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ID0207703500

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 77. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955 4227 77. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. März 1955. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 4228 A, 4240 C Beurlaubte Abgeordnete (Anlage 1) . . . 4293 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Pferdmenges 4228 B Mitteilung über Vorlage eines Berichts des Bundesministers der Finanzen betr. Mißstände auf dem Gebiet der Besatzungsbauten (Drucksache 1307) 4228 B Mitteilung über Vorlage des Geschäftsberichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein für das Geschäftsjahr 1953/54 4228 B Mitteilung über Zurückziehung des Antrags der Fraktion der DP betr. Einfuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) . . . . 4228 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Statut der Saar (Drucksache 1245) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Veröffentlichung des Schreibens von Bundeskanzler Dr. Adenauer an den französischen Außenminister Pinay (Drucksache 1293 [neu]) 4228 B Dr. Mommer (SPD), Antragsteller . 4228 C, 4236 D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 4232 C, 4236 B Dr Kopf (CDU/CSU) 4233 A Dr. Arndt (SPD) 4234 D Mellies (SPD) (zur Geschäftsordnung) 4238 A Dr. Krone (CDU/CSU) 4238 B Abstimmungen 4237 D, 4238 B Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik im Mündlichen Bericht über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Steigerungsbeträge für Zeiten der Arbeitslosigkeit (Drucksachen 1162, 973; Antrag Umdruck 292) 4238 C Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1158) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Stücklen, Seidl (Dorfen), Dr. Dollinger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1253) und mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Böhm (Frankfurt), Dr. Dresbach, Ruf u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Drucksache 1269) . . . 4238 D Dr. Horlacher (CDU/CSU) 4239 A Dr. Reif (FDP) 4241 D Samwer (GB/BHE) 4244 D, 4280 B Illerhaus (CDU/CSU) 4246 A Dr. Elbrächter (DP) 4250 A Unterbrechung der Sitzung . . 4252 C Scheel (FDP) 4252 D Raestrup (CDU/CSU) 4256 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4260 B Bender (GB/BHE) 4260 D Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 4264 B Dr. Hellwig (CDU/CSU) 4266 A Dr. Schöne (SPD): zur Sache 4267 D zur Geschäftsordnung 4280 D Lenz (Brühl) (CDU/CSU) 4279 D Dr. Köhler (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 4280 C Ausschußüberweisungen . . . . 4280 B, 4281 A Änderungen der Tagesordnung . . 4263 D, 4281 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betr. Erhöhung der Straßenbenutzungsgebühren in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands (Drucksache 1316) . . . . 4263 D Beschlußfassung 4264 B Erste Beratung des von den Abg. Platner, Dr. Leiske u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1083) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen (Drucksache 1233) 4281 A Platner (CDU/CSU), Antragsteller . 4281 A, 4292 A Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 4283 B, 4292 C Frau Dr. Steinbiß (CDU/CSU) . . . 4284 D Dr. Hammer (FDP) 4285 D Geiger (München) (CDU/CSU) . . 4286 C Stegner (Fraktionslos) 4288 D Becker (Hamburg) (DP) 4289 B Dr. Reichstein (GB/BHE) 4290 A Lange (Essen) (SPD) 4290 D Horn (CDU/CSU) 4291 D Samwer (GB/BHE) 4292 C Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 4292 D Ausschußüberweisungen 4293 A Beschlußunfähigkeit festgestellt und Weiterberatung vertagt 4293 C Nächste Sitzung 4293 C Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 4293 B, C, 4294 Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Dr. Wahl 14. Mai Stingl 14. Mai Feller 7. Mai Dr. Bucher 7. Mai Dr. Furler 7. Mai Dr. Rinke 7. Mai Neumann 7. Mai Heiland 7. Mai Dr. Lenz (Godesberg) 7. Mai Peters 23. April Pelster 23. April Kunze (Bethel) 23. April Dr. Maier (Stuttgart) 16. April Kühlthau 9. April Mißmahl 9. April Frau Lockmann 9. April Frau Kettig 2. April Dr. Pfleiderer 2. April Morgenthaler 2. April Dr. Kather 2. April Gedat 2. April Bauknecht 2. April Schuler 2. April Dr. Seffrin 2. April Frau Beyer (Frankfurt) 2. April Rademacher 2. April Dr. Jentzsch 2. April Euler 2. April Dr. Hesberg 2. April Kirchhoff 2. April Schrader 2. April Diedrichsen 2. April Frau Welter (Aachen) 2. April Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 1. April Ladebeck 1. April Frau Dr. Schwarzhaupt 1. April Feldmann 1. April Berendsen 1. April Hepp 31. März Dr. Baade 31. März Frau Nadig 31. März Dr. Wellhausen 31. März Naegel 31. März Frau Dr. Probst 31. März Hufnagel 31. März Brockmann (Rinkerode) 31. März Dr. Leverkuehn 31. März Even 31. März Seiboth 31. März Haasler 31. März Walz 31. März Paul 31. März Schütz 31. März Schneider (Bremerhaven) 31. März Neuburger 31. März Kalbitzer 31. März Jahn (Frankfurt) 31. März Dr. Kreyssig 31. März Dr. Schmid (Frankfurt) 31. März Brandt (Berlin) 31. März b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Becker (Hersfeld) 30. April Dr. Graf Henckel 30. April Kalbitzer vom 12. April bis zum 16. Mai Josten vom 4. April bis zum 20. Mai
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Michael Horlacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    So? Dann nehme ich das wieder zurück,

