Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag auf Einschränkung der Beteiligung der mitberatenden Ausschüsse gehört. Gerade für den Rechtsausschuß, Herr Kollege Dr. Schöne, wäre die Bemerkung nicht notwendig gewesen; denn der Rechtsausschuß, dem ich schon immer angehöre, hat sich seit jeher in, ich möchte sagen, vorbildlicher Weise an seine Aufgabe gehalten, dann, wenn er nicht federführend war, nur die rechtspolitischen Probleme der ihm überwiesenen Gesetze zu betrachten.
Ist das Haus mit dieser Art der Überweisung einverstanden?
— Dann ist so beschlossen.
Punkt 4 der heutigen Tagesordnung ist im allgemeinen Einvernehmen abgesetzt.
Ich rufe Punkt 5 auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Platner, Dr. Leiske und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen ;
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen .
Ich schlage dem Hause vor, so zu verfahren, daß zunächst die beiden Begründungen gegeben werden und wir dann die Debatte über die Entwürfe unter a und b zusammenziehen. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Zur Begründung des Entwurfs Drucksache 1083 erteile ich dem Abgeordneten Platner das Wort.
Platner , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Rechtsebene unserer Zeit der Gleichheit und Freiheit nimmt sich das gegenwärtig in der Bundesrepublik noch geltende Apothekenrecht gleichsam wie ein Schutzgebiet historisch überholter, antiquierter Rechtsfiguren aus. Wir haben da Realrechte und Privilegien und Realkonzessionen, die veräußerlich und vererblich sind, und wir haben ferner — um es kurz zu machen — Personalkonzessionen, die nun auf der anderen Seite unveräußerlich und unvererblich sind. Man hat angesichts dieses fundamentalen Unterschiedes bisher von dem gemischten System gesprochen.
Im Jahre 1949 proklamierte die amerikanische Militärregierung im Bereich der amerikanischen Zone die unbeschränkte Niederlassungsfreiheit. Als deren Folge trat in Teilgebieten der amerikanischen Zone nahezu eine Verdoppelung der Zahl der Apotheken ein. Es war also zu vermuten, daß durch eine weitere Vermehrung der Zahl der Apotheken eine Gefährdung der Existenz des einzelnen Apothekers entstehen könne und damit mittelbar eine generelle Gefährdung der gesicherten Arzneiversorgung der Bevölkerung.
Als Abwehraktion kam im Jahre 1950 aus dem Bereich der deutschen Apothekerschaft der Frankfurter Entwurf eines bundeseinheitlichen Apothekengesetzes. In einer Urabstimmung der deutschen Apothekerschaft über diesen Gesetzentwurf stimmten 92 % der an der Abstimmung teilnehmenden Apotheker dem Gesetzentwurf zu.
In der Folge — im Juli 1951 — wurde er dann durch die CDU-Fraktion im 1. Bundestag eingebracht, blieb dann aber im 1. Bundestag in der Beratung stecken. Als Riegel gegen eine drohende
weitere Vermehrung der Apotheken wurde dann ebenfalls auf Initiative des 1. Bundestages im Januar 1953 das sogenannte Apothekenstoppgesetz eingebracht, zunächst mit einer Geltungsdauer von sechs Monaten. Da auch innerhalb dieser sechs Monate gemäß dem Frankfurter Entwurf kein einheitliches Bundesapothekengesetz zustande kam, wurde durch zwei Verlängerungsgesetze die Geltungsdauer dieses sogenannten Apothekenstoppgesetzes bis zum Ende des Jahres 1955 verlängert.
Das Land Bayern, ebenfalls zur amerikanischen Zone gehörend, schuf seinerseits im Sommer 1952 ein eigenes Landesapothekengesetz. In Anbetracht des auf der Bundesebene ergangenen Apothekenstoppgesetzes erhob die bayerische Landesregierung im Februar 1953 im Normenkontrollverfahren bei dem Bundesverfassungsgericht Feststellungsklage; sie begehrte Feststellung dahin, daß das Apothekenstoppgesetz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Zur Begründung führte die bayerische Landesregierung aus, es sei keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben. Hiermit wird die bayerische Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht voraussichtlich insofern Erfolg haben, als die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes unter dort normierten Voraussetzungen sogenannte Bedarfskompetenz ist. Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 sind aber bei diesem Apothekenstoppgesetz nicht gegeben.
Diese, insgesamt gesehen, sehr ungewisse Situation zwingt uns also auf Bundesebene zur schnellen Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung des Apothekenrechts. Dabei möchte ich grundlegend vorausschicken: Es besteht in beiden Lagern, sowohl in dem Lager der Abgeordneten, die hinter dem Regierungsentwurf stehen, als auch bei den Abgeordneten, die hinter unserem Entwurf stehen, allseitiges Einverständnis darüber, daß der beherrschende gesundheitspolitische Gesichtspunkt der Sicherung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung eine Beschränkung der Zahl der Apotheken fordert.
