Ja, man merkt schon das Läuten der Osterglocken da herinnen, dann zieht auch das Kartellgesetz nicht mehr.
Im Mittelpunkt des Kartellgesetzes sollte der Mensch mit seiner wirtschaftlichen Betätigung stehen, und die Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstandes sollte das Ziel .dieses Gesetzes sein. Aber daneben kommt noch ein höheres Ziel in Frage, das noch über dem Kartellgesetz als solchem steht: die Freiheit der Person und ihre Beziehung zum Wirtschaftsleben, und zwar als Wirtschaftssubjekt, sicherzustellen, d. h. die Person davon frei zu machen, daß sie zum Wirtschaftsobjekt allzustarker Wirtschaftskräfte wird. Das ist das Bemühen des Entwurfs, die allzustarken Wirtschaftskräfte in ihrer Betätigung entsprechend einzuengen, damit die einzelnen Personen nicht in die Gefahr kommen, von diesen übermächtigen Kräften in ihrer wirtschaftlichen Existenz irgendwie beeinträchtigt zu werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister folgendes sagen. Daß das Gesetz, wie wir es landläufig erklären, dem Schutze der Verbraucher dient, ist richtig, es trifft aber nicht genau des Ganze; denn im Wirtschaftsgeschehen sind wir oft Erzeuger und gleichzeitig Verbraucher. Insbesondere kommen hier Teile der mittelständischen Wirtschaft in Frage. Auf diese Verhältnisse muß nach meiner Überzeugung besonders Rücksicht genommen werden. Unter solchen Gesichtspunkten baut sich die Soziale Marktwirtschaft ein.
Ich will nun nicht zu den Ausführungen über Mißbrauchsgesetzgebung und Verbotsgesetzgebung Stellung nehmen; das will ich den Beratungen im Ausschuß überlassen, ich will mich in keine dogmatischen Auseinandersetzungen darüber einlassen. Aber das Gesetz, wie es jetzt im Regierungsentwurf vorliegt, richtet sich ja nicht bloß gegen die Kartelle und nicht in einer solchen Form, wie es im Interesse der Wirtschaft wünschenswert wäre, d. h. es schießt über das Ziel hinaus. Aber der Gesetzentwurf hat auch noch etwas Grundsätzliches an sich. Er ist nicht nur kartellfeindlich, sondern auch kooperationsfeindlich, d. h. er wehrt sich gegen alle Zusammenschlüsse, gleichgültig, welchen Motiven solche Zusammenschlüsse entsprechen.
Der Herr Wirtschaftsminister hat sich auch im Plenum zu diesen Fragen geäußert, und diese Abschnitte möchte ich hier einmal bekanntgeben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird von mir etwas höflicher behandelt, als es teilweise hier geschehen ist.
— Nicht hier? Das ist traurig genug, aber einer seiner Hintermänner wird ihm schon berichten.
Aber das hindert mich nicht, das herauszuheben, was hier wichtig ist.
Er führte am 24. März aus:
Es entspricht dem Zeitgeist, wenn heute die Durchsetzung von Gruppeninteressen und Sonderwünschen oder das Verlangen nach stärkerem Wettbewerbsschutz immer mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Ordnung vertreten wird, obwohl Teilregelungen dieser Art das Gefüge der umfassenden Ordnung sprengen und in die Atomisierung und Isolierung treiben müssen. Demgegenüber erkläre ich, daß es in einem geordneten Staat nur eine Ordnung geben kann; das ist die gesellschaftliche Ordnung als Ganzheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn dieser Begriff auf das gesamte Wirtschaftsleben angewendet wird, dann bedeutet das, daß die ordnenden Funktionen, die ,beispielsweise die mittelständische Wirtschaft mit Recht für sich in Anspruch nimmt, hier zugunsten der Funktionen, die die Großen sowieso haben, außer Kraft gesetzt werden. Es muß also eine Ordnung im Gefüge der Wirtschaft da sein, die auf die mittelständische Schichtung der Wirtschaft entsprechend Rücksicht nimmt.
Dann fährt er fort:
Die Zerklüftung und Zerrissenheit einer Gesellschaft wird sich um so stärker ausprägen, je mehr diese in sogenannte Teilordnungen aufgegliedert ist. Der staatliche Dirigismus und Kollektivismus werden um so üppiger gedeihen, je mehr aus diesem Grund ein Zwang vorliegt, das Getrennte mit künstlichen Mitteln wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen.