    (große Heiterkeit)

    weil ich ja ,auch so höflich bin. Man soll sich das Leben nicht gegenseitig saurer machen, als es sowieso schon ist.
    In der Begründung lesen Sie nach — ich will das im einzelnen nicht wiederholen —, was da gesagt wird über Marktaufsicht bei unvollständigem Wettbewerb, was da alles ausgeführt ist über den Markt, wenn der Wettbewerb vollständig in Ordnung ist. Das ist alles in der Begründung enthalten, viel besser, als ich es hier noch einmal wiederholen kann.
    Es gibt ganze mittelständische Gruppen, die nicht über den vollständigen Wettbewerb verfügen. Zu diesen Gruppen gehören Teile des Mittelstandes, und zum Mittelstand gehört auch die Landwirtschaft.

    (Sehr gut! bei der CSU.)

    Was hier bezüglich der Landwirtschaft ausgeführt ist, entspricht in vollem Umfange der Wirklichkeit. Nur hat der Gesetzgeber nicht mehr die Schlüsse daraus gezogen, die früher daraus gezogen worden sind. Es wäre seine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß diese Schlüsse auch jetzt gezogen werden.
    Ich darf hier nur betonen, daß die Landwirtschaft ja eine besondere Marktstellung hat. Das kann kein Mensch leugnen. Sie kann sich nicht übermäßig ausdehnen, sie kann sich nicht gleichzeitig nach der Konjunkturlage einschränken. Sie muß die Lage, die ihr die Naturbedingungen geben, so hinnehmen, wie sie ist. Sie muß eine Überproduktion hinnehmen, sie kann sie auch nicht regulieren; denn in der Landwirtschaft hängt alles von den gottgegebenen Naturbedingungen ab. Sie kann sich nicht beliebig verlagern, sie kann sich nicht beliebig verändern, sie kann nicht beliebig Betriebszusammenlegungen oder -umlegungen vornehmen. Sie kann ihre Produktionsart nicht beliebig ändern. Sie ist auch in ihrem Absatz an bestimmte Verhältnisse gebunden. Sie hat keinen regulären jährlich fortlaufenden Absatz der Produkte; auf Teilgebieten schon, nicht auf allen Gebieten. Wenn Sie die Getreideernte oder die Zukkerrübenernte und auch andere Gebiete betrachten, dann sehen Sie, ,daß hier der Begriff der Saison, des saisonmäßigen Absatzes eine Rolle spielt. Und der saisonmäßige Absatz der Landwirtschaft hat sich gegenüber früher sogar verstärkt. Ich erinnere nur an den Mähdrescher und die Verhältnisse, die dadurch herangewachsen sind. Der Landwirt heute neigt nicht so wie früher dazu, in den Winter hinein zu dreschen, sondern dazu, möglichst viel Getreide bis zum Monat Oktober, November, vor der Frostperiode, zu verkaufen. Das sind also ganz andere Verhältnisse als ehedem; und da muß jemand da sein, der das aufnimmt. Der Landwirt allein hat einen unvollständigen Wettbewerb. Denn die Millionen der Kleinbauern und Mittelbauern, die hier im Marktgeschehen drinstehen, sind vollständig Objekte des Marktgeschehens, wenn sie nicht von sich aus etwas unternehmen, um sich in den Wirtschaftsverkehr einschalten zu können.

    (Abg. Dr. Reif: Die sind doch im Gesetz gar nicht drin!)

    — Doch! Da haben Sie das Gesetz nicht ganz gelesen. Wenn Sie den alten Entwurf in Erinnerung haben, stimmt es; wenn Sie den neuen Entwurf meinen, dann stimmt es nicht. Aber ich zeige Ihnen das.

    (Abg. Dr. Reif: Ja, bitte!)

    Da ist nämlich die Sache so, daß die unteren Organe der landwirtschaftlichen Selbsthilfeorganisationen nach dem neuen 'Gesetzentwurf herausgenommen sind, aber die oberen Gebilde nicht, und in der Begründung zum alten Gesetzentwurf seitens des Bundesrates ist genau dargestellt, aus welchen Gründen diese oberen Gebilde der Abwehr und der Selbsthilfe notwendig sind. Deswegen möchten wir haben, daß diese Frage eingehend erörtert wird.
    Ich habe also die Gesichtspunkte, auf die es ankommt, herausgestellt und möchte das jetzt nicht vertiefen. Es ist wichtig, daß hier in vernunftgemäßer Weise zusammengearbeitet wird, um dem Gesetz eine Gestalt zu geben, damit es erstens der Gesamtbevölkerung dient, zweitens keine Störung in den Wirtschaftsaufstieg Deutschlands hereinträgt, drittens keine übermäßige Verbürokratisierung hervorruft und viertens dazu beiträgt, die Freiheit und Existenz jedes einzelnen deutschen Staatsbürgers in der deutschen Bundesrepublik sicherzustellen. Mit diesem Wunsche möchte ich hoffen, daß wir an die Beratung dieses Gesetzes herangehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Reif


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie entschuldigen, wenn ich meine Rede vom vorigen Donnerstag gewissermaßen fortsetze; denn Sie wissen: wir hatten vorzeitig abgebrochen, und ich hatte mich nach dem ersten Agreement bereit erklärt, nur zehn Minuten zu sprechen, mit denen ich nicht ganz ausgekommen war.
    Ich darf vielleicht an die Bemerkung anknüpfen, die mein verehrter Herr Vorredner zur Charakterisierung unseres Herrn Wirtschaftsministers gemacht hat, er sei eben ein Theoretiker. Diese
    I Versuche, diejenigen, die glauben, auf Grund jener


    (Dr. Reif)