Wir werden also vom Grundsatz einer beschränkten oder, wie man es auch genannt hat, gelenkten Niederlassungsfreiheit auszugehen haben. Das bedeutet mit anderen Worten, daß die Neuerrichtung von Apotheken nur mit behördlicher Erlaubnis vor sich gehen kann.
Die konkrete Ausgestaltung dieses Grundsatzes unter Schaffung einer allen Apotheken gemeinsamen Betriebsform muß aber gemäß der zwingenden Bindung des Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes entsprechend der Grundrechtsordnung unserer Verfassung vor sich gehen. Es handelt sich demnach bei der Ausgestaltung dieses Grundsatzes im Rahmen eines Gesetzes fast ausschließlich um Rechtsfragen. Das Anliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit unter Schaffung einer für alle Apotheken geltenden Betriebsform ist aber unseres Erachtens rechtlich auf dem Wege der sogenannten Personalkonzession nicht realisierbar, denn bei der Personalkonzession fällt beim Tode des Konzessionsträgers die Konzession an den Staat zurück. Sie ist also, mit anderen Worten, unveräußerlich und unvererblich. Die Realrechte, Privilegien und Realkonzessionen dagegen sind veräußerlich und vererblich. Wollte
man die Personalkonzession bei der Schaffung eines einheitlichen, gleichen Apothekenrechts zur alleinigen Betriebsrechtsform für alle Apotheken machen, so würde für die Privileg-, Realrechts-und Realkonzessionsinhaber eine Entziehung von Rechten Platz greifen. Da nach herrschender Ansicht die Realrechte und Realkonzessionen Vermögenswerte und daher Eigentum im Sinne des Art. 14 des Grundgesetzes sind, würde hier ein Konflikt mit der genannten Bestimmung des Grundgesetzes eintreten. Art. 14 gewährleistet das Eigentum und läßt Enteignungen nur zum Wohle der Allgemeinheit und gegen Entschädigung zu. Die Vereinheitlichung des Apothekenrechts auf der Basis der Personalkonzession als einheitlicher Betriebsform für alle Apotheken würde also auf dem angedeuteten Wege zu weitgehenden Entschädigungsforderungen der Realrechtsinhaber und Realkonzessionäre führen.
Der Regierungsentwurf, der die Personalkonzession für neu zu errichtende Apotheken zum Prinzip erhebt, ist deshalb genötigt, das gemischte System unter Konservierung der bisherigen Betriebsrechtsformen beizubehalten. Aber dadurch kommt der Regierungsentwurf unseres Erachtens in einen grundsätzlichen Konflikt mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3. Nach diesem muß der Gesetzgeber Gleiches gleich behandeln. Nach der inzwischen bereits weit entwickelten Rechtsprechung unseres Bundesverfassungsgerichts können bei Schaffung eines Gesetzes allerdings Differenzierungen aus dem Gesichtspunkt des Herkömmlichen zulässig sein; aber gerade vom Grundsatz der Gleichheit ausgehend kennt das moderne Recht nur das Gesetz mit allgemeinem, abstraktem Inhalt.
Diesem fundamentalen Gedanken der Rechtsgleichheit widerspricht das Privileg als sogenanntes Individualgesetz, denn das Privileg ist ein Fall individueller Begünstigung, und zwar entweder eines einzelnen oder einer Gruppe. Das Privileg als Individualgesetz ist also ein wesensfremdes Element im Recht unseres Zeitalters der Gleichheit. Die gesetzliche Bestätigung, die hier erstmalig hinsichtlich solcher Individualgesetze vorgenommen werden soll, würde aber so fundamental gegen den kategorischen Grundsatz der Gleichheit verstoßen, daß die durch diesen Verstoß geschaffene Ungleichheit nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des Herkömmlichen als irrelevant für die Prüfung der Frage einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes betrachtet werden kann.
Aber auch soziale Gesichtspunkte sprechen gegen die Personalkonzession unter Beibehaltung des gemischten Systems. Die Personalkonzession mußte bisher in ihrer Praktizierung ersessen werden. Der Bewerber mußte ein ziemlich erhebliches Anwartschaftsalter besitzen, um in der Praxis die Personalkonzession erhalten zu können. Daraus resultierte die Tatsache, daß solche Anwartschaftsbewerber, die eine Personalkonzession erhielten, im Durchschnitt ein Lebensalter von 55 bis 60 Jahren hatten. Andererseits hatten die Realrechte und Realkonzessionen hohe Idealwerte, die in der Vergangenheit zum Teil die zehnfache Höhe eines nüchternen Geschäftswertes erreichten. Solche Apotheken mit derart hohen Idealwerten waren also nur für sehr vermögende Apotheker käuflich.
