Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich die Absicht, meine Ausführungen, die ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion machen darf, mit einem Zitat zu beginnen, weil es im Hause üblich geworden ist, mit einem Zitat wenigstens zu schließen. Ich hatte allerdings nicht die Absicht, mit einem Zitat aus einer eigenen Rede zu beginnen. Aber ich sehe mich dank der vorhin von Herrn Scheel erwiesenen Freundlichkeit gezwungen, mit einem
eigenen Zitat zu beginnen. Herr Scheel war so freundlich, mich aus der Kartelldebatte des 1. Bundestages — wie üblich, die erste Lesung — zu zitieren, und zwar:
Aus dieser Konzeption bietet sich eine Mißbrauchsgesetzgebung eher an als eine Verbotsgesetzgebung.
Herr Scheel war nicht so freundlich, noch etwa zwanzig Zeilen weiter zu lesen,
wo es heißt — und jetzt darf ich zitieren —:
Wir Sozialdemokraten sehen einen großen Vorteil der Verbotsbestimmung darin, daß die betroffene Wirtschaft zu dem Nachweis gezwungen wird, aus welchen Gründen sie im Einzelfall vom Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit abweichen will.
Ich könnte noch weiter daraus zitieren, aber ich möchte nur dieses einseitige Zitat richtigstellen.
Nun darf ich mit dem Zitat beginnen, mit dem ich eigentlich beginnen wollte. Hier darf ich Herrn Professor Müller-Armack zitieren. Herr Professor Müller-Armack hat in einem Aufsatz, den er wohl im Jahre 1953 veröffentlicht hat, folgenden Satz geschrieben:
Was in den letzten vier Jahren in Deutschland wirtschaftspolitisch geschah, kann nicht einfach mit Sozialer Marktwirtschaft als geistiger Konzeption gleichgesetzt werden.
Nun, meine Damen und Herren, ich wäre gespannt auf den Artikel, den Herr Professor Müller-Armack nach der heutigen Debatte über die Soziale Marktwirtschaft schreiben würde; denn aus dem, was wir an verschiedenen Ausführungen zum Kartellproblem im Verhältnis zur Sozialen Marktwirtschaft gehört haben, läßt sich sicherlich ein sehr beachtlicher Artikel anfertigen. Es ist bestimmt eine sehr delikate Aufgabe, die hier heute geäußerten Auffassungen über Soziale Marktwirtschaft und Kartellproblem einmal mit dem zu vergleichen, was darüber im Grundsatzprogramm der CDU, in den Düsseldorfer Leitsätzen, steht.
— Ich weiß, Herr Köhler, es ist ein abendfüllendes Programm, und ich möchte deswegen auch davon absehen; ich komme vielleicht im Laufe der nächsten beiden Jahre scheibchenweise darauf zurück. Ich möchte hier nur folgendes sagen.
Mir ist es etwas eigenartig vorgekommen, daß Sie Professoren Weltfremdheit vorgeworfen haben, die konsequent dafür eingetreten sind, Monopole und Träger marktwirtschaftlicher Macht einer institutionell verankerten, unabhängigen und nur dem Gesetz unterworfenen Monopolkontrolle zu unterstellen. Wenn Sie diesen Professoren Weltfremdheit vorwerfen, erweisen Sie sich einen schlechten Dienst. Dann werfen Sie sich selbst Weltfremdheit vor, denn diesen Satz habe ich aus den Düsseldorfer Leitsätzen Nr. 1 zitiert!
Also ich glaube, man muß hier etwas vorsichtig sein. Es wäre manchmal auch ganz gut, wenn Sie sich in der Geschichte Ihrer Partei etwas besser orientieren würden.
Nun, aus der Geschichte des Kartellgesetzes brauche ich kaum etwas nachzutragen. Ein Teil ist früher schon gesagt worden, Ich darf vielleicht nur noch in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß wir im Wirtschaftsausschuß des 1. Bundestages die Beratungen des Gesetzes zwei Monate lang unterbrechen mußten, weil die CDU keinen Vorsitzenden finden konnte; Sie erinnern sich!
— Bitte, lesen Sie im Protokoll nach! Der stellvertretende Vorsitzende war ein Sozialdemokrat, und da durfte natürlich nicht beraten werden!
Ich kann ferner aus der Geschichte vielleicht noch nachtragen, daß man angesichts dieses Fortschreitens des Problems wirklich die Befürchtung haben kann, daß der jeweilige Bundestag in der Kartellfrage regelmäßig zu einer ersten Lesung des Kartellgesetzes kommt.
Ich möchte doch sehr herzlich darum bitten, es mit der ersten Lesung des Kartellgesetzes in diesem Bundestag nun genug sein zu lassen.
Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratie hat etwa zwei Jahre zu der Kartellfrage absichtlich geschwiegen, nicht etwa, weil wir nicht wußten, was wir dazu zu sagen haben. Nein, wir möchten eben gern wissen und wir wollten gern wissen, wie Soziale Marktwirtschaft und Kartellgesetz miteinander in Übereinstimmung zu bringen sind. Die Entwicklung war eigentlich ganz interessant, fast möchte man sagen: amüsant. Wir standen vor der Frage: Wie viele und welche Auffassungen zu dieser Frage „Kartellpolitik und Soziale Marktwirtschaft" gibt es denn? Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, es war ein voller Erfolg, denn die Presse hat jahrelang von diesen Diskussionen gelebt. Es sind sogar neue Zeitschriften entstanden, immerhin ein lukratives Geschäft.
Dann hat der Bundesverband der Deutschen Industrie, wenn ich nicht irre, nicht weniger als vier Professoren Honorare für Gutachten gezahlt. Ich gönne das den Professoren, ich gönne das auch dem Bundesverband der Industrie, ich möchte das nur feststellen. Und das, was wir in der Kartellfrage hier miterlebt haben, war ja auch immerhin ganz interessant. Sehen Sie, wir haben diese Frage nicht angerührt, weil wir eben gern wollten, daß sich diese komplizierte Frage „Kartellpolitik und Soziale Marktwirtschaft" erst noch entwickelt. Vor allen Dingen wollten wir nicht, daß Sie die Schwierigkeiten, die Sie haben, ausgerechnet auf unserem Buckel abladen. Das wollten wir vermeiden, und deswegen haben wir uns eben weise beschränkt; denn wir wissen ja: Wenn die Sozialdemokratie sich zu einem Problem äußert, dann tragen Sie Ihre unterschiedlichen Auffassungen auf unserem Rücken aus, und das wollten wir Ihnen eben versalzen!
— Ich glaube, Sie haben ganz recht, Herr Köhler. Sie haben es ganz gut hingekriegt, aber ganz natürlich nicht. So darf ich z. B. — darauf bezieht sich hoffentlich Ihr „Na" — erinnern: In der Presse hat es natürlich nicht immer so geklappt. In einer sehr namhaften deutschen Zeitung — ich möchte
den Namen lieber nicht nennen — vom 16. März, also vor etwa zwei Wochen, stand im Leitartikel folgender Satz:
Bei' der Kartelldebatte stehen sich im Wettbewerb gegenüber die freiheitliche Ordnung der Wirtschaft und Gesellschaft und das sozialistisch-bolschewistische System.
Ich habe vorhin absichtlich gesagt, es handle sich um eine namhafte Zeitung. Ich würde es eigentlich als glatte Brunnenvergiftung bezeichnen, wenn in einem Leitartikel .dieser Zeitung so etwas geschrieben ist. Aber die Zeitung selbst hat es mir viel leichter gemacht. Am selben Tage stand nämlich in derselben Zeitung drin, was ich zum Kartellproblem im Bundestag zu sagen haben würde, und das hatte die Zeitung geschrieben, ohne mit mir vorher gesprochen zu haben. Nun habe ich die Hoffnung daß diese Zeitung wenigstens das, was
ich zur Kartellfrage gesagt habe, hinterher liest und daß es dann vielleicht zu einer Korrektur ihrer doch zumindest sehr leichtfertig gemachten Äußerung kommt.
— Das ist die „Frankfurter Allgemeine Zeitung". Auf Wunsch teile ich es gern mit.
Herr Kollege Horlacher hat hier vorhin gesagt, nach seiner Auffassung sei die Begründung des Gesetzes durch die Regierung besser als das Gesetz. Ich glaube, hier kann ich bei aller Hochschätzung des persönlichen Charmes des Kollegen Horlacher ihm nicht ganz folgen. Ich halte gerade die Begründung für außerordentlich schlecht.
Aber wir können ja bei der Ausschußberatung diese Begründung hin und wieder anziehen.
Das Kartellgesetz hat eine lange Leidensgeschichte. Diese ganzen Jahre hindurch — besonders die Jahre nach Veröffentlichung des ersten Entwurfs und ganz besonders natürlich während der vergangenen elf Monate, die dieser Entwurf im Niemandsland zwischen Bundesrat und Bundestag verbrachte - haben wir die Entwicklung sehr genau verfolgt. Während dieser Zeit hatten wir hinreichend Gelegenheit, diesen Entwurf bzw. seine verschiedenen Vorgänger — selbstverständlich auch die verschiedenen Nebenabreden — vom Standpunkt der Sozialen Marktwirtschaft aus interpretiert zu bekommen. Wir haben eine Fülle von Stellungnahmen und Interpretationen erhalten und dabei einen kleinen Einblick in das bekommen, was man alles unter Sozialer Marktwirtschaft verstehen kann und was man von einem ständig wechselnden Standpunkt aus alles in das Gesetz, das den Wettbewerb regeln soll, hineininterpretieren kann. Man kann in der Tat sehr darüber streiten, was sich öfter und schneller änderte: der Entwurf oder seine Interpretation. Das machte es natürlich für uns sehr schwer, zu der Vorlage Stellung zu nehmen. Im Hinblick auch auf die unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Problem im Kabinett und im Wirtschaftskabinett ist es für die Opposition unmöglich, die Vorlage vom Standpunkt der Regierung aus zu verstehen, sie von dort aus zu würdigen und zu kritisieren. Es bleibt mir als Sprecher der SPD demnach nur die Möglichkeit, zu dem Problem und dem Entwurf, losgelöst von
den verschiedenen Vorlagen, aus der Wirtschaftskonzeption der SPD heraus Stellung zu nehmen. Ich darf daher zunächst mit einigen Strichen diese Wirtschaftskonzeption andeuten, von hier aus dann das Problem des Wettbewerbs und seiner Einengung durch Abreden, Kartelle, Zusammenschlüsse usw. entwickeln, um dann von dort aus zu dem vorgelegten Entwurf kritisch Stellung zu nehmen.
