Rede von
Dr.
Hermann
Schmitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Notwendigkeit der Verabschiedung des heute zur Beratung stehenden Entwurfs besteht wohl im Hause völlige Übereinstimmung. Das Kernproblem, um das es hier geht, ist aber, wer schießen darf und wann überhaupt geschossen werden darf, und hier entspricht der Entwurf wohl nicht ganz dem, was wir auf der Grundlage der Grundrechte des Grundgesetzes von ihm hätten erwarten dürfen. Es mutet sehr merkwürdig an, Herr Minister, daß der Hinweis auf das Grundgesetz und seine Einschränkungen durch dieses Gesetz erst unter den Schlußbestimmungen, in § 11 des Gesetzes zu finden ist. Gerade nach den Jahren der Nazizeit wäre es sehr gut gewesen, wenn noch einmal eindringlich allen Bestimmungen dieses Gesetzes vorangegangen wäre, daß es sich hier um Einschränkungen der Grundrechte handelt und daß das gesamte Gesetz nur unter dem Gesichtspunkt zu sehen ist, daß die Grundrechte nur im äußersten Notfall eingeschränkt werden dürfen.
Die entscheidenden Mängel des Entwurfs beginnen allerdings bereits bei dem Personenkreis, dem die Bundesregierung die Befugnisse nach diesem Gesetz geben will. Wir wünschen nicht, daß allzu viele Beamte mit Schußwaffen versehen werden. Schon der Bundesrat hat mit Recht eine Reihe von Streichungen in dem vorliegenden Entwurf verlangt. So sollen z. B. die Beamten der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr ebenfalls das Recht zum Gebrauch der Schußwaffe erhalten. In § 2 Abs. 1 Nr. 7 heißt es: „Personen, die durch die zuständigen Bundesbehörden mit Aufgaben betraut sind, die den Beamten der Nr. 1 bis 6 obliegen". Das ist viel zu vage, Herr Minister. Auch in Ziffer 8 ist eine Generalermächtigung vorgesehen, wonach „die der Dienstgewalt von Bundesbehörden unterstehenden Personen, die zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bestellt sind", ebenfalls mit Schußwaffen ausgerüstet werden sollen.
Aber noch viel schlimmer ist der Abs. 2 des § 2, wonach Befugnisse nach diesem Gesetz weiteren Gruppen von Angehörigen der Bundesbehörden übertragen werden sollen, wenn Sie, Herr Minister, eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen. Nun gut, Herr Minister, Sie haben nach dem Bundesratsdurchgang darauf verzichtet, daß dieser Absatz aufgenommen wird. Aber Sie haben sich eine kleine Hintertür vorgesehen, indem in den Abs. 1 das Wörtchen „insbesondere" eingefügt werden soll. Wenn bei der Aufzählung des befugten Personenkreises noch dieses Wörtchen „insbesondere" eingefügt wird, womit die Bundesregierung sagen will, daß außer den insbesondere genannten Gruppen auch andere zur Ausübung unmittelbaren Zwanges befugt sein können, dann könnte das doch wieder eine Ausweitung dieses Personenkreises bedeuten.
Meine Damen und Herren, wir legen entscheidenden Wert darauf, daß zwischen den Vollzugsbeamten, die das Recht zum Schußwaffengebrauch haben, und der großen Gruppe anderer Vollzugsbeamten, die das Recht zum Schußwaffengebrauch nicht haben müssen, unterschieden wird. Ich glaube, wenn wir diese Unterscheidung vornehmen, verfahren wir richtig. Sehen wir uns vor allem einmal die Ziffer 6 des ersten Absatzes von § 2 an, in der wir finden, daß die Beamten der Bundesgerichte zum Schußwaffengebrauch berechtigt sind, dann ist klar, daß die Bundesregierung hier zu weit gegangen ist. Es ist nicht einzusehen, daß jeder Justizamtmann, jeder Justizrat und jeder Kassenoberinspektor bei einem Bundesgericht das Recht zum Gebrauch der Schußwaffe haben soll. Es kann sich eindeutig doch nur um die Beamten der Justizverwaltung handeln, die mit echten Vollzugs- und Sicherungsaufgaben, wie es im zweiten Teil der Ziffer 6 heißt, betraut sind. Wir sind, fürchte ich, noch nicht so weit wie in England und in Schweden, wo man auf den Schußwaffengebrauch überhaupt verzichtet. Ich meine aber, man sollte so wenig Beamte wie möglich mit Schußwaffen ausrüsten. Wir haben ja in der Praxis oft erlebt, daß bei dem Schußwaffengebrauch unbeteiligte Personen allzu leicht in Lebensgefahr gebracht werden können.