Ein wirklich einheitliches und gleiches Betriebsrecht für alle Apotheken entsprechend den Bestimmungen unseres Grundgesetzes kann aber
meines und unseres Erachtens nur durch die veräußerliche und vererbliche Betriebserlaubnis als alleinige Betriebsrechtsform für die Apotheken geschaffen werden. Diese Erlaubnis darf bei Neugründungen von Apotheken nicht wieder von einer eigentlichen Bedürfnisprüfung abhängig gemacht werden, sondern wir müssen hier einen Weg finden, der lediglich zum Charakter einer bloßen Zulassungsbeschränkung führt, weil sonst eine gesicherte Arzneiversorgung in Frage gestellt werden kann. Wir müssen uns dabei auch darüber klar sein, daß die derzeitige Rechtsprechung der höheren Verwaltungsgerichte und die gutachtliche Stellungnahme des Bundesgerichtshofs zu fünf verschiedenen Ansichten bezüglich der Zulässigkeit der Bedürfnisprüfung geführt hat. Es gibt also noch keine ausgetragene feste Stellungnahme der Rechtsprechung. Hier tut sich die Problematik der Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 des Grundgesetzes auf.
Folgt man dabei allerdings der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Urteilen vom 15. Dezember 1953 und 10. März 1954, so kann das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht in Anspruch genommen werden, wenn dadurch ein für den Bestand der Gemeinschaft notwendiges Rechtsgut — das wäre hier das Rechtsgut der Volksgesundheit — gefährdet wird. Das ist also die hier vorhandene Problematik.
Die Bundesregierung lehnt nun in ihrem Entwurf das System der gelenkten Niederlassungsfreiheit ab, und zwar — das ergibt sich aus dem generellen Teil der Begründung des Entwurfs der Regierung — aus vorwiegend berufsinternen Gründen. Diesen Gründen wird meines Erachtens im Regierungsentwurf ein zu großes Gewicht eingeräumt. Diese Gründe der Regierung sind folgende. Die Regierung sagt, eine gelenkte Niederlassungsfreiheit lasse für die bisherigen Personalkonzessionäre einen erheblichen Geschäftswert entstehen. Das führe zu folgenden Folgen: Verteuerung des Betriebs der Apotheken, Verringerung der Möglichkeit für jüngere Apotheker, Apotheken zu kaufen, und letztlich dazu, daß es an hinreichendem Nachwuchs von Apothekern fehlen werde. Diese Argumente vermögen wir nicht als richtig anzuerkennen. Die Begründung des Regierungsentwurfs wird unseres Erachtens durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt, wie sie sich in der amerikanischen Zone abgezeichnet hat. Wir haben dort auf Grund der von den Amerikanern vorübergehend eingeführten unbeschränkten Niederlassungsfreiheit die Tatsache zu verzeichnen, daß die hohen Einheitswerte der Realrechte und Realkonzessionen steuerlich weitgehend abgeschrieben wurden und neue Geschäftswerte in vernünftigen Grenzen festgesetzt werden. Hier zeichnet sich also eine durchaus gesunde Entwicklung ab, die bei der Realisierung unseres Entwurfs in der gesamten Bundesrepublik gleichmäßig Platz greifen würde. Damit würde aber unseres Erachtens folgender Zustand herbeigeführt: Es würde die Möglichkeit für jüngere Apotheker, Apotheken zu kaufen, erheblich erweitert, weil die hohen Werte der Realrechte und Realkonzessionen — und das ist ja über ein Drittel aller Apotheken — auf einen vernünftigen Stand zurückgeführt würden.
Diese Entwicklung und das in unserem Entwurf vorgesehene Initiativrecht des Apothekers zur Einreichung eines Antrags auf Erteilung der Erlaubnis zur Neuerrichtung einer Apotheke sind
aber nach unserer Ansicht ein hinreichender Anreiz für junge Menschen, den Apothekerberuf zu ergreifen. Der Art. 2 unseres Grundgesetzes, der das Recht des Menschen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit proklamiert, und soziale Gesichtspunkte haben uns dazu geführt, in unserem Entwurf ein Initiativrecht des Apothekers zur Errichtung neuer Apotheken vorzusehen. Wer die Möglichkeit der Neuerrichtung einer Apotheke aufspürt, muß das Recht haben, den Antrag auf Betriebserlaubnis von sich aus zu stellen, und soll nicht erst eine Initiative der Behörde im Wege der Ausschreibung, wie es bisher bei der Personalkonzession Übung war, abwarten müssen.
Soziale Gesichtspunkte wie auch der Grundsatz der Gleichheit führen uns ferner in unserem Entwurf zu der Forderung, daß jeder Apotheker nur eine Apotheke haben soll. Soziale Gesichtspunkte verlangen aber schließlich auch die Sicherstellung einer Altersversorgung im Rahmen eines einheitlichen Apothekengesetzes, und zwar einer Altersversorgung für die nicht selbständigen Apotheker. — Damit habe ich in wenigen Worten die grundsätzlichen Anliegen unseres Entwurfs hervorgehoben.
Ich darf zum Abschluß noch darauf hinweisen, daß wir bei. der Ausarbeitung unseres Entwurfs bestrebt waren, ihm eine möglichst kurze Fassung zu geben. Da es bei der Ausgestaltung eines deseinheitlichen und gleichen Apothekenrechts nach unserer Auffassung nur um Rechtsfragen geht, stelle ich hiermit den Antrag, unseren Entwurf an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß und ferner an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß sowie an den Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen.