Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen heute den Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung vorzulegen. Ich darf sagen, es ist für mich als alten Rechtsanwalt eine besondere Stunde, in der ich Ihnen diesen Entwurf vortragen darf. Der Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung ist bereits dem 1. Deutschen Bundestag vorgelegt worden. Er hat, als am 2. Oktober 1952 die erste Lesung stattfand, in vielen Punkten keine allzu freundliche Aufnahme gefunden. Der Entwurf konnte dann bei der Arbeitsüberlastung des 1. Bundestages nicht mehr verabschiedet werden. Die Zwischenzeit bis zur erneuten Einbringung des Entwurfs habe ich zu weiteren Verhandlungen mit dien Vertretern der Anwaltschaft und den Landesjustizverwaltungen genützt. Dabei konnte ich für die beiden wichtigsten Fragenbereiche, nämlich für die Frage der Zulassung und für die Frage der Ehrengerichtsbarkeit, neue Lösungen vorschlagen und eine Basis schaffen, auf der sich meiner Auffassung nach die beteiligten Kreise zusammenfinden könnten.
Bei der Zulassung zum Anwaltsberuf und bei der Ausgestaltung ides ehrengerichtlichen Verfahrens, auf 'die sich die Einwendungen gegen den ersten Entwurf vornehmlich bezogen, handelt es sich um zwei Kernfragen des anwaltlichen Standesrechts. Sie berühren die Stellung der Anwaltschaft innerhalb der Rechtspflege. Darüber hinaus können die Fragen der Zulassung zum Beruf und der Ausschließung aus dem Beruf auch in einem größeren Zusammenhang gesehen werden; denn sie haben Bedeutung für die freischaffenden Berufe überhaupt.
Für die Zulassung zur Anwaltschaft soll ebenso wie früher der Grundsatz der freien Advokatur gelten. Ich glaube, darüber sind sich alle Beteiligten einig. Ich darf hier nur an die großen Namen derer erinnern, die sich in der Rechtsanwaltschaft für das Recht eingesetzt haben, die unerschrocken und kühn immer das Recht gewahrt haben und die, wenn es das Recht dies einzelnen zu schützen galt, auch vor den Mächtigen dieser Erde nicht haltgemacht haben. Das soll auch so bleiben. Der Anwalt soll Organ der Rechtspflege sein; niemals aber darf er Instrument des Staates werden. Das würde das Ende der freien Advokatur bedeuten.
Als Rudolf von Gneist die Forderung nach der freien Advokatur im Jahre 1867 zum erstenmal erhob, wollte er sichergestellt wissen, daß ein Bewerber einen Anspruch auf Zulassung habe und daß ein Gesuch um Zulassung nicht nach freiem Ermessen abgelehnt werden könne. Die Rechtsanwaltsordnung von 1878 hat diese Forderung nach der Freiheit der Advokatur im wesentlichen erfüllt. Es blieb jedoch eine sehr hinderliche Schranke, nämlich die sogenannte Heimatklausel. Sie bewirkte, daß der Bewerber nur in dem Lande
einen Anspruch auf Zulassung zur Anwaltschaft erheben konnte, in dem er das juristische Staatsexamen abgelegt hatte.
Der Ihnen vorliegende Entwurf verwirklicht den Grundsatz der freien Advokatur in vollem Umfang. Er sieht nunmehr auch die Freizügigkeit bei der Zulassung vor. Diese Neuerung Wird — das darf ich an dieser Stelle hervorheben — von vielen Juristen, die infolge des Krieges und des Zusammenbruchs ihre Heimat verlassen mußten, dankbar begrüßt werden.
Ich bin sehr dankbar, daß durch das Verständnis und das Entgegenkommen der Länder die Freizügigkeit ermöglicht werden wird. Mit der Freizügigkeit wäre es nicht vereinbar,wenn bei einem Wechsel der Zulassung von Land zu Land der gesamte Katalog der Versagungsgründe jeweils von neuem geprüft werden müßte, wie dies früher der Fallgewesen ist.
Der Rechtsanwalt wird künftig ein für allemal zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Ändern kann sich allein die lokale Zulassung bei einem Gericht. Deshalb konnte der Entwurf, so Wie es schon in dem bekannten Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung von Friedländer gefordert wird, zwischen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und der Zulassung bei einem bestimmten Gericht unterscheiden.