Hier ist eben nicht auf die innere Schichtung der Bevölkerung und des Wirtschaftslebens Rücksicht genommen. Dann fährt er weiter fort:
Wo Marktordnungen und Berufsordnungen überhandnehmen, da wuchert der Egoismus.
Ich sage folgendes: Wo keine Marktordnungen und Berufsordnungen ,der mittelständischen Wirtschaft bestehen, ist der Egoismus der großen Gebilde des Wirtschaftslebens allein maßgebend.
Das ist das, was in der Konzeption des Bundeswirtschaftsministers aus dem Rahmen seiner Sozialen Marktwirtschaft herausfällt. Da wird die Marktwirtschaft nicht mehr sozial, da wird sie unsozial, da wird diese Marktwirtschaft den Übermächtigen des Wirtschaftslebens ausgeliefert. Ich
muß ja sagen: Der Bundeswirtschaftsminister ist sonst ein glänzender Mann, den bringt kaum etwas aus der Ruhe. Er hat auch viel geleistet, das wol-. len wir nicht abstreiten. Aber er ist gleichzeitig ein großer Theoretiker, und er versteht es, mit gleisnerischen Worten das der Bevölkerung so klar zu machen, daß man es selbst glaubt, auch wenn man nicht möchte.
Er übt also hier eine magnetische Anziehungskraft auf das Denken der Bevölkerung aus. Um so mehr ist es für uns notwendig und wichtig, daß wir hier Obacht geben, damit die Verhältnisse nicht über uns hinweggehen und letzten Endes etwas anderes zustande kommt, als wir wünschen müssen.
Ich darf hier aus den Ausführungen des Herrn Professor Dr. Back zu diesem Punkt folgendes zitieren:
Die Frage erhebt sich, ob ein gleichmäßiges Verbot aller Zusammenschlüsse, Rechtsgeschäfte usw., die überhaupt eine Einschränkung des Wettbewerbs befürchten lassen, alle Marktteilnehmer gleichmäßig trifft. Wir kennen einerseits Zusammenschlüsse von Unternehmen, die durch eine entsprechende Beschränkung des Wettbewerbs unter den Mitgliedern diese erst befähigen, gemeinsam auf höherer Ebene oder auf der vorgelagerten Produktions- oder Handelsstufe eine wirtschaftliche Tätigkeit in Konkurrenz . mit größeren Unternehmungen aufzunehmen, und andererseits Zusammenschlüsse größerer kapitalistischer Unternehmungen, die mit ihrem Zusammenschluß sich eine Monopolstellung verschaffen wollen und zu deren Ausnützung eine Politik des Behinderungswettbewerbs mit marktstrategischen Mitteln betreiben.
Sie sehen hier das Bestreben von Teilen der Wirtschaft — und das ist auch ein gesundes Bestreben —, sich durch organische, vernünftige Zusammenschlüsse gegen das Überwuchern eines totalen Zusammenschlusses von einigen Großen zur Wehr zu setzen. Deshalb ist die Frage für uns von so ausschlaggebender Bedeutung.
Wir müssen dabei also berücksichtigen, daß wir hier ein harmonisches Zusammenwirken der Wirtschaftskräfte sicherstellen, daß wir hier nicht die Übermacht der Großen sichern und demnach durch allzu weitgehende Verbote die Korrektur der Wirtschaft auf den verschiedenen Gebieten unmöglich machen. Wir haben den Wunsch, daß hier keine Störung im Wirtschaftsleben eintritt. Wir haben den Wunsch, daß das marktpolitische Gleichgewicht unter allen Umständen aufrechterhalten wird. Wir wollen hier nicht durch Kartellgesetze ein marktpolitisches Übergewicht der Großen stabilisieren, sondern wir wollen durch eine vernünftige Gesetzgebung das marktpolitische Gleichgewicht der kleinen und mittleren Existenzen sicherstellen.
Das ist unsere Aufgabe.
Das heißt mit anderen Worten — ich könnte es auch noch anders formulieren —: Wir müssen die entsprechenden Startbedingungen in der Wirtschaft dort korrigieren, wo es notwendig ist. Denn einem Monopol zu Leibe rücken — schauen Sie sich doch die Gesetze an! —, das kann nicht einmal der Herr Bundeswirtschaftsminister. Ich glaube, das bringt er nicht fertig.