    Zusammenfassung von Erfahrungen, die man im allgemeinen Theorie nennt, etwas von der Generallinie der Wirtschaftspolitik zu verstehen, ais Ideologen oder Dogmatiker zu diffamieren, sind ja ein Charakteristikum der Auseinandersetzung um dieses Kartellgesetz. Auf der einen Seite sagt man: das ist eine Angelegenheit von Spezialisten, und möchte damit den Eindruck erwecken, es handle sich um eine ganz harmlose Angelegenheit, die das Volk und die Politik nicht berühre. Auf der andern Seite versucht man — und ich habe das schon heute vor acht Tagen angedeutet —, sich Theoretiker zur Begründung der Ablehnung zu verschreiben. Ich möchte noch einmal feststellen: wenn sich der Bundesverband der Industrie einen bekannten sozialistischen Theoretiker, nämlich den Kollegen Peters aus Tübingen, holt, um in einem Memorandum den Nachweis zu führen, daß es die Wettbewerbswirtschaft gar nicht gebe, so ist das ein sehr gefährliches Spiel. Ich möchte sagen: wie unsicher muß die Situation ,derjenigen sein, die uns das Kartellgesetz des Herrn Bundeswirtschaftsministers ausreden wollen, wenn sich diese Vertreter der deutschen Industrie von einem sozialistischen Theoretiker den Nachweis führen lassen, daß es Wettbewerb nicht gibt. Ich weiß gar nicht, ob sich die Herren darüber klar sind, wie sie mit dem Feuer spielen, wenn sie das tun. Man sieht aber auch daraus, wieviel ihnen daran liegt, daß dieser Entwurf so, wie er ist, nicht zum Zuge kommt.
    Meine Damen und Herren, ich habe die Grundsätze, nach denen wir uns an der Arbeit an diesen drei Entwürfen beteiligen wollen, schon das letzte Mal entwickelt. Ich möchte hier nur noch eines ganz kategorisch feststellen, und ich möchte bitten, daß man in der Generaldebatte nicht immer um diesen entscheidenden Punkt herumgeht. Die beiden Möglichkeiten der Behandlung der Kartellfrage unterscheiden sich doch nur dadurch, daß in dem einen Fall die Regierung und ihre Apparatur die Beweislast für den Mißbrauch trägt, während in dem andern Fall, dem Fall des sogenannten Verbotsprinzips, das man eigentlich Erlaubnisprinzip nennen sollte, nicht mehr verlangt wird, als daß derjenige, der ein Kartell wünscht, nachweist, daß damit keine gefährlichen Nebenwirkungen verbunden sind. Nichts anderes als diese Übertragung der Beweislast auf die immer branchenmäßig sachverständigen Interessenten wird hier gefordert.
    Wenn man gegen diese beinahe selbstverständliche Forderung nun einen solchen Apparat aufwendet, wenn man, um es noch einmal zu sagen, sich theoretisch die Unmöglichkeit der Wettbewerbswirtschaft durch einen Anhänger der Planwirtschaft nachweisen läßt, wenn man in der Art, wie es z. B, in der „Kartelldebatte" geschehen ist, versucht, Äußerungen über die große Wendung der deutschen Wirtschaftspolitik vom Jahre 1878/79 als einen Ausfluß der Morgenthau-Gesinnung, als eine Beschimpfung unserer Vergangenheit hinzustellen, dann arbeitet man doch mit einem Geschütz, dessen Anwendung den Eindruck immer mehr verstärkt, daß man von dem eigentlichen Kernpunkt ablenken will. Und dieser Kernpunkt ist die Frage der Beweislast und sonst nichts.