Wenn sich neuerdings die Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet in ihrer Denkschrift gegen diese Unterscheidung wendet, so erscheint mir dies nicht berechtigt. Die Arbeitsgemeinschaft übersieht in ihrer Stellungnahme, daß die Aufgliederung in die allgemeine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und in die lokale Zulassung zu einem bestimmten Gericht nicht nur der systematischen Klarstellung, sondern vor allem der Sicherheit des einzelnen Anwalts dient. Da der Entwurf den Zugang zur Anwaltschaft nicht von dem Ermessen der zulassenden Stelle abhängig macht, ist eine wichtige Garantie für die Freiheit der Rechtsanwaltschaft gegeben.
Bei der Frage, wer über die Zulassung entscheiden soll, darf nicht außer acht gelassen werden, daß diese Stelle bei ihrer Entscheidung an das Gesetz gebunden ist. Sie muß grundsätzlich einem Antrag stattgeben. Sie darf die Zulassung nur unter ganz bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen versagen. Sie ist auch in ihren ablehnenden Entscheidungen — anders als nach der Rechtsanwaltsordnung von 1878 — in allen Fällen der 'gerichtlichen Kontrolle unterworfen.
Bei der viel erörterten Frage, ob die Entscheidung über einen Zulassungsantrag in den Händen der Landesjustizverwaltung liegen oder auf den Vorstand der Rechtsanwaltskammer delegiert werden soll, sieht der Ihnen vorliegende Entwurf eine neue Lösung vor. Er hält zwar im Grundsatz daran fest, daß die Landesjustizverwaltung für die Entscheidung zuständig ist. Eine solche Regelung entspricht der Tradition; sie war auch in der Rechtsanwaltsordnung von 1878 enthalten. Man kann nicht etwa einwenden, die freie Stellung des einzelnen Rechtsanwalts werde dadurch beeinträchtigt, daß er durch den Staat zugelassen werde. Wie die Geschichte zeigt, haben die Rechtsanwälte unter der Geltung der alten Rechtsanwaltsordnung von 1878 ihre Aufgabe als unabhängige und freie Berater und Vertreter der Rechtsuchenden voll und ganz erfüllen können. Bei den parlamentarischen Beratungen der Rechtsanwaltsordnung von
1878 ist die staatliche Zuständigkeit im Zulassungsverfahren von keiner Seite in Zweifel gezogen warden. Es konnte auch nicht geschehen, weil eine solche Regelung in einem engen Zusammenhang mit dem Anwaltszwang vor den Kollegialgerichten steht.
Ein Blick auf das ausländische Anwaltsrecht bestätigt diesen Zusammenhang. In den Staaten, in denen die Zulassung zur Anwaltschaft den Standesorgansationen überlassen ist, wie z. B. in Frankreich und in Schweden, findet sich kein dem deutschen Recht irgendwie vergleichbarer Anwaltszwang. Überall dort, wo Anwaltszwang besteht, ist auch die Zulassung nicht dem Rechtsanwaltskammervorstand überlassen, sondern wird von Staats wegen verliehen.
Die Befugnis, über Zulassungsanträge zu entscheiden, kann auch deshalb nicht auf den Vorstand einer Anwaltskammer übertragen werden, weil die Zulassung zu dem Beruf des Anwalts als solchem nicht zu den Aufgaben der Selbstverwaltung der einzelnen Rechtsanwaltskammer gehört. Eine Übertragung der Zulassung zu dem Beruf auf eine Standesorganisation würde letztlich zu einem ständischen Aufbau des Berufs führen. Eine solche Entwicklung wäre doch wohl aus verfassungsrechtlichen und auch aus verfassungspolitischen Gründen abzulehnen.
Der Grundsatz, daß die LandesjustizverWaltung über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entscheidet, bedeutet keineswegs, daß die Landesjustizverwaltung allein über die Anträge auf Zulassung befindet. Vielmehr ist der Anwaltschaft eine entscheidende Mitbestimmung eingeräumt. Schon die Rechtsanwaltsordnung von 1878 sah eine Mitwirkung der Anwaltschaft in Zulassungssachen vor. So waren die Landesjustizverwaltungen verpflichtet, vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag den Vorstand der Rechtsanwaltskammer gutachtlich zu hören. Bei gewissen Versagungsgründen war die Landesjustizverwaltung an die gutachtliche Äußerung der Anwaltskammer gebunden. Diese Regelung konnte der jetzige Entwurf nicht übernehmen. Mit den Grundsätzen des Rechtsstaates wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein Staatsorgan, das eine Entscheidung zu treffen und vor den Gerichten zu vertreten hat, an ein Gutachten einer anderen Stelle, die bei der Zulassung mitzuwirken hat, gebunden sein sollte.
