme dem Herrn Kollegen Wagner grundsätzlich zu: man sollte nicht immer mit solcher Ängstlichkeit auf das Grundgesetz starren und meinen, daß die Väter des Grundgesetzes etwa die Absicht gehabt hätten, Bewährtes zu beseitigen. Man darf darauf hinweisen — und ein hervorragender Sachkenner auf diesem Gebiet wie der von Herrn Kollegen Stammberger bereits zitierte Dr. Friedländer tut das für das Gebiet des Anwaltsrechts auch -: es sieht beinahe so aus, als ob man vor 1949 nicht in einem Rechtsstaat gelebt hätte, als ob früher kein Rechtsstaat bestanden hätte.
Die Ehrengerichtsbarkeit mündete doch nach der deutschen Rechtsanwaltsordnung stets beim höchsten Gericht, dem dem Reichsgericht angegliederten Ehrengerichtshof. Man wird sagen können, daß insofern auch damals rechtsstaatlichen Gesichtspunkten durchaus Rechnung getragen war.
Vom Herrn Kollegen Wagner ist bedauert worden, daß die Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände den Kampf um die Zulassung durch den Anwaltskammervorstand aufgegeben habe; er hat gemeint, es lohne sich infolgedessen nicht mehr, sich für dieses Ziel einzusetzen. Ich habe vor zweieinhalb Jahren den Standpunkt vertreten: es geht der Anwaltschaft hier nicht um das Prestige; wenn die Länderjustizverwaltungen glauben, sich eine Zacke aus der Krone zu brechen, falls sie auf das Recht der Zulassung verzichten, gut. Ich sehe darin nichts Entscheidendes, wenn — das ist wesentlich — das entscheidende Mitspracherecht der Anwaltschaft und ihrer Organisationen, der Anwaltskammervorstände, bei der Zulassung gewahrt ist.
Dieses Ziel ist im Entwurf in einer durchaus glücklichen Weise verwirklicht. Das ist ja auch von anderen Kollegen bereits anerkannt worden. Ich glaube, daß man, fast möchte ich sagen, den Stein der Weisen mit dieser Lösung gefunden hat, die den rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, wie sie heute nun einmal gegeben sind, entspricht und dem Kammervorstand ein selbständiges Anfechtungsrecht gibt. Wenn der Kammervorstand so wesentlich im Zulassungsverfahren beteiligt ist, dann glaube ich nicht, daß man unbedingt auch noch die Zulassung durch den Kammervorstand selbst zu fordern braucht. Es fällt mir nicht leicht — auch in meinem Bezirk, in dem ich jetzt rund acht Jahre tätig bin, war bisher das Recht der Zulassung dem Kammervorstand gegeben —, auf dieses Recht zu verzichten, und wir werden, das steht uns frei, im Ausschuß diesen Gedanken erneut ventilieren müssen; also dafür bin ich schon. Wir müssen sehen, daß wir die für Anwaltschaft und
Rechtspflege beste Lösung herbeiführen. Es steht also durchaus nichts im Wege, auch diese andere Lösung, die früher im Vordergrund stand, zu debattieren und ihre Vorzüge ins Feld zu führen. Das wird unsere Sache sein.
Einen weiteren, einen entscheidenden Fortschritt des jetzigen Entwurfs sehe ich darin, daß man der von uns aufgestellten Forderung entsprochen hat, daß die Anklagen im ehrengerichtlichen Verfahren einheitlich beim Ehrengericht erfolgen, wenn dies auch gerade in den schwersten Fällen nur eine reine formelle Bedeutung hat, weil dieses Ehrengericht die Sache dann an den Ehrengerichtshof verweisen muß. Aber immerhin ist das Ehrengericht nicht von vornherein zu einem Bagatellgericht degradiert, und vor allen Dingen ist dadurch vermieden worden, daß etwa auch weniger bedeutende Sachen durch Erhebung der Anklage beim Ehrengerichtshof der Zuständigkeit des Ehrengerichts entzogen werden können, wie das nach dem früheren Entwurf möglich war. Gerade darin bestand ein Hauptbedenken.
Nun möchte ich eine — allerdings nebensächliche — Bestimmung hervorheben, deren Einführung einen wirklichen Fortschritt bedeutet. Die Praxis erlischt jetzt nicht mehr ohne weiteres mit dem Tode des Anwalts, sondern in § 67 ist vorgesehen, daß ein Abwickler bestellt werden kann. Dieser Gedanke ist zu begrüßen und trägt einer Entwicklung Rechnung, die sich in der Praxis angebahnt hat.
Ich bejahe mit dem Herrn Kollegen Wagner und den Vorrednern die Notwendigkeit des Anwärterdienstes. Der Anwärterdienst dauert nur ein Jahr. Wir haben ihn in der früher französisch besetzten Zone bisher nicht gehabt und bedauern das. Die Erfahrungen beim Ehrengericht haben gezeigt, daß der Anwärterdienst notwendig ist, um denjenigen, der Anwalt werden will, in die Sitten, Gebräuche und Anschauungen des Standes einzuführen, ihn mit dem Standesrecht bekanntzumachen. Das ist in der allgemeinen Ausbildung nicht in ausreichendem Maße möglich. Die Dauer der Anwärterzeit ist auf nur ein Jahr vorgesehen, und es sind auch Abkürzungen möglich, so daß nach meiner Meinung ein Mißbrauch — Herr Kollege Wagner glaubte diese Befürchtung einiger seiner Freunde herausstellen zu müssen — nicht zu befürchten ist. Meines Erachtens ist nur noch eine Frage ungelöst, was nun wird, wenn festgestellt wird, daß der Bewerber den Anforderungen des Anwärter-dienstes nicht genügt hat. Ist in diesem Fall darin eine Zulassung zur Anwaltschaft schlechthin ausgeschlossen? Ist das dann ein weiterer Versagungsgrund? Diese Frage ist, soweit ich sehe, noch nicht behandelt; darauf möchte ich hinweisen.
Die Zulassung soll nach dem Entwurf von der Landesjustizverwaltung ausgesprochen werden. Ich habe bereits meinen Standpunkt dazu dargelegt. Es wäre durchaus möglich, ohne daß eine Lösung der Anwaltschaft von der Justiz einträte — das haben doch die Erfahrungen von acht Jahren gezeigt —, die Zulassung in der Hand der Anwaltskammervorstände zu lassen. Es ist nicht zu befürchten, daß sich dann — ich wäre der letzte, der eine derartige Entwicklung anstreben wollte — die Anwaltschaft vom Gericht, von der übrigen Justiz löst und eine vollständige Selbstverwaltung für sich beansprucht. Auch in dem Falle, daß man das Recht der Zulassung dem Anwaltskammervorstand gäbe, würde nach meiner Meinung
eine entscheidende Mitwirkung der staatlichen Behörden vorzusehen sein. Ich halte die Lösung, die jetzt im Entwurf gefunden ist, zwar vom anwaltlichen Standpunkt aus nicht für unbedingt begrüßenswert, aber immerhin für tragbar.
Die Versagungsgründe sind von einzelnen Kollegen bereits eingehend behandelt worden; insbesondere ist zu der sogenannten politischen Klausel Stellung genommen worden. Herr Kollege Stammberger hat, ich darf nochmals darauf hinweisen, das immerhin gewichtige Wort eines Max Friedländer in die Waagschale geworfen; er hat die Befürchtungen wiedergegeben, die Max Friedländer für den Fall geäußert hat, daß es bei der Klausel des § 19 Ziffer 6 bliebe. Ich habe ähnliche Befürchtungen, wie sie von Herrn Kollegen Wagner, den Herren Dittrich und Stammberger dargelegt worden sind. Aber ich glaube, Herr Kollege Wagner, man sollte nicht einzelne Sätze aus einem Ganzen heraus zitieren. Sie haben den wichtigsten Satz, der in dieser Eingabe, in der gemeinsamen Denkschrift steht, dankenswerterweise auch zitiert Es heißt dort:
Sollten sich einmal wieder Entwicklungstendenzen zeigen, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen, so muß gerade der Rechtsanwalt in der Lage sein, für Verfassung, Freiheit und Recht einzutreten.
Ich wiederhole: für Verfassung einzutreten. Es ist nicht etwa Sinn dieser Darlegung, man halbe zulassen wollen, daß Anwälte, die verfassungsfeindlich eingestellt sind, unbedingt Zutritt zur Anwaltschaft haben müssen.
Das ergibt sich ganz eindeutig aus einer auch von den Kammervorständen gebilligten Bestimmung, die in der Diskussion noch nicht erwähnt warden ist. Ich verweise auf § 19 Ziffer 1, wo bestimmt ist, daß die Zulassung zu versagen ist, ,wenn der Bewerber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht verwirkt hat". Da ist bereits eine objektive Feststellung durch das höchste Gericht über die Einstellung zur Verfassung getroffen. Das Grundgesetz hat selbst vorgesehen, daß, wenn jemand von den Grundrechten in einer mißbräuchlichen Weise, nämlich um die freie demokratische Grundordnung zu untergraben, Gebrauch macht, er dieser Rechte entkleidet werden kann. Aber mir scheint auch diese Bestimmung des Entwurfs noch etwas zu weit zu gehen. Wir müssen einmal das Grundgesetz selbst und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht zu Rate ziehen. Im Grundgesetz heißt es, daß das Ausmaß dieser Maßnahmen durch ein Gesetz bestimmt wird. Das Gesetz über das Bundesverfasungsgericht hat in seinem § 39 dieses Ausmaß bestimmt. Es heißt dort:
Es
— das Bundesverfassungsgericht —
kann die Verwirkung auf einen bestimmten Zeitraum, mindestens auf ,ein Jahr, befristen. Es kann dem Antragsgegner auch nach Art unid Dauer genau bezeichnete Beschränkungen auferlegen, soweit sie nicht andere als die verwirkten Grundrechte beeinträchtigen.
Und der Abs. 2 lautet:
Das Bundesverfassungsgericht kann dem :Antragsgegner auf die Dauer der Verwirkung der
Grundrechte das Wahlrecht, die Wählbarkeit
und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen und bei juristischen Personen ihre Auflösung anordnen.
Also, es kann es auf die Dauer, muß es aber nicht. Das Bundesverfassungsgericht ist sehr frei gestellt. Es sollte nach meiner Meinung bei dieser Bestimmung irgendwie zum Ausdruck gebracht werden, daß man nicht beabsichtigt, daß jemand auf die Dauer von der Anwaltschaft ausgeschlossen wird, wenn ihm nur auf Zeit ein Grundrecht aberkannt ist. Die Bestimmung müßte also wohl so gefaßt werden: „solange der Bewerber ... ein Grundrecht verwirkt hat". Dann käme nach meiner Meinung das richtig zum Ausdruck, was hier gemeint ist.
Ich kann — und diese Auffassung wird von vielen meiner Freunde geteilt — die Befürchtung nicht unterdrücken, daß mit der Bestimmung des § 19 Ziffer 6 an eine der Grundsäulen der Anwaltschaft, die freie Advokatur, gerührt wird; die Gefahr besteht, daß mit dieser Bestimmung Mißbrauch getrieben wird. Es hat mich schon sehr beruhigt, daß der Herr Bundesjustizminister ausdrücklich hervorgehoben hat, diese Bestimmung gelte ja nur für die Zulassung und nicht für die Zurücknahme der Zulassung. Herr Kollege Stammberger hat in dieser Hinsicht schon gewisse Bedenken unter Hinweis auf § 32 geäußert,
der allerdings nur das Problem der Zulassung zu einem Gericht und nicht das der allgemeinen Zulassung als Anwalt behandelt. Wir werden diese Problematik im Ausschuß sehr eingehend prüfen müssen.
Auch die Frage, Herr Kollege Wagner, werden wir prüfen müssen, ob man vom Anwalt mehr verlangen soll als vom Staatsbürger schlechthin, indem man ihm einen Eid auferlegt, der die Treue zur Verfassung besonders beinhaltet, während vom Staatsbürger schlechthin ein solches Bekenntnis nicht gefordert wird.
— Organ der Rechtspflege, aber nicht losgelöst von der Rechtspflege, in freier Weise in die Rechtspflege eingebaut. Ob dieser Einbau so weitgehend ist, daß wir deshalb den Eid fordern sollten, das werden wir im Ausschuß prüfen müssen. Ich meine, gerade das Eidesproblem ist in den letzten Jahren sehr stark erörtert worden. Der Umstand, daß Eide auf Verfassungssysteme und auf Persönlichkeiten geleistet wurden, hat ja weitgehend zu einer Entwertung des Eides geführt. Wir sollten darin sehr vorsichtig, sehr vorsichtig sein. Mehr will ich auch nicht sagen, Herr Kollege Wagner.