Unsere Wirtschaftskonzeption wird bestimmt durch die Daten: Steigerung des Sozialprodukts, gerechte Verteilung des Sozialprodukts, aktive Konjunkturpolitik im Sinne einer Vollbeschäftigung für Produzenten und Verbraucher. Was Preis, Produktion und Verbrauch angeht, ist die wirtschaftspolitische Konzeption der SPD in ihrer Grundlage marktwirtschaftlich. Sie ist dies — so darf ich hinzufügen — nicht erst seit heute oder seit gestern. So galt die Aufmerksamkeit sozialdemokratischer Politiker stets schon der Preispolitik und — das ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig — dem Markte selbst und seinen Formen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß es Sozialdemokraten waren, die sich energisch für ein Funktionieren der Kartellverordnung eingesetzt haben, und daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion es war, die Anfang der dreißiger Jahre den Versuch der Schaffung eines Antikartellgesetzes unternommen hat.
Mit Marktwirtschaft erfaßt man einen weiten Komplex. Mit ihrer Betonung gewinnt man jedoch zunächst nur 'die Abgrenzung zur zentral geleiteten Wirtschaft, also zur Zwangswirtschaft. Es wird nur der Unterschied herausgestellt, daß nicht behördliche, mit Zwang verbundene Vorschriften Produktion und Verteilung bestimmen, sondern daß die auf dem Markt sich gegenübertretenden Kräfte des Angebots und der Nachfrage es sind, die zusammen den Preis bilden. Angebot und Nachfrage sind keine Erfindungen unseres oder des vergangenen Jahrhunderts. Sie sind ebenso alt, wie Menschen im wirtschaftlichen Verkehr miteinander stehen. Die geschichtliche Erfahrung zeigt aber, daß die Art, wie die Menschen und Einzelwirtschaften anbieten und nachfragen, wie sie also aufeinander angewiesen sind, höchst verschieden war und ist.
Hiermit wird auf die Marktform abgehoben, d. h. auf die Frage, wie die Machtposition der Einzelwirtschaft auf den einzelnen Märkten ist. Es ist ein Ergebnis der ökonomischen Marktformenlehre, daß es ökonomisch bestimmbare Preise - Gleichgewichtspreise —, die durch Angebot und Nachfrage streng bestimmt sind, eigentlich nur in zwei extremen Fällen gibt, nämlich im Falle der vollständigen Konkurrenz — das ist das eine Ende der Skala — und im Falle ,des absoluten Monopols, — das ist das andere Skalaende. Zwischen diesen beiden extremen Lösungen liegt der sogenannte unvollständige Wettbewerb, existiert eine Skala von zahlreichen Zwischenformen zwischen diesen beiden Grenzlösungen. Entscheidend ist: die Rea- lität enthält praktisch diese Zwischenformen und fast nie die extremen Lösungen. Also sind die tatsächlichen Preise, die nun in diesen Zwischenformen gebildet werden, nicht Preise, die durch Angebotsgrößen und Nachfragegrößen objektiv berechnet werden können, also nicht einfache Kalkulationsergebnisse, sondern leider sind diese Preise ökonomisch unbestimmbar. Alle diese Preise der gleichgewichtslosen Marktformen werden im letzten durch Macht und durch Kampf gebildet, also durch außerökonomische Faktoren.
Allerdings ist dieses Bild der Marktformen nicht bleibend. Es wechselt nach Konjunktur, nach struktureller Situation und nach dem Verhalten einzelner Marktteilnehmer, die eine Machtposition am Markt durch Organisation, Absprachen oder dergleichen erringen. Entscheidend ist für uns: die Marktformen sind auch gestaltbar. Die Gestaltung der Marktformen ist für die Wirtschaftspolitik von allerhöchstem Interesse, da durch die Preisbildung am Markt ein Doppeltes erreicht werden soll: eine beste Ausnutzung der wirtschaftlichen Kräfte — damit höchste Produktivität — und zugleich die beste Versorgung, also gerechteste Verteilung.
Daher gipfelt die jeweilige wirtschaftspolitische Forderung regelmäßig in der Gestaltung der Marktformen als dem zentralen Punkt des Wirtschaftsgeschehens, von wo aus Produktion und Konsum bestimmt werden. Die Wirtschaftspolitik muß in den einzelnen Wirtschaftsbereichen diejenige Marktform setzen bzw. ihre Herausbildung fördern — zugleich die Herausbildung unerwünschter Formen hemmen —, die nach menschlichem Ermessen am vollkommensten die an die Wirtschaft hinsichtlich Produktivität und bestmögliche Versorgung gestellten Anforderungen erfüllt. Die Frage also, welche Marktform in den einzelnen Wirtschaftsbereichen herrschen soll, ist aus dem politischen Raum heraus zu stellen und aus demselben politischen Raum heraus zu beantworten.
Als Sozialdemokraten, als freiheitliche Sozialisten bestimmt uns der Grundsatz der Freiheit in unserer ganzen Konzeption. Freiheit bedeutet in unserer Sicht jedoch nicht, daß der einzelne tun und lassen kann, was er will. Nach unserer Auffassung ist die Schranke durch die Mitmenschen, durch die Gesellschaft gezogen. Gerade im Wirtschaftsieben begegnet der Mensch auf Schritt und Tritt Mitmenschen, die genau so frei sein wollen wie er selbst. Diese Schranke der Freiheit des einzelnen in der Gesellschaft muß zum Schutze der Freiheit des anderen gesetzt werden. Dieses tut das Recht, das Gesetz. Jeder Mensch hat Anspruch auf die gleiche Freiheit. So schränkt nach sozialistischer Auffassung das Recht die Freiheit aller auf die Bedingung der Gleichheit ein. Anspruch auf gleiche Freiheit also heißt nichts anderes als Anspruch auf die gleiche Chance.
Von diesem Standpunkt aus, meine Damen und Herren, also vom Standpunkt der Gerechtigkeit muß für uns die Frage nach der politisch zu erstrebenden Form der Marktwirtschaft beantwortet werden. Die Antwort kann nur lauten, daß alle jene Marktformen erwünscht und förderungswürdig sind, die der Freiheit aller, also der Gerechtigkeit dienen, wie alle jene Marktformen zu verwerfen und zu verhindern sind, welche die Freiheit aller, also die Gerechtigkeit antasten oder beeinträchtigen. Somit mündet unsere wirtschaftspolitische Konzeption ein in die Forderung nach einer Marktwirtschaft, die der Gerechtigkeit dient und die man zur Abgrenzung „gerechte Marktwirtschaft" nennen könnte.
Die eben herausgestellte allgemein gefaßte These wäre nun auf das besondere Problem der Stellung zu den Kartellen, zu den Monopolen und dergleichen besonders zuzuschneiden. Es wäre also jetzt von mir zu den erwünschten und unerwünschten Marktformen besonders Stellung zu nehmen.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Abgrenzung der von mir herausgestellten marktwirtschaftlichen Konzeption gegen die Begriffe freie
Marktwirtschaft und soziale Marktwirtschaft. Die freie Marktwirtschaft überläßt es dem Wirtschaftsgeschehen selbst, die Marktform herauszubilden und anzuwenden, wie es die Situation gebietet. Man will die Wirtschaftsbereiche frei von Eingriffen halten, das Laisser-faire also verwirklichen. Erfahrungstatsache ist, daß sich bei einem solchen Sichselbstüberlassen regelmäßig Machtpositionen an den Märkten herausbilden, einmal infolge der Absprache von Unternehmen, durch Regelung der Marktfaktoren das Spiel der Kräfte zu beschränken, zum andern durch Beeinflussung der Leistungskraft das Unternehmen auf dem Markt nicht voll zur Geltung zu bringen, und endlich durch Herausbildung von zum Monopol tendierenden Großunternehmungen. In jedem Fall wird für unsere Begriffe nicht die Freiheit für alle, sondern lediglich die Freiheit für einige und damit die Unfreiheit anderer angesteuert und praktiziert.
Diese These der freien Marktwirtschaft wird heute kaum noch vertreten. Ich glaube, daß unserem Kollegen Illerhaus vorhin bei seinem Kampf für Handel und freie Marktwirtschaft ein Lapsus linguae unterlaufen ist, daß er natürlich soziale Marktwirtschaft meinte. Die These der freien Marktwirtschaft findet ja ihre deutlichste Widerlegung durch die Wirtschaftsgeschichte der abgelaufenen 50 Jahre. Die soziale Marktwirtschaft — hierbel halte ich mich nur an die Theorie — geht davon aus, daß die Marktform der freien Konkurrenz sittliche Ordnung zugleich ist. Es wird die Meinung vertreten, nur bei der Verwirklichung vollständiger Konkurrenz trete das Phänomen wirtschaftlicher Macht ganz zurück. Aus der Wirtschaftsgeschichte registriert die soziale Marktwirtschaft wie wir die Tatsache, daß Machtgebilde und Zusammenballungen am Markt entstehen und den Wettbewerb auf Kosten der Verbraucher einschränken, wenn man die wirtschaftliche Entwicklung sich selbst überläßt. Der Wettbewerb — so folgert man — müsse daher durch Rechtsformen organisiert und notfalls erzwungen werden.
Nun, auf den ersten Blick will es so scheinen, als wenn es zwischen unserer marktwirtschaftlichen Auffassung und der Theorie der sozialen Marktwirtschaft hinsichtlich des Setzen, des Pflegens und des Abwehrens von Marktformen keine allzu große Differenz gibt. Erst bei näherem Zusehen wird der Unterschied deutlich. Die Theorie der sozialen Marktwirtschaft setzt als beherrschenden Grundsatz den Wettbewerb. Da, wo Wettbewerb besteht, soll er bereinigt und gesetzlich gesichert werden, und da, wo noch kein Wettbewerb oder nicht mehr Wettbewerb besteht, soll er durch gesetzliche Maßnahmen vorbereitet und zum Zuge gebracht werden. Die Marktwirtschaft, wie wir sie wollen, beinhaltet dagegen die Auffassung, daß eine Forderung nach dem Verbot jeglicher Wettbewerbsbeschränkung dem Marktmechanismus der vollständigen Konkurrenz eine Bedeutung beimißt, die ihm nicht zukommt. Die Frage, urn die es im politischen Raum geht, ist, ob die faktische Ordnung dem sittlichen Ideal entspricht. Daß der Gleichgewichtszustand bei freier Konkurrenz gerecht sei, ist eine Behauptung, die in den Grundlagen der Politik erst bewiesen werden muß. Wir wissen, daß es viele Wirtschaftsbereiche gibt, in denen die Marktform des Wettbewerbs nicht hergestellt werden kann, ja darf, weil dadurch in diesem Bereich die Grundsätze von Freiheit und Gerechtigkeit angetastet werden würden. Wir wis-
sen ferner, daß es auch in jenen Bereichen der Wirtschaft, in denen Wettbewerb herrschen sollte, Situationen geben kann, die eine Ordnung des Wettbewerbs verlangen. So setzen wir die These: Wettbewerb so weit wie möglich. Wir setzen diese These, weil wir wissen, daß für sehr viele Waren und Dienstleistungen kein Wettbewerb zustande kommt, daß sich also 'dort keine echten Marktpreise mehr bilden können.