Wegen dieser Bedenken legte der erste Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung dem Gutachten der Rechtsanswaltskammer keine bindende Kraft mehr bei. Der neue Entwurf enthält demgegenüber einen wesentlichen Fortschritt. Er legt einem ablehnenden Gutachten des Vorstandes, sofern es sich nicht gerade um leicht feststellbare, automatisch wirkende Versagungsgründe handelt, eine Art von Sperrwirkung bei. In den Fällen, die in § 19 Nrn. 5 bis 8 des Entwurfs im einzelnen angeführt sind, kann sich die Landesjustizverwaltung über ein negatives Gutachten der Anwaltskammer nicht hinwegsetzen; vielmehr muß sie sich zunächst einer Entscheidung enthalten. Das Gutachten wird dem Bewerber zugestellt. Der Bewerber hat dann Gelegenheit, gegen den Vorstand der Rechtsanwaltskammer auf Feststellung zu klagen, daß der im Gutachten angeführte Versagungsgrund nicht vorliege.
Das gerichtliche Verfahren findet vor dem Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte statt. Dieser Ehrengerichtshof wird überwiegend mit Rechts-
anwälten besetzt werden. So ist auch im gerichtlichen Verfahren sichergestellt, daß die Zulassungssachen von einem Richterkollegium entschieden werden, das auf dem Gebiet des anwaltschaftlichen Berufsrechts besondere Sachkunde besitzt.
Somit ist in dem neuen Entwurf eine Lösung gefunden, die dem Wunsch der Anwaltschaft, bei der Zulassung mitzuwirken, im größtmöglichen Umfang entgegenkommt. Zugleich — darauf ist besonderer Wert zu legen — gewährt das Verfahren dem einzelnen Bewerber, der seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft anstrebt, den besten Rechtsschutz sowohl gegenüber der staatlichen Justizverwaltungsbehörde als auch gegenüber den Organen der anwaltlichen Berufsorganisation. Dieser Vorschlag, den ich seinerzeit als Vermittler zwischen den Landesjustizverwaltungen und der Anwaltschaft gemacht habe, ist sowohl von den Landesjustizverwaltungen als auch der Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet angenommen worden. Es ist nicht zu verkennen, daß die Landesjustizverwaltungen dadurch in ihrer Entscheidungsbefugnis erheblich eingeschränkt werden. Gerade in den Zweifelsfällen müssen sie sich einer Entscheidung enthalten. Die Landesjustizverwaltungen haben aber ihre Bedenken dankenswerterweise zurückgestellt, um die lange erwartete Neuordnung des Anwaltsrechts zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu dem zweiten grundsätzlichen Punkt, zu dem Ihnen in dem vorliegenden Entwurf ebenfalls eine neue Lösung vorgeschlagen wird, nämlich zu dem ehrengerichtlichen Verfahren.
Der erste Entwurf unterschied zwischen dem ehrengerichtlichen Verfahren, in dem auf Warnung, Verweis und Geldbuße erkannt, und dem Ausschließungsverfahren, in dem eine schwere Pflichtverletzung mit der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft geahndet werden sollte. Das ehrengerichtliche Verfahren im engeren Sinne —und das ist besonders wichtig — sollte in erster Instanz vor das Ehrengericht der Anwaltskammer gehören, während für das Ausschließungsverfahren im ersten Rechtszug anwaltliche Senate der Oberlandesgerichte zuständig sein sollten.
Diese im ersten Entwurf vorgeschlagene Zweiteilung des ehrengerichtlichen Verfahrens hat wenig Anklang gefunden. Die Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet wünschte, daß auch die Ausschließung im ersten Rechtszug dem Ehrengericht der Anwaltskammer übertragen werden sollte. Diese Forderung hat sie in ihrer Denkschrift, die sie den Mitgliedern des Rechtsausschusses zugeleitet hat, auch jetzt wieder erhoben.
Wohl habe ich für den Wunsch der Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände, bei der Ausschließung untragbarer Mitglieder des Berufsstandes mitzuwirken, durchaus Verständnis. Ihm wird auch im neuen Entwurf Rechnung getragen. Dagegen lassen es die Grundsätze des Verfassungs- und Staatsrechts nicht zu, die Ausschließung aus dem Beruf völlig auf eine Standesorganisation zu übertragen. Und dies ist der einzige Grund, meine Damen und Herren, warum ich mich entschlossen habe, den Vorschlag zu machen, von dem ich jetzt sprechen werde. Einer solchen Delegation stehen die gleichen rechtlichen Bedenken entgegen, die es unmöglich machen, die Zulassung zum Beruf auf die anwaltschaftlichen Selbstverwaltungskörperschaften zu übertragen.
Die Ausschließung aus dem Beruf gehört ebenso wie ihr Gegenstück, die Zulassung zu dem Beruf, nicht zu den typischen Selbstverwaltungsaufgaben der Rechtsanwaltskammer. Bei der Ausschließung geht es nicht darum, daß einem Rechtsanwalt die Mitgliedschaft bei der Rechtsanwaltskammer, der er gerade angehört, aberkannt wird, vielmehr wird in die allgemeine Rechtsstellung des Betroffenen eingegriffen, indem er von der anwaltlichen Berufsausübung überhaupt ausgeschlossen wird. Wie schon das Reichsgericht in Band 170 Seite 333 ff. und neuerdings das Bundesverfassungsgericht ausgeführt haben, handelt es sich bei der Ausschließung um die Verfolgung eines staatlichen Strafanspruchs. Deshalb muß die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft ebenso wie die Zulassung in der Hand des Staates bleiben, wenn nicht die Struktur unseres Anwaltsstandes völlig verändert werden soll. Die Ausschließung aus der Anwaltschaft, durch die der Betroffene in seiner Existenz vernichtet wird, soll entsprechend der bisherigen Rechtsentwicklung einem Akt der Gerichtsbarkeit vorbehalten bleiben. Aus diesen beiden Gründen müssen für die Ausschließung von vornherein Gerichte zuständig sein, die nur staatliche Institutionen sein können.
Für manchen mag es auf den ersten Blick als ein Rückschritt gegenüber der Rechtsanwaltsordnung von 1878 erscheinen, wenn nicht mehr wie früher die Ehrengerichte der Rechtsanwaltskammern die Strafe der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft verhängen können. Die Änderung der Rechtslage ist aber darauf zurückzuführen, daß nach dem Grundgesetz den Organen einer Selbstverwaltungskörperschaft als solchen keine rechtsprechende Gewalt übertragen werden kann. Die Ehrengerichte der Rechtsanwaltskammern, die nach den Wünschen der Anwaltschaft weiter wie bisher von ihr gewählt und auch in einer teilweisen Personalunion mit den Vorständen der Rechtsanwaltskammern bestehen sollen, können nicht mehr wie früher als besondere staatliche Gerichte angesehen werden.
Diese Auffassung ist inzwischen auch durch eine Reihe von gerichtlichen Entscheidungen bestätigt worden. Erst unlängst hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 21. Oktober 1954 sich mit der Frage befaßt, welche Anforderungen an ein staatliches besonderes Berufsgericht zu stellen sind. Gegenstand der Untersuchung bildete das ärztliche Berufsgericht in Niedersachsen, wie es im Jahr 1946 errichtet worden war. Auf diesen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich nun die Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundsgebiet in der bereits erwähnten Denkschrift. Die Arbeitsgemeinschaft glaubt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen zu können, daß die anwaltschaftlichen Ehrengerichte, wie sie der Entwurf vorsieht, echte staatliche Gerichte seien. Hier liegt aber ein grundlegender Irrtum vor.
Deshalb muß ich in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kurz eingehen. Das ärztliche Berufsgericht Niedersachsen, über dessen Charakter sieh das Bundesverfassungsgericht auszusprechen hatte, war Anfang 1946 wie folgt gebildet worden. Der Oberpräsident der Provinz' Hannover, der damals die Befugnisse der obersten Exekutive in Niedersachsen ausübte, hatte zunächst einen Landgerichtsdirektor zum Vorsitzenden des ärztlichen Berufsgerichts bestellt. Er hatte ferner unter Mitwirkung
der Ärztekammer Niedersachsen zwei Ärzte als ärztliche Beisitzer berufen. Das Bundesverfassungsgericht hat diesem so besetzten Berufsgericht den Charakter eines besonderen staatlichen Gerichtes zuerkannt. Aus der Begründung sind hier die Ausführungen über den Vorsitzenden des Berufsgerichts von ganz besonderem Interesse. Das Bundesverfassungsgericht legt entscheidenden Wert darauf,
1. daß der Vorsitzende ein Berufsrichter war,
2. daß er von dem Oberpräsidenten als dem damals zuständigen staatlichen Organ bestellt worden war. Schon diese beiden Voraussetzungen — Berufsrichter und staatliche Bestellung — sind bei dem Ehrengericht der Anwaltskammer, wie es nach dem Wunsch der Arbeitsgemeinschaft gebildet werden soll, nicht gegeben. Die Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände könnte sich nicht mit dem Gedanken befreunden, daß etwa der Vorsitzende des Ehrengerichts durch den Staat bestellt würde. Das ist gerade nach dem Bundesverfassungsgericht eine der Voraussetzungen dafür, daß das Ehrengericht als staatliches Gericht anerkannt werden kann. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Ehrengerichte keinen staatlichen Charakter haben und daß sie deshalb keine Gerichte sind.
Zu der gleichen Auffassung sind unlängst auch die Oberlandesgerichtspräsidenten auf ihrer Bremer Tagung vom 21. März 1955 gelangt. Sie haben in ihrem Beschluß folgendes festgestellt:
Die Ehrengerichte, wie sie der Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung vorsieht, sind keine Gerichte. Deshalb wird ihnen auch nicht die Entscheidung über die Ausschließung aus der Anwaltschaft übertragen werden können.
Meine Damen und Herren, ich habe auf diese Gesichtspunkte besonders hingewiesen, weil ich mit Nachdruck betonen möchte, daß nicht obrigkeitliches Denken oder staatliches Machtstreben die Regelung des Entwurfs bestimmt haben. Maßgeblich waren allein die rechtlichen Überlegungen, die ich Ihnen vorzutragen mir erlaubt habe.
Wenn auch die Ausschließung aus dein Beruf nicht den Ehrengerichten der Rechtsanwaltskammern übertragen werden kann, so ist es doch ein besonderes Anliegen des neuen Entwurfs, die Mitwirkung der Anwaltschaft auch bei der Ausschließung gegenüber dem ersten Entwurf zu verstärken.
— Nein, nicht richtig! Es sind nur verfassungsrechtliche Gründe, die uns bewogen haben, für die Ausschließung nur den Ehrengerichtshof zuständig sein zu lassen. Ich habe Ihnen diese Gründe dargelegt, Herr Kollege Wagner. Sie werden mir zugeben, daß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht an ein ordentliches Gerichtsverfahren stellt, bei dem Ehrengericht nicht gegeben sind, erstens weil die staatliche Bestellung fehlt, die von der Anwaltschaft selbst nicht gewünscht wird, und zweitens weil nicht ein Berufsrichter der Vorsitzende ist.
Die neue Lösung im vorliegenden Entwurf ist kurz die folgende. Die Zweiteilung in ein ehrengerichtliches Verfahren im engeren Sinne und in ein Ausschließungsverfahren wird aufgegeben. Die Zuständigkeit zwischen dem Ehrengericht der Rechtsanwaltskammer, das kein staatliches Gericht ist, und dem nunmehr vorgesehenen Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte, der als ein besonderes staatliches Gericht gebildet und besetzt ist, wird neu abgegrenzt. Einer Anregung aus den Kreisen der Anwaltschaft entsprechend werden nunmehr alle ehrengerichtlichen Verfahren bei dem Ehrengericht der Rechtsanwaltskammer eingeleitet. Ein ehrengerichtliches Verfahren, das voraussichtlich zum Ausschluß aus der Rechtsanwaltschaft führen wird, gelangt erst dann an den Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte, der für die Ausschließung sachlich zuständig ist, wenn das Hauptverfahren zu eröffnen ist. Dem Ehrengericht der Rechtsanwaltskammer steht dabei ein selbständiges Prüfungs- und Entscheidungsrecht darüber zu, ob das Verfahren seine Zuständigkeit übersteigt und deshalb an den Ehrengerichtshof abgegeben werden muß.