    Damit komme ich auch zu den Bemerkungen, die der Kollege Horlacher eben gemacht hat. Selbstverständlich ist es so, daß es in der Wirtschaft verschiedene Machtverhältnisse gibt. Aber, Herr Kollege Horlacher, es ist doch nicht so, daß diese Machtverhältnisse in einer nichtorganisierten Wirtschaft vorhanden und in einer organisierten nicht vorhanden sind, sondern die ganze Tragödie der deutschen Wirtschaftsentwicklung der letzten 50, 60 Jahre besteht doch darin, daß in der Organisation ihrer Marktinteressen die Vertretung von Rohstoffen und Halbfabrikaten den Anfang gemacht hat und daß sie auch zuerst die wirklich leistungsfähigen Marktverbände entwickelt hat. Vom Konditionenkartell ging es aus über das Preiskartell zum Quotenkartell und von da zum Syndikat. Das ist ein inneres Lebensgesetz, das sich gerade in der deutschen Wirtschaftsgeschichte nachweisen läßt. Und danach erst wird doch die Weit erverarbeitung unter den Druck ihrer Vorproduktionen gesetzt, und es wird versucht, nun den Druck weiterzuwälzen, was dem letzten Verarbeiter, also demjenigen, der die wirkliche Veredelungsarbeit leistet, der in der Auseinandersetzung mit dem wirklichen Markt, mit dem Konsumenten und vor allen Dingen mit dem Weltmarkt steht, nicht mehr gelingt. Es ist eine völlige Verschiebung des Sinnes der Wirtschaft. Die Fertigverarbeitung, die Veredelung, wird in den Dienst der Halbfabrikation und der Rohstofferzeugung gestellt, wird diesen Gruppen tributpflichtig und hat meist gar nicht die Möglichkeit, diesen Druck weiterzuwälzen.
    Und gerade dann, wenn Sie die Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung einem freien Kapitalmarkt, einem natürlichen Zinsfuß und der Ausrichtung nach Rentabilitätsgesichtspunkten überlassen, ja, dann verfälschen Sie doch diese Daten, indem Sie durch Organisation Rentabilitätsverhältnisse erzwingen, die im wirklichen Markt gar nicht vorhanden wären. Es ist nicht so, daß man die deutsche Wirtschaft — sagen wir einmal — von seiten unserer Banken aus gezwungen hat, in ihren Investierungen die Rohstoffaufbereitung und die Halbfakrikation zu bevorzugen. Das ist eine Wirkung der durch die Kartelle denaturierten Rentabilitätsverhältnisse. Gerade in der Frage, die uns immer wieder gestellt wird: Wie kommen wir über gewisse Schwierigkeiten der Investitionen, besonders der Montanindustrie hinweg?, müssen wir doch heute dieses Erbe der Vergangenheit irgendwie überwinden. Es wäre ja gar nicht so schwierig, wenn nicht, insbesondere durch die Quotenkartelle, im rheinisch-westfälischen Industriegebiet Schächte abgeteuft worden wären, die man überhaupt nicht benutzen wollte, die man nur abgeteuft hat, um eine höhere Quote zu erzielen.
    Nun die andere Frage, meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden: eine kartellierte Wirtschaft ist ein Schutz gegen das Überhandnehmen anderer Formen der wirtschaftlichen Machtstellung, also z. B. der Konzernbildung. Wiederum muß ich sagen: wir brauchen doch bloß in der deutschen Wirtschaftsgeschichte der letzten 30 Jahre gerade hier in dieser Gegend uns umzusehen, um zu wissen, in wie starkem Maße — denken Sie doch an die Entstehung des Stinnes-Konzerns — es doch damals im Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat üblich war, daß einzelne Vertragspartner dazu gedrängt oder dazu verlockt wurden, durch sogenannten Eigenverbrauch aus der Disziplin des Kartells herauszukommen. Dieser Druck, aus der Preisdisziplin herauszukommen, hat dazu geführt, daß man sich nun vertikal alle möglichen Produktionen angegliedert hat. Also die Behauptung, daß eine durchkartellierte Wirtschaft einen Schutz gegen das Überhandnehmen anderer Machtpositionen darstelle, ist mindestens im Bereich der Montanindustrie und der Erzeugung von Halbfabrikaten — auf den kommt es an — nicht richtig. Die


    (Dr. Reif)

    deutsche Wirtschaftsgeschichte beweist das Gegenteil.
    Nun noch eines! Es spielt seit langem, ich möchte sagen, seit Anfang der 20er Jahre in Anwendung von Lehren des vielleicht nicht ganz richtig verstandenen Professors Schmalenbach — wobei ich offen lasse, wieweit er selbst daran schuld ist, daß er mißverstanden wurde — doch immer wieder die Behauptung eine Rolle, daß man die Kartelle, vor allem auch in Krisenzeiten, brauche, weil seit jener Zeit, in der der Wettbewerb vielleicht noch eine unbestrittene Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung war, der Anteil der fixen Kosten in der Produktion so gewachsen sei, daß man es dem Produzenten nicht nur nicht verübeln könne, sondern ihm empfehlen müsse, sich durch verbandsmäßige Organisation die Kostendeckung zu sichern. Wenn unsere Unternehmer doch endlich begreifen und manche vielleicht auch zugeben wollten, daß in der Tatsache des Größerwerdens der Bedeutung der fixen Kosten in der Produktion nicht eine Verhärtung, sondern ganz im Gegenteil eine größere Elastizität der Preisbildung liegt! Die Beweisführung geht doch genau umgekehrt. In den Bereichen wie der Montanindustrie, in denen die fixen Kosten schon seit langem eine sehr große Rolle spielen, ist unter Umständen der Konkurrenzkampf in Krisenzeiten sehr viel schärfer, gerade deshalb, weil man sich vorübergehend damit begnügen kann, nur die proportionalen Kosten zu decken. Darin liegt doch die Überlegenheit dieser Produktionsbetriebe. Sicherlich gibt es hier manchmal eine Verschärfung der Konkurrenz, die es dort, wo es nur proportionale Kosten gibt, gar nicht geben kann. Aber das heißt doch gerade, daß Maßnahmen zur Sicherung der Deckung der Generalunkosten oder der fixen Kosten oder wie Sie es nennen wollen, gar nicht notwendig sind. Dieses Argument zieht also nicht. Der Anteil der fixen Kosten an der Produktion — das wiederhole ich — macht die Preisberechnung der Unternehmungen beweglich und macht sie nicht starr.
    Ein letztes aus der Reihe der Argumente! Ich möchte mich ja nicht wiederholen. Ich komme noch einmal auf den merkwürdigen Versuch zu sprechen, den der Bundesverband der Deutschen Industrie gemacht hat, indem er sich einen sozialistischen, als Planwirtschaftler bekannten Theoretiker zu einer theoretischen Attacke auf das System des Wettbewerbs verschreibt. Im Zusammenhang der deutschen Kartelldebatte, die ja seit dem Jahre 1884 im Gange ist, ist immer wieder das Argument vorgetragen worden, daß eine kartellierte Wirtschaft auch sozialpolitisch leistungsfähiger sei als eine freie Wirtschaft. Für eine von Natur aus mächtige Branche wie die Montanindustrie und die Herstellung von Halbfabrikaten ist es richtig, daß, wenn diese Branche durchkartelliert ist, die in ihr beschäftigte Arbeitnehmerschaft in der Lage ist, falls die betreffende Gewerkschaftsgruppe mit den Unternehmern an einem Strang zieht, der Volkswirtschaft einen Tribut aufzuerlegen, an dessen Ertrag sie durch höhere Löhne Anteil hat. Wir haben das ja in unserem Vaterlande gelegentlich erlebt, insbesondere bei den Kohlenpreisen. Aber das ist eben die Ausnutzung eines Machtverhältnisses. Und was ist denn die Folge? Die Folge ist doch, daß diejenigen Produzenten und ihre Arbeitnehmer, die auf die Weiterverarbeitung dieser Rohstoffe oder Halbfabrikate angewiesen sind, auch sozialpolitisch und lohnpolitisch in die Enge getrieben werden, und zwar auch die Arbeitnehmer an der Peripherie der Produktion, d. h. dort, wo die Veredelungsarbeit geleistet wird. Gerade diese Arbeitnehmer zahlen doch die Kosten der Lohnpolitik, die, wie ich vollkommen zugebe, innerhalb des Zentrums der Volkswirtschaft, d. h. dort, wo die Rohstoffe und Halbfabrikate erzeugt werden, auf Grund der Machtstellung ermöglicht wird. Das ist aber kein echtes volkswirtschaftliches Argument, sondern das ist ganz im Gegenteil die Anerkennung einer für den weitaus größten Teil der deutschen Arbeitnehmer höchst unerfreulichen Tatsache.
    Ich möchte schließen mit der Bemerkung, mit der ich am vorigen Donnerstag meine Ausführungen eingeleitet habe: Man soll diese ganze Kartellfrage doch nicht so hinstellen, als handle es sich hier um eine ökonomische Auseinandersetzung im engeren Sinne. Es handelt sich auch um eine ökonomische; das ist ganz selbstverständlich. Aber ich sagte Ihnen schon neulich: ist denn das ein Zufall, daß diejenigen Länder, in denen der bürgerliche Individualismus in der Wirtschaft und auch in der Politik von jeher eine entscheidende Rolle gespielt hat, sobald sich diese auf der Vertragsbasis entstehende Ausschaltung der Freiheit des Wettbewerbs bemerkbar machte, zu einer Verbotsgesetzgebung geschritten sind?

    (Abg. Raestrup: Wo denn?)

    Das ist doch kein Zufall. — Wo denn? Nun, an- gefangen hat Kanada, dann sind die Vereinigten Staaten gefolgt. Wenn die Engländer es nicht brauchen, dann liegt das daran, wie ich neulich schon gesagt habe — —

    (Abg. Raestrup: Und in Europa?)

    — Ich spreche jetzt von den Engländern; ich kann ja nicht alles in einem Satz sagen.

    (Abg. Raestrup: Ich kann ja mal fragen!)

    Wenn die Engländer ein solches Kartellgesetz nicht gebraucht haben, so liegt es doch einmal daran, daß der englische Unternehmer durch das Ausmaß seines Individualismus überhaupt kartellfeindlich ist und daß die wenigen Fälle, wo es wirklich einmal notwendig war, durch die Anwendung des englischen Common Law erledigt wurden. Ich sagte neulich, wie zur Zeit der Bill of Rights Mr. Justice Coke einem Ansinnen der Londoner Ärzte, die bei der fachmäßigen Beurteilung der Zulassung eines Kollegen einen gewissen Zunftgeist entwickelten und die Dinge nach dem Bedürfnisprinzip erledigen wollten, begegnet ist. Damals ist jenes Urteil ergangen, das heute noch für die englische Rechtspraxis eine gewaltige Bedeutung hat, in der dieser Versuch, eine Monopolstellung zu schaffen, abgewehrt wurde. Und von dieser Zeit an hat die englische Gesetzgebung konsequent den Standpunkt vertreten, daß die Wettbewerbsfreiheit nicht durch Vertrag eingeschränkt werden kann.
    Nun, meine Damen und Herren, ich bin gefragt worden, wie es im übrigen Europa ist. Ich gebe vollkommen zu — aber ich glaube, das würde viel zu sehr in die Einzelheiten gehen, wenn ich Ihnen das jetzt im einzelnen nachweisen wollte —, daß es eine gewisse Klientel der deutschen Kartellverordnung von 1923 gibt, z. B. in Polen, z. B. in Jugoslawien, ein sehr viel verbessertes System in der Tschechoslowakei. Aber von diesen Ländern, um die es sich da handelt, ist eigentlich nur die Tschechoslowakei, und auch die nicht einmal so wie wir, als Industrieland im eigentlichen Sinne des


    (Dr. Reif)