Übereinstimmung zwischen den beiden Auffassungen, unserer Marktwirtschaft und der sozialen Marktwirtschaft, liegt demnach insoweit vor, als beide Auffassungen in solchen Wirtschaftsbereichen, in denen sich ein Wettbewerb realisieren läßt, diesem Wettbewerb durch gesetzliche Maßnahmen geschützt wissen wollen.
Bedeutet das nun, daß wir für die Wirtschaftsbereiche, in denen nach unserer Meinung ein funktionierender Wettbewerb nicht mehr verwirklicht werden kann, Kartelle und andere Marktorganisationen für richtig und zulässig halten? Die Anerkennung von Kartellen, Zusammenschlüssen und anderen Machtorganisationen am Markt würde bedeuten, daß einer Gruppe von Menschen das Recht zugesprochen würde, die Freiheit so zu ,genießen und so aufzufassen, wie sie wollen, ohne Rücksicht auf die Freiheit oder den Grad der Unfreiheit der anderen. Diese Erkenntnis allein verbietet es uns, Kartelle und 'dergleichen in diesen Wirtschaftsbereichen zu bejahen. Wenn, wie wir wissen, Marktorganisationen dort bestehen müssen, dann dürfen sie nicht der privatwirtschaftlichen Auffassung einiger weniger dienen. Sie müssen vielmehr der gemeinwirtschaftlichen Auffassung, in diesem Wirtschaftsbereich nach dem Grundsatz der Gerechtigkeit tätig zu sein, entsprechen. Wie kann dies geschehen? Nach unserer Auffassung sicher nicht dadurch, daß man es Produzenten allein oder Produzenten und Händlern allein überläßt, die Ordnung des Wirtschaftsbereichs nach ihrer Auffassung vorzunehmen. Denkbar wäre eine staatliche Marktordnungsstelle. Bei allem, was man gegen eine Beteiligung des Staates und seiner Bürokratie sicher und nicht selten mit Unrecht vorbringen kann, muß doch festgestellt werden, daß gesamtwirtschaftlich gesehen und mit der Elle der Gerechtigkeit gemessen eine solche behördliche Stelle einer privaten Organisation gegenüber den beträchtlich größeren Grad der Vermutung für sich hat, im Gesamtinteresse zu handeln. Man wird eine lebendige Organisationsform finden müssen, die Wirtschaft und Gesamtinteresse unter öffentlicher Aufsicht vereinigt.
Zu diesem Punkt ist folgendes festzustellen. In den Wirtschaftsbereichen, in denen ein Wettbewerb nicht mehr effektuiert werden kann, müssen marktordnende Institutionen die Ordnungsfunktion übernehmen, Zusammenschlüsse mit staatlicher Genehmigung und unter staatlicher Aufsicht. Mit diesen Überlegungen, meine Damen und Herren, rükken Sie eine gesetzliche Regelung des anstehenden Komplexes für zwei Betrachtungskreise stark in den Vordergrund: erstens die Wirtschaftskreise, die von dem Gesetz auszunehmen sind, zweitens Organisation und Funktionen der Kartellbehörde als der Genehmigungs- und Aufsichtsstelle. Bisher hob ich nur auf Kartelle und ähnliche Zusammenschlüsse, sagen wir, horizontaler Art ab. Ich darf ergänzende Gedanken über vertikale Organisation, Konzerne, Trusts und dergleichen vortragen.
Das Kriterium für wirtschaftspolitisches Eingreifen ist für uns, ob eine solche Konzentration von
Unternehmungsmacht eine monopolistische oder oligopolistische, also eine stark marktbestimmende Stellung innehat und ausübt. Der Grundsatz der Gerechtigkeit wird erst verlassen, wenn es ein starker Partner am Markt in seiner Macht hat, eine wesentliche marktbeeinflussende Wirkung im Interesse einiger zum Schaden der anderen auszuüben. Es wäre unwirtschaftlich, Großunternehmen, Konzerne und dergleichen zu verbieten. Richtig und notwendig aber ist es, zu verhindern, daß solche Unternehmen und Zusammenschlüsse den Schritt zum Machtmißbrauch am Markt tun. Ich glaube, daß diese Auffassung von der Monopolkontrolle in der sozialen Marktwirtschaft und nach unserer marktwirtschaftlichen Konzeption fast einheitlich ist.
Diese mehr theoretischen Ausführungen schienen mir als Ausgangspunkt unserer Betrachtung der vorliegenden Entwürfe notwendig zu sein. Ich darf in wenigen Thesen das Gesagte gleichsam als Entschuldigung zusammenfassen.
1. Aus der Sicht einer auf Freiheit und Gerechtigkeit gerichteten Marktwirtschaft ist Wettbewerb soweit wie möglich zu errichten und grundsätzlich zu sichern.
2. In Wirtschaftsbereichen, in denen sich die Marktform des Wettbewerbs nicht mehr verwirklichen läßt, haben Marktorganisationen die Ordnung im Gemeininteresse durchzuführen, was Genehmigung und Kontrolle dieser Organisationen bedeutet.
3. Monopolistischer und oligopolistischer Marktmißbrauch ist zu verhindern.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bezweckt eine gesetzliche Regelung des Wettbewerbs insofern, als er sich gegen Institutionen und Organisationen wendet, die den Wettbewerb beeinträchtigen. Es ist zuzugeben, daß der Entwurf die positiven Kriterien eines lauteren Wettbewerbs, eines echten Leistungswettbewerbs vermissen läßt. Man kann jedoch dieses Manko hinnehmen, wenn man den festen Willen hat, für dieses Gebiet in späteren Gesetzen positive Kriterien zu entwickeln und festzulegen. Man kann sich zu einem solchen Entschluß um so eher bereit finden, als ein Blick auf das gegenwärtige Wirtschaftsgeschehen zeigt, daß eine Regelung der Kartell-, Monopol- und Preisabsprachen unverzüglich in Angriff genommen werden muß.
Der Entwurf der Regierung klammert von vornherein bestimmte Wirtschaftsbereiche von der Wirksamkeit des Gesetzes aus. Die Begründung der Bundesregierung sagt hierzu:
In einer Reihe von Marktbereichen ist aus den verschiedensten Gründen . . . die Marktform des vollständigen Wettbewerbs nicht herzustellen. Da der Wettbewerb nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Leistungssteigerung und Fortschrittsförderung ist, würde sich der Gesetzgeber der Gefahr eines wirklichkeitsfremden Schematismus aussetzen und schwere wirtschaftliche Schäden heraufbeschwören, wenn er eines theoretischen Prinzips wegen auf diesen Märkten den vollständigen Wettbewerb wiederherstellen wollte.
Die in dieser Formulierung zutage tretende Auffassung entspricht, wie ich im Hinblick auf das, was ich eingangs ausführen durfte, feststellen darf, durchaus unserer Auffassung.
Die Ausklammerung der Ausnahmebereiche wird von mir an den Anfang des Gesetzentwurfs gestellt, nicht um eine Berechnung zu beginnen, wieviel Prozent der Gesamtwirtschaft durch das vorliegende Gesetz erfaßt werden, vielmehr um festzustellen, daß bei manchen heißen Kämpfen in Wort und Schrift pro und kontra Entwurf manches Mal übersehen wurde, daß die gesetzlichen Festlegungen sich nur auf einen relativ beschränkten Raum der Gesamtwirtschaft erstrecken.
Die Entscheidung, ob in einem Wirtschaftsbereich der vollständige Wettbewerb das geeignete Mittel zur Leistungssteigerung und Fortschrittsförderung ist oder ob bestimmte organisatorische Zusammenschlüsse zweckmäßig sind, ist eine Frage des wirtschaftspolitischen Ermessens. Nach unserer Auf f as-sung gibt es Wirtschaftsbereiche, die einer besonderen Ordnung des Marktes zu unterwerfen sind, insbesondere deswegen, weil ihre Ordnung nach gemeinwirtschaftlichen Prinzipien erfolgen muß.
Unter diesem Gesichtswinkel anerkennen wir die Ausklammerung, die der Entwurf vornimmt hinsichtlich Bundespost und Verkehrswirtschaft. Das bedeutet jedoch nicht, daß wir der Überzeugung sind, die gegenwärtig hier auf diesen Gebieten bestehende Marktordnung sei ideal und daher kritiklos .hinzunehmen. Das Gesamtgebiet des Verkehrswesens befindet sich gerade gegenwärtig in einer Umformung. Man wird, sobald die Dinge hier übersehbar sind, unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten eine kritische Würdigung des Erreichten vornehmen müssen. Hierbei kommt meines Erachtens den aus dem Montanunion-Raum in die deutsche Wirtschaft hinein erstreckten Ordnungsgesichtspunkten besonderer Art auf dem Gebiet des Verkehrswesens eine beträchtliche Bedeutung zu.
Das Gebiet der Energiewirtschaft ist ein weites Feld, das mancher Überlegungen bedürfen wird, unter denen eine Marktordnungsbetrachtung nicht unwesentlich sein dürfte. Ähnliches gilt für die Wasserwirtschaft. Für beide Gebiete stimmen wir mit dem Grundgedanken des Entwurfs überein, daß in der öffentlichen Versorgungswirtschaft besondere Wettbewerbsverhältnisse bestehen müssen.
Hinsichtlich der Kredit- und Versicherungswirtschaft sieht der Entwurf eine Ausnahme nur vor für die Bank deutscher Länder, die Landeszentralbanken und die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Der Bundesrat hatte hierzu vorgeschlagen, die Ausnahmen vom Gesetz auch zu erstrecken auf Kreditinstitute im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen, auf Versicherungseinrichtungen und Bausparkassen, unter der gleichzeitigen Anregung, die Aufsichtsgesetze für Versicherungen und Banken dahin zu prüfen, ob den Aufsichtsinstitutionen nicht durch eine entsprechende Ergänzung der betreffenden Gesetze die marktordnende Funktion mit zuerkannt werden kann. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme den Vorschlag des Bundesrats abgelehnt. Diese Frage sollte jedoch von uns sehr gewissenhaft überprüft werden.
Selbstverständlich genügt unter der Zielsetzung des vorliegenden Entwurfs die für Banken und Versicherungen bestehende Fachaufsicht nicht. Sie bedarf einer Vervollkommnung in der Richtung, wie sie auch der Kollege Samwer heute angedeutet hat: daß eine gebührende Wahrnehmung der
Interessen der Kreditnehmer bzw. der Versicherten stattfinden kann.
Den bestehenden Aufsichtsämtern würden demnach zusätzliche marktordnende Funktionen zuzuerkennen sein, was einen Umbau der Organisation, der Funktion und der Kontrolle der betreffenden Aufsichtsämter durch Staat und Parlament selbst notwendig macht.
Der Entwurf bestimmt in einem Paragraphen, daß das Gesetz Anwendung findet auch auf Unternehmen, die von der öffentlichen Hand in Gemeineigentum oder Gemeinwirtschaft oder als gemeinnützige Unternehmen betrieben werden. Beachtenswert scheint mir hier die Begründung der Bundesregierung zu sein, die, obwohl das Gesetz sich um die Regelung von Marktformen bemüht, hier plötzlich von der Konzeption abbiegt und auf einen Typ der sonst nicht angesprochenen Unternehmensformen abhebt. Wir haben im Ausschuß den hier angeschnittenen Komplex sehr gewissenhaft zu prüfen, wobei ich schon jetzt sagen darf, daß wir uns für eine Streichung der Bestimmung einsetzen werden.
Ich möchte ferner nicht unerwähnt lassen, daß manche Wirtschaftsbereiche, die durch diese Ausnahmebestimmungen von der Anwendung des Gesetzes ausgeklammert werden, einer genauen Betrachtung und Prüfung hinsichtlich ihrer Marktordnung zu unterziehen sein werden. Hier nenne ich zunächst einmal die Bestimmungen über die Landwirtschaft. Dabei wird nicht zuletzt die Frage in den Vordergrund zu stellen sein, ob die Verbraucher genügend Schutz vor einem Preisdiktat genießen. Für uns ist klar, daß der Bereich der Landwirtschaft weder generell von den Bestimmungen des Wettbewerbs ausgenommen werden kann noch seine unumschränkte Unterwerfung unter diese Bestimmungen möglich ist. Wir folgen hier im wesentlichen den Gedanken, wie sie der Herr Kollege Horlacher heute morgen vorgetragen hat. Wenn ich aber dem Kollegen Horlacher einen Gefallen tun 'will, dann möchte ich ihn aufmerksam machen auf den mir — sicher fälschlicherweise — zugegangenen Wochenbericht Nr. 12 des Wirtschaftsausschusses der CDU vom 25. März 1955. Er ist ziemlich druckfrisch.
Da steht auf Seite 3 unten — ich zitiere —:
In der Bundesrepublik bildet die landwirtschaftliche Marktordnung einen Fremdkörper in einer sonst freien Marktwirtschaft.
Ich glaube, daß der Kollege Horlacher einmal diese Frage der landwirtschaftlichen Wettbewerbs- und Marktordnung zum Gegenstand einer größeren Fraktionssitzung machen muß.
Diese Anregung darf ich mir von dieser Seite aus erlauben.
Wir haben ferner nach unserer Auffassung allen Anlaß, sehr gewissenhaft zu prüfen und zu überlegen, ob Handwerk und freie Berufe nach ihrer Struktur wirklich unter dem Prinzip des Wettbewerbs über den Preis stehen und damit einem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen voll unterstellt werden sollen.
Im Anschluß an das, was Herr Illerhaus heute morgen sagte — er sagte, daß die Berufsordnung
nicht Gegenstand solcher Überlegungen sein sollte — darf ich darauf hinweisen, daß wir bei dem anstehenden Kartellproblem sehr gewissenhaft und allen Ernstes das Problem der sogenannten berufsständischen Gliederung zu prüfen haben. Wie ich eingangs betonte, kam es uns darauf an, für die einzelnen Wirtschaftsbereiche die ihnen nach den Gesichtspunkten ,des Gesamten und der Gerechtigkeit passenden Marktformen zum Einspielen zu bringen. Daher darf man nach unserer Auffassung auch nicht versuchen, anerkanntermaßen unter gemeinwirtschaftlichen Zielsetzungen stehende Bereiche artfremden Ordnungsprinzipien zu unterwerfen.
Dieser erste Abschnitt der Entwurfsbetrachtung, der sich auf die Gebiete bezog, die ausgeklammert werden sollen, wurde vorausgeschickt. In diesen Bereichen kommt der Marktpreis als Steuerungsfaktor des Wirtschaftsablaufs nicht zum Zuge.
Von diesen Bereichen herkommend ist nun weiterzugehen zu jenen Wirtschaftsbereichen, in denen der Wettbewerb grundsätzlich geschaffen bzw. bereinigt werden soll, zu jenen Bereichen also, in denen der Marktpreis Steuerungsfaktor sein soll. Wenn der Gesetzgeber nicht an wirtschaftlichen Realitäten vorbeigehen will, muß er in diesen Bereichen die Entwicklung aller Organisationsformen zulassen, die volks- und gesamtwirtschaftlich zweckmäßig sind. Wenn man sich in der Theorie Bereiche des vollständigen Wettbewerbs von solchen des unvollständigen Wettbewerbs getrennt denken kann, so zeigt doch die Betrachtung der wirtschaftlichen Wirklichkeit, daß solche Teile nicht selbständig klar abgrenzbar nebeneinander stehen. In den einzelnen Teilbereichen herrschen
gewisse bestimmte Ordnungsformen vor, mehr jedoch nicht. Sie stehen insgesamt in einem starken funktionalen Zusammenhang, sie durchdringen und beeinflussen sich gegenseitig. Hieraus ist sicherlich der Schluß zu ziehen, daß Ordnungsformen an sich weder gut noch böse sind. Das gilt auch für Kartelle und Monopole.
Wenn es demnach falsch ist, zu sagen, daß ein Kartell a priori schlecht ist, muß man sich jedoch ebenfalls davor hüten, es a priori für gut zu halten. Kartelle können im gesamtwirtschaftlichen Interesse, im Interesse des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts erwünscht, ja manchmal sogar notwendig sein.
Eine entsprechende Formulierung könnte man auch für die Monopole gebrauchen. Betrachtet man diese Institutionen jedoch unter dem Blickpunkt der wirtschaftlichen Macht — und diesen Mut brachte Herr Elbrächter heute morgen nicht auf —, dann werden die Dinge anders.
Das Kartellproblem, auf das ich jetzt besonders abheben möchte, ist in der Tat in erster Linie ein Problem wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht. Wirtschaftliche Macht wird ausgeübt, indem jede wirtschaftliche Organisation von nennenswerter Bedeutung über die Preisgestaltung und durch andere Maßnahmen auf die konjunkturelle Entwicklung und damit im Endergebnis auf die Entwicklung des allgemeinen Lebensstandards Einfluß nehmen kann, gesellschaftliche Macht, weil wirtschaftliche Macht unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere in Deutschland gesellschaftlichen und politischen Einfluß zugleich verleiht.
Damit wird aber für uns zur bestimmenden These, daß für derartige Machtzusammenballungen eine wirksame Kontrolle eingerichtet werden muß.
Hiermit meinen wir einmal eine öffentliche Kontrolle auf Grund einer genauen Durchleuchtung der wirtschaftlichen Tatbestände, also Publizität in dem Kartell selbst wie auch in seinen Beziehungen zu anderen Unternehmungen.
Wir meinen damit zum anderen eine institutionelle Kontrolle durch eine entsprechende Kartellstelle. Nach unserer Auffassung ist allein die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit das entscheidende Kriterium für die Frage, ob und in welchem Umfang Kartelle anerkannt werden. Soweit Kartelle zuzulassen sind, richten sich Art und Umfang der Kontrolle danach, ob und in welchem Ausmaß diese Kartelle eine Gefahr für die wirtschaftliche und politische Entwicklung darstellen. So sind für den gleichen Wirtschaftsbereich unter verschiedenen Voraussetzungen und zu verschiedener Zeit auch verschiedene Entscheidungen denkbar. Sie sind insbesondere von den Zeitumständen und den Verhältnissen der Wirtschaftsbereiche abhängig.
Aus diesen Überlegungen ergeben sich drei entscheidende Gesichtspunkte: 1, Wir lehnen die Kartellfreiheit grundsätzlich ab. Nach unserer Auffassung sind jedoch die Kartelle schlechthin nicht schädlich, gefährlich und verwerflich. Dies sind vielmehr solche Kartelle, die Organisationen unkontrollierter Macht darstellen. Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit müssen vom Staat erlaubt und kontrolliert werden.
2. Eine elastische Fächerung der erlaubten, genehmigten und beaufsichtigten Kartelle muß gegeben sein, um allen Notwendigkeiten wirtschaftlicher Realität entsprechen zu können.
3. Die Kartellbehörde — Kartellamt, Monopolamt oder ähnliches — bedarf im Hinblick auf die von ihr zu handhabende Genehmigung, Kontrollauflagenerteilung und Prüfung hinsichtlich ihrer Organisation, ihrer Funktion, hinsichtlich ihres Initiativrechts bei Prüfung und Aufsicht sowie besonders auch hinsichtlich ihrer eigenen parlamentarischen Kontrolle besonderer Aufmerksamkeit.
Diese drei Punkte sind nach unserer Auffassung eng miteinander verbunden. Bei der Behandlung des Entwurfs müssen wir die Anerkennung eines jeden Punktes dieser These davon abhängig machen, inwieweit bei den anderen Punkten unsere Vorstellungen zur Erfüllung gelangt sind. Ich bitte daher, die nachfolgenden Ausführungen zu den einzelnen Kartellausnahmen, zur Behandlung der Monopolfrage stets unter dem Gesichtspunkt dieser engen Verzahnung der genannten drei Thesen zu werten.