— Jawohl! Na ja, das ganze Problem ist bei dieser Gelegenheit sehr in die Diskussion gekommen. Wir sollten nichts tun, um nun den Eid weiter zu entwerten, wobei ich meiner persönlichen Meinung dahin Ausdruck gebe, daß es gar nicht diskutiert werden sollte, daß der Anwalt, der seine Zulassung im Bundesgebiet verlangt, selbstverständlich auf dem Boden der Verfassung stehen muß und die Verfassung als solche verteidigen soll.
Ich begrüße es, daß in § 27 Ziffer 1 in der Fassung des Bundesrats eine Bestimmung aufgenommen worden ist, die wir im Anwaltsrecht bisher außerordentlich stark vermißt haben, daß ein Anwalt
auch dann aus der Anwaltschaft ausgeschlossen bzw. seine Zulassung zurückgenommen werden kann, „wenn er in Vermögensverfall geraten ist und dadurch die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind". Das ist eine Bestimmung, die wir bisher schmerzlich vermißt haben und die sich meines Erachtens sehr segensreich auswirken kann, weil man damit die Leute, die nicht mehr würdig sind, Anwalt zu sein, aus der Anwaltschaft herausbringen kann.
Zur Frage der Ehrengerichtsbarkeit. Herr Bundesjustizminister, Sie verwiesen auf den Beschluß der Oberlandesgerichtspräsidenten und meinten, daß man den dargelegten Meinungen besonderes Gewicht beilegen müsse. Ich möchte meinen, daß die Stellungnahme der Präsidenten der Anwaltskammern, die in diesem Punkt völlig einig sind, das gleiche Gewicht und die gleiche Würdigung in Anspruch nehmen kann wie die Stellungnahme der Oberlandesgerichtspräsidenten, bei aller Anerkennung der Bedeutung und Erfahrung und des Hochstandes des Wissens und der Wissenschaft bei diesen Herren. Aber ich glaube, das können die anderen auch für sich in Anspruch nehmen.
Ich bin nicht davon überzeugt worden, daß es nicht möglich sein sollte, diese Zweispurigkeit des Ehrengerichtsverfahrens zu beseitigen. Das würde auch einem Ziel dienen, das mir besonders erstrebenswert erscheint, nämlich den Entwurf erheblich zu verkürzen. Ich glaube, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober vorigen Jahres weist da den Weg. Ich persönlich habe in dieser Hinsicht immer Zweifel geäußert und habe gesagt: wenn doch drei oder fünf Leute da sitzen, die zum Richteramt befähigt sind, weshalb soll das kein Gericht sein, wenn der Staat ihnen im Gesetz eine richterliche Tätigkeit zuweist, wie es hier geschieht? Das war stets mein Standpunkt.
Wenn Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht als entscheidendes Kriterium fordern sollten, daß der Richter unabhängig sein muß, dann wird man doch dieses Merkmal dem Anwalt gewiß nicht bestreiten wollen. Das ist doch gerade der besondere Stolz der Anwaltschaft, daß sie ihre Unabhängigkeit sowohl dem Staat wie dem Mandanten wie auch seiner Standesorganisation gegenüber stets heraushebt und betont. Weshalb der Anwalt, der unabhängig ist, dann nicht auch als unabhängiger Richter tätig sein könnte, ist mir ein Rätsel.
Letztlich könnte doch auch ein Weg gegangen werden, wie ihn das Bundesverfassungsgericht als unbedenklich bezeichnet. Es ist doch möglich, daß die Ehrenrichter durch die Landesjustizverwaltung auf Vorschlag der Anwaltskammer ernannt werden. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß auch anderswo für die Bestellung von Richtern Wahlausschüsse tätig sind. Ein solches Verfahren wird man nach meiner Meinung leicht regeln können. Dann ergäbe sich möglicherweise eine ganz erhebliche Vereinfachung des Entwurfs, an der mir auch außerordentlich viel gelegen ist. Vor allen Dingen könnte der Rechtszug klarer und einfacher gestaltet werden. Ich meine, daß man mit dem Rechtszug, wie er früher zur Zeit der Rechtsanwaltsordnung von 1878 bestanden hat, beste Erfahrungen gemacht hat. Gerade bei Anwaltssachen, bei denen ,Pflichtwidrigkeiten zu beurteilen sind, will es mir nicht recht geeignet erscheinen, daß die letzte Instanz lediglich als Revisionsinstanz
ausgebildet werden soll. Das war auch früher bei dem Ehrengerichtshof, der beim Reichsgericht bestand, nicht der Fall.
Wir werden uns also auch mit dieser Frage, die Herr Kollege Wagner sehr eingehend angesprochen hat, beschäftigen müssen. Wenn wir unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenüberstehen sollten, müßten wir uns auch einmal das Grundgesetz ansehen. Es sollte dann nicht allzu schwierig sein, wenn der Grundgesetzgeber etwas Wichtiges übersehen hätte, das mit Zustimmung des ganzen Hauses in Ordnung zu bringen. Überhaupt bin ich der Meinung, daß die Bundesrechtsanwaltsordnung vom Standpunkt der verschiedenen Parteien aus gar keine verschiedene Würdigung erfahren kann. Es handelt sich hier genau wie bei der Zivilprozeßordnung um Dinge, die an sich nicht von Parteiansichten aus gelöst werden können und gelöst werden dürfen, sondern bei denen nur der Gesichtspunkt obenanzustehen hat: Wie schaffen wir das beste Recht? Wenn wir von diesem Gedanken beseelt sind, werden wir nach meiner Meinung im Ausschuß auch gute Arbeit leisten.
Noch einige kleine am Rande liegende Probleme. Hinsichtlich des Fachhinweises, Herr Kollege Wagner, teile ich Ihre Bedenken voll und ganz. Die Anwaltschaft kann sich das Recht nicht nehmen lassen, selber darüber zu bestimmen, wie jemand seine besondere Kenntnis kundtut. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß dem Anwalt Werbung untersagt ist. Wenn er den Hinweis auf besondere Sachkunde auf einem Rechtsgebiet geben will, dann weiß darüber der :Kammervorstand am besten Bescheid; er kann diese Dinge beurteilen. Völlig unmöglich ist die Lösung des § 250, der der Regierung sozusagen eine Blankovollmacht ausstellt. Das ist unannehmbar. Nach meiner Meinung soll über die Berechtigung zur Führung des Fachhinweises nur der Vorstand der Anwaltskammer entscheiden dürfen.
Zur Simultanzulassung der Land- und Amtsgerichtsanwälte zum Oberlandesgericht ist hier auch schon von verschiedenen Rednern ein Standpunkt dargelegt worden, aus dem sich zumindest ergab, daß die Auffassungen der Anwaltschaft selber in dieser Hinsicht nicht einheitlich sind. Wenn die Meinungen darüber, welche Regelung sachlich — und das sollte nach meiner Meinung ausschlaggebend sein — die beste ist, geteilt sind und darüber auch innerhalb der Anwaltschaft eine Einigung nicht erzielt werden konnte, so wird sich der Ausschuß dieser Arbeit unterziehen müssen.
Das Problem des Syndikus-Anwalts ist im Entwurf meines Erachtens in einer zu engen Weise geregelt. Daß man den Syndikus-Anwalt, wie es der § 58 vorsieht, vor keinem Gericht und Schiedsgericht tätig werden lassen will, geht mir doch zu weit. Dia frage ich mich: Weshalb ist er dann noch Anwalt? Den bloßen „Titularanwalt" wollen wir doch nicht. Ich glaube, wir werden hier schon — das hat auch Herr Kollege Wagner von seinem Standpunkt aus angedeutet — zu einer gewissen Lockerung kommen müssen und das gesamte Problem noch einmal sehr unter die Lupe nehmen müssen.
Ziel aller unserer Arbeit muß nach meiner Meinung sein: Sicherung und Stärkung eines freien und unabhängigen Anwaltsstandes, damit Sicherung und Stärkung des Rechtsstaates und einer unabhängigen Rechtspflege.