    Wortes anzusprechen. Wenn Agrarländer, wenn Länder, in denen die Agrarproduktion die bei weitem überwiegende Rolle im volkswirtschaftlichen Budget spielt und die nun auch einige Industriegruppen haben, angesichts der sehr viel geringeren volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Industriegruppen zu einer Gesetzgebung gekommen sind, die sich an die deutsche Verordnung vom November 1923 anlehnt, so ist das nicht weiter beweiskräftig. Denn bei ihnen spielt eben diese Frage volkswirtschaftlich nicht eine solche Rolle wie in einem Lande, das nun schon seit fast hundert Jahren von der Entwicklung seiner Industrie und von der Auseinandersetzung dieser Industrie mit dem Weltmarkt lebt.
    Aber ich komme noch einmal auf das Politische zurück. Schon die früheren Kartelldebatten in Deutschland — und wir haben sie seit 1884 — haben immer wieder gezeigt, daß wir in unserem Volk einen merkwürdig großen Respekt vor jeder, nun, ich möchte einmal sagen, künstlichen Ordnung, vor dem Begriff des Ordnens haben und sehr viel weniger Sinn für die natürliche Ordnung, die in den Dingen selber liegt. Ich sagte vorhin, es ist kein Zufall, daß die angelsächsischen Länder auf Grund des dort herrschenden Individualismus, der ja auch ihr Verfassungsleben kennzeichnet und, ich möchte sagen, auszeichnet gegenüber dem Bemühen bei uns; wir quälen uns damit ab, eine demokratische Verfassung demokratisch zu handhaben. Das steckt eben dort seit Jahrhunderten drin. Dieses Volk aber ist durch seine Geschichte gewohnt, an eine Ordnung von oben zu glauben. Das spielt in unserem Denken noch eine sehr große Rolle. Wenn jemand sagt: Der Markt muß doch geordnet werden, dann wird er bei dem Laienpublikum in Deutschland immer sehr schnell Zustimmung finden. Denn sie alle haben das Bedürfnis, zu sagen: Das ist richtig; irgend jemand muß sagen, was geschehen soll. Das hat uns leider unsere deutsche Geschichte als Hypothek auferlegt. Ich bin aber der Meinung, daß wir es überwinden müssen, wenn wir Demokraten werden wollen.
    Nun ein Allerletztes. In jenen Bereichen der durchorganisierten Wirtschaft vollzieht sich ein gewisser sozialer Ausleseprozeß, den ich persönlich für nicht gut halte. In dem Maße nämlich, in dem in gewissen Bereichen der Produktion das ökonomische oder, um es einmal deutlicher zu sagen, das kaufmännische Risiko ausgeschaltet wird, wird nach und nach die bisher kaufmännische Leitung des Unternehmens ersetzt durch die technische. Diesen Prozeß können Sie überall beobachten. Ich möchte nichts gegen unsere Techniker und ihre gewaltigen Leistungen sagen. Aber Wirtschaft ist Wirtschaft, und ich behaupte, daß ein Industrievolk, ein großes, ein bedeutendes Industrievolk, das sich in der Auseinandersetzung mit dem Weltmarkt behaupten will, es sich auf die Dauer gar nicht leisten kann, daß die eigentlichen Dispositionen unserer entscheidenden Unternehmungen mehr von technischen als von kaufmännischen Uberlegungen bestimmt werden. Ich glaube, daß wir schon in der Art und in dem Ablauf der Weltwirtschaftskrise von 1929/30 — so, wie die Dinge sich bei uns abgespielt haben — genügend Erfahrungsmaterial darüber finden können, daß es eben nicht kaufmännisches Handeln und Überlegen gewesen ist, das in der Zeit vorher vielfach den Gang der Dinge bestimmt hat, sondern das an sich sehr ehrenwerte, sehr nützliche technische Denken.
    Ich halte diesen Prozeß auch für sozial gefährlich. Je stärker die Organisation und Konzentration — damit will ich abschließen —, um so geringer die Aufstiegschancen derjenigen Menschen, die als junge Kaufleute in diese Betriebe hineinkommen und die glauben, auf Grund ihrer Erfahrungen einmal das Recht zu haben, in der Leitung der Betriebe mitzuwirken. Sie können das auf der ganzen Linie beobachten. Bitte, sehen Sie sich die deutschen Unternehmungen in den letzten Jahrzehnten an! Sehen Sie sich an, wie groß der Anteil der Kartellierung gewesen ist; sehen Sie sich selbstverständlich auch die Konzernbildungen an, und Sie werden finden: Dort wird allmählich eine Führungsauslese Mode, die mit einem kaufmännischen Ausleseprozeß nichts mehr zu tun hat. Ich will in diesem Zusammenhang nicht das Wort „verbürokratisieren" gebrauchen; so weit ist es noch nicht überall. Aber gewisse Merkmale für die Aufstiegsberechtigung, wie sie auch in der Bürokratie üblich sind — und ich möchte vielleicht hinzufügen: schon zu einer Zeit, wo wir noch keine Demokratie in Deutschland hatten, in der Bürokratie üblich waren —, setzen sich nach und nach auch in unseren großen Unternehmungen durch. Das halte ich sozial und wirtschaftlich und politisch für bedenklich.
    Sehen Sie also diese Frage, meine Damen und Herren, bitte nicht als eine Angelegenheit enger Spezialisten an. Es ist eine Frage der wirtschaftspolitischen Generallinie an sich. Es ist eine Frage der Wirtschaftsverfassung genau wie die Frage des Mitbestimmungsrechts, und es ist deshalb auch eine eminent politische Frage. Ich habe neulich gesagt, dieses Parlament hat darüber zu entscheiden, ob diese politische Frage in Anerkennung ihrer Vielgestaltigkeit und ihrer zentralen Bedeutung entschieden wird oder nicht. Ich habe neulich die Bemerkung des Herrn Bundeswirtschaftsministers zitiert: „Wir werden eine Rüstungshausse in Deutschland verhindern; wir haben die Machtmittel dazu". Der Beweis, o b wir sie haben — wir kennen sie; ob wir aber die Macht haben, sie anzuwenden —, wird dadurch geliefert, wie dieses Haus die Kartellfrage auf Grund der Vorlagen, die jetzt zur Verfügung stehen, erledigt.

    (Beifall bei der FDP.)