Nach unserer Auffassung sollen ohne besondere Genehmigung — d. h. auch ohne besondere Erlaubnis — folgende Kartelle z. B. erlaubt sein: Normungs- und Typisierungskartelle, Exportkartelle, soweit dadurch die handelspolitischen Beziehungen nicht gestört werden.
Als Gruppe der genehmigungspflichtigen Kartelle sehen wir z. B. folgende Typen an: Inlandskartelle zur Sicherung der Funktion von Exportkartellen, Importkartelle, Beteiligung an internationalen Kartellen, Rationalisierungskartelle,
Krisenkartelle, wobei betont sein mag, daß hier nur konjunkturelle Krisen gemeint sind, also die Regelung eines vorübergehenden, nicht auf nachhaltiger Änderung der Nachfrage beruhenden Absatzrückgangs.
In dieser Aufzählung der ohne Genehmigung und der mit Genehmigung zulässigen Kartelle sind einige Typen von Kartellen nicht enthalten, die jedoch in bestimmtem Zusammenhang zu bestimmter Zeit eine entscheidende volkswirtschaftliche Ordnungsaufgabe übernehmen können. Strukturell bedingte Anpassungskartelle können gesamtwirtschaftlich notwendig sein. Kartellartige Beschaffungsorganisationen der mittleren gewerblichen Wirtschaft und des Handwerks sind unter Umständen als Abwehrmaßnahmen gegen die beherrschende Stellung von Lieferanten und Konkurrenten zweckmäßig und erwünscht, wenn sie diesen kleinen und mittleren Unternehmungen durch entsprechende organisatorische Maßnahmen gleiche Startbedingungen verschaffen.
Endlich gibt es immer wieder nicht allgemein abgrenzbare Fälle, in denen Ordnungsmaßnahmen erforderlich sind. Für diese Kartelle, die sich für eine Aufzeichnung und gesetzesmäßige Festlegung nicht eignen, muß nach unserer Auffassung im Gesetz eine besondere Tür in Form einer Generalklausel aufgestoßen werden, durch die diese Kartelle in den Bereich der genehmigten Kartelle eingehen können. Allerdings soll die Genehmigung nur in den Fällen erteilt werden, wenn derartige Zusammenschlüsse im Interesse der Allgemeinheit als notwendig angesehen werden. Den Entscheid hierüber und damit über die
o Genehmigung möchten wir jedoch nicht in die Hände der Kartellbehörde legen. Nach unserer Auffassung gehört eine Entscheidung auf Grund einer solchen Generalklausel zumindest in die Zuständigkeit des politisch verantwortlichen Ministers. In besonders bedeutsamen Fällen soll die Bundesregierung auf Antrag des Bundeswirtschaftsministers die Erlaubnis erteilen, wenn die Beschränkung des Wettbewerbs zur Wahrung eines besonderen öffentlichen Interesses geboten ist.
Wenn ich eingangs hervorhob, daß unser Grundsatz die Freiheit für alle, also die Gerechtigkeit verlangt, dann ist damit die Richtschnur für unsere Auffassung von Kartellen gegeben. Die nach unserer Auffassung ohne besondere Erlaubnis zugelassenen Kartellformen dienen, richtig betrachtet und angewandt, dem Produzenten und dem Konsumenten zugleich. Sie festigen echten Wettbewerb und führen letzten Endes zu einer günstigen Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft.
Die Gruppe der genehmigungspflichtigen Kartelle zeigt diese guten Eigenschaften nicht a priori. Besonders das Rationalisierungskartell wird in seiner begrifflichen Festlegung besonderer Gewissenhaftigkeit bedürfen. Ganz besondere Aufmerksamkeit ist jedoch den konjunkturellen Krisenkartellen zuzuwenden. Ihre Genehmigung sollte nur erteilt werden, wenn sie bei konjunkturellen Preisstößen in einer Art Fallschirmwirkung die heftigsten Stöße und Stürze auffangen, damit also gesamtwirtschaftlich erwünscht sind und Konsumenten wie Produzenten gemeinsam dienen.
Für diese Gruppe der Kartelle gilt jedoch nach unserer Auffassung der unumstößliche Grundsatz
der Kontrolle durch die Kartellbehörde, damit der Pfad des Gesamtwirtschaftlichen nicht verlassen wird. Man sollte es vermeiden, diese Kontrolltätigkeit mit der eines Wachmannes oder mit Polizeistaatmethoden gleichzusetzen. Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern er hat auch die Pflicht, die Freiheit aller seiner Staatsbürger zu schützen. Der Vorwurf, der in dieser Beziehung der Polizeistaatlichkeit liegt, fällt auf jene zurück, die es als ihr Privileg ansehen wollen, dadurch größere Freiheit zu genießen, daß sie andere in Unfreiheit setzen. Für die über die Generalklausel in den Zustand der Genehmigung und der Aufsicht eingehenden Kartelle gilt das eben Gesagte natürlich in noch stärkerem Maß.
Die Genehmigung setzt Darlegungen der Verhältnisse und der Notwendigkeit voraus. Wenn um diese Genehmigung im Hinblick auf gesamtwirtschaftliches Interesse nachgesucht wird, ist eine Kontrolle durch die Gesamtwirtschaft eine logische Konsequenz und Selbstverständlichkeit.
Für alle Kartelle, d. h. sowohl für die nach Gesetz wie durch besondere Genehmigung zugelassenen Kartelle müssen bestimmte Grundsätze der Publizität angewandt werden. Erstens: Die Genehmigungen sind zeitlich zu befristen. Dem Gedanken einer automatischen Verlängerung der genehmigten Frist können wir uns nicht anschließen, da wir wünschen, daß die Antragsteller zu einer erneuten Begründung für die Ausnahmeregelung angehalten werden. Zweitens: Die in § 48 des Entwurfs bestimmte Veröffentlichungspflicht wünschen wir für alle als Ausnahme durch Gesetz und durch besondere Genehmigungen zulässigen Kartelle erweitert zum Grundsatz der Schriftlichkeit und Registrierung. Drittens: Die im Entwurf früher enthaltene Forderung des Grundsatzes der Verbindung der Erlaubniserteilung mit einer Erteilung von Auflagen muß wiederhergestellt werden, wobei sich eine entsprechende Ergänzung ides § 31 des Entwurfs als notwendig erweisen wird. Wir folgen hierbei dem Wortlaut der Regierungsbegründung, in der es heißt:
Die durch die Erlaubnis einem Kartell eingeräumte Marktmacht wird ständig überwacht. Es wird im einzelnen zu prüfen sein, in welcher Form diese Kartelle in ihrem Innenleben und in ihrem Außenleben einer solchen Aufsicht am besten und zweckmäßigsten unterstellt werden können.
Meine Damen und Herren, ich darf mich nun einem zweiten Kapitel zuwenden, das heute ziemlich vernachlässigt wurde, dem Kapitel der marktbeherrschenden Unternehmen. Der Entwurf der Regierung geht dabei von der richtigen Erkenntnis aus, daß ein grundsätzliches Kartellverbot zum verstärkten Ausweichen zum vertikalen Prinzip, zur stärkeren Konzentration und Marktmacht führen kann. Hierbei ist es völlig richtig, zu bedenken, daß ein Einzelunternehmen über eine Monopolstellung verfügen kann, sofern sein Marktanteil einen Umfang erreicht, daß ihm ein wesentlicher Wettbewerb nicht mehr gegenübersteht, daß zum andern aber auch Zusammenschlüsse von Unternehmungen zur Begründung einer marktbeherrschenden Stellung führen können. Für beide wählt der Entwurf die Bezeichnung „marktbeherrschendes Unternehmen", als dessen Kennzeichen in § 17 genannt werden: Größe des Marktanteils, wesentliche Rücksichtnahme auf Wettbewerber und fühlbare Beeinflussung des Marktes.
Mit diesen Kriterien wird nach unserer Auffassung noch nicht auf einen wesentlichen Tatbestand abgehoben, nämlich auf das Kriterium der volkswirtschaftlichen Bedeutung. Es muß demnach hier noch 'Beachtung finden, daß das Unternehmen für die Gesamtwirtschaft von Bedeutung ist.
Die vom Bundesrat durch •Einfügung eines zweiten Absatzes in § 17 vorgeschlagene Ergänzung durch Einbeziehung des Oligopols hat in eimer abgeänderten Formulierung von der Bundesregierung Zustimmung gefunden. Die Einbeziehung des Oligopols in die Bestimmungen des § 17 erscheint uns richtig, wobei die Formulierung sicher noch einer genaueren Betrachtung bedarf. Wir werden hinsichtlich 'des Oligopols keine Formulierung akzeptieren, die eine echte Kontrolle unmöglich macht.
Ein Beispiel mag die Bedeutung eines Oligopols kurz beleuchten, aber gleichzeitig dartun, welche unmittelbare Gefahr für den Konsumenten aus einem Mißbrauch oligopolistischer Stellung erwachsen kann. Ich wähle hierbei als Beispiel die Glühlampenindustrie. Die deutsche Produktion von Gebrauchslampen wird im wesentlichen von drei Großfirmen betrieben. Das Verhältnis der Aufteilung der Produktion unter diese drei Finnen ist etwa 50 %, 25 % und 10 %, d. h. sie haben zusammen rund 85%. Der Rest von 15 % verteilt sich auf sechs Firmen; noch vor etwa zwei Jahren waren es zwanzig. Wie Notierungen von Besatzungsaufträgen zeigen, lassen die Großen auch hin und wieder den Kleinen etwas zukommen, d. h. man lebt zur Zeit „friedlich und verständnisinnig" nebeneinander, nun, so etwa wie Wolf und Lamm. Es bedarf keiner Kommentierung, daß in diesem Beispielsfall eine gewissenhafte Beaufsichtigung ) durch das Kartellamt angebracht ist. Daß zur Zeit kein Mißbrauch herrscht, ist kein Beweis dafür, daß die Gefahr eines solchen nicht besteht.
Der Entwurf sieht nun in § 17 Eingriffe der Kartellbehörde vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen ungerechtfertige Preise fordert oder anbietet, ungerechtfertigte Geschäftsbedingungen anwendet oder unzulässige Koppelungsgeschäfte tätigt. Eingriffe der Kartellbehörde sind also nur bei Mißbrauch vorgesehen. Dies wird von uns für richtig gehalten. Dabei müßte aber auch auf Preisunterbietungen abgestellt werden. Voraussetzung für ein Wirksamwerden der Kartellbehörde ist, daß. sie einen Einblick in das Geschäftsgebaren hat. Es ist auch notwendig, daß sie sich diesen Einblick gegebenenfalls erzwingen kann. Hier ist wiederum ein wesentlicher Punkt für die besondere Bedeutung der Kartellbehörde hinsichtlich ihrer Organisation, ihrer Funktionen und ihres Initiativrechts.