Neben diesen beiden Hauptpunkten der Zulassung und des ehrengerichtlichen Verfahrens — ich kann hier natürlich nicht auf jeden einzelnen Punkt dieses umfangreichen Gesetzes eingehen — werden bei der Neuordnung des Anwaltsrechts eine Reihe von Fragen zu regeln sein, die für den einzelnen Rechtsanwalt von nicht geringer Bedeutung sind. Ich kann hier nur die Probleme der lokalen Zulassung, des Fachhinweises, des SyndikusAnwalts und nicht zuletzt die Frage der Simultanzulassung bei den Oberlandesgerichten erwähnen. Wenn wir hier eine gewisse Unterscheidung getroffen haben, so sind wir damit bei der Simultanzulassung einem Wunsche der Anwaltskammervorstände gefolgt, indem auf Grund der bestehenden Übung bei einzelnen Gerichten, insbesondere in Bayern, aber auch anderswo, diese Simultanzulassung aufrechterhalten wird, während im allgemeinen der Entwurf sich gegen die Simultanzulassung ausspricht. Diese Fragen werden bei den Ausschußberatungen und bei der zweiten und dritten Lesung im Plenum wohl eingehend zur Sprache kommen.
Hervorheben möchte ich, daß in dem Entwurf der Rechtsschutz des einzelnen Rechtsanwalts gegenüber verwaltungsmäßigen Anordnungen, die ihn in seinen Rechten berühren können, sei es, daß sie von den Organen der Rechtsanwaltskammern, sei es, daß sie von den Behörden der Landesjustizverwaltungen ausgehen, besonders ausgestaltet werden mußte. In dieser Verstärkung des Rechtsschutzes liegt ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der alten Rechtsanwaltsordnung von 1878.
Es wird dem Entwurf von der Arbeitsgemeinschaft neuerdings nachgesagt, daß er in dem Bestreben, alles und jedes zu regeln, zu umfangreich geworden sei. Dieser Vorwurf, demzufolge die Anwaltschaft die Tendenz, die Staatsgewalt zu stärken und die anwaltschaftliche Selbstverwaltung zurückzudrängen, glaubt erkennen zu können, ist unbegründet. Wohl hat die alte Rechtsanwaltsordnung von 1878 einen geringeren Umfang. Demgegenüber muß aber berücksichtigt werden, daß verschiedene Materien, z. B. der Anwärterdienst, die Anfechtung von Verwaltungsakten, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Kosten und eine große Zahl von Übergangsproblemen zusätzlich zu regeln waren und auch das ehrengerichtliche Verfahren im Interesse der Klarheit eingehender behandelt werden mußte.
Der Entwurf hat bereits die Billigung des Bundesrates gefunden. Der Bundesrat hat zwar eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen. Sie berühren indessen nicht das Grundgefüge des Entwurfs.
Nur auf einen Punkt glaube ich kurz eingehen zu sollen. Der Bundesrat hat zu dem Katalog der Versagungsgründe in § 19 des Entwurfs es für geboten gehalten, besonders hervorzuheben, daß einem Bewerber die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen sei, wenn nach seinem Verhalten die Besorgnis begründet sei, er werde als Rechtsanwalt die verfassungsmäßige Ordnung gefährden. Dieser Zusatz ist zu Unrecht als politische Klausel bezeichnet worden. Es geht dem Bundesrat nicht darum, die Anwaltschaft zu politisieren, eine Parteirichtung bei der Zulassung zu bevorzugen oder politische Gesinnungsschnüffelei zu betreiben; vielmehr handelt es sich um das sehr ernste Problem, den demokratischen Rechtsstaat davor zu schützen, daß sich jemand Zugang zur Rechtsanwaltschaft verschafft, um diese Stellung zum Kampf gegen die demokratische Freiheit auszunützen. Für dieses Anliegen wird man nach den Erfahrungen Verständnis haben können.
Eine solche Schranke ergibt sich übrigens bereits aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, nach dem sich niemand auf das Recht der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit berufen kann, soweit er gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt. Nur darauf aber kommt es an, und nur dies sollte zum Gegenstand dieser gesetzlichen Bestimmung gemacht werden. Es wäre völlig abwegig wenn man glauben wollte, daß man in einer solchen Bestimmung einen Angriff oder einen Vorstoß gegen die freie Advokatur erblicken könnte oder daß man ihr irgendwie einen Sinn zugrunde legen könnte, der gegen die Grundsätze der freien Advokatur verstieße.
Im übrigen handelt es sich nur darum, ein Verhalten zu würdigen, das vor der Zulassung liegt. Es können also nur untragbare Bewerber fernsehalten werden; dagegen kann nicht etwa die Zulassung später zurückgenommen werden, weil der bereits zugelassene Rechtsanwalt z. B. in politischen Prozessen eine Auffassung vertreten hat, die der Landesjustizverwaltung nicht genehm wäre. Ein solches Verhalten nach der Zulassung untersteht ausschließlich der Ehrengerichtsbarkeit; das möchte ich hier mit allem Nachdruck hervorheben.
Bei den sicherlich zu erwartenden Diskussionen wird nicht außer acht zu lassen sein, daß der Tatbestand nicht etwa von der Landesjustizverwaltung allein endgültig und unanfechtbar festgestellt wird, sondern daß die Entscheidung der Landesjustizverwaltung der gerichtlichen Kontrolle durch den Ehrengerichtshof und den Bundesgerichtshof unterliegt.
Es wäre mir an sich ein Anliegen gewesen, zugleich mit dem Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung einen Vorschlag für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Rechtsanwälte vorlegen zu können.
Sie wissen, daß ein derartiger Initiativantrag bereits den 1. Bundestag beschäftigt hat; es war dies Drucksache Nr. 3966 des 1. Bundestages. Inzwischen ist auf diesem Gebiet viel Arbeit geleistet worden. Eine Kommission, die von den Vertretungen der Anwaltschaft eingesetzt worden ist, hat sich unermüdlich bemüht, eine Lösung zu finden. Den von ihr ausgearbeiteten Entwurf haben die Vertretungen der Anwaltschaft zur Urabstimmung gestellt. Gerade in diesen Tagen hat mir die Arbeitsgemeinschaft mitgeteilt, daß der Kommissionsentwurf nahezu einmütig abgelehnt worden sei und daß sie selbst einen neuen Weg suchen werde.
Besonders dringlich sind die Fälle der alten, arbeitsunfähigen Rechtsanwälte und der Hinterbliebenen von Anwälten, die durch den Krieg und den Zusammenbruch ihr Vermögen verloren haben. Die Anwaltschaft hat hier im Wege der Selbsthilfe zweifellos große Leistungen vollbracht, die besonders anzuerkennen sind. Besondere Verdienste hat sich die Hülfskasse für Rechtsanwälte erworben, die nach dem Zusammenbruch in Hamburg wieder neu errichtet worden ist. Leider sind der Hülfskasse bisher nicht alle Rechtsanwaltskammern angeschlossen, so daß sich regionale Unterschiede ergeben.
Die Idee der Fürsorge im Rahmen der Selbsthilfe soll einen neuen Auftrieb erhalten. Deshalb gibt der Entwurf ihr eine sichere rechtliche Grundlage, die bisher vermißt wurde. So wird ausdrücklich festgelegt, daß es Aufgabe der Kammern auch sei, Fürsorgemaßnahmen zu treffen. Außerdem wird es in die Hand der Bundesrechtsanwaltskammer gelegt, Richtlinien für solche Fürsorgeeinrichtungen zu erlassen.
Meine Damen und Herren! Im Interesse der Anwaltschaft und vor allem auch im Interesse der Rechtspflege möchte ich wünschen, daß es dem Bundestag gelingt, den Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung bald zu verabschieden. Als am 1. Oktober des vergangenen Jahres der Tag, an dem mit dem Reichsjustizgesetz die erste einheitliche Rechtsanwaltsordnung in Kraft getreten ist, zum 75. Male wiederkehrte, war es für die Anwaltschaft besonders schmerzlich, daß sie die verlorengegangene Einheit des Standesrechts noch nicht wiedergewonnen hatte. Ich weiß mich deshalb mit der Anwaltschaft in dem Wunsche einig, daß möglichst bald durch die neue Bundesrechtsanwaltsordnung der Zustand der Rechtszersplitterung überwunden werde.