In ,diesem Zusammenhang gestatten Sie mir ein paar Worte aus der Sicht sozialdemokratischer Mittelschichtenpolitik. Insbesondere im Interesse eines fortschrittlichen Handwerks muß einer Herausbildung von marktbeherrschenden Unternehmen entgegengetreten werden. In den Paragraphen des Entwurfs ist noch keine Handhabe gegeben, um die Kleinen im Interesse der Erhaltung selbständigen Unternehmertums gegen marktbeherrschende Unternehmungen zu schützen. Man wird, wenn man eine solche Politik ehrlich will, die Paragraphen des Entwurfs noch um eine Bestimmung ergänzen müssen, die der Kartellbehörde die Möglichkeit zum Eingreifen an die Hand gibt, wenn mißbräuchlicher Einsatz von Kapitalmacht zwecks Schädigung der Konkurrenten vorliegt.
Der dritte Komplex wettbewerbsbehindernder Institutionen und Erscheinungen wird von dem Regierungsentwurf unter dem Begriff Individualverträge erfaßt. Sicherlich ist die Zahl der Individualverträge mit wettbewerbsbeschränkender Wirkung außerordentlich groß, und ebenso erscheinen sie in vielfältiger Gestalt. Die Schlußfolgerung des Entwurfs, daß es weder möglich noch notwendig ist, solche Individualverträge mit wettbewerbsbeschränkender Wirkung generell für unwirksam zu erklären oder von einer Erlaubnis abhängig zu machen, ist sicher richtig. In den §§ 10 bis 16 .greift der Entwurf jedoch eine bestimmte Gruppe solcher Verträge heraus. Erfaßt werden hier Vereinbarungen, die die freie Entschließung des Unternehmens über sein geschäftliches Handeln beeinträchtigen. Die Begründung der Regierung bezeichnet solche Verträge als eine Entartung der Vertragsfreiheit, die zu unterbinden ist.
Als besonderes Beispiel sei die Preisbindung der zweiten Hand erwähnt, die Auflage des Produzenten ,an den Händler, zu einem festen Preise die Ware zu verkaufen. Wir folgen hier durchaus dem grundsätzlichen Verbot des § 10 der Regierungsvorlage. Die §§ 11 und 15 bringen nur Ausnahmen von diesem Verbot, darunter eines der am heftigsten umstrittenen Probleme, nämlich die Preisbindung der zweiten Hand für Markenartikel. In der Begründung hierzu führt die Bundesregierung aus:
Markenartikel sind Waren des Massenkonsums. Die Verbindung der Marke mit einer Ware, die damit verbundene Notwendigkeit, dieser Marke durch gleichbleibende Qualität und durch längere Werbung Verkehrsgeltung zu schaffen, bringen eine besondere Situation hervor. ... Unbeständige Verkaufspreise rufen beim Konsumenten leicht die Vorstellung wach, daß auch die Güte der Ware schwanke.
Somit Wird — wenn ;ich es richtig sehe, aus Konsumenteninteressen — die vertikale Preisbindung bei Markenartikeln im Regierungsentwurf grundsätzlich hingenommen. Hierzu meint der Entwurf um so mehr berechtigt zu sein, als er in § 12 das Ventil schafft, um einem Mißbrauch auf diesem Gebiet 'entgegentreten zu können. Dieses Ventil besteht darin, daß die Preisbindung aufgehoben werden kann, wenn die einem bestimmten Markenartikel gewährten Handelsspannen durch die Marktverhältnisse nicht mehr gerechtfertigt erscheinen.
Diese ,Ausnahmebestimmung für Markenartikel berührt eines der wichtigsten Probleme. Es sei vorausgeschickt, daß nach unserer Auffassung ein echter Markenartikel durchaus den Interessen des Verbrauchers dienen kann, weil er es dem Verbraucher erleichtert, die verschiedenen Waren zu vergleichen und eine ihm zusagende Ware jederzeit und an verschiedenen Orten einzukaufen. Der Markenartikel ermöglicht es dem Hersteller, in unmittelbare Beziehung zum Verbraucher zu treten, sein Vertrauen zu erwerben und sich dadurch einen breiten Absatz und die Möglichkeit einer rationellen Mengenfertigung zu sichern.
Aber, meine Damen und Herren, was ist ein Markenartikel? Der Entwurf bemüht sich, eine Definition zu geben. Sie ist jedoch nicht so exakt anwendbar, daß mit ihr verhindert wenden könnte, daß immer mehr Waren zu Markenartikeln wer-
0) den. Man kann mit ihr sicherlich nicht der Entwicklung steuern, die in den letzten Jahrein als reine Markenartikel-Inflation einsetzte, die Bindfäden ebenso zu Markenartikeln machte wie Kohle in der Tüte. Entscheidend für diese Tendenz war doch sicherlich nicht das Bestreben, auf dem Qualitätsgebiet eine besondere unternehmerische Leistung zu bewirken. Der Anreiz kam 'doch von der anderen Seite her, von der Preisseite. Wenn elektrische Hörgeräte für Schwerhörige einen Fabrikkostenpreis — d. h. Material-, Lohn- und Betriebsgemeinkosten — von 70 DM haben, dann muß man einen Verkaufspreis von 447 DM als zumindest reichlich übertrieben bezeichnen.
Der gebundene Preis von 60 DM für einen Trokkenrasierapparat ist bei einem Fabrikabgabepreis an den Großhandel mit 16,80 DM eine unzumutbare .Belastung des Verbrauchers.
Es ist nun eine unbestreitbare und auch unbestrittene Tatsache, daß das Streben nach Markenartikelgeltung im letzten Jahr einen starken Umfang angenommen hat. Hierauf hat heute morgen der Kollege Illerhaus bereits hingewiesen. Es ist nicht uninteressant, daß hierbei unterschiedliche Motive mitgewirkt haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang ohne Kommentierung ein paar Sätze aus der „Neuen Württembergischen Zeitung" vom 16. März 1955 zitieren:
Anläßlich einer Besprechung mit der Kühlschrankindustrie erklärte deren Verbandsvorsitzender, daß die Fabrikanten dieses Industriezweigs die Einzelverkaufspreise an den Konsumenten wieder vorschreiben und damit die Preisbindung der zweiten Hand wieder einführen möchten, wenn sich die 'Gelegenheit dazu bietet. Ein anwesender Vertreter des Kühlschrankhandels fügte hinzu, daß auch seine Berufskollegen den gebundenen Einzelhandelspreis begrüßen würden.
Es müsse dabei nur bedacht werden, daß sich zwar die Anständigen unter diesen nach den Preisvorschriften richten würden, während erfahrungsgemäß die Unanständigen zu dem Versuch neigten, diese zu umgehen .
Ganz eindeutig formuliert, bedeutet das, — ich zitiere immer noch --
daß derjenige ein unanständiger Händler ist, der durch billigeres Angebot als das der Konkurrenz für gleiche oder gleichwertige Waren sich um Vergrößerung seines Absatzes bemüht. Nicht der Dienst am Kunden in des Wortes letzter Bedeutung soll das Verhältnis zwischen Handel und Verbrauchern bestimmen, sondern die Bindung des Kunden, die mit vagen Begriffen wie „Service" usw. als etwas Besonderes hingestellt wird, obwohl sie lediglich die allererste Voraussetzung für den Geschäftsgang überhaupt ist.
Welchen Umfang dieses Streben nach Markenartikeln mit Preisbindung angenommen hat, mag die Tatsache zeigen, daß ein großes deutsches Kaufhaus vor etwa einem halben Jahr festgestellt hat, daß bei allen — bei allen! — außer einem einzigen Artikel seines wirklich umfangreichen Sortiments die Preisbindung zweiter Hand zumindest versucht worden war. Die erste Andeutung einer Rüstungswirtschaft rief die Produzenten von Luftschutz-und Brandschutzartikeln auf den Plan, sich ebenfalls als Markenartikler — versteht sich, mit gebundenen Preisen — zu deklarieren.
Vor wenigen Wochen konnte festgestellt werden, daß etwa 60 % des Wertes aller Verbrauchsgüter auf Markenartikel entfallen. Das krasseste Beispiel jedoch für die hier angesprochene Tendenz ist die Vereinbarung zwischen dem Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Bundeswirtschaftsministerium, die den Grundsatz der Preisbindung verallgemeinert, also nicht einmal wenigstens optisch den Versuch macht, eine Begrenzung auf Markenartikel anzusteuern.
Gerade dieser letzte Tatbestand macht es meines Erachtens deutlich, daß es sehr schwer sein wird, eine Abgrenzung nur für echte Markenartikel zu finden, — nicht so sehr aus der Sache oder der Schwierigkeit des Formulierens heraus, vielmehr, weil man es nicht will.
Man hat die Preisbindung zweiter Hand für Markenartikel kurz Markenartikel-Kartell genannt. Wir sind zunächst noch nicht der Überzeugung, daß eine solche Terminologie richtig ist. Den Darlegungen von Lutz „Warum feste Preise für Markenartikel" entnahm ich die Vertriebskostensätze des Kölner Instituts für Handelsforschung; sie betrugen für Drogerien z. B. 27,6 %, eine Zahl die man respektieren könnte. Aus Angaben einer Drogerie selbst aber entstammen folgende Zahlen, erstens: 85% aller ihrer Waren sind Markenartikel; zweitens: die Handelsaufschläge einschließlich Rabatt und Skonti betragen bei einer bekannten Seifenmarke 70 %, bei bekannten Zahnpasten 74 bis 91%, bei Fruchtwürfeln 89% und bei Rasierklingen 91 %.
Ich darf hinzufügen, daß es sich bei diesem Sortiment einer Drogerie grundsätzlich um Artikel des unmittelbaren breiten Konsums handelt. Wenn man ein ganz klein wenig Rücksicht auf den Verbraucher nimmt, wird man sich daran erinnern müssen, daß die Wirtschaft letzten Endes dem Konsum dient; und dann wird man es verstehen, daß es uns ein echtes Anliegen sein wird, gerade diese Frage zu klären und hier Mißstände zu beseitigen.
Daher werden wir uns einmal darum bemühen, eine Abgrenzung wirklicher Markenartikel zu finden. Gelingt dies, dann würden wir bereit sein, für diesen Fall einer Preisbindung als Höchstpreisbegrenzung zuzustimmen. Das heißt, daß anerkannte Markenartikel zu jedem, jedoch höchstens zu dem gebundenen Preis verkauft werden können. Je mehr sich die Schwierigkeiten einer solchen Abgrenzung mehren, je unmöglicher dieses Vorhaben erscheint, um so stärkere Bemühungen haben unseres Erachtens einzusetzen, um die Herausarbeitung eines verbesserten Gesetzes gegen unlauteren
Wettbewerb. In gleicher Richtung müssen im Interesse des Handels Überlegungen angestellt werden, ob nicht auch durch steuerliche Maßnahmen für Handel und Konsumenten dasjenige besser und gleichzeitig wirkungsvoller erreicht werden kann, was die Preisbindung zweiter Hand nicht gestattet. Der Mißbrauch, der gerade auf dem Gebiet der Preisbindung zweiter Hand getrieben wird, veranlaßt uns, dieser Frage bei dier Beratung unsere ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Bestimmungen des Regierungsentwurfs über die Kartellbehörde sind verhältnismäßig dürftig. Dies braucht nicht unbedingt ein Mangel zu sein, besonders dann nicht, wenn man in unserem Sinne anerkennt, daß diese Stelle ein umfangreiches Initiativrecht, eine Wendigkeit der Organisation und eine ausreichende Fächerung der Funktionen haben sowie einer wirkungsvollen Kontrolle durch das Parlament unterworfen sein muß. Als wesentliche Punkte solcher Funktionen aus unserer Sicht darf ich, ohne vollständig sein zu wollen, nennen:
1. Die Kartellbehörde muß ein Initiativrecht zur Prüfung von Unternehmungen erhalten, bei denen ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die Bestimmungen des Gesetzes verstoßen.
2. Die Kartellbehörde muß ein Initiativrecht zur Prüfung ganzer Wirtschaftsbereiche haben, um festzustellen, ob Tatbestände vorliegen, die ein Einschreiten auf Grund des Gesetzes rechtfertigen. Häufig ergibt sich aus der Kenntnis der Zusammenhänge in einem größeren Bereich erst die Tatsache des Vorliegens kartellmäßigen Verhaltens.
3. Die Kontrollmaßnahmen müssen wirksam und geeignet sein, einen Machtmißbrauch zu verhindern. Dabei sollte man versuchen, möglichst viel selbsttätige Kontrollelemente einzuschalten, um die Notwendigkeit einer ständigen bürokratisch wahrzunehmenden Kontrolltätigkeit weitmöglichst einzuschränken. In diesem Zusammenhang möchte ich nur erwähnt haben, daß die seit Jahren im Gespräch befindliche Aktienrechtsform hier sehr gute Dienste leisten könnte, wenn sie die so oft vorgetragene Forderung nach größerer Publizität erfüllt.
4. Dem Parlament oder einem seiner Ausschüsse sollte neben dem Bundeswirtschaftsministerium das Recht gegeben werden, die Durchführung einer Prüfung zu verlangen. Zumindest sollte eine periodische Berichterstattung an das Parlament bzw. an einen seiner Ausschüsse vorgeschrieben werden, die wesentlich weiter geht als die Verpflichtung des jetzigen Entwurfs, einen jährlichen Bericht zu veröffentlichen. Soweit zu dem Entwurf, den die Regierung einmal vorgelegt hatte.
Gestatten Sie mir jetzt noch ein paar kurze Bemerkungen zu den sonst noch vorgelegten Entwürfen. Der von dem Kollegen Höcherl und Genossen vorgelegte Entwurf ist in doppelter Beziehung außerordentlich gelobt worden, im wesentlichen auch von ihm selbst. Es ist gesagt worden, einmal sei er sehr kurz und zum anderen wahre er die Interessen der praktischen Wirtschaft. Nun, der Herr Kollege Höcherl hat bei seiner Einbringung auf diesen beachtenswerten Tatbestand der Kürze deutlich hingewiesen und hat dabei den Kollegen Dresbach zitiert, der wohl mal Komplikateure als eine gefährliche Rasse bezeichnet hat. Man kann Herrn Höcherl darin folgen. Nur fürchte ich, wenn wir dem Gedanken von Herrn Höcherl zu sehr folgen, sind wir bald in der Versuchung, auch Simplifikateure als eine gefährliche Rasse zu bezeichnen. Das zu dem Grundsatz der Kürze! Außerdem erlaubte ich mir bereits den Zwischenruf, daß der Entwurf des Kollegen Höcherl immerhin noch drei Paragraphen länger sei als der Entwurf des Kollegen Böhm. Also das ist kein Argument.
Meines Erachtens sind in dem Entwurf gut die Bestimmungen über Schriftlichkeit, Registerführung und Publizität. Wir würden uns freuen, wenn diese Grundsätze auch in dem Fall vertreten werden, daß die Ausschußberatung eine andere Grundkonzeption des Gesetzes ergibt.
Der Hauptpunkt unserer Kritik richtet sich gegen § 3, der den Grundsatz ausspricht, daß Preiskartelle wirksam sind, und gegen § 4, der der Kartellbehörde aufgibt, Mißbräuche abzustellen, wenn schädliche Wirkungen zu befürchten sind. Bei dieser Befürchtung gibt es noch eine drollige kleine Nuancierung. Die schädliche Wirkung besteht nach dem Entwurf bei Erzeugung oder Handel grundsätzlich, bei dem Verbraucher jedoch nur hinsichtlich einer angemessenen Versorgung.
Um das Preiskartell in seiner wirtschaftlichen Bedeutung gerade in diesem Zusammenhang zu verdeutlichen, gebe ich Ihnen jetzt zwei Beispiele aus der Bauwirtschaft. Ich zitiere den ersten Fall aus der von mir so geschätzten Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Frankfurter Raum bestand ein Ring von 34 Baufirmen, der nach folgendem Prinzip arbeitete — ich beginne mit dem Zitat —:
Die zu einer Angebotsabgabe aufgeforderten Firmen kommen mit den anderen Firmen der gleichen Ausschreibung zu Besprechungen zusammen, um ihre Kalkulationsunterlagen offenzulegen, um etwaige Korrekturen auszumachen und um zu vereinbaren, welche von ihnen durch die günstigste Stellung des Angebots den wahrscheinlichen Zuschlag erhält. Bei fortlaufend beabsichtigten Preisabsprachen wird für eine Regelung gesorgt, die jeden im Turnus zum Zuge kommen läßt.
Ein anderes Beispiel, ebenfalls aus dem hessischen Raum. Im Gebiet einer Mittelstadt befinden sich drei Fliesenfachgeschäfte. — Hören Sie gut zu, Herr Höcherl. Das gibt es woanders auch, das gebe ich zu. — Es erfolgt eine Ausschreibung. Die Angebote dieser drei Firmen differieren bei einer Gesamtsumme des Objekts von 11 880 DM um ganze 2,23 DM.
Durch einen dummen Zufall erhält ein Fliesenfachgeschäft einer benachbarten Großstadt ein Angebotsformular. Es reicht seinen Vorschlag mit 10 980 DM, d. h. mit fast 1000 DM Differenz ein. Warum habe ich Ihnen diese Beispiele gebracht? In beiden Fällen ist im Ablauf der Produktion kein Schaden eingetreten, und in beiden Fällen ist eine angemessene Versorgung des Verbrauchers erfolgt. Wenn ich also richtig sehe, würde diese Art Kartell nach der Vorlage Höcherl rechtswirksam sein. Deswegen habe ich sie zitiert.
Man wendet nun gern ein, daß kurzfristige Preiskartelle keinen wesentlichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten könnten. Eine wesentliche Preiserhöhung sei schon deshalb unwahrscheinlich, weil bei einer überhöhten Preisfestsetzung jeder Beteiligte nach Ablauf des Kartelljahres mit der Ab-
lehnung seines Verlängerungsantrages mit einem dann um so stärkeren Preisrückschlag rechnen müsse. Aber liegt denn die Problematik nicht tiefer? Wenn ein Kartell einen durch den Wettbewerb gebildeten Marktpreis erst einmal beseitigt und durch einen von ihm festgesetzten Preis ersetzt hat, dann besteht für die beste Kartellbehörde gar nicht mehr die Möglichkeit, festzustellen, inwieweit der Kartellpreis als Ergebnis eines Kartellmißbrauchs anzusehen ist. Dem Staat wird mit dieser Propagierung des Mißbrauchs eine in sich sinnlose Aufgabe zugewiesen. Es drängt sich hier die Vermutung auf: vielleicht will man das überhaupt. Der Entwurf geht nach unserer Einstellung vom verkehrten Prinzip aus und löst mit der Möglichkeit des Kartellierens nach freiem Ermessen keines der anstehenden Probleme.
Zum Entwurf von Professor Böhm möchte ich folgendes sagen. Die Bestimmung, daß nichtig nicht nur Verträge sein sollen, sondern auch ein entsprechendes Verhalten, scheint mir die modernste Kartellform anzupacken, nämlich die Nichtdiskriminierungsabreden und -mitteilungen. Bei den Maßnahmen, die der Entwurf der Kartellbehörde in solchen Fällen zuweist, fällt mir auf, daß sich die Behörde auf ein Untersagen gemäß § 11 beschränken muß. Dieser Mangel an Gestaltungsbefugnis, also an positiven Eingriffsmöglichkeiten der Kartellbehörde, tritt meines Erachtens am empfindlichsten bei marktbeherrschenden Unternehmen hervor. Gerade hier wäre eine Zuweisung des Gestaltungsrechtes an die Kartellbehörde unerläßlich. Nach unserer Konzeption genügt es eben nicht, Hindernisse des Wettbewerbs zu untersagen oder wirkungslos zu machen. Es muß das aktive Moment des Gestaltens hinzutreten.
Ich möchte noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Der Böhmsche Entwurf kennt keine Abtrennung von sogenannten Ausnahmegebieten. Ich habe eingangs dargelegt, daß diese Ausnahmegebiete für uns Bereiche manipulierten Wettbewerbs sind. Aus der Anlage des Böhmschen Entwurfs entnehme ich, daß es solche Bereiche nach seiner Auffassung nicht gibt, daß diese Bereiche, die gesamtwirtschaftlich orientiert sein sollen, dem Wettbewerb auf Zeit verschlossen sind. Mag sein, daß der Entwurf an dieser Stelle noch nicht völlig ausgefeilt ist; mag sein, daß eine grundlegend unterschiedliche Auffassung uns in diesem Punkte trennt. Insgesamt gesehen wird der Böhmsche Entwurf, der uns in Konzeption und Anlage gut anspricht, erst in intensiver Ausschußarbeit voll erkannt und gewertet werden können.
Ich möchte hier nur noch hinzufügen, daß ich kürzlich in einer Zeitung gelesen habe, ein Kenner der Materie habe vom Böhmschen Entwurf gesagt, daß er eine romanhafte Zusammenstellung kapitalistischer Sünden sei.
Nun, ich glaube das nicht. Wenn Professor Böhm das gewollt hätte, hätte er sich wahrscheinlich nicht auf 31 Paragraphen beschränkt.
Dann ein paar Bemerkungen zu den zwischen dem BDI und Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums getroffenen Absprachen. Diese sind kein Gegenstand der Verhandlung; aber es sitzen ja Beauftragte hier, um in den Ausschußberatungen diese Punkte gleichsam als eigene Vorschläge vorzubringen. Gestatten Sie mir deshalb auch hierzu ein paar Worte, gleichsam um ebenfalls die Grenzen abzustecken, so sagte man ja wohl seinerzeit. Über die Absprachen hinsichtlich der Kartelle läßt sich doch schlicht und einfach der Satz schreiben: Von einem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist keine Rede mehr. Das Krisenkartell wird auch auf das strukturelle Krisenkartell ausgedehnt. Nur damit zwischen konjunkturellen und strukturellen ,Krisenkartellen noch unterschieden werden kann, ist nach den hier vertretenen freiheitlichen und sozial-marktwirtschaftlichen Vorstellungen das konjunkturelle Krisenkartell automatisch zu genehmigen, während das strukturelle Krisenkartell wenigstens noch eines Antrages bedarf. In Vokabeln, die einem Unternehmer verständlich sind, würde man die Bedeutung dieser Absprache wohl dahin zusammenfassen können: Abwälzung der unternehmerischen Risiken auf „Unbekannt".
Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang aus einem Jahresbericht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie — 1953/54, Seite 14 — zitieren: „Die deutsche Industrie bejaht das Wettbewerbsprinzip in seiner vernünftigen Anwendung als tragenden Pfeiler der Marktwirtschaft." Nun, ein weiterer Pfeiler dieses freiheitlichen Wettbewerbs ist bei dieser Absprache das Funktionsrabattkartell. Jeder Fabrikant pflegt den Abnehmern größerer Mengen einen Nachlaß auf seine normalen Preise zu gewähren. Von jeher nun haben sich die Verbände Mühe gemacht, Einfluß darauf zu nehmen. Nach den Änderungsvorschlägen des Arbeitskreises sollen horizontale Abreden über Rabatte zulässig sein, soweit diese der wirtschaftlichen Funktion des Rabattnehmers entsprechen und die Rabattgewährung nicht zu einer ungerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung von Wirtschaftsstufen führt. Einer vorherigen Erlaubnis bedarf es in diesem Falle nach den Änderungsvorschlägen selbstverständlich nicht. Was damit gewollt ist, ist klar. Die Verbände erhalten die Gelegenheit, die Absatzwege und über sie die Vertriebsformen im weitesten Umfang durch Einsatz von Kollektivmacht zu beeinflussen. Außerdem sind damit auf Umwegen die nicht zugelassenen Absprachen über Mengenrabatte wieder eingeführt. Wenn man dann endlich in Rechnung stellt, daß diese Regelung keine Begrenzung auf Markenartikel kennt, dann sieht man klar und deutlich vor sich eine vollständige Zementierung des gesamten Preisgefüges zum einseitigen Vorteil der kartellierungsfähigen Industrie.
Die Bestimmungen über das marktbeherrschende Unternehmen sollen dadurch völlig ausgehöhlt werden, daß einmal der § 18 der Regierungsvorlage gestrichen wird und daß man zum anderen aber als „marktbeherrschend" nur zwei oder mehrere Unternehmen ansehen will, die zusammenwirkend im gleichförmigen Verhalten den Markt wesentlich beeinflussen. Diese Formulierung ist interessant. Wenn das Wirklichkeit wird, bleiben an dem Feigenbaum des marktbeherrschenden Unternehmens nur noch zwei dürftige Blätter, erstens der Fall des reinen Monopols, und den gibt's in Deutschland kaum; zweitens Oligopole, bei denen die Verbandssyndizi von sich aus zugeben, daß sie synchronisiert sind und gleichförmig handeln, und solche schlechten Syndizi gibt's selbst in Deutschland nicht.
A) Erfreulich an diesem Beratungsergebnis scheint mir etwas anderes zu sein, nämlich daß sich unverzüglich nach Bekanntwerden dieser vereinbarten Leitsätze namhafte Industrielle des Bundesverbandes der Deutschen Industrie auf dem Petersberg trafen und in einer deutlichen Erklärung von diesem Produkt abrückten. Erfreulich ist, daß man gelegentlich in Tageszeitungen auch Stimmen wie die folgende liest — ich darf wieder die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitieren, und zwar vom 8. Januar 1955 —:
Nachdem der Bundesverband der Deutschen Industrie in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken versucht hat, daß nahezu die gesamte Industrie in der Kartellfrage hinter ihm stehe, sehen wir uns veranlaßt, ausdrücklich zu betonen, daß wir Kartellgegner sind.
Ich zitiere aus einem Hauptversammlungsbericht einer großen Aktiengesellschaft. Diese grundsätzlichen Bemerkungen zu dem Entwurf der Regierung bzw. zu den anderen Entwürfen!
In der Frage der Regelung des Wettbewerbs wurde viel Zeit versäumt. Es gibt verschiedene Anzeichen dafür, daß es nunmehr allerhöchste Zeit ist, ein Kartellgesetz zu verabschieden. Als ein solches Anzeichen nenne ich die Tatsache, daß ein Blick in die praktische Wirtschaft die Meinung aufkommen lassen muß, daß in den letzten Jahren die Durchkartellierung der deutschen Wirtschaft fast zur Vollendung gekommen ist. Dies ist geschehen, obwohl der Bundeswirtschaftsminister immer und immer wieder gesagt hat, daß nunmehr das Kartellgesetz komme, daß es nunmehr ernst werde, daß es nunmehr zum Schwur komme. Mir will scheinen, daß die bekannte Methode des Bundeswirtschaftsministers, mit psychologischen Effekten
à la Coué zu arbeiten,
in diesem Fall genau die gegenteilige Wirkung von dem erreicht hat, was er eigentlich erreichen wollte. Wenn ich in seiner modernsten Sprache sprechen darf, dann war das Kartellgesetz so eine Art fleet in being. Aber diese Flotte war bereits torpediert, bevor sie von Stapel lief. Gleichsam im Schutze der Diskussionen um das Kartellgesetz haben sich Absprachen und Nichtdiskriminierungsabreden und dergleichen mit Zähigkeit und Stetigkeit entwickelt, und man wird zu tun haben, um diese Tatsachen zu beseitigen.
Ein weiteres Anzeichen für die Dringlichkeit des Anliegens! Beim Umhören im praktischen Wirtschaftsleben hört man oft den sicher manchmal nicht unbegründeten Verdacht, daß der durch die Handwerksordnung verstärkte Einfluß der Innungen, falsch verstanden, dazu ausgenutzt wird, preisliche Vorteile einheitlich durchzusetzen. Es fällt auf, daß führende Firmen Preiserhöhungen zu dem gleichen Termin und in demselben Ausmaß vornehmen. In einzelnen Industriezweigen ist es Brauch geworden, fast schlagartig einheitliche Lieferungs- und Zahlungsbedingungen anzuwenden. Bei all diesen Dingen handelt es sich doch um Tatsachen, die weder als Dienst am Konsumenten angesprochen noch als besondere unternehmerische Leistungen anerkannt werden können.
Ein weiteres Anzeichen dafür, daß wir mit der Bearbeitung eines Kartellgesetzes in Eile zu sein haben, leite ich aus der Tatsache her, daß verschiedene Preisschutzbestimmungen ins Wanken geraten sind. Ich darf daran erinnern, daß der § 19 des Wirtschaftsstrafgesetzes ersatzlos weggefallen
ist, der eine starke psychologische Bremse darstellte. Es ist bekannt, daß man gegen die noch bestehende Preisauszeichnungsverordnung ebenso Sturm läuft wie gegen die Verordnung über Auskunftspflicht. Ich sage dies alles nur, um von dieser Stelle aus deutlich zu machen, daß eine gewisse Eile mit der Bearbeitung dieses Gesetzes geboten ist.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch einen letzten Gedanken! Der Bundestag ist ein politisches Parlament. Politische Meinungen werden nicht aus einer Wirtschaftssparte oder aus einem Wirtschaftszweig heraus geboren, genau so wenig wie ein Wirtschaftszweig oder eine Wirtschaftssparte in den Bundestag Abgeordnete entsendet. Politische Meinungen — und das ist gut so — werden unterschiedlich sein. Nur aus dem Politischen heraus können solche Ordnungsgesetze erster Art wie der vorliegende Entwurf beurteilt, gewertet und mit einem Votum versehen werden. Man sollte bei den Ausschußberatungen wie auch bei den endgültigen Beratungen im Plenum darauf bedacht sein, politische Meinungen und Ansicht einer Wirtschaftssparte genau voneinander zu trennen. Die politische Meinung gehört in dieses Haus, die Ansicht einer Wirtschaftssparte gehört an den Tisch einer Verbandskonferenz.
Der Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — stimmen wir zu. Wir versehen die Überweisung mit einer doppelten Bitte: erstens, die Beratungen des Entwurfs mögen in sachlicher Form unter politischem Aspekt geführt werden, damit ein Ordnungsgesetz von der Bedeutung des Kartellgesetzes in seiner dritten Lesung vom Politischen her mit einem klaren Votum versehen werden kann. Zweitens, die Beratungen mögen nicht nur beschleunigt in Angriff genommen werden, sondern sie mögen auch beschleunigt zu einem Ergebnis führen. Das sind wir uns nach den Ereignissen, die sich bislang um diesen Gesetzentwurf abgespielt haben, schuldig.